VwGH 2007/05/0200

VwGH2007/05/020023.2.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der S GmbH in Wien, vertreten durch Dr. Karl Schön, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Wickenburggasse 3, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 27. Juni 2007, Zl. BOB-61/07, betreffend Devolutionsantrag in einer Bauangelegenheit, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §73 Abs1;
VwRallg;
AVG §73 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bauansuchen am 28. Juli 2006 beantragte die Beschwerdeführerin die Erteilung der genannten baubehördlichen Bewilligung. Sie wurde mit Schreiben der Erstbehörde vom 18. August 2006 iSd § 13 Abs. 3 AVG aufgefordert, die eingereichten Planunterlagen iSd § 64 Abs. 1 der Bauordnung für Wien (BO) zu ergänzen, gleichzeitig wurde ihr aufgetragen, fehlende Unterlagen nachzureichen.

In Reaktion auf diese Aufforderung reichte die Beschwerdeführerin am 7. September 2006 korrigierte Unterlagen (Pläne, Bauphysik und diverse Bestätigungen) nach. Die Korrekturen in den Plänen beinhalten Änderungen von Höhenangaben (höchster Punkt des Daches, Fußbodenoberkante der neuen Geschosse und die Gebäudehöhe). Ferner wurden die Fassadenabwicklung zur Berechnung der Gebäudehöhe abgeändert sowie eine pergolaartige Konstruktion auf den Dächern weggelassen.

Nach Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme des für Stadtbildfragen zuständigen Amtssachverständigen der Magistratsabteilung 19 bzw. einer gutachtlichen Stellungnahme der Magistratsabteilung 21A wurde - nachdem der Beschwerdeführerin schon zuvor von der Behörde mitgeteilt worden war, dass das Baubewilligungsverfahren auf Grund der Verletzung des § 81 Abs. 2 BO nicht nach § 70a BO, sondern nach § 70 BO durchzuführen wäre - eine mündliche Bauverhandlung für den 1. Dezember 2006 anberaumt. Als Gegenstand der Bauverhandlung wurde in der Ladung neben der projektierten Errichtung zweier Hauptgeschosse und dreier Dachgeschosse auch die Bewilligung von Abweichungen iSd § 69 Abs. 1 BO genannt. Zu dieser mündlichen Verhandlung erschien kein Vertreter der Beschwerdeführerin, die Beschwerdeführerin erklärte im Schreiben vom selben Tag, sie habe das Bauvorhaben nach § 70a BO eingereicht, beharre darauf und halte daher die Verhandlung als nicht dem Gesetz entsprechend.

Die Beschwerdeführerin wurde - auf Grund weiterhin angenommener Unklarheiten - mit Schreiben vom 24. Jänner 2007 (unter Punkt II.) darauf hingewiesen, dass die Unterlagen und Baupläne diverse (im Schreiben aufgezählte) Mängel aufwiesen bzw. von den Bestimmungen der BO und deren Nebengesetzen abwichen, die Beschwerdeführerin wurde unter Punkt I. dieses Schreibens gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgefordert, die Baupläne iSd §§ 63, 64 und 65 BO unter Berücksichtigung der im Punkt II. näher dargelegten Erwägungen sowie unter Berücksichtigung der Stellungnahme der Magistratsabteilung 37-B hinsichtlich des Brandschutzes zu ergänzen sowie eine vollständige statische Vorbemessung vorzulegen. Laut Akteninhalt wurde dieses Schreiben vom 29. Jänner 2007 abgefertigt und am 1. Februar 2007 der Beschwerdeführerin zugestellt. Der in Rede stehende Devolutionsantrag langte bei der belangten Behörde am 29. Jänner 2007 ein.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Devolutionsantrag der Beschwerdeführerin vom 29. Jänner 2007, betreffend den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung in dem mit Bauansuchen vom 28. Juli 2006 eingeleiteten Baubewilligungsverfahren zur Erwirkung einer baubehördlichen Bewilligung für die Vornahme baulicher Änderungen am bestehenden Gebäude auf der Liegenschaft in Wien 9, Berggasse 37, sowie für die Errichtung zweier weiterer Hauptgeschosse und dreier Dachgeschosse gemäß § 73 Abs. 2 AVG als unzulässig zurückgewiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Dem vorliegenden Akteninhalt, insbesondere der Stellungnahme der Baubehörde erster Instanz vom 26. März 2007 sei zu entnehmen, dass das am 28. Juli 2006 eingereichte Bauvorhaben am 7. September 2006 durch Vorlage der korrigierten Einreichpläne abgeändert worden seien. Nach der genannten Stellungnahme sei das ursprünglich eingereichte Bauvorhaben mit den vorgelegten korrigierten Einreichplänen insbesondere insofern abgeändert worden, als in diesen Plänen die Höhenangaben (Höchstpunkt des Daches, Fußbodenoberkante der neuen Geschosse und die Gebäudehöhe) neu ausgewiesen worden seien, und ferner auch die Fassadenabwicklung zur Berechnung der Gebäudehöhe abgeändert sowie eine pergolaartige Konstruktion auf den Dächern weggelassen worden seien. Laut Mitteilung des Amtssachverständigen der Magistratsabteilung 37/9 handle es sich bei diesen vorgenommenen Änderungen um wesentliche Änderungen für die Beurteilung des Projekts.

Zu diesem Ergebnis der Beweisaufnahme habe die Beschwerdeführerin mit Telefax vom 30. Mai 2007 wie folgt Stellung genommen:

"Wir können Ihr Schreiben, bzw. die Stellungnahme der MA 37/9 nicht nachvollziehen. Wir erlauben uns, Ihnen hiermit unsere Stellungnahme dazu zu unterbreiten:

 

*

Unser Ansuchen ist gemäß § 70a BO für Wien eingereicht und darf lt. BO für Wien eine Frist von 4 Wochen, bzw. höchsten 4 Monate (Schutzzone) zur Prüfung seitens der Behörde in Anspruch nehmen.

Da das AVG diese neue Verfahrensart § 70a BO für Wien nicht berücksichtigt, haben wir einen Devolutionsantrag verwaltungsmäßig nach Ablauf von 6 Monaten eingebracht.

*

Die erwähnten Planänderungen und Plankorrekturen sind auf Wunsch und nach Prüfung der Baubehörde von uns zeitgerecht innerhalb der gesetzten Frist von 2 Wochen durchgeführt worden. Es handelt sich um unbedeutende und unwesentliche Korrekturen, die in keiner Weise eine Änderung der Projektes oder des Bauvorhabens darstellen und keine neue Prüfung seitens der Baubehörde verursachen können.

Laut § 13 AVG dient die Mindestfrist von 14 Tagen dazu, dass unwesentliche Ergänzungen, Korrekturen und Nachreichungen von Urkunden erfolgen können. In keiner Weise dient dieser Paragraph dazu, ein neues Bauvorhaben oder die Herstellung neuer Urkunden, Pläne und Unterlagen einzureichen.

  

 

Daher ist die Behauptung der Baubehörde mit dem Verwaltungsgesetz nicht zu vereinbaren, bzw. nicht nachvollziehbar.

Tatsache ist, dass die MA 37/9 säumig ist und grob fahrlässig gehandelt hat und nicht dazu Imstande war, innerhalb der gesetzlichen Frist von 4 Monaten und Reserve von 2 Monaten unseren Akt zu erledigen. Eine Schutzmaßnahme mit falschen Behauptungen, um die Amtshaftung zu entkräften, wird von unserer Seite abgelehnt.

Wir behalten uns unsere Rechte vor und bitten hiermit die Bauoberbehörde (2. Instanz) um Erteilung der Baubewilligung.

Die erwähnte Pergola war und ist nicht Gegenstand des Bauvorhabens, da es sich um bewilligungsfreie Elemente handelt."

Festzuhalten sei dazu, dass der Beschwerdeführerin (wie erwähnt) bereits mitgeteilt worden sei, dass ein Verfahren gemäß § 70a BO auf Grund der im Projekt vorgesehenen Gebäude nicht möglich sei. Ferner räume § 13 Abs. 3 AVG der Behörde keine Kompetenz ein, Änderungen am Projekt als solche aufzutragen. Vielmehr sei das ursprünglich eingereichte Bauprojekt mit den am 7. September 2006 bei der Baubehörde eingelangten abgeänderten Einreichplänen in wesentlichen Punkten, nämlich insbesondere hinsichtlich der Gebäudehöhe, abgeändert worden.

Da mit dem Einlangen der abgeänderten Einreichpläne am 7. September 2007 das nunmehr darin ausgewiesene abgeänderte Bauvorhaben den Gegenstand des weiteren erstinstanzlichen Baubewilligungsverfahrens gebildet habe, habe die sechsmonatige Entscheidungsfrist gemäß § 73 Abs. 1 AVG mit dem Einlangen der geänderten Einreichpläne neu zu laufen begonnen. Da die Entscheidungsfrist zum Zeitpunkt des Einlangens des Devolutionsantrags vom 29. Jänner 2007 noch nicht abgelaufen gewesen sei, erweise sich der verfrüht eingebrachte Devolutionsantrag als unzulässig und sei deshalb zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem subjektiven Recht auf Einhaltung der Verfahrensgesetze und auf materielle Erledigung ihres Devolutionsantrags und Genehmigung dieses Antrages sowie Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über ihr Bauansuchen auf die belangte Behörde verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 73 Abs. 1 AVG sind Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge der Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Wird der Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen, so geht gemäß § 73 Abs. 2 AVG (soweit hier maßgeblich) auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über (Devolutionsantrag). Der Devolutionsantrag ist bei der Oberbehörde einzubringen. Er ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist. Nach § 73 Abs. 2 AVG in der Fassung der AVG-Novelle 1998, BGBl. I Nr. 158/1998, genügt ein "überwiegendes Verschulden" der Behörde an der Verzögerung; es ist somit - gegebenenfalls - das Verschulden der Partei an der Verzögerung gegen jenes der Behörde abzuwägen. Der Begriff des Verschuldens der Behörde nach § 73 Abs. 2 AVG ist nicht im Sinne eines Verschuldens von Organwaltern, sondern insofern "objektiv" zu verstehen, als ein solches "Verschulden" dann anzunehmen ist, wenn die zur Entscheidung berufene Behörde nicht durch schuldhaftes Verhalten der Partei oder durch unüberwindliche Hindernisse an der Entscheidung gehindert war (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 24. April 2007, Zl. 2006/05/0262, mwH).

In § 73 Abs. 1 AVG ist unmissverständlich angeordnet, dass die Frist für die Entscheidungspflicht der Behörde mit dem Einlangen des Antrags der Parteien beginnt. Ist ein Antrag mangelhaft, so beginnt die Entscheidungspflicht erst mit dem Einbringen des verbesserten Antrags zu laufen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. November 2006, Zl. 2006/04/0184, mwH).

Die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung liegt im Beschwerdefall schon deshalb nicht vor, weil die Entscheidungsfrist des § 73 Abs. 1 AVG nicht vor dem Einlangen der auf Grund des Auftrags nach § 13 Abs. 3 AVG vom 18. August 2006 verbesserten Baupläne bei der belangten Behörde am 7. September 2006 zu laufen begann.

Der vorliegende Devolutionsantrag vom 29. Jänner 2007 erweist sich daher als verfrüht, weshalb er auf dem Boden der hg. Rechtsprechung als unzulässig zu qualifizieren und zurückzuweisen war (vgl. aus der hg. Rechtsprechung das hg. Erkenntnis vom 15. April 2005, Zl. 2004/12/0138, mwH).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 23. Februar 2010

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