VwGH 99/09/0248

VwGH99/09/024819.9.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde der W in H, vertreten durch Mag. Gabriele Pfandlsteiner, Rechtsanwältin in Bregenz, St. Anna-Straße 1/III, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 20. August 1999, Zl. OB. 910-008300-007, betreffend Abweisung eines Antrages auf Sterbegeld nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
B-VG Art10 Abs1 Z5;
DevG;
KOVG 1957 §47 Abs2;
NBG 1984 §2 Abs1;
NBG 1984 §38;
VwRallg;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
B-VG Art10 Abs1 Z5;
DevG;
KOVG 1957 §47 Abs2;
NBG 1984 §2 Abs1;
NBG 1984 §38;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Eingabe vom 26. Februar 1999, bei der Behörde erster Instanz eingelangt am 2. März 1999, stellte die Beschwerdeführerin den Antrag auf Zuerkennung des Sterbegeldes sowie des Sterbequartals nach ihrem am 22. Dezember 1916 geborenen und am 10. Februar 1999 verstorbenen Ehegatten A, der bis zu seinem Tod Bezieher einer Beschädigtenrente nach dem KOVG 1957 gewesen war.

Mit Bescheid vom 3. November 1999 wurde der Beschwerdeführerin die Gebührnisse für das Sterbevierteljahr ("Sterbequartal") im Ausmaß von S 27.265,-- gewährt.

Mit Schreiben der Österreichischen Nationalbank vom 26. Februar 1999 wurde der Beschwerdeführerin die Höhe ihres auf Grund der Dienstordnung zustehenden Pensionsbezuges sowie des Sterbequartals nach ihrem verstorbenen Ehegatten mit S 231.278,-

bekannt gegeben.

Mit weiterem Bescheid vom 6. April 1999 wurde der ("am 17. März 1999 eingelangte") Antrag der Beschwerdeführerin auf Auszahlung des Sterbegeldes gemäß § 47 KOVG abgewiesen. Die Behörde erster Instanz begründete dies damit, dass das volle Sterbegeld S 12.880,-- betrage. Auf diesen Betrag seien jedoch auch sonstige einmalige Leistungen anzurechnen, die aus Anlass des Todes aus Mitteln der Sozialversicherung oder sonstigen öffentlichen Mitteln - ausgenommen die Gebührnisse für das Sterbequartal nach § 48 KOVG - gewährt werden. Das der Beschwerdeführerin aus Anlass des Todes ihres Ehegatten von dessen Dienstgeber, der Österreichischen Nationalbank, gewährte Sterbequartal übersteige S 12.880,--, so dass nach dessen Anrechnung kein Sterbegeld mehr gebühre.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Berufung im Wesentlichen mit der Begründung, das ihr vom ehemaligen Dienstgeber ihres verstorbenen Ehegatten, der Österreichischen Nationalbank, ausgezahlte Sterbequartal stelle eine Bank-Leistung dar, die auf Grund der Dienstordnung der ÖNB geleistet worden sei. Die Dienstordnung der ÖNB sei kein Gesetz; die geleistete Zahlung sei nicht aus "sonstigen" öffentlichen Mitteln erfolgt. Die Anrechnung sei daher zu Unrecht erfolgt.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 20. August 1999 wies die belangte Behörde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Die Begründung dieses Bescheides erschöpft sich in Folgendem:

"Bei der österreichischen Nationalbank handelt es sich um eine öffentlich rechtliche Körperschaft, weshalb das geleistete Sterbequartal eine Leistung aus sonstigen öffentlichen Mitteln im Sinne des § 47 Abs. 2 KOVG 1957 darstellt.

Die Entscheidung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen Vorarlberg entspricht dem Gesetz.

Gegen diesen Bescheid ist zufolge § 78 KOVG 1957 eine Berufung unzulässig."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 58 Abs 2 AVG zu erlassende Bescheide sind, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird, zu begründen und zufolge der Regelung des § 60 AVG sind in dieser Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtslage klar und übersichtlich zusammenfassen. Diese Begründungserfordernisse schließen nach Lehre und Rechtsprechung auch die Verpflichtung der Behörde mit ein, in der Bescheidbegründung in eindeutiger, einer nachprüfenden Kontrolle zugänglichen Weise darzutun, von welchen konkreten Tatsachenfeststellung bei der getroffenen Entscheidung ausgegangen wurde. Im konkreten Fall hätte es daher eines Hinweises in der Begründung des angefochtenen Bescheides bedurft, auf Grund welcher Erhebungsergebnisse und/oder weiterer Überlegungen die belangte Behörde die Feststellung getroffen hat, die Dienstgeberin des verstorbenen Ehegatten der Beschwerdeführerin, die Österreichische Nationalbank, sei eine öffentlich rechtliche Körperschaft und die von ihr erbrachten Leistungen seien öffentliche Mittel.

Die Berufungsbehörde genügt zwar ihrer Begründungspflicht im Allgemeinen mit der kurzen Verweisung auf die Gründe im Bescheid der Vorinstanz, falls sie in der Frage des Sachverhaltes und der rechtlichen Beurteilung mit der ersten Instanz einer Meinung ist und keine durch die Begründung der Unterinstanz offen gelassene oder in der Berufung neu aufgeworfene Fragen zu beantworten waren, sohin dem Verwaltungsgerichtshof die Überprüfung des Bescheides möglich bleibt (vgl. die in Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren I, 2. Auflage, Seite 1050 f zitierte Judikatur). Im erstinstanzlichen Bescheid war die Frage der Rechtsnatur der Dienstgeberin des Verstorbenen bzw. der von ihr erbrachten Leistungen aus Anlass dieses Todesfalles nicht behandelt worden; es wurden vielmehr erstmals in der Berufung diesbezügliche Behauptungen aufgestellt. Daher wäre es Aufgabe der belangten Behörde gewesen, ihren Verweis auf die von ihr geteilte rechtliche Beurteilung der Angelegenheit durch die Behörde erster Instanz durch weitere Ausführungen betreffend die in der Berufung an sie neu herangetragene Rechtsfrage zu ergänzen. So aber sind die kursorischen Ausführungen des angefochtenen Bescheides für den Verwaltungsgerichtshof weder nachvollziehbar noch überprüfbar, weshalb ein wesentlicher Verfahrensfehler vorliegt, der bereits zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen musste (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 28. Juli 2000, 99/09/0032,0033). Diese der Behörde obliegenden Verpflichtung, den Bescheid den §§ 58, 60 AVG entsprechend zu begründen, kann auch durch Nachholung der Begründung in der Gegenschrift nicht ersetzt werden.

Der angefochtene Bescheid leidet aber auch an inhaltlicher Rechtswidrigkeit:

Nach Art. 1 § 1 des Bundesgesetzes über die Österreichische Nationalbank (Nationalbankgesetz 1984 - NBG) in der Fassung BGBl. I Nr. 60/1998, werden die Rechtsverhältnisse der Österreichischen Nationalbank durch den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag), das Protokoll über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank (ESZB/EZB-Statut) sowie durch dieses Bundesgesetz geregelt. Die Bestimmungen des Aktiengesetzes 1965, BGBl. Nr. 98/1965, sind auf die Österreichische Nationalbank anwendbar, soweit durch den EG-Vertrag, das ESZB/EZB-Statut oder durch dieses Bundesgesetz nichts anderes bestimmt wird.

Nach § 2 Abs. 1 NBG ist die Österreichische Nationalbank eine Aktiengesellschaft. Sie ist die Zentralbank der Republik Österreich und als solche integraler Bestandteil des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB). Zumindest nach der wörtlichen Interpretation des ersten Satzes dieser Bestimmung ist die Österreichische Nationalbank eine Körperschaft privaten Rechts, der nach im Einzelnen folgenden Bestimmungen dieses Gesetzes in Teilbereichen hoheitliche Funktionen zukommt. Sie übt, soweit sie mit der Durchführung des Devisengesetzes und der dort geregelten Devisen- und Goldbewirtschaftung - als Angelegenheit des Geldwesens im Sinne des Art 10 Abs 1 Z 5 B-VG - betraut ist, behördliche Aufgaben, und zwar hoheitliche Funktionen der mittelbaren Bundesverwaltung aus (vgl. dazu VfSlg 9238/1981, 5729/1968; die hg. Erkenntnisse vom 29. Jänner 1988, Zlen. 87/17/0245, 0246, in JBl 1988, 667 = ZfVB 1989/2/422 ua; Walter-Mayer, Grundriß des Besonderen Verwaltungsrechts,

2. Auflage, 387; Pauger, Die Stellung der Österreichische Nationalbank als Devisenbehörde, ÖBA 1983, 11). Folgerichtig statuiert § 7 Abs 1 NBG, dass die Österreichische Nationalbank bei Vollziehung in Angelegenheiten des Geld-, Kredit- und Bankwesens die Bestimmungen des AVG anzuwenden hat. In diesem Aufgabenbereich ist sie ein "beliehenes Unternehmen" (vgl. VfSlg 5729/1968; OGH vom 17. Oktober 1995, 1 Ob 8/95 - SZ 68/191; Walter-Mayer aaO 368, 387; Öhlinger, Verfassungsrechtliche Probleme der Nationalbank, Wenger-FS (1983), 679 ff, 683 f). Von "Beleihung" spricht man, wenn juristische Personen privaten Rechtes - wie hier die Österreichische Nationalbank als Aktiengesellschaft ungeachtet der Tatsache, dass sie durch Sondergesetz und nicht privatrechtlich geschaffen wurde - oder natürliche Personen mit der Wahrnehmung einzelner Hoheitsaufgaben bzw mit der unterstützenden Mitwirkung bei der Besorgung solcher Aufgaben betraut werden.

Damit ist aber noch keine Aussage darüber getroffen, welcher Rechtsnatur Versorgungsleistungen der Österreichischen Nationalbank an ihre Dienstnehmer sind, zumal sie - wie oben dargelegt - keine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist. Nach § 38. Abs. 1 NBG stehen die Bediensteten der Bank in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zu dieser. Die Anstellungsbedingungen, dienstlichen Pflichten und Rechte sowie die Besoldung und die Pensionsbezüge der Bediensteten der Bank richten sich gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung nach den vom Generalrat festgesetzten Bestimmungen (Dienstbestimmungen), wobei die nach diesen Bestimmungen gebührenden Bezüge für den Bereich des Abgaben- und Sozialversicherungsrechtes den auf Grund gesetzlicher Vorschriften gewährten Bezügen gleichgestellt sind (BGBl. Nr. 276/1969, Art. I Z 12). Nach § 38 Abs. 3 NBG sind die Bediensteten der Österreichischen Nationalbank, welche auf Grund der Pensionsordnungen der Bank eine Anwartschaft auf Ruhe- und Hinterbliebenenversorgung (Pension) haben, in der Unfall-, Invaliden- und Angestelltenversicherung (Pensionsversicherung) versicherungsfrei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat- in anderem Zusammenhang (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Jänner 1969, Zl. 1064/68) - bereits zum Ausdruck gebracht, dass Mittel, die eine juristische Person des privaten Rechtes ausgibt, auch dann nicht als öffentliche Mittel angesehen werden können, wenn die juristische Person mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben (in Teilbereichen) betraut ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 1. März 1983, Zl. 82/14/0303, vom 3. Juli 1996, Zl. 93/13/0001). Dies trifft insbesondere auch auf jene Mittel zu, die einem Dienstnehmer auf Grund einer vom Dienstgeber geschaffenen privatrechtlichen Vorsorge ausgezahlt werden. Erwirbt der Dienstnehmer - wie im Gegenstandsfalle - einen Pensionsanspruch aus einer privatwirtschaftlichen Tätigkeit, so kann es keinen Unterschied machen, ob das Unternehmen in Teilbereichen hoheitliche Funktionen ausübt, sofern die Mittel zur Bedeckung von Versorgungsleistungen ebenfalls privatrechtlichen Quellen entfließen.

Aus den obigen Gründen war daher der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes nach § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, zumal diese einer Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 und 49 VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Entrichtung von Barauslagen in Hinblick auf die Gebührenbefreiung des § 64 Abs. 2 KOVG nicht erforderlich war.

Wien, am 19. September 2001

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