VwGH 2000/14/0203

VwGH2000/14/020320.1.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der Marktgemeinde R, vertreten durch Dr. Roman Leitner, Wirtschaftsprüfer in 4040 Linz, Ottensheimerstraße 30, 32 und 36, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom 20. Oktober 2000, GZ. RV595/1-6/1999, betreffend Umsatzsteuer 1996 und 1997, zu Recht erkannt:

Normen

31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art13 TeilB litb;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art4 Abs5;
61987CJ0231 Piacenza VORAB;
61989CJ0004 Gemeinde Carpaneto Piacentino VORAB;
61997CJ0408 Kommission / Niederlande;
61998CJ0260 Kommission / Griechenland;
61998CJ0446 Fazenda Publica / Camara Municipal do Porto VORAB;
EURallg;
UStG 1994 §2 Abs3;
UStG 1994 §6 Abs1 Z16;
VwRallg;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art13 TeilB litb;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art4 Abs5;
61987CJ0231 Piacenza VORAB;
61989CJ0004 Gemeinde Carpaneto Piacentino VORAB;
61997CJ0408 Kommission / Niederlande;
61998CJ0260 Kommission / Griechenland;
61998CJ0446 Fazenda Publica / Camara Municipal do Porto VORAB;
EURallg;
UStG 1994 §2 Abs3;
UStG 1994 §6 Abs1 Z16;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende Gemeinde betreibt eine kommunale Bestattungsanlage. Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung wurde festgestellt, dass sie in den Jahren 1996 und 1997 eine Einsegnungshalle errichtet und von deren Errichtungs- und Erhaltungskosten Vorsteuern geltend gemacht habe. Sämtliche Einnahmen im Zusammenhang mit dem Betrieb des Friedhofs, wie Grab- und Öffnungsgebühren, Totengräbergebühren und die Benützungsgebühren der Leichenhalle seien von der beschwerdeführenden Gemeinde vereinnahmt worden.

In rechtlicher Hinsicht vertrat der Prüfer die Ansicht, im Hinblick auf die Bestimmung des § 30 Abs. 2 des Oö. Leichenbestattungsgesetzes 1985 sei eine Gemeinde, wenn sie selbst den örtlichen Friedhof betreibe, zur Errichtung einer Leichenhalle verpflichtet. Der Betrieb der Einsegnungshalle stelle somit einen Teil der Hoheitsbetriebes "Friedhof" dar. Da Körperschaften des öffentlichen Rechtes nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art und ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig seien, sei ein Vorsteuerabzug gemäß § 12 UStG 1994 nicht zulässig und unterlägen die entsprechenden Umsätze auch nicht der Umsatzsteuer.

Die dagegen erhobene Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde führte begründend aus, gemäß § 34 Abs. 3 Oö. Leichenbestattungsgesetz 1985 seien die Rechtsbeziehungen zwischen den Gemeinden und den Benützern kommunaler Friedhöfe öffentlich-rechtlicher Natur. Die Gestattung der Benützung der Leichenhalle erfolge daher auf öffentlich-rechtlicher Grundlage. Überdies sei die Gestattung der Benützung einer Leichenhalle auch deswegen dem Hoheitsbereich zuzurechnen, weil diese Tätigkeit den Gemeinden schon rein inhaltlich eigentümlich und vorbehalten sei. Friedhöfe dürften nach § 30 leg. cit. nur von Gemeinden, Gemeindeverbänden oder von gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften betrieben werden. Die zum Steiermärkischen Leichenbestattungsgesetz 1952 ergangene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (das Erkenntnis vom 21. Mai 1990, 88/15/0038) sei zum einen auf Grund der unterschiedlichen Rechtsgrundlagen, zum anderen deshalb unmaßgeblich, weil die Leichenhalle gegenständlich nicht an den örtlichen Bestatter vermietet, sondern unmittelbar den Angehörigen der Verstorbenen zur Verfügung gestellt werde.

Gegen diese Beurteilung wendet sich - nach Zurücknahme eines weiteren Beschwerdepunktes mit Eingabe vom 5. März 2001 - die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 UStG 1994 ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt.

Nach § 2 Abs. 3 UStG 1994 sind Körperschaften des öffentlichen Rechts nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1988) und ihrer land- oder forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig.

Gemäß § 2 Abs. 1 KStG 1988 ist ein Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts jede Einrichtung, die wirtschaftlich selbständig ist und ausschließlich oder überwiegend einer nachhaltigen privatwirtschaftlichen Tätigkeit von wirtschaftlichem Gewicht und zur Erzielung von Einnahmen oder im Falle des Fehlens der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr von anderen wirtschaftlichen Vorteilen und nicht der Land- und Forstwirtschaft dient. Nach Abs. 5 leg. cit. liegt eine privatwirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Abs. 1 nicht vor, wenn die Tätigkeit überwiegend der öffentlichen Gewalt dient (Hoheitsbetrieb). Als Hoheitsbetriebe gelten u.a. Friedhöfe.

Die beschwerdeführende Gemeinde beruft sich in ihrer Beschwerde u.a. auf (die in ihren Fall günstigeren) Regelungen des Gemeinschaftsrechts. Aus Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG (im Folgenden: RL) ergebe sich, dass es unzulässig sei, die streitgegenständliche Überlassung einer Leichenhalle als hoheitliche Tätigkeit der Gemeinde zu qualifizieren.

Nach Art. 4 Abs. 1 und 2 der RL gilt als Steuerpflichtiger, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit als Erzeuger, Händler oder Dienstleistender ausübt.

Nach Art. 4 Abs. 5 der RL gelten Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts nicht als Steuerpflichtige, soweit sie Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen. Die Mitgliedstaaten können die Tätigkeiten der vorstehend genannten Einrichtungen, die nach Art. 13 oder 28 von der Steuer befreit sind, als Tätigkeiten behandeln, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen.

Nach gefestigter Rechtsprechung des EuGH handelt es sich bei Tätigkeiten "im Rahmen der öffentlichen Gewalt" im Sinne von Art. 4 Abs. 5 der RL um solche, die Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Sonderregelung ausüben. Dies ist der Fall, wenn die Ausübung dieser Tätigkeit das Gebrauchmachen von hoheitlichen Befugnissen umfasst; nicht dazu gehören Tätigkeiten, die sie unter den gleichen Bedingungen ausüben wie private Wirtschaftstreibende (vgl. EuGH vom 14. Dezember 2000, Rs. C-446/98 , Slg. I-11435, Randnr. 17 und 23). Unerheblich ist, ob die Tätigkeit in Wahrnehmung von Aufgaben besteht, die aus Gründen des Gemeinwohls durch Gesetz zugewiesen und geregelt sind (vgl. EuGH vom 12. September 2000, Rs. C-260/98 , I-06537, Randnr. 28, und vom 12. September 2000, Rs. C-408/97 , Slg. I-06417, Randnr. 27). Ausschlaggebend sind die konkreten Ausübungsmodalitäten der Tätigkeiten. Soweit Art. 4 Abs. 5 der RL die Behandlung der Einrichtungen des öffentlichen Rechts als Nichtsteuerpflichtige davon abhängig macht, dass diese "im Rahmen der öffentlichen Gewalt" tätig werden, schließt sie eine solche Behandlung für Tätigkeiten aus, die diese Einrichtungen nicht als Rechtssubjekte des öffentlichen Rechts, sondern als Rechtssubjekte des Privatrechts ausüben. Das einzige Kriterium, das eine sichere Unterscheidung dieser beiden Arten von Tätigkeiten ermöglicht, ist folglich die nach dem nationalen Recht anwendbare rechtliche Regelung, wobei es Sache des nationalen Gerichts ist, die fragliche Tätigkeit anhand dieses Kriteriums zu beurteilen (vgl. EuGH vom 17. Oktober 1989, Rs. 231/87 und 129/88, Slg. 03233, Randnr. 15, und vom 15. Mai 1990, Rs. C-4/89 , Slg. I- 01869, Randnr. 10 und 12; sowie zusammenfassend Lange, Juristische Personen des öffentlichen Rechts als Unternehmer im Umsatzsteuerrecht, UR 2000, 1ff).

Die Rechtsansicht der belangten Behörde, eine umsatzsteuerpflichtige Tätigkeit der Gemeinde liege hinsichtlich der im Beschwerdefall strittigen Tätigkeit nicht vor, beruht auf der ausdrücklichen Annahme, die Rechtsbeziehungen zwischen den Gemeinden und den Benützern kommunaler Friedhöfe seien öffentlichrechtlicher Natur. Die Gestattung der Benützung der Leichenhalle erfolge auf öffentlich-rechtlicher Grundlage.

Damit hat sie die Rechtslage verkannt.

Nach § 34 Abs. 3 des Oö. Leichenbestattungsgesetzes 1985, LGBl. Nr. 40/1985, sind die Rechtsbeziehungen zwischen den Inhabern und den Benützern der Friedhöfe unbeschadet der Bestimmungen des Art. 15 des Staatsgrundgesetzes, RGBl. Nr. 142/1867, über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger und des Art. 12 des Gesetzes RGBl. Nr. 49/1868, durch den die interkonfessionellen Verhältnisse der Staatsbürger in den darin angegebenen Beziehungen geregelt werden, privatrechtlicher Natur.

Aber auch der zweite Begründungsansatz der belangten Behörde vermag den angefochtenen Bescheid nicht zu tragen. Dass die fragliche Tätigkeit der Gemeinde "rein inhaltlich eigentümlich und vorbehalten" ist, ist ein Umstand, der es nach der zitierten Rechtsprechung des EuGH nicht erlaubt, Personen des öffentlichen Rechts als Nichtsteuerpflichtige zu behandeln, weil es auf den Gegenstand und die Zielsetzung der Tätigkeit der öffentlichen Einrichtung nicht ankommt (vgl. die Urteile des Gerichtshofes in den Rechtssachen C-408/97 sowie 231/87 und 129/88).

Indem die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie den Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhalts belastet, sodass er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Ob die gegenständliche Leistung der Gemeinde unter eine von Art. 13 oder 28 der RL erfasste steuerbefreite Tätigkeit (insbesondere Art. 13 Teil B lit. b der RL) mit der Rechtsfolge subsumiert werden könnte, dass Österreich gemäß Art. 4 Abs. 5 der RL berechtigt wäre, die Tätigkeit als im Rahmen der öffentlichen Gewalt erbracht zu behandeln, war im Beschwerdefall schon mangels konkreter Feststellungen zum Inhalt der von der Gemeinde mit den "Benützern des Friedhofs" geschlossenen privatrechtlichen Vereinbarungen nicht zu beurteilen.

Sollte sich im fortgesetzten Verfahren ergeben, dass die Behandlung der Gemeinde als Nichtsteuerpflichtige hinsichtlich der im Beschwerdefall strittigen Betätigung im Hinblick auf Art. 4 Abs. 5 letzter Satz iVm Art. 18 Teil B lit. b der RL (Vermietung und Verpachtung von Grundstücken) nicht gegen Gemeinschaftsrecht verstößt, werden weiters Feststellungen darüber zu treffen sein, ob aus der Sicht des österreichischen UStG die strittige Betätigung in einen allgemeinen (aus der Betrachtung des österreichischen Rechts nicht unternehmerischen) Friedhofsbetrieb eingebettet ist oder, wenn dies nicht der Fall ist, ob die Tätigkeit der Gemeinde unter die Bestimmung des § 2 Abs. 3 letzter Satz UStG 1994 fällt, wonach die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken durch öffentlich-rechtliche Körperschaften stets als unternehmerische Tätigkeit gilt. Dabei ist auch anzumerken, dass sich der innergemeinschaftliche Begriff der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken nicht notwendig mit dem im UStG 1994 verwendeten Begriff der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken deckt (vgl. zum innergemeinschaftlichen Vermietungsbegriff das hg. Erkenntnis vom 20. März 2002, 99/15/0041, sowie zur innerstaatlichen Begriffsbestimmung die bei Ruppe, UStG 19942, Tz. 357 u § 6 angeführte hg. Rechtsprechung).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Ersatz für Schriftsatzaufwand war lediglich in Höhe des mit § 1 Z 1 lit. a der zitierten Verordnung festgesetzten Betrages zuzuerkennen, der die Umsatzsteuer bereits enthält.

Wien, am 20. Jänner 2005

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