Normen
WaffG 1996 §21 Abs2;
WaffG 1996 §22 Abs2;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2002:1998200563.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom 27. Februar 1998, mit dem der Beschwerdeführerin die Ausstellung des beantragten Waffenpasses versagt worden war, gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.
In ihrem Antrag auf Ausstellung eines Waffenpasses begründete die Beschwerdeführerin ihren Bedarf zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen mit ihrer beruflichen Stellung als Ärztin. Als solche werde sie mehrmals monatlich in den Nachtstunden von ihr nicht bekannten Patienten in das entlegene österreich-slowenische Grenzgebiet um die Soboth zu Hilfe gerufen, wo bekanntlich auch Suchtgift konsumierende Aussteiger wohnhaft seien; aufgrund ihrer Berufspflichten als Distriktsärztin, die zur Behandlung von Karzinompatienten ständig Medikamente mit sich führe, welche für Suchtgiftkonsumenten bedeutsam seien, bestünde in der betreffenden Gegend eine erhebliche Gefährdung der Beschwerdeführerin, weil dieses Gebiet mit dem Mobiltelefon nicht erreichbar sei und die Beschwerdeführerin daher im Falle eines räuberischen Angriffes telefonisch keine Hilfe herbeiholen könne. Ergänzend brachte die Beschwerdeführerin noch vor, dass ihr gegenüber im April 1998 das Verbrechen der versuchten Erpressung begangen worden sei, wobei Karl M. von der Beschwerdeführerin eine Summe von S 100.000,-- verlangt habe, sonst würde er ihre Reitpferde auf grauenvolle Weise töten. Weiters behauptete die Beschwerdeführerin eine Gefährdung durch die "tägliche Zunahme illegaler Grenzübertritte".
Die belangte Behörde begründete ihren im Instanzenzug ergangenen Bescheid im Wesentlichen damit, dass die Beschwerdeführerin verlässlich im Sinne des WaffG sei; ein Bedarf zum Führen von Schusswaffen sei jedoch nicht gegeben, weil bei der Beschwerdeführerin keinerlei konkrete Gefährdungsmomente vorlägen. Beim österreichisch-slowenischen Grenzgebiet auf der Soboth handle es sich um ein Gebiet mit extrem niedriger Kriminalitätsrate; auch die von der Beschwerdeführerin behauptete "tägliche Zunahme illegaler Grenzübertritte" liege nicht vor; seit der Antragstellung der Beschwerdeführerin auf Ausstellung des Waffenpasses habe in diesem Gebiet kein einziger illegaler Grenzübertritt festgestellt werden können, weil die Topographie dieses Landesteiles für Schleppungen ungeeignet sei. Auch sei in diesem Gebiet in den letzten Jahren kein einziger Überfall auf einen Arzt bekannt geworden. Es sei nicht anzunehmen, dass von dem mittlerweile verurteilten Erpresser, der bisher unbescholten gewesen sei und ein reumütiges Geständnis abgelegt habe, weitere gefährliche Angriffe gegen die Beschwerdeführerin ausgehen würden. Dass die Beschwerdeführerin - wie von ihr vorgebracht - nächtens bis zu 45 Minuten Fußweg zu entlegen wohnenden Patienten zurückzulegen habe, begründe ebenfalls kein Gefährdungsmoment, welches die Beschwerdeführerin in erheblich höherem Maße gefährdet erscheinen lasse, als dies beim Durchschnitt der Bevölkerung der Fall sei, zumal nicht nachvollziehbar sei, warum gerade während eines Fußmarsches durch unwegsames Gelände irgendwo ein Täter der Beschwerdeführerin auflauern sollte. Schließlich habe die Berufungswerberin auch nicht dargelegt, dass dem von ihr behaupteten Risiko nicht durch andere Maßnahmen, wie z.B. andere zeitliche Einteilungen oder Vereinbarungen mit ihren Patienten zur Untersuchung in geeigneten Räumlichkeiten, das Mitführen eines sogenannten Tränengassprays (welcher nun nicht mehr als verbotene Waffe eingestuft werde) oder die Anschaffung eines Hundes, zweckmäßiger als durch den Gebrauch einer Faustfeuerwaffe begegnet werden könnte. Zur Ausübung des ihr gemäß § 21 Abs. 2 zweiter Satz WaffG eingeräumten Ermessens sehe sich die belangte Behörde nach Abwägung des zu berücksichtigenden öffentlichen Interesses mit dem privaten Interesse der Beschwerdeführerin nicht veranlasst.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 21 Abs. 2 Waffengesetz 1996 (im Folgenden: WaffG) hat die Behörde verlässlichen EWR-Bürgern, die das 21. Lebensjahr vollendet haben und einen Bedarf zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen nachweisen, einen Waffenpass auszustellen. Die Ausstellung eines Waffenpasses an andere verlässliche Menschen, die das 21. Lebensjahr vollendet haben, liegt im Ermessen der Behörde. Nach § 22 Abs. 2 WaffG ist ein Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 2 jedenfalls als gegeben anzunehmen, wenn der Betroffene glaubhaft macht, dass er außerhalb von Wohn- oder Betriebsräumen oder seiner eingefriedeten Liegenschaften besonderen Gefahren ausgesetzt ist, denen am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann.
Ausgehend von dieser Rechtslage ist es allein Sache des Waffenpasswerbers, das Vorliegen eines Bedarfes zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen nachzuweisen und im Anwendungsbereich des § 22 Abs. 2 WaffG die dort geforderte besondere Gefahrenlage, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann, glaubhaft zu machen. Der Waffenpasswerber hat daher im Verwaltungsverfahren konkret und in substantieller Weise im Einzelnen darzutun, woraus er für seine Person die geforderte besondere Gefahrenlage ableite, dass diese Gefahr für ihn gleichsam zwangsläufig erwachse und dass es sich hiebei um eine solche qualifizierte Gefahr handle, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden könne (vgl. für viele die hg. Erkenntnisse vom 30. September 1998, Zl. 98/20/0358, und vom 19. Februar 1998, Zl. 97/20/0702). Bloße Vermutungen und Befürchtungen einer möglichen Bedrohung reichen zur Dartuung einer Gefährdung nicht aus, solange sich Verdachtsgründe nicht derartig verdichten, dass sich schlüssig eine konkrete Gefährdung ergibt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. September 1993, Zl. 92/01/0797).
Die belangte Behörde hat die Verlässlichkeit der Beschwerdeführerin im Sinne des § 21 Abs. 2 WaffG nicht in Frage gestellt, einen Rechtsanspruch der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Waffenpasses gemäß § 21 Abs. 2 erster Satz WaffG aber mit der Begründung verneint, die Beschwerdeführerin habe keinen Bedarf zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen nachgewiesen. Nach Auffassung der belangten Behörde hat die Beschwerdeführerin nicht hinreichend konkret aufgezeigt, inwieweit im betreffenden Gebiet durch den Transport der von einem Arzt bei Hausbesuchen mitzuführenden suchtgifthältigen Medikamente für sie eine über das für jedermann bestehende Zufallsrisiko hinausgehende Gefahr begründet sein sollte.
In ihrer Beschwerde bestreitet die Beschwerdeführerin nicht, dass die Kriminalitätsrate im betreffenden Grenzgebiet gering sei und dort keine illegalen Grenzübertritte stattfänden. Durch das Mitführen suchtgifthältiger Medikamente in entlegene Gebiete bestehe jedoch "gerade aufgrund der festgestellten Eigenart bzw. der Topographie des Gebietes, die die Durchführung von tätlichen Angriffen begünstigt", eine besondere Gefahr für die Beschwerdeführerin, die überdies bereits einmal Opfer einer versuchten Erpressung gewesen sei. Diese Gefahr übersteige einerseits das Ausmaß der für jedermann bestehenden Gefahren erheblich, andererseits sei auch zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin zur Durchführung von Hausbesuchen in diesem Gebiet als Distriktsärztin gesetzlich verpflichtet sei. Zudem sei die Beschwerdeführerin als Frau nur eingeschränkt in der Lage, räuberische Bedrohungen anders als durch den Einsatz einer Waffe abzuwehren. Das Mitführen eines Hundes sei für die Beschwerdeführerin als Ärztin aus Hygienegründen nicht möglich. Der Möglichkeit des Einsatzes eines Tränengassprays sei entgegenzuhalten, dass nicht gesagt werden könne, dass ein derartiges Präventivverhalten mehr Schutz biete, als der Besitz einer Waffe. Schließlich habe die belangte Behörde bei der Ermessensübung nach dem zweiten Satz des § 21 Abs. 2 WaffG das öffentliche Interesse zu Unrecht über die Interessen der Beschwerdeführerin gestellt, obwohl diese als persönlich besonders verlässlich eingestuft worden sei und es sogar im öffentlichen Interesse liege, dass die Beschwerdeführerin auch weiterhin ihre Hausbesuche in entlegenen Gebieten ausübe.
Zwar darf die Behörde bei der Beurteilung der besonderen Gefahr keinen überspitzt strengen Maßstab anlegen, jedoch muss für die Annahme des als Voraussetzung für das Bestehen eines Anspruches auf Ausstellung eines Waffenpasses erforderlichen Bedarfes im Sinne des § 22 Abs. 2 WaffG immerhin das Vorhandensein einer Gefahrenlage gefordert werden, die sich vom Sicherheitsrisiko, dem jedermann außerhalb seines Wohn- und Betriebsbereiches oder seiner eingefriedeten Liegenschaften ausgesetzt ist, deutlich erkennbar abhebt (vgl. die noch zu § 18 WaffG 1986 ergangenen hg. Erkenntnisse vom 2. Juli 1998, Zl. 96/20/0742, vom 2. April 1998, Zl. 96/20/0792, und vom 7. November 1990, Zl. 90/01/0030).
Auch im Beschwerdefall vermag der Verwaltungsgerichtshof eine wegen des Mitführens der für Hausbesuche erforderlichen Menge suchtgifthältiger Medikamente bestehende besondere Gefahrenlage bei der Beschwerdeführerin als Ärztin nicht zu erkennen. Die Beschwerdeführerin hat weder im Verwaltungsverfahren noch in ihrer Beschwerde konkrete Vorfälle ins Treffen geführt, bei denen Ärzte auf Hausbesuchen von Personen überfallen worden wären, die sich in den Besitz mitgeführter Medikamente hätten setzen wollen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1985, Zl. 83/01/0367). Auch der Umstand, dass die Beschwerdeführerin nach ihrem Vorbringen mehrmals monatlich in einer entlegenen Gegend - aufgrund ihrer beruflichen Verpflichtungen als Distriktsärztin gezwungenermaßen - unterwegs ist, könnte nur dann den vom Gesetz geforderten qualifizierten Bedarf begründen, wenn es sich bei dieser Gegend um eine solche handeln würde, bei welcher die Sicherheitsverhältnisse bedenklich wären (vgl. das Erkenntnis vom 26. Juni 1985, Zl. 83/01/0367, sowie das Erkenntnis vom 7. Dezember 1976, Zl. 2080/76). Dass das österreichisch-slowenische Grenzgebiet auf der Soboth eine solche zur Begründung eines Bedarfes geeignete Gegend mit ungünstigen Sicherheitsverhältnissen und einer deutlich erhöhten Kriminalitätsbelastung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1991, Zl. 91/01/0158) wäre, konnte die Beschwerdeführerin angesichts der oben wiedergegebenen, von ihr nicht bestrittenen Verfahrensergebnisse nicht glaubhaft machen, zumal auch zu berücksichtigen ist, dass die Tätigkeit der Beschwerdeführerin nur zu einem Teil aus Hausbesuchen in der betreffenden Grenzregion besteht und insbesondere die nächtlichen Hausbesuche der Beschwerdeführerin wohl nicht in zeitlich regelmäßiger Abfolge durchgeführt werden (zur Verpflichtung des Waffenpasswerbers zur Bescheinigung derartiger Umstände, falls diese nicht notorisch sind, siehe das hg. Erkenntnis vom 19. Februar l998, Zl. 97/20/0702).
Die von der Beschwerdeführerin zusätzlich ins Treffen geführte versuchte Erpressung ist ebenfalls nicht geeignet, eine besondere Gefahr im Sinne des § 22 Abs. 2 WaffG zu begründen, weil dieses Delikt weder in einem ersichtlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit der Beschwerdeführerin als Distriktsärztin bzw. mit dem Mitführen von suchtgifthältigen Medikamenten steht noch zu sehen ist, dass die Gefahr einer Wiederholung der Tat bestehe.
Da es der Beschwerdeführerin sohin nicht gelungen ist, konkret darzutun, dass sie aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit als Distriktsärztin oder aus anderen Gründen einer im Sinne des § 22 Abs. 2 WaffG qualifizierten Gefahr ausgesetzt wäre, braucht auf die für den Fall der Bejahung eines Bedarfes nach dieser Gesetzesbestimmung ebenfalls bedeutsame Frage, ob der Gefahr eines allfälligen räuberischen Angriffes durch den Gebrauch einer Schusswaffe am zweckmäßigsten zu begegnen sei oder ob die Beschwerdeführerin auch durch Einsatz eines Tränengassprays oder eines Hundes entsprechenden Schutz erlangen oder die Gefahr durch andere zeitliche Einteilungen oder Vereinbarungen mit ihren Patienten vermeiden könnte, nicht mehr eingegangen zu werden.
Da ein Bedarf zum Führen einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe von der Beschwerdeführerin aus den angeführten Gründen nicht nachgewiesen werden konnte, hatte die Behörde in ihrer den Antrag auf Ausstellung eines Waffenpasses abweisenden Entscheidung auch darzulegen, weshalb sie nicht gemäß § 21 Abs. 2 zweiter Satz WaffG von dem ihr durch diese Bestimmung eingeräumten Ermessen zugunsten der Antragstellerin Gebrauch gemacht hat. Bei der im Beschwerdefall gegebenen Sachlage vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, dass die belangte Behörde die Grenzen des ihr eingeräumten Ermessens überschritten und dieses nicht im Sinne des Gesetzes geübt hätte.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 18. Juli 2002
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