VwGH 2009/12/0093

VwGH2009/12/00932.7.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Khorramdel, in den Beschwerdesachen des G G in D, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Singerstraße 12/9, gegen den Gemeinderat der Stadtgemeinde Deutsch Wagram in 2232 Deutsch Wagram, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht 1. betreffend Anträge im Zusammenhang mit der Abberufung vom Funktionsdienstposten des leitenden Gemeindebediensteten und 2. in Angelegenheiten der Ruhegenussbemessung, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §73 Abs1;
B-VG Art118 Abs3 Z2;
B-VG Art132;
GdO NÖ 1973 §61 Abs1;
GdO NÖ 1973 §61 Abs4;
VwGG §27 Abs1;
VwGG §42 Abs3;
AVG §73 Abs1;
B-VG Art118 Abs3 Z2;
B-VG Art132;
GdO NÖ 1973 §61 Abs1;
GdO NÖ 1973 §61 Abs4;
VwGG §27 Abs1;
VwGG §42 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

Begründung

In der zur hg. Zl. 2009/12/0093 protokollierten Beschwerde bringt der Beschwerdeführer vor, es sei ihm mit Dienstauftrag des Bürgermeisters der Stadtgemeinde D (im Folgenden Bezeichnung der Gemeindebehörde ohne diesen Zusatz) vom 29. Dezember 2006 mitgeteilt worden, dass er vom Funktionsdienstposten des leitenden Gemeindebediensteten abberufen und gleichzeitig auf den Dienstposten des Dienstzweiges 69/71 versetzt werde. Gleichzeitig sei mitgeteilt worden, dass ihm gemäß § 18 Abs. 3 der NÖ Gemeindebeamtengehaltsordnung 1976 mit Beendigung der Innehabung des Funktionsdienstpostens ein Monatsentgelt nach der Entlohnungsstufe gebühre, die sich ergäbe, wenn die Betrauung mit der Funktion nicht erfolgt wäre. Aus diesem Anlass sei ihm seine Einreihung in die Leistungsverwendungsgruppe VI genannt und gleichzeitig bekannt gegeben worden, dass eine Ausgleichszulage nicht gebühre.

Dagegen habe er mit Schreiben vom 21. März 2007 Beschwerde eingelegt und beantragt, bescheidmäßig festzustellen, dass die Abberufung vom Funktionsdienstposten des leitenden Gemeindebediensteten sowie die Einreihung in die Leistungsverwendungsgruppe VI willkürlich und ungesetzlich gewesen sei bzw. habe er um bescheidmäßige Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes ersucht.

Über diesen Antrag, welcher nachweislich beim Bürgermeister eingelangt sei, sei ohne ersichtlichen Grund nicht entschieden worden. Er sei daher gezwungen gewesen, mittels Devolutionsantrages den Übergang der Entscheidungskompetenz auf den Stadtrat als gemäß § 60 NÖ Gemeindeordnung 1973 dem Bürgermeister übergeordnete Behörde zu erwirken. Dieser Devolutionsantrag sei beim Stadtrat am 4. März 2008 eingelangt. Auch der Stadtrat habe wiederum ohne ersichtlichen Grund innerhalb der gesetzlichen Sechsmonatsfrist nicht entschieden. Er sei daher neuerlich gezwungen gewesen, mittels Devolutionsantrages vom 5. September 2008 den Übergang der Entscheidungskompetenz auf den Gemeinderat als gemäß § 60 NÖ Gemeindeordnung 1973 dem Stadtrat übergeordnete Behörde zu erwirken.

Mit Bescheid des Stadtrates vom 2. Oktober 2008, der seiner Vertreterin am 8. Oktober 2008 zugestellt worden sei, seien seine Anträge als unzulässig zurückgewiesen worden.

Dagegen habe er fristgerecht mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2008 Vorstellung an die Niederösterreichische Landesregierung als Aufsichtsbehörde erhoben, wobei beantragt worden sei, den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Rechtssache an die Stadtgemeinde D. zurückzuverweisen.

Mit Bescheid der NÖ Landesregierung vom 9. März 2009 sei seiner Vorstellung gemäß § 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973 Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde verwiesen worden. In der Begründung sei ausgeführt worden, auf Grund des von ihm eingebrachten Devolutionsantrages vom 5. September 2008, eingelangt am 9. September 2008, sei der Gemeinderat zur Entscheidung berufen gewesen und nicht der Stadtrat.

Trotz dieses Umstandes habe die belangte Behörde nicht innerhalb der gesetzlichen Entscheidungsfrist entschieden.

In der zur hg. Zl. 2009/12/0094 protokollierten Beschwerde wird vorgebracht, mit Bescheid vom 10. August 2007, erlassen durch den Bürgermeister, sei das Ausmaß des Ruhegenusses des Beschwerdeführers festgelegt worden. Dagegen habe er fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung eingebracht und zwar am 4. Oktober 2007. Über diese Berufung, welche nachweislich beim Stadtrat eingelangt sei, sei nicht innerhalb der gesetzlich festgelegten Entscheidungsfrist entschieden worden.

Er sei daher gezwungen gewesen, mit Devolutionsantrag vom 4. August 2008 den Übergang der Entscheidungskompetenz auf den Gemeinderat als gemäß § 60 NÖ Gemeindeordnung 1973 dem Stadtrat übergeordnete Behörde zu erwirken.

Mit Bescheid des Stadtrates vom 2. Oktober 2008, seiner Vertreterin am 10. Oktober 2008 zugestellt, sei seine Berufung vom 4. Oktober 2007 als unbegründet abgewiesen worden.

Gegen diesen Bescheid habe er fristgerecht am 20. Oktober 2008 Vorstellung bei der Niederösterreichischen Landesregierung als Aufsichtsbehörde eingebracht. Mit Bescheid vom 19. März 2009 sei seiner Vorstellung Folge gegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973 aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde verwiesen worden. In der Begründung habe die Aufsichtsbehörde unter anderem ausgeführt, auf Grund seines Devolutionsantrages vom 4. August 2008, eingelangt am 6. August 2008, sei der Gemeinderat zur Entscheidung über seine Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters zuständig geworden, sodass der Stadtrat als unzuständige Behörde entschieden habe.

Dennoch sei seitens des Gemeinderates nicht innerhalb der gesetzlichen Entscheidungsfrist entschieden worden.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbundenen Beschwerden in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. a VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 27 Abs. 1 VwGG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, oder der unabhängige Verwaltungssenat, der nach Erschöpfung des Instanzenzuges, sei es durch Berufung oder im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten, wenn aber das das einzelne Gebiet der Verwaltung regelnde Gesetz für den Übergang der Entscheidungspflicht eine kürzere oder längere Frist vorsieht (Anm.: das trifft hier nicht zu), nicht binnen dieser in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.

Gemäß Art. 118 Abs. 3 Z. 2 B-VG fällt die Ausübung der Diensthoheit über die Gemeindebediensteten unbeschadet der Zuständigkeit überörtlicher Disziplinar-, Qualifikations- und Prüfungskommissionen in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde.

§ 60 Abs. 1 und 2 der NÖ Gemeindeordnung 1973, LGBl. Nr. 1000- 12, lautet:

"§ 60

Instanzenzug

(1) Der Instanzenzug in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches geht

 

1.

gegen Bescheide des Bürgermeisters (des Gemeindeamtes gemäß § 42 Abs. 3) an den Gemeindevorstand (Stadtrat),

 

 

2.

gegen erstinstanzliche Bescheide des Gemeindevorstandes (Stadtrates) an den Gemeinderat.

  

 

Gegen Berufungsbescheide des Gemeindevorstandes (Stadtrates)

nach Z. 1 ist eine weitere Berufung unzulässig.

(2) Die in den verfahrensgesetzlichen Bestimmungen vorgesehenen oberbehördlichen Befugnisse üben aus:

 

1.

gegenüber dem Bürgermeister und dem Gemeindeamt mit Organstellung der Gemeindevorstand (Stadtrat),

 

 

2.

gegenüber dem Gemeindevorstand (Stadtrat) der Gemeinderat.

  

 

Gegen Bescheide des Gemeindevorstandes (Stadtrates) nach Z. 1

ist eine Berufung unzulässig."

Gemäß § 61 Abs. 1 erster Satz NÖ Gemeindeordnung 1973 in der Stammfassung kann derjenige, der durch den Bescheid eines Gemeindeorgans in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges innerhalb von zwei Wochen, von der Zustellung des Bescheides an gerechnet, dagegen eine mit einem begründeten Antrag versehene Vorstellung bei der Aufsichtsbehörde erheben.

In beiden hier vorliegenden Beschwerdefällen hat die Niederösterreichische Landesregierung als Gemeindeaufsichtsbehörde Bescheide der Gemeinde aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde verwiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat zur hier maßgeblichen Niederösterreichischen Gemeindeordnung 1973 bereits ausgeführt, dass diese eine ausdrückliche Regelung über die Wirkung der Aufhebung eines gemeindebehördlichen Bescheides durch die Vorstellungsbehörde nicht enthalte. Zur Klärung dieser Wirkung sei im Hinblick auf die Vergleichbarkeit der Entscheidungsbefugnisse der Vorstellungsbehörde und des Verwaltungsgerichtshofes § 42 Abs. 3 VwGG als vergleichbare Regelung heranzuziehen. Im Hinblick auf die Frage der Entscheidungspflicht in Bezug auf durch die Aufhebung des Verwaltungsgerichtshofes und betreffend die Aufhebung durch die Aufsichtsbehörde wieder offene Berufungen, Vorstellungen oder Anträge hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Entscheidungspflicht gemäß § 73 Abs. 1 AVG mit der Zustellung des Erkenntnisses an die belangte Behörde neu zu laufen beginnt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1997, Zl. 97/05/0196 mzwN). Die in den vorliegenden Vorstellungsverfahren durch die Landesregierung erfolgten Aufhebungen der Entscheidungen des Stadtrates hatten in Bezug auf die Frage der Entscheidungspflicht über die nunmehr wieder offenen Anträge die Folge, dass die in § 27 VwGG bzw. in § 73 Abs. 1 AVG vorgesehene Frist zur Entscheidung mit der Zustellung der aufhebenden und zurückverweisenden Bescheide neu zu laufen begann.

In diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass im Falle der Aufhebung von Bescheiden der Gemeinde durch die Gemeindeaufsichtsbehörde die Frist für die Erhebung einer Säumnisbeschwerde gemäß Art. 132 B-VG mit der Zustellung des aufsichtsbehördlichen Bescheides an die Gemeinde beginnt (vgl. für das Abgabenverfahren z.B. die hg. Beschlüsse vom 30. Jänner 2008, Zl. 2007/16/0195 und vom 25. August 2005, Zl. 2005/16/0190). Da in den hier vorliegenden Beschwerdefällen die Vorstellungsbescheide der Niederösterreichischen Landesregierung vom 9. März 2009 (Zl. 2009/12/0093) und vom 19. März 2009 (Zl. 2009/12/0094) stammen, war die Frist des § 27 Abs. 1 VwGG im Zeitpunkt der Erhebung der vorliegenden Säumnisbeschwerden (jeweils am 11. Mai 2009) jedenfalls noch nicht abgelaufen.

Die Beschwerden waren daher schon ausgehend von deren Inhalt in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen.

Wien, am 2. Juli 2009

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