Normen
AVG §7 Abs1 Z4;
LVergKG Slbg 2002 §5 Abs1;
LVergKG Slbg 2002 §6 Abs1;
LVergKG Slbg 2002 §6 Abs2;
EMRK Art6;
Statut Salzburg 1966 §13 Abs1;
Statut Salzburg 1966 §17 Abs1;
Statut Salzburg 1966 §32 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §7 Abs1 Z4;
LVergKG Slbg 2002 §5 Abs1;
LVergKG Slbg 2002 §6 Abs1;
LVergKG Slbg 2002 §6 Abs2;
EMRK Art6;
Statut Salzburg 1966 §13 Abs1;
Statut Salzburg 1966 §17 Abs1;
Statut Salzburg 1966 §32 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 2.669,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Die mitbeteiligte Auftraggeberin hat mit Bekanntmachung vom 11. Februar 2004 ein nicht offenes Vergabeverfahren mit vorheriger Bekanntmachung für die Planung und Errichtung eines Pflegewohnhauses für das Seniorenheim H. mit einem geschätzten Auftragswert von EUR 4,950.000,-- durch einen "Totalunternehmer" eingeleitet und potenzielle Bewerber aufgefordert, Teilnahmeanträge für dieses zweistufige Vergabeverfahren bis 25. März 2004 einzureichen.
2. Gegen diese Bekanntmachung brachte der Beschwerdeführer den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Nichtigerklärung gemäß § 16 Abs. 1 Salzburger Vergabekontrollgesetz - S. KG, LGBl. Nr. 103/2002, ein. Er machte darin (zusammengefasst) geltend, die Ausschreibung eines Totalunternehmerauftrages sei ebenso unzulässig wie die Vergabe des Auftrages im Unterschwellenbereich und die Wahl des nicht offenen Vergabeverfahrens. Die Auswahlkriterien seien vergaberechtswidrig, ebenso die Beschränkung der einzuladenden Bewerberzahl.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 30. April 2004 hat die belangte Behörde diesen Antrag als unbegründet abgewiesen. In der Begründung gab sie zunächst das Vorbringen des Beschwerdeführers im Nachprüfungsantrag und die Stellungnahme der Mitbeteiligten samt den jeweiligen Ergänzungen in der mündlichen Verhandlung wieder, setzte sich dann im Einzelnen mit den als unzulässig bzw. vergaberechtswidrig bezeichneten Punkten auseinander und kam zum Ergebnis, dass die behaupteten Vergaberechtswidrigkeiten nicht vorlägen.
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens durch die belangte Behörde und Erstattung einer Gegenschrift sowohl der belangten Behörde als auch der mitbeteiligten Auftraggeberin und Durchführung einer Verhandlung erwogen hat:
4.1. Die Beschwerde macht zunächst geltend, dass das erkennende Mitglied der belangten Behörde, Frau Dr. Andrea R., befangen im Sinne des § 7 Abs. 1 Z. 1 AVG sei. Dem Beschwerdeführer sei erst nach der mündlichen Verhandlung zur Kenntnis gelangt, dass Dr. Andrea R. die Tochter von Ing. Dr. R. sei, der wiederum Magistratsdirektor des Magistrats der Stadtgemeinde Salzburg sei. Als Magistratsdirektor obliege ihm gemäß § 32 Abs. 2 des Salzburger Stadtrechts, Sbg LGBl. Nr. 47/1966, zuletzt geändert durch Sbg LGBl. Nr. 35/2003, die Leitung des inneren Dienstes des Magistrates und es sei ihm bei allen Fragen der Stadtverwaltung von weittragender rechtlicher oder finanzieller oder von grundsätzlicher Bedeutung vor der Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Er sei gemäß §§ 31 und 31a leg. cit. Vorsitzender sowohl der Bauberufungskommission als auch der Allgemeinen Berufungskommission der Stadt Salzburg, er sei gemäß § 105 Magistrats-Beamtinnen- und Magistrats-Beamtengesetz 2002, Sbg LGBl. Nr. 42/2003, Disziplinarbehörde erster Instanz aller Magistratsbeamten der Stadt Salzburg und überdies auch für den Verkehr mit Oberbehörden und obersten Organen des Staates sowie für Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof und Verfassungsgerichtshof zuständig. Auf Grund dieser Kompetenzzuteilung sei wohl unbestritten, dass Ing. Dr. R. als Magistratsdirektor der ranghöchste Beamte der mitbeteiligten Auftraggeberin sei. Als Behördenleiter der vergebenden Stelle sei Ing. Dr. R. unzweifelhaft am Vergabeverfahren und letztlich auch am hier relevanten Nachprüfungsverfahren vor der belangten Behörde beteiligt. Somit seien Vater und Tochter am vorliegenden Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beteiligt - Ing. Dr. R. als Vertreter der mitbeteiligten Auftraggeberin bzw. vergebenden Stelle und Dr. Andrea R. als Vertreterin der belangten Behörde. Es liege daher ein absoluter Befangenheitsgrund im Sinne des § 7 Abs. 1 Z. 1 AVG vor.
4.2. In ihrer Gegenschrift führt die belangte Behörde dazu aus, dass weder das erkennende Mitglied der belangten Behörde Dr. Andrea R. noch Magistratsdirektor Ing. Dr. R. am gegenständlichen Vergabeverfahren beteiligt gewesen seien. Aus § 4 Abs. 1 des Salzburger Stadtrechts ergebe sich, dass der Magistratsdirektor kein Organ der Gemeinde sei. Das zuständige bzw. entscheidungsbefugte Organ für das vorliegende Vergabeverfahren sei der Gemeinderat gewesen, der am 20. Oktober 2003 nach Vorberatung im Stadtsenat den Beschluss für den Neubau eines Pflegewohnhauses für das Seniorenheim H. gefasst habe. Der Magistratsdirektor nehme an den Sitzungen des Gemeinderates lediglich teil, an der Willensbildung selbst jedoch nicht. Er sei daher an der Beschlussfassung betreffend das vorliegende Vergabeverfahren nicht beteiligt gewesen. Darüber hinaus sei die belangte Behörde gemäß § 3 Abs. 2 S. VKG eine Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag. Die Mitglieder der belangten Behörde seien in Ausübung ihres Amtes unabhängig und an keine Weisungen gebunden. Das bedeute, dass das entscheidungsbefugte Einzelmitglied in Ausübung seiner Funktion in der belangten Behörde nicht an Weisungen des Magistratsdirektors gebunden sei bzw. dass dem Magistratsdirektor gegenüber dem Einzelmitglied in seiner Funktion als entscheidungsbefugtes Mitglied der belangten Behörde kein Weisungsrecht zustehe. Die weiteren vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Punkte betreffend die Kompetenzen des Magistratsdirektors (Leitung des inneren Dienstes, Vorsitzender der Bauberufungskommission und der Allgemeinen Berufungskommission etc.) seien völlig irrelevant, weil sie in keinerlei Zusammenhang mit der konkreten Sache stünden.
4.3. Die mitbeteiligte Auftraggeberin bringt in ihrer Gegenschrift vor, von einer "Beteiligung" des Magistratsdirektors im Sinne des § 7 Abs. 1 Z. 1 AVG könne keine Rede sein. Ing. Dr. R. sei in der vorliegenden Angelegenheit nicht tätig geworden. Der Rechtsvertreter der mitbeteiligten Auftraggeberin habe im Rahmen des anhängigen Verfahrens ausschließlich Gespräche mit näher genannten Gesprächspartnern geführt. Eine durch die Beschwerde veranlasste Anfrage bei den Genannten, ob Magistratsdirektor Ing. Dr. R. in dieser Angelegenheit in irgendeiner Weise tätig geworden sei, habe ergeben, dass dies nicht der Fall gewesen sei. Ing. Dr. R. habe mit keinem der Genannten in der vorliegenden Vergabesache gesprochen. Es habe auch weder Kontakte noch Gespräche zwischen den Genannten und Dr. Andrea R. gegeben. Es gebe kein persönliches oder sonstiges Interesse des Magistratsdirektors in Bezug auf dieses Ausschreibungsverfahren. Es sei kein Grund ersichtlich, der Dr. Andrea R. hätte hindern können, unbefangen und dem Gesetz entsprechend tätig zu werden. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass auch bei der Amtshandlung eines befangenen Verwaltungsorgans im Einzelfall zu prüfen sei, ob sachliche Bedenken gegen den Bescheid bestünden.
4.4. In der mündlichen Verhandlung brachte die mitbeteiligte Auftraggeberin vor, Frau Dr. Andrea R. sei (bis 30. November 2007) Bedienstete der Stadtgemeinde Salzburg und in dieser Eigenschaft - abgesehen von ihrer Funktion in der belangten Behörde - in einer Abteilung tätig gewesen, die sich mit allgemeinen Fragen des Vergaberechts (wie etwa allgemeinen Geschäftsbedingungen) befasst habe. Das konkrete Vergabeverfahren sei jedoch von der Baudirektion unter Beiziehung eines externen Beraters entwickelt und geplant worden.
Als Magistratsdirektor sei Ing. Dr. R. Dienstvorgesetzter seiner Tochter Dr. Andrea R. gewesen. Über die - je nach Bereich - auf verschiedene Abteilungen verteilte Vergabe öffentlicher Aufträge werde dem Magistratsdirektor berichtet. Die Vergabe des gegenständlichen Bauvorhabens habe eines Gemeinderatsbeschlusses bedurft, dem ein von der zuständigen Fachabteilung, im konkreten Fall der Baudirektion, ausgearbeiteter Amtsbericht vorausgehe. Dieser sei (u.a.) auch dem Magistratsdirektor zur Kenntnis gebracht worden. Eine Einflussnahme des Magistratsdirektors sei nach den gesetzlichen Bestimmungen zwar möglich, habe im konkreten Fall jedoch nicht stattgefunden.
4.5. Gemäß § 13 Abs. 1 des Salzburger Stadtrechts, Sbg LGBl. Nr. 47/1966, führt der Bürgermeister den Vorsitz im Gemeinderat. Gemäß § 17 Abs. 1 leg. cit. nimmt der Magistratsdirektor an den Sitzungen des Gemeinderats mit beratender Stimme teil. Gemäß § 32 Abs. 2 leg. cit. (diese Bestimmung in der Fassung Sbg LGBl. Nr. 35/03) obliegt unter der unmittelbaren Aufsicht des Bürgermeisters die Leitung des inneren Dienstes des Magistrates dem Magistratsdirektor. Bei der Leitung des inneren Dienstes hat er insbesondere auch die Einheitlichkeit in der Besorgung der Geschäfte der Stadt zu überwachen. Bei allen Fragen der Stadtverwaltung von weittragender rechtlicher oder finanzieller oder von grundsätzlicher Bedeutung ist ihm vor der Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
Gemäß § 5 Abs. 1 S. VKG (Verfassungsbestimmung) sind die Mitglieder des Vergabekontrollsenates in Ausübung ihres Amtes unabhängig und an keine Weisungen gebunden. Gemäß § 6 Abs. 1 leg. cit. hat bei Vorliegen von Gründen, die geeignet sind, die volle Unbefangenheit eines Mitgliedes in Zweifel zu ziehen, dieses sich der Ausübung seiner Funktion zu enthalten, erforderlichenfalls eine Vertretung zu veranlassen und den Vorsitzenden davon zu informieren, der über die Befangenheit entscheidet. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung können die Parteien Mitglieder des Vergabekontrollsenates wegen Befangenheit ablehnen. Über den Antrag auf Ablehnung entscheidet der Vorsitzende oder, wenn dieser abgelehnt wird, sein Stellvertreter.
Nach dem im Hinblick auf die Befangenheitsgründe mit § 6 Abs. 1 S. VKG inhaltsgleichen § 7 Abs. 1 Z. 4 AVG haben sich Verwaltungsorgane der Ausübung ihres Amtes zu enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen, wenn sonstige wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen.
4.5. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 23. September 2004, Zl. 2004/07/0075, auf die zu Art. 6 EMRK ergangene Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hingewiesen, wonach angesichts näher bezeichneter Umstände (dort die Doppelfunktion von Mitgliedern des erkennenden Landesagrarsenates) zumindest nach dem äußeren Anschein Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit eines Tribunals im Sinne des Art. 6 EMRK entstanden sind und bereits dieser äußere Anschein ausreicht, um eine Verletzung des Art. 6 EMRK zu bewirken. Im Lichte des Art. 6 EMRK hat der Verwaltungsgerichtshof bei einem Tribunal bereits den äußeren Anschein einer Befangenheit als zur Aufhebung des dort angefochtenen Bescheides führenden Verstoß gegen § 7 AVG angesehen.
Dem hat sich der Verwaltungsgerichtshof unter anderem auch im hg. Erkenntnis vom 27. Mai 2009, Zl. 2005/04/0171, im Hinblick auf die dort maßgebliche Verflechtung eines Mitgliedes eines Unabhängigen Verwaltungssenates (als Tribunal nach Art. 6 EMRK) angeschlossen.
4.6. Ausgehend davon liegt auch im vorliegenden Fall eine Befangenheit vor:
Der Magistratsdirektor der Stadt Salzburg ist unstrittig Leiter des inneren Dienstes des Magistrates und hat die Aufsicht über sämtliche Dienststellen des Magistrates. Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides war Ing. Dr. R. somit Dienstvorgesetzter seiner Tochter Dr. Andrea R., die nicht nur Bedienstete der mitbeteiligten Stadtgemeinde, sondern auch erkennendes Mitglied der belangten Behörde war.
Dem Magistratsdirektor ist in allen Fragen der Stadtverwaltung von weittragender rechtlicher oder finanzieller oder von grundsätzlicher Bedeutung vor der Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
Der dem gegenständlichen Vergabeverfahren zu Grunde liegende Gemeinderatsbeschluss für den Neubau eines Pflegewohnhauses für das Seniorenheim H. (davon war auch die konkrete Ausschreibung erfasst) erging nach dem insofern übereinstimmenden Vorbringen der belangten Behörde und der mitbeteiligten Auftraggeberin auf Grund eines Amtsberichtes der zuständigen Fachabteilung, der dem Magistratsdirektor Ing. Dr. R. zur Kenntnis gebracht und von diesem unterfertigt wurde. Ing. Dr. R. hat an der Sitzung des Gemeinderates, in der dieser Gemeinderatsbeschluss gefasst wurde, mit beratender Stimme teilgenommen. Ing. Dr. R. hatte - auf Grund der ihm zustehenden Kompetenzen - die Möglichkeit in das Verfahren, das dem Gemeinderatsbeschluss vorausging, einzugreifen.
Auf Grund der dargestellten Befugnisse und Kompetenzen und dem unstrittigen Verfahrensablauf ist von einer Einbindung des Magistratsdirektors Ing. Dr. R. als "Behördenleiter der mitbeteiligten Auftraggeberin" in das vorliegende Vergabeverfahren auszugehen, die - unabhängig davon, ob eine konkrete Einflussnahme stattgefunden hat - geeignet ist, zumindest nach dem äußeren Anschein Zweifel an der Unbefangenheit des erkennenden Mitgliedes der belangten Behörde, seiner Tochter Dr. Andrea R., in ihrer Funktion als Entscheidungsträger im Rahmen der nachprüfenden Kontrolle des Vergabeverfahrens aufkommen zu lassen. Dass diese dennoch die vorliegende Entscheidung getroffen und nicht nach § 6 Abs. 1 S. VKG vorgegangen ist, belastet den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit (vgl. dazu insbesondere das bereits angeführte hg. Erkenntnis vom 27. Mai 2009, Zl. 2005/04/0171, sowie VfSlg. 17990).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
4.7. Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 25. März 2010
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