VwGH 2008/15/0239

VwGH2008/15/023915.9.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des V P in G, vertreten durch Dr. Thomas Stampfer und Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Schmiedgasse 21, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom 13. Juni 2008, Zl. RV/0012-G/08, betreffend Einkommensteuer 2005, zu Recht erkannt:

Normen

EStG §16 Abs1;
EStG §20 Abs1 Z1;
EStG §16 Abs1;
EStG §20 Abs1 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Berufsmusiker, bezog im Streitzeitraum Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und machte im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung u.a. Kosten für eine doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten in Höhe von

3.461 EUR als Werbungskosten geltend.

Das Finanzamt berücksichtigte diese Aufwendungen bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 2005 nicht und begründete dies damit, dass Kosten für eine doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten nur dann Werbungskosten darstellten, wenn die Entfernung zwischen Familienwohnsitz und Beschäftigungsort mindestens 120 Kilometer betrage.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er sei Mitglied eines Philharmonischen Orchesters mit geteilten Arbeitszeiten. Proben fänden grundsätzlich zwischen 10.00 und 14.00 Uhr, Konzerte und Opernaufführungen von 19.00 bis 23.00 Uhr statt. Wegen des späten Endes der Arbeitszeit am Abend und der notwendigen Überbrückung der Zeit zwischen den Vormittags- und Abenddiensten sei zusätzlich zum Familienwohnsitz in M. ein Wohnsitz am Beschäftigungsort unbedingt erforderlich. Die Verlegung des Familienwohnsitzes sei unzumutbar, weil die Gattin des Beschwerdeführers dort berufstätig sei und seine drei Kinder dort die Schule besuchten.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab und führte begründend aus, dass die Entfernung zwischen Familienwohnsitz und Beschäftigungsort ca. 72 Kilometer betrage und laut Routenplaner in 46,13 Minuten zu bewältigen sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe die Zumutbarkeit der täglichen Rückkehr bei einer Entfernung zwischen Arbeitsstätte und Beschäftigungsort von 78 Kilometern und einer Fahrtzeit von einer Stunde bestätigt. In Anbetracht dessen gehe das Finanzamt davon aus, dass die tägliche Heimfahrt an den Familienwohnsitz auch für den Beschwerdeführer zumutbar sei. Daran ändere das Ende der Arbeitszeit um 23.00 Uhr nichts, weil die Arbeit am nächsten Tag erst um 10 Uhr beginne.

Der Beschwerdeführer stellte einen Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz und brachte ergänzend vor, dass die einfache Strecke zwischen Familienwohnsitz und Beschäftigungsort 74 Kilometer und die Fahrtzeit (verkehrsbedingt und infolge von Grenzwartezeiten) durchschnittlich 60 Minuten betrage. Dazu kämen je fünf Minuten für Parkplatzsuche und Gehweg. Zudem müsse sich der Beschwerdeführer mindestens 15 Minuten vor Dienstbeginn am "Dienstplatz" befinden. Vom Familienwohnsitz bis zum "Dienstplatz" benötige er daher (ohne Berücksichtigung von Zeitreserven) 85 Minuten. Nach einer Abendvorstellung, die knapp vor 23.00 Uhr ende, würde er erst gegen Mitternacht nach Hause kommen und müsste am nächsten Morgen spätestens um 7.30 Uhr (bei späterem Probenbeginn um 8.30 Uhr) wieder den Weg zum Dienst antreten. Auch die geteilte Arbeitszeit werde nicht berücksichtigt. Der Dienst finde grundsätzlich vormittags und abends mit einer Unterbrechung "meistens" zwischen 13.00 und 19.30 Uhr statt. Am Beschäftigungsort gebe es außer den Umkleidegarderoben keinen Ort, wo sich der Beschwerdeführer aufhalten könne. In dieser Zeit zum Familienwohnsitz zu fahren, würde eine zusätzliche Fahrtzeit von zweieinhalb Stunden bedeuten. Die Fahrtzeit würde in diesem Fall insgesamt fünf Stunden betragen und den zumutbaren Zeitaufwand bei weitem übersteigen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab und führte begründend aus, dass die doppelte Haushaltsführung dann beruflich veranlasst sei, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort so weit entfernt sei, dass dem Steuerpflichtigen eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden könne und die Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes entweder nicht privat veranlasst sei oder die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort nicht zugemutet werden könne.

Die tägliche Rückkehr sei jedenfalls unzumutbar, wenn der Familienwohnsitz mehr als 120 Kilometer vom Beschäftigungsort entfernt sei. Bei kürzeren Strecken allenfalls dann, wenn besonders schwierige Straßen- und Verkehrsverhältnisse vorlägen (z.B. schwer befahrbare Berg- oder Passstraße, langjährige Großbaustelle).

Laut Routenplaner "viamichelin.at" betrage die Entfernung zwischen Familienwohnsitz und Beschäftigungsort 71 Kilometer und die Fahrtzeit 49 Minuten. Eine besondere Unzumutbarkeit lasse sich dem Streckenverlauf nicht entnehmen. Eine Fahrtzeit von nicht einmal einer Stunde sei auch bei unregelmäßigen Dienstzeiten keineswegs unüblich oder unzumutbar. Auch längere Grenzwartezeiten spielten kaum eine Rolle, da in den Sommermonaten laut Fahrtenbuch ohnehin keine Fahrten angefallen seien.

Dem Beschwerdeführer sei daher die tägliche Rückkehr an den Familienwohnsitz zumutbar. Vorbringen wie Parkplatzsuche, 15 minütiges vorheriges Eintreffen etc., seien nicht geeignet, die Unzumutbarkeit der täglichen Heimfahrt darzutun. Auch eine längere Unterbrechung der beruflichen Tätigkeit mache eine tägliche Rückkehr üblicherweise nicht unzumutbar.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Werbungskosten sind gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 EStG 1988 die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Nach § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 dürfen die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden. Dies gilt gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a leg. cit. auch für Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

Aufwendungen des Steuerpflichtigen für eine doppelte Haushaltsführung (Familienwohnsitz, weiterer Wohnsitz am Beschäftigungsort) sind steuerlich nur zu berücksichtigen, wenn eine berufliche Veranlassung für die doppelte Haushaltsführung besteht. Von einer beruflichen Veranlassung ist dem Grunde nach auszugehen, wenn der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen so weit von seinem Beschäftigungsort entfernt ist, dass ihm die tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann und die Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes nicht privat veranlasst (bzw. die Wohnsitzverlegung nicht zumutbar) ist (vgl. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 16 Tz 102 Stichwort "Doppelte Haushaltsführung").

Bei einer Entfernung zwischen Arbeitsstätte und Familienwohnort von 78 bzw. 83 Kilometern, die überdies fast zur Gänze auf einer Autobahn zurückgelegt wird, was einer Fahrtzeit von maximal einer Stunde entspricht, ist die tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz jedenfalls zumutbar (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. September 1995, 91/14/0227, und vom 25. Februar 2003, 99/14/0340).

Die Beschwerde trägt vor, der belangten Behörde sei bei der Feststellung, aus dem Routenplaner "viamichelin.at" würde sich eine Fahrtstrecke von 71 Kilometer bei einer Fahrtzeit von 49 Minuten für die Entfernung zwischen Familienwohnsitz und Beschäftigungsort ergeben, ein Ermittlungsfehler unterlaufen. Tatsächlich betrage die Fahrtstrecke 73 Kilometer und die Fahrtzeit 53 Minuten. Diese Abweichungen seien unter Berücksichtigung der zu erwartenden Grenzwartezeiten so wesentlich, dass richtigerweise von der Unzumutbarkeit einer täglichen An- und Rückreise ausgegangen werden müsse.

Die belangte Behörde habe - so die Beschwerde weiter - auch nicht begründet, wieso es unbeachtlich sei, dass der Beschwerdeführer von 13.00 Uhr bis 19.00 Uhr, sohin sechs Stunden ohne Unterkunft überbrücken müsse. Sie habe sich damit begnügt, die längere Unterbrechung als nicht tauglichen Grund für die Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr festzulegen. Damit habe sie das Problem verkannt. Entweder müsse der Beschwerdeführer zweimal täglich hin- und zurückreisen, was angesichts der dann gegebenen Fahrtstrecke von 292 Kilometer und einer Fahrtzeit von knapp über vier Stunden jedenfalls unzumutbar wäre, oder aber er müsse gar nicht täglich hin- und zurückreisen, wodurch er nicht dem Umstand der "leeren Zeit" von sechs Stunden ausgesetzt sei. Nach Auffassung der belangten Behörde sei es dem Beschwerdeführer zumutbar, täglich nach Mitternacht heimzukehren, gegen 7.30 Uhr (sohin unter Einhaltung einer unter 8 Stunden gelegenen Ruhezeit) wieder zum Dienstort abzureisen und erst wieder kurz nach Mitternacht des nächsten Tages zu Hause einzutreffen.

Schließlich wird gerügt, die belangte Behörde habe ihr Ermittlungsverfahren nicht auf die Klärung der Frage erstreckt, ob die Ehefrau des Beschwerdeführers nennenswerte Einkünfte am Familienwohnsitz erziele und die Kinder des Beschwerdeführers dort zur Schule gingen. Dies sei wesentlich, weil bei Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort ein steuerrechtlich zu berücksichtigender Doppelwohnsitz am Dienstort des Beschwerdeführers zu beachten gewesen wäre.

Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in den Erkenntnissen vom 19. September 1995, 91/14/0227, und vom 25. Februar 2003, 99/14/0340, ausgesprochen hat, ist die tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz bei einer Entfernung zwischen Arbeitsstätte und Familienwohnort von 78 bzw. 83 Kilometern jedenfalls zumutbar. Daher kommt dem Umstand, dass die Entfernung zwischen Familienwohnsitz und Beschäftigungsort 73 Kilometer und nicht wie von der belangten Behörde angenommen 71 Kilometer beträgt, keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu. Folgt man den Ausführungen des Beschwerdeführers im Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz, dann beträgt die durchschnittliche Fahrtzeit für die einfache Strecke zwischen Familienwohnsitz und Beschäftigungsort verkehrsbedingt und infolge Grenzwartezeit 60 Minuten. Dass die tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz bei einer Fahrtzeit von einer Stunde zumutbar ist, hat der Verwaltungsgerichtshof in den angeführten Erkenntnissen ebenfalls ausgesprochen.

Die belangte Behörde ist auch damit im Recht, dass die tägliche Rückkehr des Beschwerdeführers an den Familienwohnsitz durch die Unterbrechung der Dienstzeit nicht unzumutbar wird. Dies schon allein deshalb, weil sich das Beschwerdevorbringen, es sei dem Beschwerdeführer nicht zumutbar, täglich nach Mitternacht heimzukehren, gegen 7.30 Uhr (sohin unter Einhaltung einer unter 8 Stunden gelegenen Ruhezeit) wieder zum Dienstort abzureisen und erst wieder kurz nach Mitternacht des nächsten Tages zu Hause einzutreffen, nach der Aktenlage als unzutreffend erweist. Folgt man den Ausführungen in der Berufung finden Proben grundsätzlich zwischen 10.00 und 14.00 Uhr und Konzerte sowie Opernaufführungen von 19.00 bis 23.00 Uhr statt. Der Beschwerdeführer konnte daher im Regelfall die Fahrt zum Beschäftigungsort (nach einer Ruhezeit von mehr als 8 Stunden) um 8.30 Uhr antreten.

Zu den Voraussetzungen für die steuerliche Berücksichtigung der doppelten Haushaltsführung gehört, wie eingangs dargelegt, dass der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen so weit von seinem Beschäftigungsort entfernt ist, dass ihm die tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann. Die belangte Behörde ging zu Recht davon aus, dass dem Beschwerdeführer die tägliche Rückkehr an den Familienwohnsitz zumutbar war. Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr darauf an, ob die Ehefrau des Beschwerdeführers nennenswerte Einkünfte am Familienwohnsitz erzielte und die Kinder des Beschwerdeführers dort zur Schule gingen und ob damit die zusätzliche Voraussetzung der Unzumutbarkeit der Wohnsitz-Verlegung erfüllt war.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 15. September 2011

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