VwGH 2008/15/0299

VwGH2008/15/029925.10.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes Linz, 4021 Linz, Bahnhofplatz 7, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom 24. September 2008, RV/0679-L/08, betreffend Umsatzsteuer 2006 (mitbeteiligte Partei: Gverband in H), zu Recht erkannt:

Normen

31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art4 Abs5;
BAO §235;
BAO §236;
B-VG Art116a Abs1;
B-VG Art18 Abs1;
GdverbändeG OÖ 1988 §5 Abs1;
UStG 1994 §12 Abs1;
VwRallg;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art4 Abs5;
BAO §235;
BAO §236;
B-VG Art116a Abs1;
B-VG Art18 Abs1;
GdverbändeG OÖ 1988 §5 Abs1;
UStG 1994 §12 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Mitbeteiligte ist ein Gemeindeverband in Oberösterreich.

Aus dem Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung gemäß § 150 BAO für den Zeitraum Februar bis November 2006 ergibt sich als Zweck des Gemeindeverbandes die Sicherung und Weiterentwicklung der regionalen Wirtschaftsstruktur. Dieser Zweck solle insbesondere durch die Planung und Erschließung von Betriebsansiedlungsgebieten (Gewerbegebiet) und die Gestaltung gemeinsamer Marketingmaßnahmen erfüllt werden. Der Mitbeteiligte habe im Zuge der "Infrastrukturerrichtung" den Vorsteuerabzug u. a. aus "Straßenerrichtungsmaßnahmen" geltend gemacht hat. Er habe einerseits eine "innere Aufschließungsstraße" errichtet, die sich ausschließlich im Bereich des Betriebsansiedlungsgebietes (Gewerbegebietes) befinde. Andererseits habe er zusätzlich Straßenbaumaßnahmen auf der Bundesstraße B 38 (Abbiegespur, Busbucht, Verkehrsinsel, Einbindung von bestehenden Güterwegen in die neu errichteten Abfahrten von der Bundesstraße, etc.) vorgenommen. Auf der "inneren Aufschließungsstraße" gebe es Hinweisschilder "Gewerbegebiet (M) Mitte", allerdings keinen Hinweis auf Fahrverbote.

In Bezug auf die Errichtung der "inneren Aufschließungsstraße" habe der Mitbeteiligte den Vorsteuerabzug zur Gänze geltend gemacht. In Bezug auf die straßenbaulichen Änderungen betreffend die B 38 lediglich in einem Ausmaß von 68 %.

Nach Ansicht des Prüfers sei ein Gemeindeverband einer Gemeinde gleichzuhalten und somit eine Körperschaft öffentlichen Rechts. Errichtung und Erhaltung der öffentlichen Straße seien hoheitliche Tätigkeiten. Der Mitbeteiligte habe grundsätzlich zu Recht Vorsteuern geltend gemacht, diese seien aber um jene Beträge zu kürzen, die auf die Straßenerrichtungsmaßnahmen entfielen.

Das Finanzamt erließ den Prüfungsfeststellungen entsprechende Bescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuer für die Monate September bis Dezember 2006.

Der Mitbeteiligte brachte Berufung ein. In der Begründung wurde ausgeführt, es hätten sich mehrere Gemeinden der Region zum Gemeindeverband zusammengeschlossen, um gemeinsam ein Betriebsansiedlungsgebiet (Gewerbegebiet) zu schaffen, d.h. die Planung sowie die Errichtung und in weiterer Folge den Betrieb durchzuführen. Im Rahmen dieser betrieblichen Tätigkeit sei u. a. die Gestaltung von gemeinsamen Marketingmaßnahmen beabsichtigt.

Der Mitbeteiligte habe sich im Jahr 2003 eine Option auf ca. 5 ha Bodenfläche gesichert. Er gebe Kaufinteressenten für ein Grundstück im Gewerbegebiet diese Option weiter. Die Kaufinteressenten würden also eine Liegenschaft vom Optionsgeber, dem jeweiligen Landwirt, erwerben. Im Zusammenhang mit diesen Grundstücksumsätzen werde vom Mitbeteiligten die Aufschließungsleistung ("Kosten der Straße, Masseausgleich, etc.") erbracht und zuzüglich Umsatzsteuer verrechnet. Zur Aufschließung des Betriebsansiedlungsgebietes sei es erforderlich gewesen, eine Privatstraße zu errichten, welche in die Bundesstraße B 38 münde. Die Bundesstraße habe verbreitert und ausgebaut werden müssen. Die infrastrukturelle Aufschließung sei in der Form erfolgt, dass neben der Wasser- und Kanalversorgung auch Stromanschlüsse hergestellt worden seien. Weiters seien Leerverrohrungen für Drainage, Telefon und Strom verlegt worden.

Die Tätigkeit des Mitbeteiligten bestehe darin, Grundstücke aufzuschließen und anschließend zu veräußern. Im Hinblick auf die planmäßige Aufeinanderfolge von Erwerb, Baureifmachung und Veräußerung der Grundstücke sei von einer gewerblichen und demnach unternehmerischen Tätigkeit des Mitbeteiligten auszugehen. In diesem Rahmen habe der Mitbeteiligte - wie dargestellt - einerseits auf eigenem Grund eine Privatstraße errichtet, welche in die öffentliche Straße münde, und andererseits die öffentliche Straße adaptiert und teilweise verbreitert.

Die Straßenverwaltung der Verkehrsflächen einer Gemeinde obliege gemäß § 12 des Oberösterreichischen Straßengesetzes 1991 der jeweiligen Gemeinde, wobei nach § 8 Abs. 2 des Straßengesetzes unter Gemeindeverkehrsflächen die Gemeindestraßen, die Güterwege sowie Fahrrad-, Fußgänger- und Wanderwege zu verstehen seien. Gemeindestraßen seien dabei jene Verkehrsflächen, die durch Verordnung des Gemeinderates gewidmet und als solche eingereiht seien, oder Grundstücke, die im Grundbuch als öffentliches Gut (Straße, Wege) eingetragen seien und allgemein für Verkehrszwecke benützt würden. Entgegen der Ansicht des Finanzamtes liege im gegenständlichen Fall keine hoheitliche Tätigkeit vor. In Bezug auf die Errichtung der Privatstraße könne keinesfalls von der Ausübung öffentlicher Gewalt oder der Erfüllung öffentlicher Aufgaben gesprochen werden. Die Errichtung von Privatstraßen sei schon rein begrifflich nicht von der Verpflichtung zur Straßenverwaltung im Sinne des Oberösterreichischen Straßengesetzes umfasst. Beim Grundstück, auf dem die Privatstraße errichtet worden sei, handle es sich um Eigentum und somit Privatgut des Mitbeteiligten. In diesem Bereich bestehe keine öffentliche Widmung und somit auch keine öffentliche Straße im Sinne des Oberösterreichischen Straßengesetzes. Der Mitbeteiligte könne nicht anders behandelt werden als ein privater Rechtsträger, der nach Art eines Bauunternehmers zur Errichtung von Privatstraßen für Unternehmer oder Privatpersonen tätig werde.

Hinsichtlich jener Baumaßnahmen, welche sich auf das öffentliche "Straßengut" bezögen (Erweiterung der Bundesstraße und Errichtung einer Abbiegespur), sei ebenfalls davon auszugehen, dass diese von der unternehmerischen Tätigkeit des Mitbeteiligten umfasst seien. Das Finanzamt verkenne, dass für diese Straßenstücke öffentlich-rechtlich weder die Gemeinde noch der Mitbeteiligte als Gemeindeverband, sondern das Land bzw. der Bund zur Straßenerhaltung verpflichtet wäre. Der Umstand, dass der Mitbeteiligte die Baumaßnahmen durchführe, zeige auf, dass es sich um keine Maßnahme der hoheitlichen Straßenverwaltung handle, sondern dass die Baumaßnahme zur besseren Erschließung des Baugebietes durchgeführt worden sei.

Sowohl die Errichtung der Privatstraße als auch die damit verbundenen Adaptierungen der Bundesstraße stünden im besonderen Interesse des Mitbeteiligten, weil durch diese Maßnahmen die Grundstücke des Betriebsansiedlungsgebietes besser bzw. überhaupt erst aufgeschlossen und somit für potentielle Kaufinteressen attraktiv würden. Es sei von Anfang an geplant gewesen, dass die Kosten der straßenbaulichen Maßnahmen letztlich von den Erwerbern der Grundstücke des Betriebsaufschließungsgebietes getragen bzw. diesen anteilig weiter verrechnet würden. Die Maßnahmen an der Bundesstraße seien nicht deshalb getätigt worden, um der öffentlichen Hand einen Vorteil zuzuwenden. Der Mitbeteiligte verfolge vielmehr eigenbetriebliche Interessen. Die Investitionen dienten dazu, die Grundstücke verkehrsfähig zu machen bzw. die Verkehrsfähigkeit zu verbessern. Die baulichen Maßnahmen am öffentlichen Straßengut seien somit bloß Mittel zur Durchführung des eigenen Geschäftszweckes, nämlich der Veräußerung der Gemeindegrundstücke. Der Umstand, dass die Verbreiterung der Bundesstraße bzw. die Errichtung der Abbiegespur zivilrechtlich Teil des öffentlichen Gutes geworden und damit dem Gemeingebrauch zugänglich seien, könne die Ansicht des Finanzamtes, ein Zusammenhang mit den Grundstücksveräußerungen sei nicht gegeben, nicht stützen.

Der Mitbeteiligte werde nicht mit hoheitlichen Mitteln tätig. Vielmehr würden mit den einzelnen Käufern zivilrechtliche Verträge abgeschlossen, in deren Rahmen auch die "Infrastrukturkostenbeiträge" in Rechnung gestellt würden.

Im Verwaltungsakt befindet sich die Kopie einer Anlagenbenützungs- und Anlagenbetriebsordnung für Grundeigentümer im Gewerbegebiet (M) Mitte, wie sie der Mitbeteiligte mit jedem der Grundstückserwerber abgeschlossen hat. In Punkt I dieser Vereinbarung verpflichtet sich der Mitbeteiligte, die im Zusammenhang mit der Errichtung des Gewerbegebietes stehenden Erschließungsmaßnahmen zu realisieren und vorzufinanzieren. Diese umfassten insbesondere:

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Art. 116a Abs. 1 B-VG lautet:

"(1) Zur Besorgung ihrer Angelegenheiten können sich Gemeinden durch Vereinbarung zu Gemeindeverbänden zusammenschließen. Eine solche Vereinbarung bedarf der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Die Genehmigung ist durch Verordnung zu erteilen, wenn eine dem Gesetz entsprechende Vereinbarung der beteiligten Gemeinden vorliegt und die Bildung des Gemeindeverbandes

1. im Falle der Besorgung von Angelegenheiten der Hoheitsverwaltung die Funktion der beteiligten Gemeinden als Selbstverwaltungskörper nicht gefährdet,

2. im Falle der Besorgung von Angelegenheiten der Gemeinden als Träger von Privatrechten aus Gründen der Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit im Interesse der beteiligten Gemeinden gelegen ist."

Die §§ 2 bis 5 Oberösterreichisches Gemeindeverbändegesetz,

LGBL. Nr. 51/1988 lauten (auszugsweise):

"§ 2

Bildung von Gemeindeverbänden

Die Bildung eines Gemeindeverbandes kann erfolgen:

  1. 1. durch Gesetz;
  2. 2. nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen durch Verordnung;
  3. 3. durch Vereinbarung der beteiligten Gemeinden mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde.

    § 3

    Rechtliche Stellung

(1) Gemeindeverbände besitzen Rechtspersönlichkeit.

(2) Gemeindeverbände besitzen hinsichtlich der von ihnen zu besorgenden Aufgaben dieselbe rechtliche Stellung, wie sie den verbandsangehörigen Gemeinden hinsichtlich dieser Aufgaben vor der Bildung des Gemeindeverbandes zugekommen ist; im Übrigen wird die rechtliche Stellung der verbandsangehörigen Gemeinden durch die Bildung des Gemeindeverbandes nicht berührt.

§ 4

Vereinbarung

(1) Zur Besorgung einzelner Aufgaben des eigenen Wirkungsbereiches können sich Gemeinden durch schriftliche Vereinbarung zu Gemeindeverbänden zusammenschließen. Eine solche Vereinbarung bedarf der übereinstimmenden Beschlüsse der Gemeinderäte der beteiligten Gemeinden.

(2) …

§ 5

Genehmigung der Vereinbarung

(1) Die Vereinbarung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Die Genehmigung ist durch Verordnung zu erteilen, wenn eine dem Gesetz entsprechende Vereinbarung der beteiligten Gemeinden vorliegt und die Bildung des Gemeindeverbandes

1. im Falle der Besorgung von Aufgaben der Hoheitsverwaltung die Funktion der beteiligten Gemeinden als Selbstverwaltungskörper nicht gefährdet,

2. im Falle der Besorgung von Aufgaben der Gemeinde als Träger von Privatrechten aus Gründen der Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit im Interesse der beteiligten Gemeinden gelegen ist.

(2) …"

Gemäß § 2 Z 3 des Oberösterreichischen Straßengesetzes, LGBl. Nr. 84/1991, ist eine öffentliche Straße iS dieses Gesetzes "eine Straße, die durch Verordnung gemäß § 11 Abs. 1 ausdrücklich dem Gemeingebrauch (§ 6 Abs. 1) gewidmet ist oder ein Grundstück, das als öffentliches Gut (z.B. Straßen, Wege) eingetragen ist und allgemein für Verkehrszwecke benützt wird (§ 5 Abs. 2)".

Nach § 12 Abs. 1 UStG 1994 kann der Unternehmer Vorsteuerbeträge abziehen. Unternehmer ist gemäß § 2 Abs. 1 leg. cit., wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Unter welchen Voraussetzungen eine Körperschaft des öffentlichen Rechts gewerblich oder beruflich tätig ist, bestimmt § 2 Abs. 3 leg. cit. Diese Bestimmung lautet:

"(3) Die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1988), ausgenommen solche, die gemäß § 5 Z. 12 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 von der Körperschaftsteuer befreit sind, und ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig. Als Betriebe gewerblicher Art im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten jedoch stets

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