VwGH 98/03/0259

VwGH98/03/025910.10.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Bernegger, Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde der Stadtgemeinde Leoben, vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler, Rechtsanwalt in 8700 Leoben, Hauptplatz 12/II, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr (nunmehr: für Verkehr, Innovation und Technologie) vom 8. Juli 1998, Zl. 242.566/3-II/C/14/98, betreffend Wiederaufnahme eines eine Kraftfahrlinienkonzession betreffenden Verfahrens (mitbeteiligte Partei: O Gesellschaft mbH in Leoben, vertreten durch Dr. Michael Augustin, 8700 Leoben, Franz-Josef-Straße 6/P), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §69 Abs1 litb;
AVG §69 Abs1 Z2;
KflG 1952 §4;
AVG §69 Abs1 litb;
AVG §69 Abs1 Z2;
KflG 1952 §4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin ist schuldig, dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Stadtgemeinde Leoben, Stadtwerke-Verkehrsbetriebe (in der Folge: Beschwerdeführerin), beantragte am 30. September, am 10. Oktober und am 20. November 1996 die Erteilung der Konzession zum Betrieb einer Kraftfahrlinie auf der Strecke Göss - Leoben, Zentrum - Judendorf. In dem über den Antrag der Beschwerdeführerin durchgeführten Ermittlungsverfahren machte die O Gesellschaft mbH (in der Folge: mitbeteiligte Partei) den Ausschließungsgrund gemäß § 4 Abs. 1 Z. 5 lit. b Kraftfahrliniengesetz 1952 idF BGBl. Nr. 128/1993 geltend und gab an, dass sie im Falle einer Konzessionserteilung an die Beschwerdeführerin bei ihrer Linie Leoben - Proleb - Köllach mit einem Einnahmenverlust von 31 % der Gesamteinnahmen und bei der Linie Leoben - Trofaiach mit einem geringeren Verlust von 1,1 % rechnen müsse.

Dieser Einwand wurde der Beschwerdeführerin mit der Aufforderung, binnen vier Wochen ab Zustellung dieser Verständigung eine Stellungnahme abzugeben, zur Kenntnis gebracht. In ihrer Stellungnahme zu den von der mitbeteiligten Partei befürchteten Einnahmenverlusten brachte die Beschwerdeführerin vor, dass diese Befürchtungen unbegründet seien, ohne dies durch selbst erhobene Daten bzw. Zählungen zu untermauern.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 6. März 1997 wurde der Beschwerdeführerin die Konzession zum Betrieb einer Kraftfahrlinie Citybusverkehr Göss - Leoben, Zentrum - Judendorf auf einer näher beschriebenen Strecke, unter Vorschreibung eines näher umschriebenen Bedienungsverbotes erteilt. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführerin und die mitbeteiligte Partei Berufungen. Gegen den über die Berufung der mitbeteiligten Partei erlassenen (deren Berufung abweisenden) Bescheid der belangten Behörde vom 20. Mai 1997 erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, welcher diese mit Beschluss vom 24. September 1997, Zl. 97/03/0160, zurückwies. Der Bescheid der belangten Behörde vom 20. Mai 1997, mit dem die Berufung der Beschwerdeführerin abgewiesen wurde, blieb unbekämpft.

Mit Schreiben vom 2. Februar 1998 stellte die Beschwerdeführerin den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG und begründete dies damit, dass durch Fahrgastzählungen der Steirischen V GmbH, die der Beschwerdeführerin am 28. Jänner 1998 zugemittelt worden seien, neue Tatsachen und Beweismittel - nämlich weit geringere Einnahmeneinbussen als von der mitbeteiligten Partei behauptet - hervorgekommen seien. Aus einem dem Wiederaufnahmeantrag beigelegten Schreiben der Steirischen V GmbH vom 27. Jänner 1998 geht hervor, dass die "Frequenzzählung" in der Woche vom 17. bis zum 23. November "1998" (gemeint: 1997) durchgeführt wurde.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 8. Juli 1998 wies die belangte Behörde den Antrag auf Wiederaufnahme vom 2. Februar 1998 ab.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, im Antrag auf Wiederaufnahme habe sich die Antragstellerin darauf gestützt, durch eine Fahrgastzählung seien neue Tatsachen oder Beweismittel hervorgekommen, die sie im Verfahren ohne ihr Verschulden nicht geltend habe machen können. Dieser Ansicht sei nicht zu folgen, da es ihr im Laufe des Verfahrens jederzeit freigestanden wäre, durch ihre Organe eigene Zählungen vornehmen zu lassen und in Kenntnis des Beförderungspreises die behaupteten Einnahmenverluste der mitbeteiligten Partei zu relativieren, was auch aus dem dem Wiederaufnahmeantrag beigelegten Schreiben vom 27. Jänner 1998 hervorgehe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig zurück- bzw. abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten.

Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens kann nach der zitierten Bestimmung nur auf solche Tatsachen und Beweismittel gestützt werden, die erst nach Abschluss des Verfahrens hervorgekommen sind und deshalb von der Partei ohne ihr Verschulden nicht geltend gemacht werden konnten. Es muss sich also um Tatsachen und Beweismittel handeln, die beim Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden waren, deren Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Juni 1993, Zl. 91/10/0107). Daher ist der Beschwerdeführerin zunächst entgegenzuhalten, dass das von ihr dem Wiederaufnahmeantrag beigelegte Schreiben vom 27. Jänner 1998 (über Verkehrszählungen im November 1997), welches ihr am 28. Jänner 1998 zugekommen sei, kein "neu hervorgekommenes Beweismittel" darstellt, auf das sie sich zur Begründung ihres Wiederaufnahmeantrages rechtens stützen konnte.

Bei der Beurteilung des Verschuldens im Sinne des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ist das Maß dafür ein solcher Grad des Fleißes und der Aufmerksamkeit, welcher bei gewöhnlichen Fähigkeiten aufgewendet werden kann. Konnte die Beschwerdeführerin eine Tatsache (oder ein Beweismittel) bei gehöriger Aufmerksamkeit und gebotener Gelegenheit schon im Verwaltungsverfahren geltend machen, unterließ sie es aber, liegt ein ihr zuzurechnendes Verschulden vor, das eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausschließt (vgl. erneut das hg. Erkenntnis vom 14. Juni 1993, Zl. 91/10/0107).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage kann somit auch der Auffassung der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, die Beschwerdeführerin hätte die Fahrgastzählung auch schon während des Verfahrens vornehmen und die "nunmehr übermittelten Zahlen" - also einen geringeren Einnahmenverlust, als von der mitbeteiligten Partei behauptet - darstellen können. Die Beschwerdeführerin vermag es auch nicht, schlüssige Gründe dafür vorzutragen, es sei ihr nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen, den im Verwaltungsverfahren erhobenen - der Beschwerdeführerin daher bekannten - Einwand der mitbeteiligten Partei hinsichtlich der Einnahmenverluste durch bereits in diesem Verwaltungsverfahren gewonnene Beweise zu entkräften.

Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass auf Grund der im Verwaltungsverfahren geltenden Offizialmaxime und des Grundsatzes der materiellen Wahrheit die Behörde es unterlassen habe, den entscheidungsrelevanten Sachverhalt festzustellen, da sie sich nur auf die Angaben der mitbeteiligten Partei gestützt habe.

Diesem Vorbringen ist zu erwidern, dass das Wiederaufnahmeverfahren nicht dazu dient, eine (eventuelle) Mangelhaftigkeit des früheren Verfahrens nachträglich geltend zu machen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1997, Zl. 96/01/0242).

Die Beschwerde erweist sich demnach als nicht berechtigt, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 10. Oktober 2001

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