VwGH 2005/15/0135

VwGH2005/15/013520.2.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde der Dr. EMW in L, vertreten durch Dr. Gottfried Waibel, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Schulgasse 7, gegen die Bescheide des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Feldkirch,

1. vom 10. Oktober 2005, GZ. RV/0275-F/04, RV/0276-F/04, betreffend u.a. Einkommensteuer für das Jahr 2002 (hg. 2005/15/0135), und

2. vom 29. Juni 2007, GZ. RV/0163-F/06, RV/0164-F/06, RV/0165- F/06, und RV/0166-F/06, betreffend u.a. Einkommensteuer für die Jahre 2003 und 2004 (hg. 2007/15/0183), zu Recht erkannt:

Normen

11997E039 EG Art39;
62000CJ0385 de Groot VORAB;
62002CJ0464 Kommission / Dänemark;
BAO §26 Abs1;
DBAbk Schweiz 1975 Art19 idF 1995/161;
DBAbk Schweiz 1975 Art4;
EStG 1988 §1 Abs2;
EStG 1988 §16 Abs1 Z10;
EStG 1988 §16 Abs1 Z9;
EStG 1988 §16 Abs1;
EStG 1988 §67 Abs2;
EStG 1988 §67;
11997E039 EG Art39;
62000CJ0385 de Groot VORAB;
62002CJ0464 Kommission / Dänemark;
BAO §26 Abs1;
DBAbk Schweiz 1975 Art19 idF 1995/161;
DBAbk Schweiz 1975 Art4;
EStG 1988 §1 Abs2;
EStG 1988 §16 Abs1 Z10;
EStG 1988 §16 Abs1 Z9;
EStG 1988 §16 Abs1;
EStG 1988 §67 Abs2;
EStG 1988 §67;

 

Spruch:

Der zu 2005/15/0135 angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der zu 2007/15/0183 angefochtene Bescheid wird hinsichtlich Einkommensteuer 2004 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben; im Übrigen, also hinsichtlich Einkommensteuer 2003, wird die Beschwerde gegen diesen Bescheid als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 2.342,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen übereinstimmend davon aus, dass die Beschwerdeführerin in den Streitjahren über je einen Wohnsitz in der Schweiz und in Österreich verfügte. In der Schweiz erzielte sie Einkünfte als Angestellte als Leiterin der Lehrerinnen- und Lehrerweiterbildung Luzern. In Österreich erzielte sie einerseits Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit auf Grund eines Lehrauftrages an der Pädagogischen Akademie in Innsbruck, den sie blockweise erfüllte (Bundesdienst), und andererseits als Mitglied einer Personengemeinschaft Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

2.1. Mit Bescheid vom 6. Mai 2004 (berichtigt mit Bescheid vom 12. Mai 2004) berücksichtigte das Finanzamt im Rahmen der Veranlagung der Einkommensteuer 2002 die schweizerischen Einkünfte im Wege des Progressionsvorbehaltes bei Berechnung der Einkommensteuer.

Die Beschwerdeführerin berief gegen diesen Bescheid.

In seiner Berufungsvorentscheidung vom 19. August 2004 ging das Finanzamt davon aus, dass diese Einkünfte in der Schweiz zu besteuern seien, aber gemäß Art. 23 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl. Nr. 64/1975, (Kurz: DBA Schweiz) in Österreich der Besteuerung unter Anrechnung der in der Schweiz bezahlten Steuer unterlägen.

Über Vorlageantrag der Beschwerdeführerin entschied die belangte Behörde mit Berufungsentscheidung vom 10. Oktober 2005 über die Berufung dahingehend, dass die Einkommensteuerzahllast (durch die Anerkennung von Aufwendungen als Werbungskosten) verringert wurde.

2.2. Mit Bescheid vom 10. Mai 2006 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für das Jahr 2003 und mit Bescheid vom 18. Mai 2006 die Einkommensteuer für das Jahr 2004 fest.

Über die gegen diese Bescheide erhobene Berufung entschied die belangte Behörde mit Berufungsentscheidung vom 29. Juni 2007 dahingehend, dass hinsichtlich der Einkommensteuer 2003 der Berufung (durch Beseitigung eines Rechenfehlers des Finanzamtes) teilweise stattgegeben und die Berufung hinsichtlich der Einkommensteuer 2004 als unbegründet abgewiesen wurde.

3. Die Beschwerdeführerin erhob sowohl gegen die Berufungsentscheidung vom 10. Oktober 2005 als auch gegen die vom 29. Juni 2007 Beschwerde.

 

4. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges verbunden und darüber nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde erwogen:

a) Mittelpunkt der Lebensinteressen:

Die belangte Behörde ging in den insofern gleich lautenden Begründungen der angefochtenen Bescheide davon aus, dass die Beschwerdeführerin ihre Dienstleistungen in der Schweiz für eine schweizerische staatliche Einrichtung im Sinne des Art. 19 DBA-Schweiz erbracht habe. Weiters sei unstrittig, dass die Beschwerdeführerin in den Streitjahren nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Österreich einen Wohnsitz gehabt habe. Sie sei daher in Österreich unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Diese unbeschränkte Einkommensteuerpflicht erstrecke sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte. Nach Art. 19 Abs. 1 DBA-Schweiz dürften Vergütungen, die ein Vertragsstaat für ihm erbrachte, gegenwärtige oder frühere Dienstleistungen oder Arbeitsleistungen auszahle, in diesem Staat besteuert werden. Gemäß Art. 23 dieses Abkommens dürften diese Aktivbezüge auch in Österreich besteuert werden. Um eine sich ergebende Doppelbesteuerung dieser Einkünfte zu vermeiden, ordne Art. 23 Abs. 2 dieses Abkommens an, dass Österreich, wenn eine in Österreich ansässige Person Einkünfte beziehe, die nach Art. 19 auch in der Schweiz besteuert werden dürften, auf die vom Einkommen dieser Person zu erhebende Steuer den Betrag anrechne, der der in der Schweiz gezahlten Steuer entspreche.

Nach teilweiser Wiedergabe des Art. 4 dieses Abkommens führte die belangte Behörde weiters aus, weil die Beschwerdeführerin in beiden Vertragsstaaten über eine ständige Wohnstätte verfüge, sei zu ermitteln, zu welchem Vertragsstaat sie in den Streitjahren die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen gehabt habe. Als "persönliche und wirtschaftliche Beziehungen" einer Person sei nach Z. 15 des OECD-Kommentars (zu Art. 4) "ihre familiären und gesellschaftlichen Beziehungen, ihre berufliche, politische, kulturelle und sonstige Tätigkeit, der Ort ihrer Geschäftstätigkeit, der Ort, von wo aus sie ihr Vermögen verwalte," zu berücksichtigen. Es seien somit die gesamte private Lebensführung des Abgabepflichtigen, Familie, Besitz, wirtschaftliche, gesellschaftliche, politische und kulturelle Beziehungen nach ihrer überwiegenden Bedeutung im Gesamtbild der Lebensverhältnisse von Bedeutung. Persönliche und wirtschaftliche Beziehungen müssten nicht kumulativ vorliegen. Bei gegenläufigen Beziehungen entscheide das Überwiegen. Es zähle das Gesamtbild der Lebensverhältnisse.

Die persönlichen und wirtschaftlichen Momente der Beschwerdeführerin hätten sich in den Streitjahren nicht geändert. Nachfolgende wirtschaftliche und persönliche Sachverhaltsmomente sprächen nach wie vor dafür, dass sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Beschwerdeführerin nicht in die Schweiz verlagert habe:

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