VwGH 2011/08/0094

VwGH2011/08/009412.9.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der A T in M, vertreten durch Radel Stampf Supper Rechtsanwälte OG in 7210 Mattersburg, Brunnenplatz 5b, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Burgenland vom 22. März 2011, Zl. LGS-Bgld./KP1/0566/2011, betreffend Zurückweisung des Antrages auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes mangels Zuständigkeit, zu Recht erkannt:

Normen

32004R0883 Koordinierung Soziale Sicherheit Art1 litj;
32004R0883 Koordinierung Soziale Sicherheit Art65;
AlVG 1977 §46 Abs1;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §46;
32004R0883 Koordinierung Soziale Sicherheit Art1 litj;
32004R0883 Koordinierung Soziale Sicherheit Art65;
AlVG 1977 §46 Abs1;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §46;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 10. Jänner 2011 hat die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice M (in der Folge: AMS) den Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes vom 17. Dezember 2010 gemäß § 44 AlVG iVm Art. 71 Abs. 1 lit.a sublit. ii EG-VO 1408/71 mangels Zuständigkeit zurückgewiesen und damit begründet, dass der Beschwerdeführerin nach Prüfung der vorgelegten Unterlagen als echte Grenzgängerin einzustufen sei.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, dass sie bereits während ihrer Beschäftigung in der Schweiz seit dem 8. Februar 2010 in M (in Österreich) hauptgemeldet gewesen sei; ihr Lebensmittelpunkt sei in Österreich, sofern sie nicht im Ausland arbeiten würde. Auf dem Formular E 301 sei von der Schweiz die Adresse in M als Hauptwohnsitz geführt worden. Sie habe sich bei ihren Eltern in Ungarn nur deshalb nicht abgemeldet, damit sie die ungarische Staatsbürgerschaft nicht verliere.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde dieser Berufung keine Folge gegeben und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt.

In ihrer Bescheidbegründung ging die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensganges unter Bezugnahme auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin, deren niederschriftlichen Angaben vom 17. Dezember 2010 und 10. März 2011, auf eine Meldebestätigung vom zentralen Melderegister sowie den Leistungsakt des AMS davon aus, dass die 25 jährige Beschwerdeführerin, eine ungarische Staatsbürgerin, zuletzt immer befristete Arbeitsverträge mit der T-AG, einem (Reisebüro‑) Unternehmen mit Sitz in der Schweiz und daraus resultierende Versicherungszeiten in der Schweiz vom 21. Mai bis 31. Oktober 2008, vom 21. Dezember 2008 bis 31. Jänner 2010 und vom 9. Mai bis 10. Oktober 2010 aufweisen könne. Laut den Arbeitsverträgen sei ihre Funktion die Betreuung von Kunden der X-Touristik, einer Marke der T-GmbH. Die T-AG sei nach dem Arbeitsvertrag, wonach auf das Arbeitsverhältnis schweizerisches Recht anwendbar sei, berechtigt, die Beschwerdeführerin weltweit einzusetzen; diese habe die angeführte Tätigkeit auch in verschiedenen Ländern ausgeübt und nach den Lohnunterlagen über ein Gehalt von ca. EUR 700,-- verfügt. Seit 8. Februar 2010 behaupte die Beschwerdeführerin einen Wohnsitz an einer näher angeführten Adresse in M (mit H als Unterkunftgeber), wobei es sich um ihre erste polizeiliche Meldung in Österreich handle.

Im Zuge des Ermittlungsverfahrens habe die Beschwerdeführerin zu dieser Wohnsitznahme mitgeteilt, das Gästezimmer von H zu bewohnen, es liege dafür kein Mietvertrag vor und sie bezahle für die Unterkunft auch keine Miete. Weiters habe sie erklärt, dass ihre Eltern in S (getrennt) leben; sie sei bei ihrem Vater nach wie vor polizeilich gemeldet. Von den ungarischen Behörden sei ihr eine Bescheinigung über einen vorübergehenden Auslandsaufenthalt bei aufrechtem Wohnsitz in Ungarn ausgestellt worden. Dazu habe sie ausgeführt, dass sie für die ungarische Staatsbürgerschaft einen solchen Wohnsitz in Ungarn benötige, weil sie ansonsten sämtliche Papiere, wie z.B. den Reisepass, umschreiben lassen müsste; zu ihrem Vater bestünde ein gespanntes Verhältnis und sie würde die Familie zu den Feiertagen, Geburtstagen etc. besuchen, aber keine regelmäßige Familienbesuche machen. Ihre Einkäufe würde die Beschwerdeführerin in Österreich erledigen, weil diese hier billiger wären; da die Dienstleistungen in Ungarn billiger wären (Frisör, Maniküre, Zahnarzt, etc.), würden sie diese dort in Anspruch nehmen. Bis auf eine kurze Beschäftigung bei der Firma A vom 13. bis 16. Dezember 2010, welche die Beschwerdeführerin auf Grund der Abweisung ihres Antrages auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes vom 19. Oktober 2010 (Anm.: welcher mit Bescheid des AMS vom 15. November 2010 abgewiesen wurde, da sie die "Ein-Tage-Regelung" nicht erfüllt habe) aufgenommen habe, würden keine Versicherungszeiten in Österreich vorliegen. Weiters habe die Beschwerdeführerin eine Einstellungszusage ab 1. Mai 2011 als Kundenbetreuerin in Griechenland vorgelegt.

Neben Zitierung von § 44 AlVG kam die belangte Behörde zum Ergebnis, dass die Beschwerdeführerin mit Ausnahme der polizeilichen Meldung mit 8. Februar 2010 in M keinerlei Bezug zu Österreich habe und führte dazu im Wesentlichen aus, dass die Beschwerdeführerin auf Grund ihres Beschäftigungsverhältnisses als Kundenbetreuerin bei X-Touristik mit Versicherungspflicht in der Schweiz sich überwiegend in diversen Ländern in Europa mit Ausnahme Österreich aufgehalten habe; trotz der genannten polizeilichen Meldung in Österreich sei ihr Wohnsitz in Ungarn nach ihren eigenen Angaben noch aufrecht. Durch das Aushilfsdienstverhältnis bei der Firma A in Österreich vom 13. bis 16. Dezember 2010, welches erst nach der Ablehnung des ersten Zuerkennungsantrages vom 19. Oktober 2010 erfolgt sei, habe eine Bindung an Österreich oder die tatsächliche Verlegung des Lebensmittelpunktes nach Österreich nicht festgestellt werden können. Das Haus an der Adresse in M, an der die Beschwerdeführerin ihren Hauptwohnsitz behaupte, gehöre H. Aus ihren Angaben (wonach sie darin das Gästezimmer bewohne, weder Miete bezahlt noch ein Mietvertrag abgeschlossen worden sei, H ein Bekannter ihres Stiefvaters J sei und sie diesen Wohnsitz damit begründet habe, dass sie sich mit ihrem Vater nicht sehr gut verstehen würde) habe nur der Schluss gezogen werden können, dass es sich bei der Unterkunftgebung durch H um einen Gefälligkeitsdienst handle; sie selbst stehe in keinem Verhältnis zu H. Ebenso sei davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin auf Grund ihrer europaweiten Tätigkeit "nicht ausgerechnet in einem Land, in welchem (s)ie weder berufliche noch private Bindungen unterhalte, ihren ordentlichen Wohnsitz nehme". Auch sei daraus zu schließen, dass die Unterbringung in einem Gästezimmer bei einem Bekannten ihres Stiefvaters keine Verlegung des tatsächlichen Wohnsitzes darstelle, zumal sie während Ihrer Tätigkeit bei X-Touristik über ein ausreichendes Gehalt verfügte und somit nicht auf eine Unterbringung in einem Gästezimmer auf Dauer angewiesen sei. Von einer tatsächlichen Wohnsitzverlegung könne nur dann gesprochen werden, wenn sie in Österreich tatsächlich "eine Wohnung genommen" hätte. Eine Bindung zu Österreich habe die Beschwerdeführerin im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht nachweisen können, zumal sie weder eine Lebensgemeinschaft mit einem Österreicher noch einen Wohnungsankauf bzw. Wohnungsanmietung habe nachweisen können, sich während Ihrer Tätigkeit niemals in Österreich aufgehalten und gemäß ihrer Angaben zu den Feiertagen und sämtlichen Familienfesten ihre Familie in Ungarn aufsuche. Dass sie während Ihrer letzten Beschäftigung bei X-Touristik nicht wöchentlich einmal nach Ungarn zurückgekehrt sei, erkläre sich aus den europaweiten Einsatzgebieten, welche diese Tätigkeit nach sich ziehe. Auf Grund dessen sei davon auszugehen, dass sie ihre Bindung an ihr Heimatland Ungarn nach wie vor aufrecht erhalte und die behauptete Wohnsitznahme in einem Gästezimmer in M nicht als Wohnsitzverlegung angesehen werden könne, zumal sie sich auch niemals berufsbedingt in Österreich aufgehalten habe. Aus ihren Angaben im Ermittlungsverfahren habe entnommen werden können, dass ihr Lebensmittelpunkt während ihrer arbeitsfreien Zeit in Ungarn bei ihrer Familie gelegen sei, wo sie bei ihrem Vater und ihren beiden Geschwistern polizeilich gemeldet sei.

Die Beschwerdeführerin habe auch noch erwähnt, dass ihr eine Fahrt nach S nicht möglich sei, weil sie über kein Auto verfüge, und dazu bei der Vorsprache am 10. März 2011auf die Verbindung mit der Bahn von M nach S angesprochen erklärt, dass ihr diese bekannt sei. Überdies habe sie bei der Vorsprache an diesem Tag auf Nachfrage spontan ihre ungarische Telefonnummer aus dem Gedächtnis bekannt gegeben und auf die Frage nach einem in Österreich gemeldeten Telefon erst nach der Telefonnummer schauen müssen, da sie diese nicht auswendig gewusst habe, und dies damit erklärt, dass sie in jedem Land, in welchem Sie beruflich eingesetzt werde, über ein eigenes Handy verfügen würde. Daher sei - so die belangte Behörde abschließend - "nunmehr festzustellen", dass die Beschwerdeführerin als Grenzgänger gemäß Artikel 65 Abs. 2 VO /EG) Nr. 883/2004 einzustufen sei. Grenzgänger müssten sich der Arbeitsmarktverwaltung des Wohnmitgliedstaats zur Verfügung stellen und erhalten Leistungen nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats, als ob diese Rechtsvorschriften für ihn während seiner letzten Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit gegolten hätten. Für Grenzgänger sei daher nicht der Staat der letzten Beschäftigung, sondern der Wohnstaat zuständig. Der Wohnstaat habe die EU(EWR)-Auslandszeiten, auch dann zu berücksichtigen, wenn zuletzt im Wohnstaat keine Versicherungszeiten erworben worden seien.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 46 Abs. 1 AlVG ist der Anspruch auf Arbeitslosengeld bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle persönlich geltend zu machen.

§ 44 AlVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 179/1999 hat folgenden Wortlaut:

"§ 44. (1) Die Zuständigkeit der regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice (in den übrigen Bestimmungen "regionale Geschäftsstellen'' genannt) und der Landesgeschäftsstellen des Arbeitsmarktservice (in den übrigen Bestimmungen "Landesgeschäftsstellen'' genannt) richtet sich

1. soweit Rechte und Pflichten des Arbeitgebers betroffen sind, nach dem Sitz des Betriebes;

2. soweit Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers betroffen sind,

a) in Angelegenheiten der Sondernotstandshilfe nach dem Hauptwohnsitz (§ 1 Abs. 7 des Meldegesetzes 1991, BGBl. Nr. 9/1992, in der Fassung des Hauptwohnsitzgesetzes, BGBl. Nr. 505/1994) und

b) in den übrigen Angelegenheiten nach dessen Wohnsitz, mangels eines solchen nach dessen gewöhnlichem Aufenthaltsort.

(2) Ist auf Grund internationaler Verträge bei einem Wohnsitz im Ausland der Bezug von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe im Inland zulässig, so ist die regionale Geschäftsstelle zuständig, in deren Bezirk der Arbeitslose zuletzt beschäftigt war. Dies gilt auch für die Geltendmachung des Anspruches (§ 46), die Einhaltung der Kontrollmeldungen (§ 49) und die Erfüllung der Meldepflicht (§ 50). Das gleiche gilt für den Bezug eines Pensionsvorschusses gemäß § 23. Für die Krankenversicherung des Leistungsbeziehers (§ 40 Abs. 1) ist die nach dem Sitz der regionalen Geschäftsstelle örtlich zuständige Gebietskrankenkasse zuständig."

Art. 65 der ab 1. Mai 2010 in Geltung stehenden VO (EG) Nr. 883/2004 lautet (auszugsweise) wie folgt:

"(1) Eine Person, die während ihrer letzten Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat gewohnt hat, muss sich bei Kurzarbeit oder sonstigem vorübergehendem Arbeitsausfall ihrem Arbeitgeber oder der Arbeitsverwaltung des zuständigen Mitgliedstaats zur Verfügung stellen. Sie erhält Leistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaates, als ob sie in diesem Mitgliedstaat wohnen würde. Diese Leistungen werden von dem Träger des zuständigen Mitgliedstaats gewährt.

(2) Eine vollarbeitslose Person, die während ihrer letzten Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat gewohnt hat und weiterhin in diesem Mitgliedstaat wohnt oder in ihn zurückkehrt, muss sich der Arbeitsverwaltung des Wohnmitgliedstaats zur Verfügung stellen. Unbeschadet des Artikels 64 kann sich eine vollarbeitslose Person zusätzlich der Arbeitsverwaltung des Mitgliedstaats zur Verfügung stellen, in dem sie zuletzt eine Beschäftigung oder ein selbstständige Erwerbstätigkeit ausgeübt hat.

Ein Arbeitsloser, der kein Grenzgänger ist und in seinen Wohnmitgliedstaat zurückkehrt, muss sich der Arbeitsverwaltung des Mitgliedstaats zur Verfügung stellen, dessen Rechtsvorschriften zuletzt für ihn gegolten haben.

(3) Der in Absatz 2 Satz 1 genannte Arbeitslose muss sich bei der zuständigen Arbeitsverwaltung des Wohnmitgliedstaats als Arbeitsuchender melden, sich dem dortigen Kontrollverfahren unterwerfen und die Voraussetzungen der Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats erfüllen. …"

Für die Zuständigkeit der regionalen Geschäftsstelle im Sinne des § 46 Abs. 1 AlVG bezüglich der Antragstellung auf die Zuerkennung von Arbeitslosengeld kommt es auf den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort im Zeitpunkt der Antragstellung an (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Februar 1997, Zl. 96/08/0303). Für eine Anspruchsbegründung nach Art. 65 VO (EG) Nr. 883/2004 ist in erster Linie entscheidend, wo die Beschwerdeführerin während der letzten Beschäftigung ihren Aufenthaltsort hatte.

Schon die Begründung der belangten Behörde, die ständig von Wohnsitz spricht und diesen (in Österreich) verneint, ist unklar:

Man kann den Ausführungen der belangten Behörde nicht verlässlich entnehmen, ob sie jetzt glaubt, dass die Beschwerdeführerin einen Aufenthalt in Österreich bloß behauptet (also tatsächlich in Ungarn wohnt) oder ob sie davon ausgeht, dass ein "Wohnsitz" (möglicherweise auch ein ständiger Aufenthaltsort) nur mittels Mietvertrag oder auf Grund persönlicher Beziehungen angenommen werden könne. Damit hält der Bescheid den Begründungserfordernissen für eine nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes nicht stand (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, Seite 1044 wiedergegebene ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Darüber hinaus hat die belangte Behörde, die sich in ihrer Bescheidbegründung im Wesentlichen auf die Angaben der Beschwerdeführerin stützt, es unterlassen, dieser Parteiengehör zu den daraus abgeleiteten Ermittlungsergebnissen einzuräumen und ihr zuvor Gelegenheit zu weiterem Vorbringen zu geben (vgl. dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2007, Zl. 2002/17/0346). Auch mit der Frage des Willensentschlusses der Beschwerdeführerin, ihre Lebensbeziehungen bis auf weiteres mit einem bestimmten Ort zu verbinden (vgl. dazu das Erkenntnis vom 12. Dezember 1995, Zl. 95/08/0155), hat sich die belangte Behörde nicht auseinandergesetzt. Die dazu herangezogenen Angaben der Beschwerdeführerin in der Niederschrift am 10. März 2011 beziehen sich vor allem auf den behaupteten Zweitwohnsitz in Ungarn; darüber hinaus fehlen aber das Ergebnis der Behörde tragende Ermittlungen und Feststellungen zur abschließenden Beurteilung der "Situation" an der Adresse in M. Die belangte Behörde wäre im Sinne der sie treffenden Pflicht nach §§ 37 ff AVG amtswegig zur Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise verhalten gewesen; dies bedeutet, dass (auch) möglichst an einem Sachverhalt unmittelbar Beteiligte als Zeugen niederschriftlich einzuvernehmen sind (vgl. dazu auch die hg. Erkenntnisse vom 20. November 1990, Zl. 90/18/0169, und vom 20. September 2006, Zl. 2006/08/0125). Dazu wäre hier auch die Befragung des Unterkunftgebers erforderlich gewesen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 1995, Zl. 95/08/0155).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 12. September 2012

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte