VwGH 2006/15/0177

VwGH2006/15/017722.11.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schilhan, über die Beschwerde des Asim J in S, vertreten durch Mag. Peter Zivic, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Weihburggasse 20, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom 20. März 2006, GZ. RV/0085- L/06, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für die Jahre 2002 und 2003, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §115 Abs1;
BAO §119 Abs1;
EStG 1988 §16 Abs1;
EStG 1988 §20 Abs1 Z1;
EStG 1988 §20 Abs1 Z2 lita;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger von B erzielte in den Streitjahren in Österreich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurden entgegen den Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung bei der Veranlagung der Streitjahre die beantragten Kosten für die doppelte Haushaltsführung, nämlich Aufwendungen für Familienheimfahrten nach B und Mietkosten für die Wohnung an der Arbeitsstätte, nicht als Werbungskosten anerkannt.

Der Beschwerdeführer habe in seinen Eingaben darauf hingewiesen, dass ein Nachzug seiner Ehefrau und seiner minderjährigen Kindern nach Österreich mangels eines Nachweises des Vorliegens einer für Inländer ortsüblichen Unterkunft für die nachziehenden Familienangehörigen nicht möglich gewesen sei, weil er in den Jahren 1996 bis 2003 an seinem Arbeitsort lediglich eine sogenannte "Schlafstelle" zur Verfügung gehabt habe. Es sei auf Grund der vorgelegten Unterlagen und Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer seit 11. April 2002 seinen Hauptwohnsitz in S und seit 12. März 2002 einen Nebenwohnsitz in V habe. Die Ehefrau des Beschwerdeführers lebe mit den drei volljährigen Söhnen in B. Die Söhne seien arbeitslos. Der Beschwerdeführer besitze in B einen Grundbesitz im Ausmaß von 6.975 m2; er sei weiters Miteigentümer (mit seinen drei Brüdern) einer Liegenschaft von 32.550 m2. Auf diesen Liegenschaften werde Viehzucht und Milchwirtschaft betrieben.

Strittig sei, ob der doppelten Haushaltsführung des Beschwerdeführers eine berufliche Veranlassung zu Grunde liege und daher die Kosten für die Familienheimfahrten und die Mietkosten für die Wohnung in S als Werbungskosten abzugsfähig seien. Berufliche Veranlassung der mit der doppelten Haushaltsführung verbundenen Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen und deren daraus resultierende Qualifizierung als Werbungskosten läge nach ständiger Rechtsprechung nur dann vor, wenn dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten sei.

Dem Argument des Beschwerdeführers, eine Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich sei unzumutbar, weil er am Beschäftigungsort lediglich eine sogenannte Schlafstelle zur Verfügung habe, komme seit dem Jahr 2002 keine Bedeutung mehr zu. Ab diesem Zeitraum verfüge der Beschwerdeführer über einen Hauptwohnsitz und auch einen Nebenwohnsitz in Österreich. Für den haushaltsführenden Elternteil, nämlich der Ehefrau des Beschwerdeführers, bestehe seit Eintritt der Volljährigkeit der gemeinsamen Kinder grundsätzlich keine Ortsgebundenheit mehr. Die Anwesenheit der Ehefrau des Beschwerdeführers in B sei daher nicht notwendig. Darüber hinaus könnten die drei großjährigen, arbeitslosen Söhne die Bewirtschaftung des Grundbesitzes des Beschwerdeführers übernehmen. Die Beibehaltung des Familienwohnsitzes in B sei daher privat veranlasst.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Erstattung einer Gegenschrift und Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer hält seinen im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Standpunkt aufrecht, wonach die Unzumutbarkeit der Aufgabe des Familienwohnsitzes auf Dauer in privaten Umständen begründet sein könne.

Werbungskosten sind nach § 16 Abs. 1 Satz 1 EStG 1988 Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Nach § 20 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. dürfen die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden, was nach § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. a leg. cit. auch für Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung gilt, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

Nicht abzugsfähig sind Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits‑)Ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs‑)Tätigkeit bezogenen höchstens in § 16 Abs. 1 Z. 6 lit. c angeführten Betrag übersteigen (§ 20 Abs. 1 Z. 2 lit. e leg. cit.).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Berufliche Veranlassung der mit einer doppelten Haushaltsführung verbundenen Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen und deren daraus resultierende Qualifizierung als Werbungskosten liegt nach dieser ständigen Rechtsprechung nur dann vor, wenn dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei die Unzumutbarkeit unterschiedliche Ursachen haben kann. Solche Ursachen müssen aus Umständen resultieren, die von erheblichem objektiven Gewicht sind. Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 20. Dezember 2000, 97/13/0111, vom 27. Mai 2003, 2001/14/0121, vom 20. April 2004, 2003/13/0154, und vom 18. Oktober 2005, 2005/14/0046). Der Grund, warum Aufwendungen für Familienheimfahrten dennoch als Werbungskosten berücksichtigt werden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen so lange als durch die Erwerbstätigkeit veranlasst gelten, als eine Wohnsitzverlegung nicht zugemutet werden kann. Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung haben als auch in der weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in der Erwerbstätigkeit des Ehegatten. Solche Umstände können auch eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung rechtfertigen (vgl. Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, § 16 Abs. 1 Z. 6, Tz 3, mit Hinweisen auf die hg. Rechtsprechung).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache desjenigen Steuerpflichtigen, der die - grundsätzlich nie durch die Erwerbstätigkeit veranlasste - Beibehaltung des in unüblicher Entfernung vom Beschäftigungsort gelegenen Familienwohnsitzes als beruflich veranlasst geltend macht, der Abgabenbehörde die Gründe zu nennen, aus denen er die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort der Beschäftigung als unzumutbar ansieht, ohne dass die Abgabenbehörde in einem solchen Fall verhalten ist, nach dem Vorliegen auch noch anderer als der vom Steuerpflichtigen angegebenen Gründe für die behauptete Unzumutbarkeit zu suchen. Die berufliche Veranlassung von Aufwendungen, denen nach dem ersten Anschein eine nicht berufliche Veranlassung zu Grunde liegt, ist vom Steuerpflichtigen darzustellen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 20. April 2004, 2003/13/0154, m.w.N.).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage erweist sich die Beschwerde im Ergebnis als begründet. Die belangte Behörde geht davon aus, dass der Ehefrau des Beschwerdeführers die Verlegung ihres Wohnsitzes an den Beschäftigungsort des Beschwerdeführers auf Grund des Eintrittes der Volljährigkeit der gemeinsamen Kinder zumutbar sei. Dazu komme, dass der Beschwerdeführer seit dem Jahre 2002 in Österreich über einen Hauptwohnsitz und einen Nebenwohnsitz verfüge.

Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren die Unzumutbarkeit der Verlegung seines Familienwohnsitzes nicht nur damit begründet, dass an seinem Heimatort von seiner Ehefrau eine Landwirtschaft betrieben werde und dort auch seine - nunmehr - volljährigen, aber arbeitslosen Kinder wohnten, sondern auch damit, dass seine Ehefrau und seine Kinder die Voraussetzungen für einen Zuzug nach Österreich nicht erfüllten. Er verfüge nicht über eine nach dem Fremdengesetz erforderliche, für Inländer ortsübliche Unterkunft. Mit diesem Vorbringen hat sich die belangte Behörde nicht beschäftigt. Der Hinweis, dass er an einem Haupt- und einem Nebenwohnsitz gemeldet sei, genügt nicht, um die nach dem Fremdengesetz erforderliche Unterkunftsmöglichkeit darzutun. Da der Bescheid insoweit ergänzungsbedürftig geblieben ist, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 22. November 2006

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