VwGH 2006/13/0084

VwGH2006/13/008428.9.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde der H GmbH in K, vertreten durch Mag. Franz Rosenauer, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 7000 Eisenstadt, Pfarrgasse 33, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 13. März 2006, Zlen. RV/0598-W/04, RV/0600- W/04, betreffend Körperschaft- und Kapitalertragsteuer 1999 bis 2001,

Normen

EStG §95;
KStG §8 Abs2;
EStG §95;
KStG §8 Abs2;

 

Spruch:

1. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde wird insoweit, als sie sich gegen die Bestätigung der Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 1999 bis 2001 richtet, zurückgewiesen; und

2. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als mit ihm die Bescheide über Haftung für Kapitalertragsteuer für die Zeiträume 1999, 2000 und 2001 bestätigt wurden, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Bei der beschwerdeführenden GmbH fand von Dezember 2002 bis Februar 2003 eine u.a. die Körperschaft- und Kapitalertragsteuer 1999 bis 2001 betreffende Buch- und Betriebsprüfung statt. Im Bericht darüber wurde, soweit für das vorliegende Verfahren wesentlich, die Auffassung vertreten, die über das Verrechnungskonto des zu einem Viertel der Stammeinlage als Gesellschafter beteiligten Geschäftsführers entnommenen Beträge seien verdeckte Ausschüttungen an ihn gewesen. Eine vergleichsweise geringfügige verdeckte Ausschüttung wurde auch im Zusammenhang mit geltend gemachten Telefonkosten angenommen. Die auf die verdeckte Ausschüttung jeweils entfallende Kapitalertragsteuer wurde ebenfalls als verdeckte Ausschüttung angesehen und in deren Berechnung einbezogen.

Das Finanzamt folgte diesen Ausführungen und zog die Beschwerdeführerin mit drei Bescheiden vom 10. März 2003 jeweils in der Höhe der vom Prüfer errechneten Beträge zur Haftung für Kapitalertragsteuer für die Zeiträume 1999, 2000 und 2001 heran.

Mit Bescheid vom 9. April 2003 nahm das Finanzamt das Verfahren hinsichtlich der Körperschaftsteuer 1999 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder auf und setzte die Körperschaftsteuer etwas niedriger fest als (erklärungsgemäß) im ursprünglichen Bescheid vom 15. Dezember 2000.

Mit zwei weiteren Bescheiden vom selben Tag setzte das Finanzamt die Körperschaftsteuer 2000 und 2001 fest, wobei es (ebenfalls) von niedrigeren als den erklärten Einkünften ausging.

Alle diese Bescheide bekämpfte die Beschwerdeführerin mit Berufung, wobei sie sich einerseits gegen die Beurteilung der Beträge auf dem Verrechnungskonto als verdeckte Ausschüttungen wandte und andererseits die Neuberechnung der Kapitalertragsteuer wegen Einforderung der Steuerbeträge vom Empfänger der Kapitalerträge beantragte. Sie gab dazu im Berufungsschriftsatz

"für die Berechnung der Kapitalertragsteuer ... innerhalb

angemessener Frist bekannt, dass der Gesellschaftergeschäftsführer ... die anfallende Kapitalertragsteuer der Gesellschaft zu ersetzen hat".

In diesem Punkt nahm der Prüfer zur Berufung dahingehend Stellung, dass bei der Schlussbesprechung keine Angaben über eine Einforderung der Beträge gemacht worden seien. Der Prüfer sei daher davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin die Kapitalertragsteuer trage.

Die Beschwerdeführerin erwiderte mit Schreiben vom 9. Juli 2003, als angemessener Zeitraum für die Einforderung der auf die verdeckten Ausschüttungen entfallenden Kapitalertragsteuer könne die Rechtsmittelfrist des Bescheides angesehen werden, in dem das Vorliegen einer verdeckten Ausschüttung festgestellt werde. In ihrer Berufung habe die Beschwerdeführerin daher zeitgemäß bekanntgegeben, dass die Gesellschaft die anfallende Kapitalertragsteuer vom Gesellschaftergeschäftsführer zurückfordern werde.

In einer Einvernahme vor der belangten Behörde am 2. Februar 2006 wurde u.a. die Frage aufgeworfen, in welcher Form vereinbart worden sei, dass die Kapitalertragsteuer nicht von der Beschwerdeführerin getragen werde. Seitens der Beschwerdeführerin wurde darauf geantwortet, der Prüfer habe bei der Schlussbesprechung nicht danach gefragt, widrigenfalls ihn der Geschäftsführer darauf hingewiesen hätte, dass die Annahme, die Steuer werde von der Gesellschaft getragen, nicht zutreffe. "Deswegen" habe es auch "nur eine mündliche Vereinbarung" gegeben. Die Zusatzfrage, wann eine derartige Vereinbarung getroffen worden sei, wurde damit beantwortet, dass dies jedenfalls innerhalb offener Berufungsfrist geschehen sei.

In der Berufungsverhandlung am 22. Februar 2006 kam dieses Thema nicht mehr zur Sprache.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung zur Gänze ab. Dass bei der Bemessung der Kapitalertragsteuer trotz der in der Berufung abgegebenen Erklärung weiter davon ausgegangen werde, die Beschwerdeführerin trage die Steuer und fordere sie nicht vom Geschäftsführer ein, begründete die belangte Behörde wie folgt:

"Für den entscheidenden Senat erscheint die für die Durchsetzung eines allfälligen Regressrechtes durch einen von der Bw. bekannt gegebenen mündlichen Vertrag nicht hinreichend, weil auch an einen solchen mündlichen Vertrag (Vereinbarung) ein Fremdvergleich anzustellen ist. Die bekanntgegebene bestehende mündliche Vereinbarung der Steuertragung entspricht keinesfalls einer Rückforderung durch die Bw. und bedeutet selbst eine in der Bilanz ausgewiesene Forderung an den Gesellschafter noch nicht, dass diese Forderung auch tatsächlich ernsthaft dem Gesellschafter gegenüber geltend gemacht wird (VwGH 21.12.1994, 90/13/0236). Im Hinblick auf die eher restriktive Haltung der vorhin erwähnten Judikatur entsprechen derartig allgemein gehaltene Zusagen über geltend zu machende Rückgriffsansprüche auch nicht den bei der Beurteilung der Vertragsbeziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter anzuwendenden Fremdenvergleich."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

1. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid u.a. in ihrem Recht auf gesetzeskonforme Festsetzung des körperschaftsteuerpflichtigen Einkommens verletzt, ohne aber aufzuzeigen, in welcher Weise sich die strittige Annahme verdeckter Ausschüttungen ertragsteuerlich zu ihrem Nachteil ausgewirkt habe. Dass dies nicht der Fall war, ist angesichts des von der belangten Behörde übernommenen Ergebnisses der Berechnungen des Prüfers - im Vergleich jeweils zu den Erklärungen der Beschwerdeführerin und bezüglich des Jahres 1999 auch zum ursprünglichen Bescheid des Finanzamtes - offenkundig. Soweit sich die Beschwerde gegen die Entscheidungen der belangten Behörde über die Körperschaftsteuer richtet, war sie daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG als unzulässig zurückzuweisen, was der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat beschlossen hat (vgl. in diesem Zusammenhang etwa schon die hg. Erkenntnisse vom 12. September 2001, 96/13/0043, 0044, vom 25. September 2002, 2002/13/0040, und vom 29. November 2006, 2002/13/0173, 0174).

2. Für die Höhe der Kapitalertragsteuer kommt es in Fällen wie dem vorliegenden u.a. darauf an, ob die Gesellschaft, die das Vorliegen verdeckter Ausschüttungen - im vorliegenden Fall mit einer geringfügigen, die Telefonkosten betreffenden Ausnahme - bestreitet, die Kapitalertragsteuer im Fall des Unterliegens selbst trägt oder vom Empfänger der verdeckten Ausschüttung einfordert (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 14. Mai 1980, 1333/79, ÖStZB 1981, 51, vom 26. März 1985, 82/14/0166, ÖStZB 1985, 365, vom 7. September 1993, 90/14/0195, 0196, vom 21. Dezember 1994, 90/13/0236, vom 23. Oktober 1997, 96/15/0180, 0204, VwSlg 7229/F, vom 24. November 1999, 94/13/0233, VwSlg 7458/F, vom 26. September 2000, 97/13/0140, und vom 25. November 2010, 2007/15/0104).

In den Fällen, in denen die Bekämpfung der Annahme, die Kapitalertragsteuer werde von der Gesellschaft getragen, vor dem Verwaltungsgerichtshof erfolglos blieb, waren im Verwaltungsverfahren keine eindeutigen Erklärungen darüber abgegeben worden (vgl. die zitierten Erkenntnisse vom 7. September 1993, vom 21. Dezember 1994, vom 24. November 1999 und vom 25. November 2010).

Im ersten der oben genannten Fälle, in dem die Bekämpfung der erwähnten Annahme Erfolg hatte, führte der Verwaltungsgerichtshof u. a. aus, die Behörde habe keine Zweifel an der Richtigkeit oder der Ernstlichkeit vorgelegter Aufforderungsschreiben geäußert (Erkenntnis vom 14. Mai 1980). Im zweiten Fall lag kein solches Aufforderungsschreiben vor, aber es war vorgebracht worden, dass dann, wenn das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung bejaht werden sollte, der Mehrheitsgesellschafter jedenfalls zum Ersatz der Kapitalertragsteuer verpflichtet wäre. Der Verwaltungsgerichtshof sprach aus, der Rechtsauffassung der belangten Behörde, es bedürfe der Geltendmachung eines Rückgriffsanspruchs "im unmittelbaren Anschluß an den Aufgriff der verdeckten Gewinnausschüttung", sei "grundsätzlich zuzustimmen". Wenn die Beschwerdeführerin (in einem Fall, in dem das Finanzamt erstmals im Haftungsbescheid eine verdeckte Ausschüttung angenommen hatte) die Beurteilung der strittigen Frage des Vorliegens einer verdeckten Ausschüttung durch die belangte Behörde "zunächst abgewartet", "gleichzeitig aber mitgeteilt" habe, "daß sie beabsichtige, ihren Mehrheitsgesellschafter zum Ersatz einer allfälligen Kapitalertragsteuer zu verhalten", so könne aber nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin als Schuldnerin der Kapitalerträge die Kapitalertragsteuer zugunsten des Mehrheitsgesellschafters übernommen habe (Erkenntnis vom 26. März 1985). Im Fall des Erkenntnisses vom 21. Dezember 1994, in dem die ausdrückliche Anfrage der belangten Behörde, von wem die Kapitalertragsteuer getragen werde, unbeantwortet geblieben war, betonte der Verwaltungsgerichtshof, eine in der Bilanz ausgewiesene Forderung bedeute nicht zwingend, dass die Forderung auch tatsächlich geltend gemacht werde. Hege die Abgabenbehörde begründete Zweifel daran, was unter den konkreten Umständen des Falles nicht ausgeschlossen sei, so sei sie berechtigt und verpflichtet, eine Klärung des maßgebenden Sachverhaltes herbeizuführen. Dies habe sie mit der unbeantwortet gebliebenen Anfrage getan. Im zitierten Erkenntnis vom 26. September 2000 wurde schließlich ausgeführt, im Verwaltungsverfahren sei vorgebracht worden, die Gesellschaft werde die Kapitalertragsteuer von den Gesellschaftern einfordern. Dass eine solche Forderung nicht bilanziert worden sei, sei entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht wesentlich, zumal ein solcher im Hinblick auf die noch ausstehende Beurteilung des zugrunde liegenden Sachverhalts mit den Grundsätzen eines ordentlichen Kaufmanns nicht zu vereinbarender Bilanzansatz dem Erkenntnis vom 21. Dezember 1994 zufolge auch noch nicht bedeuten würde, dass die Forderung tatsächlich ernsthaft geltend gemacht werden würde. Umstände, die an der Ernsthaftigkeit der Absicht, die Kapitalertragsteuer einzufordern, zweifeln ließen, habe die belangte Behörde aber nicht festgestellt.

Wendet man die Maßstäbe dieser Judikatur auf den vorliegenden Beschwerdefall an, so ergibt sich, dass die belangte Behörde die Voraussetzungen für die Annahme, die zur Haftung herangezogene Gesellschaft trage die Kapitalertragsteuer endgültig, nicht im Einklang mit dieser Rechtsprechung beurteilt hat. Ein Bilanzansatz als Ersatz für die Beantwortung der Frage, wer die Steuer trägt, stand nicht zur Diskussion, weshalb der Hinweis der belangten Behörde auf das Erkenntnis vom 21. Dezember 1994 ins Leere geht, und andere Gründe, aus denen die behauptete Vereinbarung unter dem Gesichtspunkt des nach Ansicht der belangten Behörde anzustellenden Fremdvergleichs "keinesfalls einer Rückforderung" durch die Beschwerdeführerin "entsprechen" soll, hat die belangte Behörde nicht angeführt. In der Gegenschrift wird dazu ausgeführt, "insbesondere auch" für die Durchsetzung des Anspruches sei "ein bloß mündlich bekannt gegebener Vertrag nicht hinreichend", denn "bei Wechsel der Eigentümer- oder Geschäftsführerverhältnisse wären im Streitfall Beweisprobleme zu gewärtigen, Konfliktfelder, die bei fremdüblich darüber geführten Schriftverkehr (Aufforderungsschreiben, Zahlungszielvereinbarung oder dgl.) nicht bestehen".

Mit diesen Ausführungen - die in der Gegenschrift auch zu spät kommen, um nachvollziehbare Ausführungen im Bescheid zu ersetzen - entfernt sich die belangte Behörde, wie schon im Bescheid selbst, von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach es bei ausdrücklichen Erklärungen der vorliegenden Art darauf ankommt, ob sich Umstände aufzeigen lassen, die an ihrer Ernsthaftigkeit zweifeln lassen. Das Fehlen vorbeugender Maßnahmen zur Erleichterung der Durchsetzung des Regressanspruches auch im Falle geänderter Verhältnisse bei der Gesellschaft reicht dafür allein nicht aus.

Da die belangte Behörde somit die Rechtslage offensichtlich auch verkannt hat, war der angefochtene Bescheid schon deshalb insoweit, als er die erstinstanzlichen Bescheide über die Haftung für Kapitalertragsteuer bestätigte, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde aber auch die Argumente, mit denen sie das Vorliegen der strittigen verdeckten Ausschüttungen über das Verrechnungskonto bejahte, am Maßstab der (insbesondere neueren) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu überprüfen haben (vgl. zu den Fällen der Verrechnungskonten von Gesellschaftern etwa die hg. Erkenntnisse vom 26. April 2006, 2004/14/0066, vom 4. Februar 2009, 2008/15/0167, und vom 28. April 2009, 2004/13/0059). Auch im vorliegenden Fall wäre daher zu beachten, dass eine verdeckte Ausschüttung an den Gesellschaftergeschäftsführer nur insoweit in Frage käme, als an die Stelle der über das Verrechnungskonto geflossenen Beträge trotz ihrer Verbuchung auf diesem Konto keine gleichwertige Forderung der Gesellschaft getreten war. Die Annahme, dies sei trotz der Verbuchung auf dem Verrechnungskonto im vollen Umfang der Beträge der Fall gewesen, impliziert mangels Zweifeln an der Bonität des Geschäftsführers, die im vorliegenden Fall nie in Frage stand, die Beträge seien nur zum Schein als Forderungen der Gesellschaft gegen ihn verbucht worden (vgl. in diesem Sinn das zitierte Erkenntnis vom 28. April 2009). Dass die Indizien, auf die die belangte Behörde ihre Entscheidung zu stützen versuchte, nach dem Gesamtbild der im vorliegenden Fall gegebenen Verhältnisse eine so weit reichende Annahme tragen, zeigt die Begründung des angefochtenen Bescheides nicht schlüssig auf.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 28. September 2011

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