VwGH 2010/15/0108

VwGH2010/15/010823.9.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des F F in H, vertreten durch die Klein, Wuntschek & Partner Rechtsanwälte GmbH in 8013 Graz, Kaiser-Franz-Josef-Kai 70, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom 3. Mai 2010, Zl. RG/0013-G/10, betreffend Aufhebung eines Bescheides gemäß § 300 Abs. 1 BAO (Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2004 und 2005), zu Recht erkannt:

Normen

BAO §289 Abs1;
BAO §289 Abs2;
BAO §300 Abs3;
VwRallg;
BAO §289 Abs1;
BAO §289 Abs2;
BAO §300 Abs3;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer gab in einer Niederschrift vor dem Finanzamt am 18. Dezember 2006 an, Herr P., der im Besitz eines Gewerbescheines sei, habe ihm im August 2004 angeboten, für ihn Bagger- und Holzschlägerungsarbeiten zu machen. Bei den Baggerarbeiten habe der Beschwerdeführer den Bagger zur Verfügung gestellt, für den er auch sämtliche Kosten getragen habe. Für die Holzschlägerungsarbeiten stelle der Beschwerdeführer einen "Harvester" zur Verfügung, alle übrigen Betriebsmittel (Traktor, Rückewagen und Kleinwerkzeug) stelle Herr P. zur Verfügung. Herr P. trete nach außen hin nicht in Erscheinung; die Abrechnung mit Herrn P., der an keine Arbeitszeit gebunden sei, erfolge auf Basis von Arbeitsaufzeichnungen anhand eines vereinbarten Stundenlohnes.

Am 17. Jänner 2007 erließ das Finanzamt Haftungs- und Abgabenbescheide für die Jahre 2004 und 2005 (Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag). Begründend wurde ausgeführt, die Festsetzung erfolge aufgrund der durchgeführten Lohnsteuerprüfung.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung mit dem Antrag, die angefochtenen Bescheide ersatzlos aufzuheben, hilfsweise die angefochtenen Bescheide aufzuheben und das Verfahren an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen. Er wandte ein, Herr P. sei nicht in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit beschäftigt gewesen. Herr P. habe überdies für die Jahre 2004 und 2005 bereits eine Einkommensteuererklärung (Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft sowie Einkünfte aus Gewerbebetrieb) abgegeben und somit bereits Einkommensteuer für diese Bezüge bezahlt. Daher könne dafür keine Lohnsteuer mehr vorgeschrieben werden. Schließlich habe die Behörde auch eine falsche Bemessungsgrundlage herangezogen.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 16. März 2007 als unbegründet ab und führte - mit näherer Begründung - aus, die Merkmale eines Dienstverhältnisses würden eindeutig überwiegen. Bei den Bezügen handle es sich somit um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Der Beschwerdeführer beantragte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit Bescheid vom 3. Februar 2010 gab die belangte Behörde der Berufung Folge, die angefochtenen Bescheide wurden "aufgehoben". Es könne dahingestellt bleiben, ob Herr P. seine Tätigkeiten im Rahmen eines Dienstverhältnisses ausgeübt habe. Der Haftung des Beschwerdeführers für Lohnsteuer 2004 stehe entgegen, dass die Einkommensteuer bereits entrichtet worden sei. Die Heranziehung des Beschwerdeführers zur Haftung für die Lohnsteuer 2005 stehe im Ermessen der Abgabenbehörden. Der Abgabenschuldner sei bereit gewesen, die Einkommensteuer zu zahlen, und habe bereits Vorauszahlungen getätigt, sei aber durch eine von seiner Erklärung abweichende Veranlagung von der Abgabenlast befreit worden. Dagegen sei der Beschwerdeführer als Haftender in Anspruch genommen worden und bekämpfe nunmehr diese Entscheidung mittels Berufung. Es sei aber geradezu unzweckmäßig, jemanden zur Haftung in Anspruch zu nehmen, wenn der Schuldner ohnedies zur Zahlung bereit sei. Damit habe das Finanzamt das Ermessen unrichtig ausgeübt. Betreffend Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag hätten die Festsetzungsbescheide die gesamte Abgabe und nicht bloß die Nachforderung festzusetzen. Der Dienstgeberbeitrag sei eine einheitliche Abgabe, der von der Summe der Arbeitslöhne zu berechnen sei, die jeweils in einem Kalendermonat an Dienstnehmer gewährt worden seien; gleiches gelte für den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag. Da sich die Bemessungsgrundlage auch nicht aus dem Betriebsprüfungsbericht ergebe, sei der angefochtene Bescheid hinsichtlich Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag ebenfalls mit Rechtswidrigkeit belastet.

Das Finanzamt erhob gegen diesen Bescheid, soweit er Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2004 und 2005 betrifft, die zu hg. Zl. 2010/15/0053 protokollierte Beschwerde. Die angefochtene Entscheidung sei inhaltlich rechtswidrig, weil die belangte Behörde es unterlassen habe, den Spruch des Bescheides richtig zu stellen, und statt dessen den Bescheid ersatzlos behoben habe.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid behob die belangte Behörde die Berufungsentscheidung vom 3. Februar 2010 hinsichtlich des Dienstgeberbeitrages und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag gemäß § 300 Abs. 1 BAO. In der Beschwerde des Finanzamtes gegen die Berufungsentscheidung vom 3. Februar 2010 sei zutreffend ausgeführt worden, dass die dem Haftungs- und Abgabenbescheid nicht zu entnehmenden Bemessungsgrundlagen im zweitinstanzlichen Verfahren von der belangten Behörde richtig gestellt werden müssten. Dies sei entgegen dem Erkenntnis vom 16. Dezember 2009, 2009/15/0081, nicht geschehen. Da diese Berufungsentscheidung somit auf einer unrichtigen Feststellung des dem Bescheid zugrunde liegenden Sachverhaltes in einem wesentlichen Punkt basiere und in Beschwerde gezogen worden sei, sei die Aufhebung jenes Bescheides "gemäß § 300 Abs. 1 lit. a BAO" zu verfügen gewesen.

Dagegen wendet sich die Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Die belangte Behörde verkenne den Inhalt des Erkenntnisses vom 16. Dezember 2009, 2009/15/0081. Inhalt jenes Erkenntnisses sei lediglich die Zulässigkeit einer Richtigstellung im Berufungsverfahren, nicht aber die Pflicht hiezu. Auch lägen insoweit Verfahrensmängel (Verletzung des Parteiengehörs, Unterlassung einer mündlichen Befragung) vor.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 289 BAO (idF BGBl. I Nr. 20/2009) lautet:

"(1) Ist die Berufung weder zurückzuweisen (§ 273) noch als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs. 3, § 274) zu erklären, so kann die Abgabenbehörde zweiter Instanz die Berufung durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Berufungsvorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Im weiteren Verfahren sind die Behörden an die für die Aufhebung maßgebliche, im Aufhebungsbescheid dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat. Soweit die Verjährung der Festsetzung einer Abgabe in einer Berufungsentscheidung (Abs. 2) nicht entgegenstehen würde, steht sie auch nicht der Abgabenfestsetzung im den aufgehobenen Bescheid ersetzenden Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz entgegen; § 209a gilt sinngemäß.

(2) Außer in den Fällen des Abs. 1 hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Berufung als unbegründet abzuweisen.

(3) Im Verfahren betreffend Bescheide, die Berufungsentscheidungen (Abs. 2) abändern, aufheben oder ersetzen, sind die Behörden an die für die Berufungsentscheidung maßgebliche, dort dargelegte Rechtsanschauung gebunden. "

Eine ersatzlose (meritorische) Aufhebung (§ 289 Abs. 2 BAO) darf nur dann erfolgen, wenn in dieser Sache keine weitere Entscheidung in Betracht kommt (vgl. Ritz, BAO3, § 289 Rz 33 f; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 21. März 2005, 2004/17/0089, Punkt 2.4); eine kassatorische Aufhebung (§ 289 Abs. 1 BAO) hat hingegen zu erfolgen, wenn das Finanzamt Ermittlungen unterlassen hat, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderlassung hätte unterbleiben können (vgl. Ritz, aaO, Rz 9).

Mit der Berufungsentscheidung vom 3. Februar 2010 wurden die erstinstanzlichen Bescheide aufgehoben. Aus der Begründung dieser Entscheidung geht hervor, dass jedenfalls hinsichtlich Lohnsteuer 2004 und 2005 eine weitere Entscheidung nicht mehr zu ergehen hatte. Dass insoweit für Dienstgeberbeitrag und Zuschlag hiezu etwas anderes gelten sollte, kann der Entscheidung nicht entnommen werden. Die Berufungsentscheidung enthält auch keine Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz. Es ist daher auch insoweit von einer meritorischen Erledigung auszugehen. Zutreffend ist zwar, dass der Dienstgeberbeitrag als einheitliche Abgabe von der Summe der Arbeitslöhne zu berechnen ist, die jeweils in einem Kalendermonat an Dienstnehmer gewährt worden sind (§ 41 Abs. 3 FLAG). Eine ersatzlose Behebung aus dem Grunde, die Bemessungsgrundlage gehe (auch) nicht aus dem Betriebsprüfungsbericht hervor (mit der Wirkung, dass eine weitere Entscheidung in dieser Sache - Dienstgeberbeitrag und Zuschlag hiezu für die Jahre 2004 und 2005 - nicht mehr in Betracht käme), war aber jedenfalls verfehlt und inhaltlich rechtswidrig.

§ 300 BAO (idF BGBl. I Nr. 20/2009) lautet:

"(1) Abgabenbehörden können einen von ihnen selbst erlassenen, beim Verwaltungsgerichtshof oder Verfassungsgerichtshof mit Beschwerde angefochtenen Bescheid aufheben,

  1. a) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, oder
  2. b) wenn er von einer unzuständigen Behörde, von einem hiezu nicht berufenen Organ oder von einem nicht richtig zusammengesetzten Kollegialorgan einer Behörde erlassen wurde, oder

    c) wenn der dem Bescheid zugrunde liegende Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt unrichtig festgestellt oder aktenwidrig angenommen wurde, oder

    d) wenn Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können.

(2) Eine Aufhebung (Abs. 1) darf in jedem Abgabenverfahren nur einmal erfolgen.

(3) Durch die Aufhebung eines Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden hat."

Wie oben ausgeführt war der Bescheid der belangten Behörde vom 3. Februar 2010 mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Die belangte Behörde konnte daher diesen Bescheid gemäß § 300 Abs. 1 lit. a BAO aufheben.

Durch die Aufhebung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden hat (§ 300 Abs. 3 BAO). Mit der Aufhebung des Bescheides vom 3. Februar 2010 (betreffend Dienstgeberbeitrag und Zuschlag hiezu) durch den angefochtenen Bescheid ist das Verfahren über die Berufung in diesem Umfang wieder anhängig. Es besteht keine Bindung (für die im Berufungsverfahren nunmehr von der belangten Behörde zu treffende Entscheidung) an die im Aufhebungsbescheid dargelegte Rechtsanschauung, sodass daraus - entgegen dem Beschwerdevorbringen - eine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers nicht resultieren kann (vgl. - zur Bestimmung des § 299 BAO vor dem AbgRmRefG, BGBl. I Nr. 97/2002 - das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 2004, 99/13/0149, mwN; Stoll, BAO, § 299 S 2896).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 1 Z 6 VwGG Abstand genommen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 23. September 2010

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