VwGH 2007/01/0991

VwGH2007/01/099131.3.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Jäger, über die Beschwerde 1. der F P und

2. des C P, beide in E, beide vertreten durch Mag. Christoph Rechberger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Parkring 2, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 24. Juli 2007, Zl. Ia- 15.183/26-2007, betreffend Wiederaufnahme eines Staatsbürgerschaftsverleihungsverfahrens,

Normen

AVG §69;
StbG 1985 §10;
StbG 1985 §16;
StbG 1985 §17;
StbG 1985 §18;

 

Spruch:

I. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens der erstbeschwerdeführenden Partei sowie der Erstreckung der Verleihung auf die zweitbeschwerdeführende Partei wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Beschwerde, insoweit sie sich gegen die Wiederaufnahme des Erstreckungsverfahrens der Kinder richtet, als unzulässig zurückgewiesen.

Begründung

Die Erstbeschwerdeführerin wurde am 1. Jänner 1962 in der Türkei geboren. Sie hat seit Oktober 1990 ihren Hauptwohnsitz in Österreich. Der Zweitbeschwerdeführer wurde am 5. Mai 1968 in der Türkei geboren. Er hat seit Juli 1991 seinen Hauptwohnsitz in Österreich. Erstbeschwerdeführerin und Zweitbeschwerdeführer haben in der Türkei am 15. November 1990 geheiratet.

Am 25. Oktober 1999 beantragte die Erstbeschwerdeführerin bei der belangten Behörde die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft sowie die Erstreckung der Verleihung auf den Zweitbeschwerdeführer (Ehegatte) und die Kinder C und I (beide geboren am 17. August 1989), A (geboren am 1. Juni 1992) und T (geboren am 3. September 1993).

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 22. August 2000 wurde gemäß § 20 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) der Erstbeschwerdeführerin die Verleihung und dem Zweitbeschwerdeführer sowie den Kindern die Erstreckung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall zugesichert, dass sie binnen zwei Jahren aus dem Verband ihres bisherigen Heimatstaates ausscheiden.

Am 18. Mai 2001 beantragten beide Beschwerdeführer für das am 2. Mai 2001 geborene Kind M die Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft.

Mit Bescheid vom 29. Mai 2001 ergänzte die belangte Behörde ihren Zusicherungsbescheid vom 22. August 2000 dahingehend, dass auch dem Kind M gemäß § 20 StbG die Erstreckung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft zugesichert wurde.

Am 23. Juli 2001 legten die Beschwerdeführer (jeweils am 20. Juli 2001 vom Innenministerium der Türkischen Republik ausgestellte) Genehmigungen zum Ausscheiden aus dem türkischen Staatsverband vor.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 1. Februar 2002 wurde der Erstbeschwerdeführerin "mit Wirkung vom 13. März 2002" nach § 10 Abs. 1 StbG die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen und diese Verleihung gemäß § 16 StbG auf den Zweitbeschwerdeführer (Ehegatten) sowie gemäß § 17 StbG auf die Kinder C, I, A, T und M erstreckt.

Mit Schreiben vom 7. Februar 2007 teilte das türkische Generalkonsulat (in Salzburg) der belangten Behörde mit, in der Zwischenzeit sei gerichtlich festgestellt worden, dass C und I nicht die Kinder der Beschwerdeführer sondern von H und G P (den Eltern des Zweitbeschwerdeführers) sind. Die standesamtliche Registrierung sei "offiziell berichtigt"; C und I seien als Kinder von H und G P eingetragen.

Die belangte Behörde führte daraufhin eine "Staatsbürgerschaftsüberprüfung" durch. Beide Beschwerdeführer wurden am 14. März 2007 von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen.

Auf Grund eines Rechtshilfeersuchens des Bezirksgerichtes K im Pflegschaftsverfahren der minderjährigen Kinder I und C wurde deren leiblicher Vater H P in der Türkei (Oberstaatsanwaltschaft U) als Zeuge "angehört" bzw. vernommen.

Mit Schreiben vom 30. Mai 2007 gewährte die belangte Behörde den Beschwerdeführern zur beabsichtigten Wiederaufnahme Parteiengehör.

In ihrer Stellungnahme vom 14. Juni 2007 führten die Beschwerdeführer - nunmehr rechtsfreundlich vertreten - aus, dass der Wiederaufnahme des Verfahrens an sich "auf Grund der eindeutigen Sach- und Rechtslage" nicht entgegengetreten werde. Sollte die Behörde auch in der Sache selbst entscheiden, werde ersucht, Gelegenheit zur Erstattung von Sachvorbringen zu geben.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 24. Juli 2007 wurde

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde ging bei ihrer von Amts wegen (§ 69 Abs. 3 AVG) verfügten Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens davon aus, die Erstbeschwerdeführerin habe die mit dem Verleihungsbescheid verfügte Erstreckung der Verleihung auf I P und C P durch Gebrauch inhaltlich falscher Geburtsurkunden erschlichen. Dies wertete die belangte Behörde als Wiederaufnahmegrund nach § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG (Erschleichung).

Vor dem Hintergrund des Beschwerdevorbringens ist es unstrittig, dass die Erstbeschwerdeführerin der Verleihungsbehörde verschwieg, wer die leiblichen Eltern von C und I sind.

Die Beschwerde erweist sich aber aus nachstehenden Erwägungen als berechtigt:

Die Erstreckung der Verleihung darf zufolge § 18 StbG nur gleichzeitig mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft und nur mit demselben Erwerbszeitpunkt verfügt werden. Daher sind Erstreckungs- und Verleihungsverfahren unter einem zu führen. Diese zwingende Verfahrensverbindung ändert aber nichts daran, dass bei allen Verleihungs- und Erstreckungswerbern die Voraussetzungen jeweils gesondert zu prüfen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. März 2002, Zl. 2000/01/0206). Demnach kommen (auch) unterschiedliche Ergebnisse der Prüfung der Voraussetzungen in Betracht.

Davon ausgehend sind Bescheide über die Verleihung und Erstreckung der Staatsbürgerschaft selbständige Bescheide, die nur insofern in einem Zusammenhang stehen, als die Rechtmäßigkeit der Erstreckung eine gleichzeitige Verleihung voraussetzt. Die Wiederaufnahme des Verfahrens bezüglich der Verleihung führt notwendigerweise zur Wiederaufnahme auch des Verfahrens betreffend die Erstreckung wegen abweichender Vorfragenentscheidung. Umgekehrt hat die Wiederaufnahme eines Erstreckungsverfahrens auf das Verleihungsverfahren oder ein anderes Erstreckungsverfahren nicht automatisch Auswirkung; diese Verfahren müssen daher nicht notwendigerweise unter einem wieder aufgenommen werden.

Für den Beschwerdefall bedeutet das, dass die belangte Behörde das Vorliegen von Wiederaufnahmegründen lediglich hinsichtlich der falsch als Kinder der Beschwerdeführer bezeichneten Minderjährigen (namens C und I) feststellte und darlegte. Wiederaufnahmegründe für die Verfahren der Beschwerdeführer (Verleihungswerberin und ihr Ehegatte als Erstreckungswerber) wurden weder festgestellt noch ins Treffen geführt.

Die (auch) im Umfang des Verleihungsverfahrens der Erstbeschwerdeführerin und des Erstreckungsverfahrens des Zweitbeschwerdeführers verfügte Wiederaufnahme erweist sich daher als rechtswidrig. Der angefochtene Bescheid war in diesem Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belehrenden Ausführungen im zweiten Absatz des Spruches des angefochtenen Bescheides haben keinen normativen Charakter. Diese sind bezüglich der Beschwerdeführer gegenstandslos.

Die Beschwerde wendet sich - wie insbesondere (auch) aus den Anträgen deutlich wird - gegen den "gesamten" Bescheid der belangten Behörde und damit auch gegen die Wiederaufnahme des Erstreckungsverfahrens der Kinder. Nach dem Vorgesagten liegen aber (betreffend Verleihung und Erstreckung der Staatsbürgerschaft) trennbare Bescheide vor.

Da die Beschwerde ausschließlich von den Eltern im eigenen Namen erhoben wurde - die Kinder sind nicht Beschwerdeführer - und Anhaltspunkte, dass die Beschwerdeführer im Namen der Kinder auftreten, nicht bestehen, können die Beschwerdeführer, die nicht Adressaten der Wiederaufnahme dieser Erstreckungen sind, durch die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Kinder in Rechten nicht verletzt sein. Die Beschwerde war daher insoweit gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen des Mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung mit Beschluss zurückzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff, insbesondere auf 50 und 53 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 31. März 2010

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