VwGH 2000/05/0107

VwGH2000/05/010719.6.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Manfred und der Gloria Smid in Kirchbach, vertreten durch Dr. Walter Anzböck, Dr. Joachim Brait, Rechtsanwälte in Tulln, Wiener Straße 9, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 7. April 2000, Zl. RU1-A-042/109, betreffend Antrag auf Erteilung eines baupolizeilichen Auftrages (mitbeteiligte Partei: Kurt Krist in Unterkirchbach, vertreten durch Dr. Günther Sulan, Rechtsanwalt in Wien I, Biberstraße 10/9), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §73 Abs2;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §14 Z6;
BauO NÖ 1996 §14;
BauO NÖ 1996 §23 Abs1;
BauO NÖ 1996 §23;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1996 §35;
BauO NÖ 1996 §4 Z3;
BauO NÖ 1996 §6 Abs3;
BauRallg;
B-VG Art140 Abs7;
GewO 1994 §74 Abs1;
VwRallg;
AVG §58 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §73 Abs2;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §14 Z6;
BauO NÖ 1996 §14;
BauO NÖ 1996 §23 Abs1;
BauO NÖ 1996 §23;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1996 §35;
BauO NÖ 1996 §4 Z3;
BauO NÖ 1996 §6 Abs3;
BauRallg;
B-VG Art140 Abs7;
GewO 1994 §74 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben zu gleichen Teilen dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- und dem Mitbeteiligen Aufwendungen in Höhe von EUR 952,33, jeweils binnen zwei Wochen, bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer sind Eigentümer des Grundstücks Nr. 12/17, KG Kirchbach. Auf dem östlich davon im Bauland-Kerngebiet gelegenen Grundstück Nr. 6/1, welches von der Liegenschaft der Beschwerdeführer durch eine weniger als 14 m breite Straße getrennt ist, betreibt der Mitbeteiligte im Rahmen eines Gewerbebetriebes ua. eine Betriebstankstelle. Der Mitbeteiligte verfügt über einen Bescheid des Bürgermeisters der damaligen Gemeinde Kirchbach vom 1. Juni 1962, mit dem ihm auf seinem Grundstück die Errichtung eines KFZ-Einstellraumes baubehördlich bewilligt worden war. Von der Bewilligung mitumfasst ist - wie sich aus der seinerzeitigen Verhandlungsniederschrift vom 30. Mai 1962 ergibt - auch eine Treibstoffzapfstelle für Dieselöl für den eigenen Bedarf. Spätere Erweiterungen dieser Baubewilligung durch die Organe der Marktgemeinde St. Andrä-Wördern wurden auf Grund einer von den Beschwerdeführern erhobenen Vorstellung aufgehoben (s. dazu das hg. Erk. vom 26. April 2000, Zl. 96/05/0151). Mit dem - vom Mitbeteiligten dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten - Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Tulln vom 31. Juli 1962 war der KFZ-Einstellraum (Garage), einschließlich der Zapfsäule und eines zugehörigen 5.000 l fassenden unterirdisch verlegten Kessels, auch gewerbebehördlich bewilligt worden.

Mit einem Schreiben vom 25. Juni 1998 beantragten die Beschwerdeführer bei der (auf Grund der NÖ Übertragungsverordnung für Bauangelegenheiten zuständig gewordenen) Bezirkshauptmannschaft Tulln (im Folgenden: BH) die Durchführung eines baubehördlichen Bewilligungs- oder Entfernungsverfahrens betreffend die Tankstelle des Mitbeteiligten, weil die "ursprünglich landwirtschaftliche Betankungsmöglichkeit am Grundstück Nr. 6/1 der Fa. Kurt Krist in der Zwischenzeit auf eine gewerbebehördlich und baubehördlich zu genehmigende Betriebsanlagentankstelle umfunktioniert" worden sei.

Im Gutachten eines Amtssachverständigen des NÖ Gebietsbauamtes III vom 29. Juni 1999, welches von der BH im Rahmen einer gewerbebehördlichen Prüfung der Tankstelle eingeholt worden war, wird ausgeführt, der Mitbeteiligte habe ohne Einholung einer bau- oder gewerbebehördlichen Bewilligung den ursprünglichen einwandigen Kessel durch einen zweiwandigen, 7.000 l fassenden Kessel ersetzt. Bei gleicher Betriebsweise der Tankanlage (Anzahl der Betankungen der Fahrzeuge und Befüllungen des Lagerbehälters) sei ein nachteiliges Emissionsverhalten der Betriebsanlage nicht zu erwarten.

Am 27. Oktober 1999 richteten die Beschwerdeführer an die belangte Behörde einen Devolutionsantrag, da bis zu diesem Zeitpunkt keine bescheidmäßige Erledigung ihres Antrages vom 25. Juni 1998 erfolgt war.

In diesem Antrag brachten die Beschwerdeführer vor, der Mitbeteiligte habe das Grundstück 1983 von seinem Onkel geerbt, die Tankstelle ohne baubehördliche Bewilligung umgebaut und sie fortan für seinen Gewerbebetrieb, der Transport, Güterfernverkehr, Erdarbeiten, Holz-, Sand-, Schotter- und Baustoffhandel zum Gegenstand habe, genutzt. Zuvor sei die Tankstelle nur durch landwirtschaftliche Fahrzeuge genutzt worden. Die Überschreitung der ursprünglich erteilten Baubewilligung sei augenscheinlich. Die Tankstelle, welche sich auf schrägem Gelände befinde, werde ständig von Schwerfahrzeugen des Mitbeteiligten, der mittlerweile über einen Fuhrpark von sieben Schwertransportern, sechs Anhängern sowie vier Baumaschinen verfüge, angefahren. Weil sich in der Nähe die Zufahrt zu einer Schottergrube befinde, komme es zu einer starken Staubbelastung, durch den Platzmangel im Bereich der Tankstelle seien Rangiervorgänge erforderlich, LKW-Züge würden sich am Nachbargrundstück auf eine Länge von 36 m zum Betanken anstellen. Auf Grund einer genauen Überwachung der Frequenz und der Treibstofflieferungen über 14 Tage hinweg habe man auf Grund einer Überschlagsrechnung ein Betankungsvolumen von rund 150.000 l jährlich festgestellt. Die baubehördlichen Belange seien im gewerbebehördlichen Verfahren nicht wahrgenommen worden. Auch außerhalb der Ortschaft stationierte firmeneigene Schwertransporter und LKW-Züge würden die Tankstelle anfahren. Der Tankstellenbetrieb beeinträchtige den gesamten Ortsteil.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde "den Antrag vom 27. Oktober 1999" als unbegründet ab. In der Begründung führte sie aus, der Devolutionsantrag sei infolge Säumnis der Behörde erster Instanz zwar zulässig, auf Grund der Baubewilligung vom 1. Juni 1962, der dingliche Bescheidwirkung zukomme, liege jedoch gemäß § 68 Abs. 1 AVG hinsichtlich der Betriebstankstelle des Mitbeteiligten entschiedene Sache vor. Bei der Anlage handle es sich außerdem um eine gewerbliche Betriebsanlage nach § 74 Abs. 1 GewO 1994. Von dieser ausgehende Belästigungen seien im gewerbebehördlichen Verfahren geltend zu machen. Im Übrigen liege das Wohnhaus der Beschwerdeführer ca. 105 m südwestlich des Zentrums des Grundstückes Nr. 6/1 (Standort der Tankstelle). Auf Grund der großen Entfernung des Grundstücks sei eine Verletzung von subjektiven Anrainerrechten gar nicht denkbar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Aus ihrem Inhalt ergibt sich, dass sich die Beschwerdeführer in ihrem subjektiven Recht auf Durchführung eines baubehördlichen Bewilligungs- oder Abbruchverfahrens verletzt erachten und außerdem Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorweg ist festzuhalten, dass nach dem Wortlaut des Spruches des angefochtenen Bescheides die belangte Behörde den Devolutionsantrag der Beschwerdeführer vom 27. Oktober 1999 als unbegründet abgewiesen hat. Aus der Begründung ergibt sich jedoch zweifelsfrei, dass die belangte Behörde den Übergang der Zuständigkeit zur Sachentscheidung gemäß § 73 Abs. 2 AVG auf sich selbst bejaht hat und in Wahrheit eine Abweisung des verfahrenseinleitenden Antrages vom 25. Juni 1998 beabsichtigt war.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 29. Oktober 1991, Zl. 91/07/0108, ausgesprochen, dass kein Eingriff in Rechte einer Partei vorliegt, wenn eine Behörde zwar im Bescheidspruch ihrer Berufungsentscheidung den Ausdruck "zurückgewiesen" verwendet, anstatt sich richtigerweise des Ausdruckes "abgewiesen" zu bedienen, die Behörde in der Begründung des Bescheides aber auf jene Fragen, die beim gegebenen Prozessgegenstand zulässiger Berufungsinhalt waren, mit dem Ergebnis, dass die Berufung abzuweisen wäre, eingegangen ist, sodass nur die der tatsächlich vorgenommenen Beurteilung angemessene Bezeichnung verfehlt wurde.

Ebenso ist der vorliegende Fall zu beurteilen, dass scheinbar ein Devolutionsantrag abgewiesen wird, die Oberbehörde aber nach der Begründung des abweisenden Bescheides eindeutig eine Sachentscheidung über den Prozessgegenstand des Verfahrens vor der säumigen Behörde bezweckte. Denn auch bei dieser Fallkonstellation liegt ein bloßes Vergreifen im Ausdruck vor, sodass der Bescheidspruch als Abweisung des Antrages der Beschwerdeführer vom 25. Juni 1998, welcher die "Sache" des Verfahrens vor der BH Tulln umgrenzt, auszulegen ist.

Im Beschwerdefall ist, da das gegenständliche Verfahren vor Inkrafttreten der ersten Novelle zur Niederösterreichischen Bauordnung 1996, LGBl. 8200-3, am 17. September 1999 anhängig gemacht wurde, gemäß Art. II Z. 2 dieser Novelle die Bauordnung in der Fassung vor dieser Novelle (Stammfassung; BO) anzuwenden. Die Aufhebung des § 6 Abs. 3 BO durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 23. Februar 1999, Zl. G 231/98, kundgemacht durch LGBl. 8200-1 am 26. März 1999, ist jedoch für den vorliegenden Fall zu berücksichtigen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem (ebenfalls die Anwendung des § 6 Abs. 3 BO betreffenden) Erkenntnis vom 7. März 2000, Zl. 99/05/0223, nämlich die Auffassung vertreten, dass in einem Baubewilligungsverfahren unter einem "vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestand" im Sinn von Art. 140 Abs. 7, 2. Satz, B-VG nur ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren verstanden werden kann. Dies muss umso mehr für ein im Zuge eines baupolizeilichen Verfahrens nach § 35 BO eingeleitetes Baubewilligungsverfahren nach Abs. 2 Z. 3 dieser Bestimmung gelten. § 35 Abs. 2 Z. 3 BO ermöglicht auch in diesem Verfahren noch die Einholung einer nachträglichen Baubewilligung, wofür die aufgehobenen Vorschriften nach der zitierten Rechtsprechung keinesfalls mehr maßgeblich sein können. § 6 Abs. 3 BO ist somit im Beschwerdefall nicht mehr anzuwenden.

Gemäß § 6 Abs. 1 Z. 3 BO haben in Baubewilligungsverfahren und baupolizeilichen Verfahren nach § 32, § 33 Abs. 2, § 34 Abs. 2 und § 35 BO die Eigentümer der Grundstücke, die mit dem Baugrundstück eine gemeinsame Grenze haben oder von diesem durch eine öffentliche Verkehrsfläche, ein Gewässer oder einen Grüngürtel mit einer Breite bis zu 14 m getrennt sind (Nachbarn), Parteistellung. Nachbarn sind nur dann Parteien, wenn sie durch das Bauwerk und dessen Benützung in den in § 6 Abs. 2 BO erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden.

Die Nachbareigenschaft der Beschwerdeführer nach § 6 Abs. 1 Z. 3 BO ergibt sich eindeutig aus der Lage ihres Grundstücks und wird weder von der belangten Behörde noch vom Mitbeteiligten in Frage gestellt. Die Beschwerdeführer machen von der Betriebstankstelle ausgehende Lärm-, Staub- und Geruchsbelästigungen, somit Immissionen nach § 6 Abs. 2 Z. 2 BO geltend und begehren diesbezüglich die "Einleitung eines baubehördlichen Bewilligungs- bzw. Entfernungsverfahrens".

Die weiteren im vorliegenden Fall anzuwendenden Bestimmungen der BO lauten:

"§ 14

Bewilligungspflichtige Bauvorhaben

Nachstehende Bauvorhaben bedürfen einer Baubewilligung:

  1. 1. Neu- und Zubauten von Gebäuden;
  2. 2. die Errichtung von baulichen Anlagen, durch welche Gefahren für Personen und Sachen oder ein Widerspruch zum Ortsbild (§ 56) entstehen oder Rechte nach § 6 verletzt werden könnten;

    (...)

    4. die Abänderung von Bauwerken, wenn die Standsicherheit tragender Bauteile, der Brandschutz oder die hygienischen Verhältnisse beeinträchtigt, ein Widerspruch zum Ortsbild (§ 56) entstehen oder Rechte nach § 6 verletzt werden könnten;

    5. die ortsfeste Aufstellung von Maschinen und Geräten in Bauwerken, die nicht gewerbliche Betriebsanlagen sind, sowie die Aufstellung von Feuerungsanlagen (§ 59 Abs. 1), wenn die Standsicherheit des Bauwerks oder der Brandschutz beeinträchtigt werden könnte oder Rechte nach § 6 verletzt werden könnten;

    6. die Lagerung brennbarer Flüssigkeiten von mehr als 1000 Liter außerhalb gewerblicher Betriebsanlagen;

    (...)

    § 35

    Sicherungsmaßnahmen und Abbruchauftrag

(1) Die Baubehörde hat alle Sicherungsmaßnahmen, die zum Schutz von Personen und Sachen erforderlich sind, insbesonders die Räumung von Gebäuden oder deren Teilen anzuordnen.

(2) Die Baubehörde hat den Abbruch eines Bauwerks anzuordnen, wenn

(...)

3. für das Bauwerk keine Baubewilligung (§ 23) oder Anzeige (§ 15) vorliegt und

( das Bauwerk unzulässig ist (§ 15 Abs. 3 und § 23 Abs. 1) oder ( der Eigentümer den für die fehlende Bewilligung

erforderlichen Antrag oder die Anzeige nicht innerhalb der von der Baubehörde bestimmten Frist ab der Zustellung der Aufforderung hiezu eingebracht hat.

Für andere Vorhaben gilt Z. 3 sinngemäß.

(3) Wenn es zur Vermeidung von Gefahren für Menschen und Sachen oder von unzumutbaren Belästigungen notwendig ist, hat die Baubehörde die Nutzung eines Bauwerks zu einem anderen als dem bewilligten oder aus der Anzeige (§ 15) zu ersehenden Verwendungszweck mit Bescheid zu verbieten."

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 23. Mai 2002, Zl. 2001/05/0835, zu dem neben § 35 BO in § 6 Abs. 1 BO gleichfalls aufgezählten § 33 Abs. 2 BO ausgesprochen, dass der Nachbar in einem solchen Verfahren Parteistellung (Anspruch auf Entscheidung) hat, wenn er wegen der Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts (§ 6 Abs. 2 BO) einen baupolizeilichen Auftrag beantragt hat (s. Hauer/Zaussinger, Niederösterreichisches Baurecht6 (2001), S. 396, Anm. 12 zu § 33 BO).

Die Einleitung eines Baubewilligungsverfahrens kann der Nachbar jedoch nicht erzwingen, diese kann gemäß § 23 Abs. 1 BO ausschließlich der Bauwerber durch Einreichung eines Bauansuchens erreichen (vgl. die bei Hauer/Zaussinger, Niederösterreichisches Baurecht6 (2001), S. 346 f wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Zur Einleitung eines Bewilligungsverfahrens kann es, wie oben bereits erwähnt, zwar auch im Laufe des baupolizeilichen Verfahrens kommen, jedoch ist auch dafür nach § 35 Abs. 2 Z 3, zweiter Unterabsatz, BO unabdingbare Voraussetzung die Einbringung eines Bauansuchens durch den Bauwerber. Insoferne waren die Beschwerdeführer zu einer Antragstellung nicht berechtigt, sodass diesbezüglich durch den angefochtenen Bescheid ihre Rechte nicht verletzt wurden.

Die belangte Behörde hat die Abweisung des Antrages vom 25. Juni 1998 zunächst damit begründet, die Beschwerdeführer müssten die Baubewilligung vom 1. Juni 1962 gegen sich gelten lassen, es liege "entschiedene Sache" im Sinn von § 68 Abs. 1 AVG vor. Dabei übersieht die belangte Behörde jedoch, dass die Beschwerdeführer nicht baupolizeiliche Maßnahmen hinsichtlich der seinerzeit baubehördlich genehmigten Zapfstelle gefordert haben, sondern dass sie sich in ihrem Antrag auf eine bewilligungslose Änderung des konsentierten Bestandes berufen. Die Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides ist jedoch objektiv durch den diesem zu Grunde liegenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt begrenzt (s. näher Walter/Mayer, Verwaltungsverfahren7 (1999), Rz. 482 f).

Das vorliegende Sachverständigengutachten vom 29. Juni 1999, welches nach § 46 AVG auch im baubehördlichen Verfahren zu berücksichtigen ist, spricht von einer Vergrößerung des unterirdischen Treibstoffkessels (Fassungsvermögen nunmehr 7.000 l statt zuvor 5.000 l), womit jedenfalls eine Abweichung vom seinerzeit konsentierten Bestand vorläge. Es ist daher zu prüfen, ob dieser Veränderung baurechtliche Relevanz zukommt, weil nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Beseitigungsauftrag voraussetzt, dass die Bewilligungspflicht sowohl im Zeitpunkt der Errichtung des Bauwerkes als auch im Zeitpunkt der Erteilung des Auftrages zu bejahen ist (Hauer/Zaussinger, aaO, S. 424, E 4a zu § 35 BO).

Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung auch darauf gestützt, dass es sich bei der gegenständlichen Betriebstankstelle um eine gewerbliche Betriebsanlage im Sinn von § 74 Abs. 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) handle, was durch die genannten Bescheide aus 1962 unzweifelhaft feststeht.

Allein daraus ergibt sich aber, dass es sich beim Austausch des Treibstoffkessels, nicht um ein nach der BO bewilligungspflichtiges Bauvorhaben handelt. Denn aus § 14 Z. 6 BO ist im Umkehrschluss abzuleiten, dass die Lagerung brennbarer Flüssigkeiten von mehr als 1000 Liter nur dann einer baurechtlichen Bewilligung bedarf, wenn diese außerhalb einer gewerblichen Betriebsanlage erfolgt. Durch § 14 Z. 6 BO ist die Lagerung brennbarer Flüssigkeiten von mehr als 1000 Liter abschließend geregelt, sodass eine gesonderte Baubewilligungs- oder Anzeigepflicht für eine lediglich der Lagerung dienende Aufstellung eines Lagertanks nicht in Betracht kommt. Eine andere Auslegung würde für § 14 Z. 6 BO kaum einen Anwendungsbereich bestehen lassen, weil die Lagerung in der Regel ein derartiges Bauvorhaben in sich schließt (vgl. Hauer/Zaussinger, aaO, S. 238, Anm. 20 zu § 14 BO), welches für sich alleine als nach der Z. 2 bzw. 4 des § 14 BO bewilligungspflichtiges Bauwerk (§ 4 Z. 3 BO) zu qualifizieren wäre. Die von einer solchen Anlage ausgehenden Gefahren und Belästigungen erachtet der Gesetzgeber jedoch im gewerbebehördlichen Verfahren ausreichend berücksichtigt.

Sonstige baurechtlich relevante Veränderungen sind dem Vorbringen der Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde zu entnehmen. Insbesondere liegt die von den Beschwerdeführern offenbar angenommene Änderung des Verwendungszweckes der Betriebsanlage nicht vor, da sich aus dem gewerbebehördlichen Bewilligungsbescheid vom 31. Juli 1962 eindeutig ergibt, dass der Mitbeteiligte schon in diesem Zeitpunkt auf dem Grundstück ein Gewerbe im Sinn gewerberechtlicher Vorschriften betrieben hat und es sich bei der damals bewilligten Garage, welche auch den Treibstofftank samt Zapfsäule umfasste, um eine gewerbliche Betriebesanlage handelte; in der Niederschrift über die Bauverhandlung vom 30. Mai 1962 wird ausgeführt: "Das Objekt wird für die Fahrzeuge des Gewerbebetriebes verwendet.". Von einer von den Beschwerdeführern behaupteten "landwirtschaftlichen Betankungsmöglichkeit" kann somit keine Rede sein.

Da es den Beschwerdeführern somit nicht gelungen ist, einen nach baurechtlichen Vorschriften konsenswidrigen Zustand auf dem Grundstück des Mitbeteiligten aufzuzeigen, war die Erlassung des von ihnen begehrten Abbruchauftrages nach § 35 Abs. 2 Z. 3 BO nicht geboten.

Die Beschwerde erweist sich somit auch insofern als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 19. Juni 2002

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