Normen
AuslBG §2 Abs2;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1;
AVG §45 Abs2;
VStG §24;
VStG §5;
VStG §51i;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2001:1999090266.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die vorliegende Beschwerde ist gegen einen im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 51 Abs. 1 VStG ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland (belangte Behörde) vom 5. November 1999 gerichtet, mit welchem der Beschwerdeführer gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a wegen Übertretung des § 3 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) für schuldig erkannt wurde, es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der H-Zimmerei- und BaugesellschaftmbH zu verantworten zu haben, dass diese Gesellschaft am 22. Juli 1997 einen namentlich genannten ungarischen Staatsangehörigen auf einer näher bezeichneten Baustelle als Bauhilfsarbeiter beschäftigt habe, obwohl ihr für die Beschäftigung des Ausländers keine Beschäftigungsbewilligung oder Anzeigebestätigung erteilt und diesem Ausländer selbst auch keine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt worden war. Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe in der Höhe von S 30.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe vier Tage) verhängt und ihm Verfahrenskosten in der Höhe von S 3.000,-- auferlegt.
Dieser Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass dem Verfahren die Anzeige des zuständigen Arbeitsinspektorates zugrunde liege, wonach anlässlich einer Kontrolle der bezeichneten Baustelle am 22. Juli 1999, 9.05 Uhr, der ungarische Staatsangehörige arbeitend (Hilfsarbeiten - Zureichen von Holz) angetroffen worden sei. Es habe sich um eine "auswärtige Arbeitsstelle" der vom Beschwerdeführer vertretenen Gesellschaft gehandelt, die "im allgemeinen Betriebsfremden naturgemäß nicht zugänglich" sei, weshalb die gesetzliche Vermutung des § 28a Abs. 7 AuslBG zum Tragen komme. Der verantwortliche Vorarbeiter auf der Baustelle habe angegeben, dass der ungarische Staatsangehörige ein Jagdkollege von ihm sei, den er auf die Baustelle mitgenommen habe. Sein Reisepass habe sich in der Bauhütte der Fa. H befunden, auch habe er bei der Kontrolle zunächst angegeben, er habe Arbeitspapiere und sei für die Fa. H tätig. Seine Bekleidung sei verschmutzt gewesen. Der Zeuge S. habe angegeben, der Ungar habe unaufgefordert seinen Landsleuten geholfen, er sei lediglich zur Baustelle mitgefahren, um sich die Zeit zu vertreiben, weil er anschließend mit dem Zeugen S. auf die Jagd habe gehen wollen. Diese Angaben seien in Hinblick auf die verschmutzte Kleidung und des in der Bauhütte verwahrten Reisepasses des Ausländers unglaubwürdig. Der Beschwerdeführer habe sein mangelndes Verschulden nicht unter Beweis zu stellen vermocht, zumal er auch ein wirksames Kontrollsystem zur Einhaltung von Weisungen betreffend die Einhaltung der Bestimmungen des AuslBG nicht einmal behauptet habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil er einen Arbeitsvertrag mit dem Ausländer nicht abgeschlossen habe, und dieser auch in keinerlei arbeitnehmerähnlichem Verhältnis zu ihm gestanden sei. Es habe weder Arbeitspflicht noch eine Entgeltvereinbarung gegeben. Auch sei er seiner Sorgfaltspflicht in ausreichender Weise nachgekommen, da er alle ihm zumutbaren Maßnahmen getroffen habe, unter vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zu gewährleisten. Auch die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung sei mangelhaft, weil sie sich mit den Angaben des Zeugen S. nicht ausreichend auseinander gesetzt habe. Im Übrigen sei die Strafe zu hoch bemessen.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 51e VStG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 158/1998, lautet:
"(1) Der unabhängige Verwaltungssenat hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
(2) Die Verhandlung entfällt, wenn
1. der Antrag der Partei oder die Berufung zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist;
2. der Devolutionsantrag zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
(3) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn
1. in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder
- 2. sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder
- 3. im angefochtenen Bescheid eine 3 000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder
4. sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Der Berufungswerber hat die Durchführung einer Verhandlung in der Berufung zu beantragen. Etwaigen Berufungsgegnern ist Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
(4) Der unabhängige Verwaltungssenat kann ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn er einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat, die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, und dem nicht Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entgegensteht.
(5) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
(6) Die Parteien sind so rechtzeitig zur Verhandlung zu laden, dass ihnen von der Zustellung der Ladung an mindestens zwei Wochen zur Vorbereitung zur Verfügung stehen."
Gemäß § 51 i VStG ist bei der Fällung des Erkenntnisses dann, wenn eine Verhandlung durchgeführt wurde, nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist. Auf Aktenstücke ist nur insoweit Rücksicht zu nehmen, als sie bei der Verhandlung verlesen wurden, es sei denn, der Beschuldigte hätte darauf verzichtet, oder als es sich um Beweiserhebungen handelt, deren Erörterung infolge des Verzichts auf eine fortgesetzte Verhandlung gemäß § 51e Abs. 5 entfallen ist.
Die vom Beschwerdeführer erhobene Berufung enthält keine Beschränkung auf die Beurteilung der Rechtsfrage. Strittig war der Vorwurf einer Beschäftigung des Ausländers im Sinne des § 2 Abs. 2 AuslBG und das Vorliegen der nach der Judikatur hierfür erforderlichen Voraussetzungen. Aus zumindest zwei Zeugenaussagen war - in Übereinstimmung mit der Verantwortung des Beschwerdeführers - zu entnehmen, dass es sich bei dem Ausländer um einen Jagdgast des auf der Baustelle beschäftigten Vorarbeiters handelte, der lediglich "mitgeholfen" haben soll. Eine davon abweichende Behauptung wurde vom Beschwerdeführer nicht aufgestellt. Bei dieser Konstellation durfte also die belangte Behörde nicht davon ausgehen, es lägen keine unbestrittenen bzw. ungelösten Tatfragen vor, die der Klärung in einer öffentlichen mündlichen Verhandlung bedurft hätten. Aus den Berufungsausführungen lässt sich unschwer entnehmen, dass die gesamte Tatfrage bestritten blieb, und zwar sowohl hinsichtlich der Voraussetzungen für die Annahme einer Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 AuslBG als auch hinsichtlich eines Verschuldens im Sinne des § 5 VStG. Die belangte Behörde hätte daher im Rahmen einer mündlichen Berufungsverhandlung selbst zu prüfen gehabt, ob bzw. inwieweit diesen Aussagen in Rücksicht auf die Gesamtumstände Glaubwürdigkeit zukam. Sie hat ihrem Bescheid aber lediglich die Angaben in der Anzeige des Arbeitsinspektorates zu Grunde gelegt, welche sich wiederum auf lediglich in Form von Aktennotizen festgehaltene Fakten beziehen. Eine persönliche Einvernahme durch die belangte Behörde wäre jedoch umso dringender geboten gewesen, als sie ja die Verantwortung des Beschwerdeführers, die Angaben des betroffenen Ausländers sowie der Zeugen S. vor der Behörde erster Instanz als unglaubwürdig erachtet. Die belangte Behörde hätte nur im Falle des in einer mündlichen Berufungsverhandlung gewonnen persönlichen Eindrucks darüber befinden dürfen, welchen Angaben sie Glauben schenkt und welchen nicht. Auch durfte sie sich nicht darauf beschränken, eine vor der Erstbehörde abgelegte Aussage als umfassend anzusehen und rechtlich zu beurteilen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 6. März 1997, Zl. 95/09/0207, und vom 18. Juni 1996, Zl. 95/04/0193). Im Fall gesetzmäßigen Vorgehens hätte die belangte Behörde gemäß § 51i VStG (Unmittelbarkeit des Verfahrens) bei ihrer Entscheidung nur auf das Rücksicht nehmen dürfen, was in der Verhandlung vorgekommen ist. Daher ist der von der belangten Behörde ihrer Entscheidung ausschließlich aufgrund der Ermittlungen der Erstbehörde zugrunde gelegte Sachverhalt nicht in einem gesetzmäßigen (mängelfreien) Verfahren zustande gekommen.
Dieser Mangel ist aber auch wesentlich:
Der im § 45 AVG aufgestellte (im Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 24 VStG anzuwendende) Grundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet lediglich, dass die Behörde bei ihrer Beweiswürdigung nicht an Beweisregeln gebunden ist. Alle Beweismittel sind grundsätzlich gleichwertig und haben die gleiche abstrakte Beweiskraft. Dafür, ob eine Tatsache als erwiesen anzusehen ist oder nicht, hat allein der "innere Wahrheitsgehalt" der Ergebnisse des Beweisverfahrens ausschlaggebend zu sein. Eine Lebenserfahrung, wonach die ersten Angaben der Betroffenen anlässlich einer Kontrolle generell zutreffend sind, ist nicht bekannt.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 18. Dezember 1998, Zl. 98/09/0290, und vom 3. Juli 2000, Zl. 99/09/0037) dargelegt hat, fallen Gefälligkeitsdienste nicht unter die bewilligungspflichtige Beschäftigung des AuslBG. Als Gefälligkeitsdienste können kurzfristige, freiwillige und unentgeltliche Dienste anerkannt werden, die vom Leistenden auf Grund spezifischer Bindungen zwischen ihm und dem Leistungsberechtigten erbracht werden. Der Übergang zwischen Gefälligkeitsdienst und kurzfristiger Beschäftigung im Sinne des AuslBG ist fließend. Es ist eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen, um einen Gefälligkeitsdienst annehmen zu können. Wesentlich ist in einem solchen Fall die Freiwilligkeit der Leistung. Die Beurteilung des Arbeitsinspektorates in seiner Stellungnahme vom 26. Januar 1998, eine solche freiwillige unentgeltliche Leistung sei geradezu auszuschließen, kann jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht geteilt werden.
Da somit nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde bei Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und Einvernahme der Zeugen unter Stellung von Fragen an sie auch durch den Beschwerdeführer (§ 51g Abs. 2 VStG), zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis gelangt wäre, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 19. September 2001
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