VwGH 2011/16/0209

VwGH2011/16/02099.11.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des E L in I, vertreten durch Mag. Robert Peisser, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Templstraße 5b, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, vom 24. August 2011, Zl. RV/0121-I/11, betreffend Erbschaftssteuer, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art140 Abs5;
B-VG Art140 Abs7;
ErbStG §12 Abs1 Z1;
B-VG Art140 Abs5;
B-VG Art140 Abs7;
ErbStG §12 Abs1 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und der mit dieser vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich Folgendes:

Der Beschwerdeführer ist Legatar nach seinem am 4. Dezember 1999 verstorbenen Großvater H L. Auf Grund eines Legates erwarb er nach diesem zwei Liegenschaften, einen Geschäftsanteil an der H L. KG sowie endbesteuertes Vermögen.

Mit vorläufigem Bescheid vom 20. Dezember 2006 hatte das Finanzamt dem Beschwerdeführer nach § 8 Abs. 4 ErbStG Erbschaftssteuer im Betrag von EUR 1.754,32 vorgeschrieben. Mit endgültigem Bescheid vom 31. Jänner 2011 schrieb die Abgabenbehörde erster Instanz dem Beschwerdeführer gemäß § 200 Abs. 2 BAO Erbschaftssteuer nach § 8 Abs. 1 und 4 ErbStG im Betrag von insgesamt EUR 36.534,81 und eine Nachforderung in der Höhe von EUR 34.780,49 vor.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wandte der Beschwerdeführer ein, die Festsetzung der Erbschaftssteuer mit Bescheid vom 31. Jänner 2011 sei verfassungswidrig. Das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz sei mit Ablauf des 31. Juli 2008 außer Kraft genommen worden, sodass die mit Bescheid vom 31. Jänner 2011 erfolgte Steuerfestsetzung auf einem nicht mehr existenten Gesetz beruhe, sodass die Festsetzung gesetzwidrig sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab und sprach aus, dass der Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz vom 31. Jänner 2011 unverändert bleibe. Auf die vor der Aufhebung des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes 1955 verwirklichten Tatbestände - so die Begründung dieses Bescheides in dem für das Beschwerdeverfahren wesentlichen Kern - sei (mit Ausnahme von "Anlassfällen", bei denen eine gleichgelagerte Beschwerde bis zur betreffenden Session beim Höchstgericht einlange) jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis nichts anderes ausspreche. Habe der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis eine Frist gesetzt, so sei das Gesetz auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles anzuwenden. Dem Beschwerdefall komme zweifelsfrei keine Anlasswirkung zu. Die Anwendung des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes 1955 sei in keiner Weise verfassungs- oder gesetzwidrig. Zu welchem Zeitpunkt für vor dem 1. August 2008 verwirklichte Tatbestände der Erbschaftssteuerbescheid erlassen werde, sei in diesem Zusammenhalt rechtlich unmaßgeblich.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Unterbleiben einer Festsetzung einer Erbschaftssteuer verletzt; er begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Ferner stellt er den Antrag, der Beschwerde gemäß § 30 Abs. 2 VwGG aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer vertritt wie schon im Abgabenverfahren auch vor dem Verwaltungsgerichtshof die Ansicht, der Verfassungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 7. März 2007, G 54/06 u.a., § 1 Abs. 1 Z. 1 ErbStG als verfassungswidrig aufgehoben, wobei die Aufhebung mit Ablauf des 31. Juli 2008 in Kraft und frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft getreten seien. Die dem Bundeskanzler zur Reparatur des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes 1955 - ErbStG aufgetragene Frist sei ungenützt verstrichen. Da nun eine Reparatur des § 1 Abs. 1 Z. 1 ErbStG nicht erfolgt sei, wäre die Abgabenbehörde erster Instanz nicht berechtigt gewesen, am 31. Jänner 2011 einen neuen Erbschaftssteuerbescheid gegen den Beschwerdeführer zu erlassen.

Mit Erkenntnis vom 7. März 2007, G 54/06 u.a. = VfSlg. 18.093/2007, hob der Verfassungsgerichtshof § 1 Abs. 1 Z. 1 ErbStG als verfassungswidrig auf. Weiters sprach er aus, dass die Aufhebung mit Ablauf des 31. Juli 2008 in Kraft trete und frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft träten.

Unbestritten ist, dass mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid dem Beschwerdeführer gegenüber Erbschaftssteuer für Legate des am 4. Dezember 1999 verstorbenen Großvaters des Beschwerdeführers vorgeschrieben wurde.

Ist ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden, so sind nach Art. 140 Abs. 7 B-VG alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Hat der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis eine Frist gemäß Art. 140 Abs. 5 B-VG gesetzt, so ist das Gesetz auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles anzuwenden.

Der vorliegende Beschwerdefall ist kein "Anlassfall" im besagten Sinn.

Die Aufhebung eines Gesetzes durch den Verfassungsgerichtshof bedeutet, dass das aufgehobene Gesetz auf die Sachverhalte, die sich vor dem Tag der Kundmachung oder - im Falle der Setzung einer Frist nach Art. 140 Abs. 5 B-VG - auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Sachverhalte - mit Ausnahme des Anlassfalles -

weiterhin anzuwenden ist. Wann ein "verwirklichter Tatbestand" im Sinn des Art. 140 Abs. 7 B-VG gegeben ist, hängt im Allgemeinen vom materiellen Recht, um dessen Anwendung es geht, ab (vgl. etwa Mayer, B-VG4, Anm. V.1. zu Art. 140 B-VG mwN).

Nach § 12 Abs. 1 Z. 1 erster Halbsatz ErbStG entsteht die Steuerschuld bei Erwerben von Todes wegen mit dem Tode des Erblassers. In Anwendung auf den vorliegenden Beschwerdefall folgt daraus, dass der nach Art. 140 Abs. 7 B-VG maßgebende "Tatbestand" mit dem Tod des Legatars am 4. Dezember 1999 verwirklicht worden war, sohin vor Ablauf der für die Aufhebung des § 1 Abs. 1 Z. 1 ErbStG vom Verfassungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis vom 7. März 2007 gesetzten Frist, weshalb dieses Gesetz auf den vorliegenden Beschwerdefall, der kein Anlassfall ist, Anwendung findet. Der Zeitpunkt der bescheidförmigen Festsetzung der Erbschaftssteuer ist hiebei nicht von Belang.

Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Damit erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Wien, am 9. November 2011

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