Normen
EStG §16 Abs1 Z6 litb;
EStG §16 Abs1 Z6 litc;
EStG §16 Abs1 Z6;
EStG §20 Abs1;
VwGG §13 Abs1 Z1;
EStG §16 Abs1 Z6 litb;
EStG §16 Abs1 Z6 litc;
EStG §16 Abs1 Z6;
EStG §20 Abs1;
VwGG §13 Abs1 Z1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Mitbeteiligte, der seinen Hauptwohnsitz seit 1994 in Pöchlarn hat, war während der ersten sieben Monate des Streitjahres, wie schon seit Juni 2003, bei einem Arbeitgeber in St. Valentin beschäftigt (von seinem Hauptwohnsitz nach den Feststellungen der belangten Behörde rund 67 km, davon rund 60 km Autobahn, entfernt). Von August bis Dezember 2006 arbeitete er, wie noch zur Zeit der Berufungsverhandlung im Februar 2008, bei einem Arbeitgeber in Laakirchen (vom Hauptwohnsitz etwa 131 km, davon rund 125 km Autobahn, entfernt).
Seit dem Jahr 2000 verfügte der Mitbeteiligte auch über eine Garconniere in seinem früheren Studienort Linz (89 km von Pöchlarn entfernt). Linz liegt etwa 29 km (davon 23 km Autobahn) westlich von St. Valentin und etwa 58 km (davon rund 52 km Autobahn) nordöstlich von Laakirchen. Mit 1. August 2006 mietete der Mitbeteiligte statt der bisherigen Garconniere (monatlicher Mietzins 50 EUR) eine größere Wohnung im selben Haus an (72 m2, Mietzins 131 EUR).
Während der Beschäftigung in St. Valentin (Jänner bis Juli 2006) pendelte der Mitbeteiligte von seinem Hauptwohnsitz in Pöchlarn aus dorthin. Nur "gelegentlich" übernachtete er in der Garconniere in Linz. Ab dem Beginn der Beschäftigung in Laakirchen (August bis Dezember 2006) fuhr er von der Wohnung in Linz aus zur Arbeit und kehrte jeweils am Wochenende an den Familienwohnsitz in Pöchlarn zurück. Die Wegzeit zwischen der Wohnung in Linz und der Arbeitsstätte in Laakirchen beträgt mit öffentlichen Verkehrsmitteln mehr als zweieinhalb Stunden, mit dem Auto nur eine halbe Stunde.
Strittig ist in Bezug auf die Monate Jänner bis Juli 2006, ob dem Mitbeteiligten das "kleine" Pendlerpauschale (§ 16 Abs. 1 Z 6 lit. b EStG 1988 in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung) nur für eine von der Garconniere in Linz aus berechnete Fahrtstrecke von 20 bis 40 km zusteht, wie das beschwerdeführende Finanzamt meint, oder ob die belangte Behörde mit Rücksicht darauf, dass die Fahrten nach St. Valentin tatsächlich weit überwiegend nicht von Linz, sondern von Pöchlarn aus stattfanden, mit Recht das Pauschale für Fahrtstrecken von mehr als 60 km berücksichtigt hat.
Für die Monate August bis Dezember 2006 hatte das Finanzamt im Hinblick auf die Verkehrsverhältnisse zwischen Linz und Laakirchen das "große" Pendlerpauschale (§ 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung) für Fahrtstrecken von 40 bis 60 km berücksichtigt. Die belangte Behörde hielt daran fest, berücksichtigte aber im Gegensatz zum Finanzamt - nach der in der Beschwerde vertretenen Auffassung zu Unrecht - auch die Kosten der doppelten Haushaltsführung in Pöchlarn und Linz und der Familienheimfahrten von Linz nach Pöchlarn. Sie führte dazu aus, die berufsbedingte Zweitwohnung müsse sich entgegen der vom Finanzamt im Berufungsverfahren vertretenen Ansicht nicht "unmittelbar am Beschäftigungsort" befinden. Das werde zwar in der Regel der Fall sein, weil Arbeitnehmer nicht auch noch Kosten und Zeitaufwand für den Weg vom Zweitwohnsitz zur Arbeitsstätte auf sich nehmen wollten, doch könne sich die - mangels Zumutbarkeit der täglichen Rückkehr an den Hauptwohnsitz erforderliche - Zweitwohnung statt direkt am Arbeitsort auch in zumutbarer Entfernung davon befinden. Der Begriff des "Beschäftigungsortes" werde in diesem Sinn dessen "gesamten Einzugsbereich" umfassen. Linz sei "im Nahebereich" von Laakirchen, weil die Entfernung unter der höchsten für das Pendlerpauschale maßgebenden Kilometergrenze (60 km) liege. Die belangte Behörde verwies auch darauf, dass Linz näher bei Pöchlarn liege als Laakirchen und die Miete für die Wohnung in Linz nicht nur für dort, sondern "auch für Kleinstädte" ausgesprochen niedrig sei, sodass es für die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für Zweitwohnung und Familienheimfahrten nicht schädlich sein könne, dass die Zweitwohnung sich in Linz und nicht in Laakirchen befinde. Dass sich der Mitbeteiligte - aus, wie er einräume, privaten Gründen, nämlich wegen seines dortigen Bekanntenkreises und der besseren Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung - für eine Wohnung in Linz statt in Laakirchen entschieden habe, bedürfe nur im Zusammenhing mit dem Pendlerpauschale für die Fahrten zwischen Linz und Laakirchen noch einer weiteren Erörterung.
Pendlerpauschale einerseits und doppelte Haushaltsführung sowie Familienheimfahrten andererseits, so die belangte Behörde, schlössen sich zwar "regelmäßig" aus, doch liege im vorliegenden Fall der Zweitwohnsitz zwischen Arbeitsstätte und Hauptwohnsitz, sodass sich die Entfernung zwischen Zweitwohnsitz und Arbeitsstätte in einer geringeren Entfernung bei den Familienheimfahrten auswirke. Die Fahrten von Linz nach Laakirchen habe der Mitbeteiligte tatsächlich unternommen, und wenn ihm das Pauschale dafür unstrittig zustünde, wenn sein Hauptwohnsitz in Linz wäre, dann müsse das auch für das regelmäßige Pendeln vom dortigen Nebenwohnsitz aus gelten.
Gegen die Bemessung des Pauschales für den ersten und die Berücksichtigung der Kosten der doppelten Haushaltsführung und Familienheimfahrten im zweiten Teilzeitraum richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde des Finanzamtes. Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet. Der Mitbeteiligte hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1. Zum Zeitraum Jänner bis Juli 2006:
Werbungskosten sind gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 erster Satz EStG 1988 u.a. die "Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte". Strittig ist dabei für den Zeitraum Jänner bis Juli 2006 nur die Frage, ob bei der Bemessung des beim Mitbeteiligten zu berücksichtigenden "kleinen" Pendlerpauschales (§ 16 Abs. 1 Z 6 lit. b EStG 1988) von der tatsächlich überwiegend zurückgelegten Fahrtstrecke zwischen dem Arbeitsort St. Valentin und dem Familienwohnsitz des Mitbeteiligten in Pöchlarn auszugehen war (Pauschale für mehr als 60 km), oder ob sich der Mitbeteiligte entgegenhalten lassen musste, er hätte stattdessen von seiner Zweitwohnung (Garconniere) in Linz aus nach St. Valentin pendeln können (Pauschale für 20 bis 40 km). Die Zweitwohnung des Mitbeteiligten war im vorliegenden Fall keine bloße, von Arbeitskollegen mitbenutzte Schlafstelle im Sinne der hg. Erkenntnisse vom 28. Oktober 2008, 2006/15/0145, VwSlg 8380/F, und vom 17. Dezember 2008, 2006/13/0196, weshalb das von der belangten Behörde erzielte Ergebnis nicht schon deshalb dem Gesetz entsprach, weil es an einer Zweitwohnung in Wahrheit fehlte. Die im vorliegenden Fall vielmehr zu beantwortende Frage, welche der beiden "Wohnungen" des Mitbeteiligten die für die Anwendung des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 maßgebliche war, ist im Sinne der von der belangten Behörde gewählten Auslegung zu lösen. Die Bestimmung spricht in lit. b von der "Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, die der Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend zurücklegt," und stellt damit auf die tatsächlichen Verhältnisse ab. Dass es bei der Abgrenzung des "kleinen" Pauschales vom "großen" (§ 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988) nach der Anordnung des Gesetzgebers unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der Benützung von Massenbeförderungsmitteln auf ein Element der Notwendigkeit des Aufwands ankommt, rechtfertigt keine Verweisung des Steuerpflichtigen auf ihm zur Verfügung stehende alternative Wohnmöglichkeiten, von denen er überwiegend nicht Gebrauch gemacht hat. Überlegungen dieser Art, wie sie in der Beschwerde unter Berufung auf das Abzugsverbot gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 angestellt werden, sind für die Berücksichtigung der Kosten doppelter Haushaltsführung, aber nicht im Zusammenhang mit den pauschalierten Kosten der Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 von Bedeutung (vgl. dazu die schon zitierten Erkenntnisse vom 28. Oktober und 17. Dezember 2008).
Die von der belangten Behörde als gegenteilig erwähnten Lohnsteuerrichtlinien 2002, AÖF Nr. 255/2001, verweisen in Rz 259 auf das hg. Erkenntnis vom 19. September 1995, 91/14/0227, das aber einen Fall betraf, in dem der Weg zur Arbeit überwiegend von der Garconniere am Arbeitsort aus angetreten worden war. Das Erkenntnis enthielt als obiter dictum die Bemerkung, bei Vorliegen mehrerer Wohnsitze seien "nur Fahrt- bzw Wegstrecken zwischen dem nächstgelegenen Wohnsitz und dem Arbeitsort zu berücksichtigen", ohne dies zum zuvor noch hervorgehobenen, die Entscheidung tragenden und im Gesetz verankerten Kriterium der "überwiegend zurückgelegten" Fahrtstrecke in Beziehung zu setzen. Die als Beleg ins Treffen geführte Literaturstelle (Doralt, EStG2 (1992), § 16 Tz 112, gemeint war Tz 114) gab eine gleichartige Meinung in den Lohnsteuerrichtlinien 1992 wieder, der der Autor aber in Übereinstimmung mit der hier vertretenen Auffassung "das Gesetz" entgegenhielt (vgl. jetzt Doralt, EStG13 (2009), § 16 Tz 114). Das Erfordernis eines Vorgehens nach § 13 Abs. 1 Z 1 VwGG ergibt sich aus diesem obiter dictum nicht.
2. Zum Zeitraum August bis Dezember 2006:
Zu den Werbungskosten gemäß § 16 Abs. 1 erster Satz EStG 1988 zählen als "Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen" nach ständiger Rechtsprechung auch unvermeidbare Mehraufwendungen, die dem Abgabepflichtigen dadurch erwachsen, dass er am Beschäftigungsort wohnen muss und ihm die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort ebenso wenig zugemutet werden kann wie die tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz (vgl. mit Hinweisen auf Vorjudikatur das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 2010, 2007/13/0095, und daran anschließend etwa die Erkenntnisse vom 23. November 2011, 2010/13/0148, und vom 24. November 2011, 2008/15/0235 und 2008/15/0296). Im vorliegenden Fall steht außer Streit, dass die Aufgabe des Familienwohnsitzes in Pöchlarn dem Mitbeteiligten schon im Hinblick auf die Erwerbstätigkeit seiner Frau nicht zumutbar war. In Bezug auf die tägliche Rückkehr meint das Finanzamt nun, sie wäre trotz der Entfernung von 131 km zwischen Laakirchen und Pöchlarn wegen der Autobahnverbindung zumutbar gewesen, doch handelt es sich bei diesem erst in der Beschwerde vertretenen und näher dargelegten Standpunkt um eine unzulässige Neuerung, worauf auch die belangte Behörde in der Gegenschrift unter Hinweis auf eine gegenteilige Erklärung des Finanzamts im Verwaltungsverfahren zu Recht verweist.
Das Finanzamt beruft sich aber auch auf Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes, in denen von Mehrkosten die Rede ist, die dem Arbeitnehmer erwachsen, weil er "am Beschäftigungsort" wohnen müsse und die Verlegung des Familienwohnsitzes "in eine übliche Entfernung zum Ort der Erwerbstätigkeit" nicht zumutbar sei (vgl. zuletzt etwa das Erkenntnis vom 22. Dezember 2011, 2008/15/0157). Der Verwaltungsgerichtshof, so das Finanzamt, bringe damit zum Ausdruck, dass zwar die Zumutbarkeit, den Familienwohnsitz in übliche Entfernung zum Beschäftigungsort zu verlegen, die Berücksichtigung von Kosten der doppelten Haushaltsführung schon ausschließe, aber nur bei einem zweiten Haushalt am Beschäftigungsort selbst eine allfällige private Mitveranlassung in den Hintergrund trete. Der Mitbeteiligte habe sich aus privaten Gründen für Linz statt Laakirchen entschieden, womit es an einem objektiven Zusammenhang zwischen seinem zweiten Haushalt und seiner Berufstätigkeit fehle.
Dem ist entgegenzuhalten, dass es an einem objektiven Zusammenhang nicht fehlt, wenn die tägliche Rückkehr vom Arbeitsplatz an den Ort des zweiten Haushaltes zumutbar und der Familienwohnsitz für eine tägliche Rückkehr vom Arbeitsplatz dorthin zu weit entfernt ist. Dem Formulierungsunterschied in Erkenntnissen der vom Finanzamt erwähnten Art stehen Erkenntnisse wie die zuvor zitierten vom Mai 2010 und November 2011 gegenüber, in denen auch von der Prüfung der Zumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes "an den Beschäftigungsort" die Rede ist, und auch in den vom Finanzamt zitierten Erkenntnissen zielt die Erwähnung der Alternative, "am Beschäftigungsort" einen zweiten Haushalt zu führen oder den Familienwohnsitz "in eine übliche Entfernung zum Ort der Erwerbstätigkeit" zu verlegen, für den Fall, dass letzteres nicht zumutbar ist, nicht auf den Ausschluss eines zweiten Haushalts in "üblicher Entfernung" ab. Die Amtsbeschwerde widerspricht in diesem Punkt im Übrigen der Ansicht, dass sich bei einem Steuerpflichtigen, der unzumutbar weite tägliche Fahrten zum Familienwohnsitz auf sich nimmt, die Begrenzung der Geltendmachung der damit verbundenen Kosten durch fiktive Kosten eines zweiten Haushalts auf die Kosten einer Zweitwohnung "im Einzugsbereich" beziehen soll (so das Lohnsteuerprotokoll 1996, ÖStZ 1996, 313; vgl. dazu etwa Doralt, EStG11 (2007), § 4 Tz 362; Zorn in Hofstätter/Reichel, EStG Kommentar, § 16 Abs. 1 Z 6 Tz 3 und § 20 Tz 6.2). Die 1996 eingefügte Bezugnahme auf "Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten)" in § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 knüpft an die bestehende Rechtsprechung und Verwaltungspraxis an (vgl. Doralt/Kofler, EStG11, § 20 Tz 104/11) und verfolgt ebenfalls nicht den Zweck, eine Unterscheidung der in der Amtsbeschwerde vertretenen Art zu implizieren.
Für den vorliegenden Fall verweist die belangte Behörde darauf, dass die privat veranlasste Entscheidung, die beruflich notwendige Zweitwohnung nicht in Laakirchen, sondern in Linz anzumieten, keine erhöhten Wohnkosten mit sich gebracht habe und die Kosten der Familienheimfahrten im Gegenteil verringere, weil die Zweitwohnung zwischen dem Beschäftigungsort und dem Familienwohnsitz liegt. Problematisch ist nur, wie die belangte Behörde richtig darlegt, die pauschalierte Berücksichtigung des Aufwandes für die Fahrten zwischen Linz und Laakirchen. Mit Rücksicht auf die Verringerung der Kosten der Familienheimfahrten und den Umstand, dass die Zweitwohnung in Linz noch in "üblicher Entfernung" vom Beschäftigungsort liegt (vgl. in diesem Zusammenhang etwa Zorn, a.a.O., § 20 Tz 5, Fahrtkosten vom Wohnort zur Betriebs/Arbeitsstätte), ist der angefochtene Bescheid aber auch in diesem Punkt, den die Amtsbeschwerde im Übrigen nicht releviert, nicht als rechtswidrig zu erkennen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 31. Juli 2012
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