VwGH 2009/09/0228

VwGH2009/09/022815.12.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des PW in M, vertreten durch Dr. Michael Tischler, Rechtsanwalt in 5580 Tamsweg, Amtsgasse 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 5. März 2009, Zl. VwSen-251923/17/Kü/Ba, betreffend Bestrafung nach dem AuslBG (weitere Partei: Bundesministerin für Finanzen, Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §2 Abs2 litb;
AuslBG §2 Abs4;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AuslBG §2 Abs2 litb;
AuslBG §2 Abs4;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das zur Vertretung nach außen berufene Organ der I. GmbH zu vertreten, dass diese als Arbeitgeberin die rumänische Staatsangehörige Andrea P. in der Zeit vom 18. März bis zum 11. Juni 2007 in ihrem Barbetrieb in B. sowie vom 20. bis zum 30. Juli 2007 in ihrem Barbetrieb in M. als Prostituierte beschäftigt habe, obwohl keine der im Einzelnen genannten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen vorgelegen sei. Der Beschwerdeführer habe § 3 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG verletzt und werde mit einer Geldstrafe von EUR 2.000,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Stunden) bestraft.

Im Jahr 2007 habe die I. GmbH Bordelle in B. und M. betrieben. Die genannte rumänische Staatsangehörige sei in den beiden Lokalen als Prostituierte tätig gewesen. Andrea P. sei selbst auf den Beschwerdeführer zugekommen, um dort die Prostitution auszuüben. Sie sei nicht angeworben worden. Die Zimmer zur Prostitutionsausübung in den beiden Lokalen würden von den Damen für längere Zeiträume, das könne drei Wochen oder länger sein, und nicht stundenweise angemietet. Die Damen bezahlten die Miete am Monatsende. Eine angebotene Wohnmöglichkeit habe Andrea P. nicht wahrgenommen. Sie habe den Preis für die Prostitutionsausübung selbst bestimmt und das Entgelt direkt vom Kunden kassiert. Sie habe keine Provisionen für den Getränkekonsum erhalten. Die Lokale seien von 20.00 Uhr bis 05.00 Uhr in der Früh geöffnet gewesen. In dieser Zeit sei die Prostitutionsausübung möglich gewesen. Eine Anwesenheitspflicht für Andrea P. habe nicht bestanden. Sie habe ihre Anwesenheit im Lokal selbst bestimmen können. Der Beschwerdeführer habe die Gesundheitsbücher der Prostituierten bzw. die Durchführung der notwenigen Untersuchungen kontrolliert. Der Beschwerdeführer habe keine Anordnung zur Verwendung von Kondomen gegeben. Die angemieteten Zimmer seien von den Prostituierten selbst betreut worden. Sie hätten nach der Zimmerbenützung die Bettwäsche zur Schmutzwäsche gegeben. Von der I. GmbH sei den Damen neue Wäsche übergeben worden. Die Prostituierten hätten die Betten dann selbst neu überzogen. Den Damen sei in beiden Lokalen als Aufenthaltsbereich eine Küche zur Verfügung gestanden, die den Kunden nicht zugänglich gewesen sei.

Eine Tätigkeit als Animierdame und Prostituierte in einem Bordell werde in der Regel in ähnlicher wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit erbracht wie in einem Arbeitsverhältnis. Bei den von der I. GmbH betriebenen Lokalen handle es sich um Bordelle. Ohne Anwesenheit von Prostituierten würde der Geschäftszweck der Lokale nicht verwirklicht. Obwohl von Andrea P. keine Anwesenheit im Lokal gefordert worden sei und sie während der Betriebszeiten des Lokals die Möglichkeit gehabt hätte, die Prostitution nach von ihr bestimmten Preisen auszuüben, sei doch im weitesten Sinn im Hinblick auf den oben geschilderten Zweck eines Bordells von einer planmäßigen Eingliederung der Prostituierten in die Betriebsorganisation der Lokale des Beschwerdeführers auszugehen. Die Prostituierten hätten in den Lokalen eigene Aufenthaltsbereiche gehabt. Der Beschwerdeführer habe deren Gesundheitsausweise kontrolliert und bei fehlender Eintragung die Ausübung der Prostitution untersagt. Er habe den Prostituierten Wohnmöglichkeiten zur Verfügung gestellt, die allerdings von Andrea P. nicht in Anspruch genommen worden seien. Darüber hinaus seien die Prostituierten angewiesen, die vom Beschwerdeführer angemieteten Zimmer nach Benützung mit neuer von der I. GmbH zur Verfügung gestellten Bettwäsche zu versehen. Unabhängig davon, dass Andrea P. in ihrer Zeiteinteilung völlig frei gewesen sei, bestehe eine wirtschaftliche und organisatorische Verknüpfung mit dem Betrieb der I. GmbH, weil sich die Attraktivität der vom Beschwerdeführer betriebenen Lokale ausschließlich aus der Anwesenheit von Prostituierten ergebe. Der Beschwerdeführer habe nicht jene atypischen Umstände darzulegen vermocht, die die Annahme rechtfertigen würden, dass die Prostituierte nicht in ähnlicher wirtschaftlicher oder persönlicher Abhängigkeit verwendet worden sei, wie dies in der Regel bei Arbeitnehmern der Fall sei. Es habe Arbeitnehmerähnlichkeit iSd § 2 Abs. 2 lit. b AuslBG vorgelegen.

Der Beschwerdeführer habe keine Argumente vorgebracht, die geeignet wären, seine Verantwortung in Bezug auf die Verwaltungsübertretung zu entkräften. Diese sei ihm auch in subjektiver Hinsicht anzulasten. Im Übrigen legte die belangte Behörde ihre Strafzumessungsgründe dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Mit den Fällen, in denen Prostituierten im Rahmen eines Bordellbetriebs Zimmer zur Prostitutionsausübung gegen Bezahlung einer Miete zur Verfügung gestellt worden waren, hat sich der Verwaltungsgerichtshof wiederholt beschäftigt. In dem dem hg. Erkenntnis vom 8. August 2008, Zl. 2008/09/0002, zu Grunde liegenden Fall wurden den Prostituierten wechselnde Zimmer zur Verfügung gestellt, sodass es schon an einem bestimmten Mietobjekt mangelte. Darüber hinaus war das Entgelt für die Ausübung der Prostitution vom Lokalbetreiber vorgegeben, wovon den Frauen ein Anteil gebührte. Die Frauen hatten im Ergebnis lediglich ihre persönliche Arbeitskraft ohne jedes ausgabenseitige Unternehmensrisiko beigestellt. Es waren Anwesenheitszeiten vereinbart worden mit dem Zweck, den reibungslosen Betrieb des Lokals zu gewährleisten. Ihre Tätigkeit war ein unverzichtbarer Bestandteil des betriebenen Unternehmens. Auch in dem dem hg. Erkenntnis vom 18. Mai 2010, Zl. 2009/09/0242, zu Grunde liegenden Fall bejahte der Verwaltungsgerichtshof das Vorliegen einer arbeitnehmerähnlichen Beschäftigung. Es war den Prostituierten zwar während der Öffnungszeiten des Betriebes frei gestellt, wann und wie lange sie ihrer Tätigkeit nachgehen. Jedoch wurde vom Betreiber des Bordells für die Dienstleistung und die Zimmerbenützung ein Preis pro halbe Stunde bzw. pro Stunde festgelegt und direkt an die Prostituierte bezahlt, die dann einen Teil des Entgelts an den Bordellbetreiber abzuführen hatte. Überdies waren die Ausländerinnen mit Provisionen am Getränkekonsum ihrer Gäste beteiligt. Die Prostituierten wurden von den Betreibern des Bordells zur wöchentlichen Gesundenuntersuchung gebracht. Auch in seinem Erkenntnis vom 20. Juni 2011, Zl. 2009/09/0056, hat der Verwaltungsgerichtshof das Vorliegen eines arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses bejaht. Hier hatte die Prostituierte in dem vom Bordellbetreiber zur Verfügung gestellten Zimmer gewohnt und die Gemeinschaftsküche benutzen können. In den Bordellöffnungszeiten war sie durchgehend anwesend gewesen. Sie hatte eine Hausordnung unterschreiben müssen. Es gab Preisrichtlinien für die Prostitutionsausübung, die der Getränkekarte der Bar zu entnehmen waren. Die Kellnerin der Bar hatte von den Kunden das Geld für die Liebesdienste kassiert und den Mädchen sogleich den ihnen zustehenden Anteil übergeben. Die Prostituierten wurden vom Hausmeister einmal pro Woche zur ärztlichen Untersuchung gebracht. Vor dem Weggehen hatten die Prosituierten den Bordellbetreiber um Erlaubnis zu fragen. Die Prostituierten waren mit Provisionen am Getränkekonsum, zu dem sie die Gäste animierten, beteiligt. In dem dem hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 2010, Zl. 2008/09/0067, zu Grunde liegenden Fall war ebenfalls eine Zimmermiete in Höhe von EUR 55,-- für eine Stunde zu bezahlen gewesen. Der Ablauf der Bezahlung gestaltete sich auch hier so, dass der Kunde den Gesamtpreis für den Liebesdienst, welcher sich aus der Zimmermiete sowie dem Honorar für die Prostituierte zusammensetzte, im Vorhinein beim Kellner bzw. der Kellnerin an der Bar bezahlte. Auch in diesem Fall waren die Prostituierten mit Provisionen am Getränkekonsum beteiligt. Sie waren mit Annoncen in einschlägigen Magazinen zur Tätigkeit im Nachtlokal angeworben worden. Ihnen war eine Wohnmöglichkeit und eine Mitfahrgelegenheit eingeräumt worden. All diesen Fälle war gemeinsam, dass von den Betreibern der Lokalitäten Rahmenbedingungen für die Ausübung der Prostitution geschaffen worden sind, die zu einer wirtschaftlichen Unselbständigkeit der Prostituierten geführt hatten (vgl. allgemein zu den Kriterien eines arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses etwa das hg. Erkenntnis vom 29. November 2000, Zl. 98/09/0153, mwN).

Hingegen hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem ebenfalls die Tätigkeit von Prostituierten betreffenden Erkenntnis vom 10. Dezember 2009, Zl. 2009/09/0102, ausgeführt, dass zwar die Zimmermiete, die Zurverfügungstellung einer unentgeltlichen Wohnmöglichkeit, die Berichterstattungspflicht, die Reinigung der Bettwäsche und die Einrichtung einer Homepage als Hinweis auf wirtschaftliche Abhängigkeit angesehen werden könnten, jedoch die freie Festsetzung des Liebeslohnes mit dem Kunden, das Fehlen eines fixen Monatslohns, von vorgeschriebenen Arbeitszeiten, von angeordneten Öffnungszeiten und von Anweisungen hinsichtlich Kleidung, Kondombenutzung etc. sowie die Vornahme der Raumpflege und die Besorgung der Bettwäsche durch die Prostituierten für deren selbstbestimmte unternehmerische Tätigkeit sprächen. Schließlich verneinte der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. September 2010, Zl. 2010/09/0069, das Vorliegen einer unselbständigen Beschäftigung im Sinne von § 2 Abs. 2 AuslBG in einem Fall, in dem die Prostituierten weder Vorgaben hatten, die Kunden zur Getränkekonsumation zu animieren, noch Provisionen dafür erhalten haben, wie auch - mit Ausnahme der Kontrolle der Gesundheitsbücher der Prostituierten und der Festlegung der abzuführenden Zimmermieten - keinerlei Weisungs-, Zeit- und Arbeitsplatzgebundenheit der Ausländerinnen vorgelegen hat und es eine strikte wirtschaftliche Trennung der Einnahmen der Prostituierten gegenüber denjenigen der Beschwerdeführerin gab.

Im vorliegenden Fall beschränkte sich die wirtschaftliche Beziehung zwischen der als Prostituierte tätigen ausländischen Staatsangehörigen Andrea P. und der I. GmbH im Wesentlichen darauf, dass eine von der Kundenfrequenz unabhängige monatliche Miete für die Benützung eines Zimmers in dem Bordell zu bezahlen war. Andrea P. ist selbst an die Betreiberin des Bordells herangetreten, um ihrer Tätigkeit nachgehen zu können. Das unternehmerische Risiko eines schlechten Geschäftsganges hat somit die ausländische Staatsangehörige und nicht die Bordellbetreiberin getroffen. Das Bordell war den Feststellungen zu Folge nicht am wirtschaftlichen Erfolg der Tätigkeit der Prostituierten beteiligt und nahm auf die Rahmenbedingungen der Prostitutionsausübung, insbesondere auf die Festsetzung des Entgelts für die Liebesdienste, keinen Einfluss. Die Kosten für die Reinigung der Wäsche waren - gegenteilige Feststellungen wurden nicht getroffen -

mit den Mietzahlungen abgedeckt. Die ausländische Staatsangehörige konnte den Liebeslohn zur Gänze behalten und hatte nichts an die Betreiberin des Bordells abzuliefern. In die Bezahlung der Liebesdienste durch die Freier war die Betreiberin des Bordells nicht eingebunden. Die Prostituierte war nicht (z.B. über Provisionen) am Getränkekonsum beteiligt. Es wurde nicht festgestellt, dass es ihre Aufgabe gewesen wäre, durch Animationstätigkeit den Umsatz im Lokal zu erhöhen, oder dass es ihr verwehrt gewesen wäre, (auch) in anderen Lokalitäten ihrer Tätigkeit nachzugehen. Dem Umstand, dass die Betreiberin des Bordells die Gesundheitsbücher der Prostituierten kontrollierte, kommt demgegenüber im Rahmen einer am wahren wirtschaftlichen Gehalt (§ 2 Abs. 4 AuslBG) orientierten Gesamtbetrachtung keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Es mag schließlich sein, dass die Betreiberin des Bordells ein Interesse daran hat, dass den Kunden genügend Prostituierte wie Andrea P. zur Verfügung stehen. Dies begründet jedoch unter den festgestellten Umständen keine wirtschaftliche Abhängigkeit, sondern allenfalls eine Stärkung der wirtschaftlichen Position der Prostituierten in Bezug auf die Höhe der von ihr zu bezahlenden monatliche Miete.

Im vorliegenden Fall ist die Prostitutionsausübung durch die ausländische Staatsangehörige nicht iSd § 2 Abs. 2 lit. b AuslBG erbracht worden.

Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand ist ein Ersatz der Umsatzsteuer nicht zuzuerkennen (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 687).

Wien, am 15. Dezember 2011

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