VwGH 98/01/0082

VwGH98/01/008211.11.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des A in Wien, vertreten durch Dr. Gottfried Korn und Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwälte in Wien IV, Argentinierstraße 20/1/3, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 17. Dezember 1997, Zl. MA 61/IV - D 445/95, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

StbG 1985 §20 Abs1;
StbG 1985 §20 Abs2;
StbG 1985 §20 Abs1;
StbG 1985 §20 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 27. Juli 1995 hatte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer gemäß § 20 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311 (StbG), die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall zugesichert, daß er binnen zwei Jahren das Ausscheiden aus dem nigerianischen Staatsverband nachweise.

Am 21. August 1995 hat der Beschwerdeführer der belangten Behörde ein Schreiben der nigerianischen Botschaft in Wien vorgelegt, wonach er auf die nigerianische Staatsangehörigkeit verzichtet und seinen nigerianischen Reisepaß abgegeben habe.

Mit Bescheid vom 17. Dezember 1997 hat die belangte Behörde

1. den Zusicherungsbescheid gemäß § 20 Abs. 2 StbG widerrufen und

2. das Ansuchen des Beschwerdeführers auf Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 StbG abgewiesen.

Der Beschwerdeführer lebe seit September 1991 ununterbrochen in Österreich und sei (seit November 1992) mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet. Er erfülle die Voraussetzungen der Z. 1 bis 4 des § 11a StbG. Ein Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft bestünde jedoch nur dann, wenn der Beschwerdeführer auch sämtliche allgemeinen Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllte. Da der Beschwerdeführer mit Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 11. September 1997 wegen des Verbrechens gemäß § 12 Abs. 1 vierter Fall, Abs. 2 erster Fall Suchtgiftgesetz (gewerbsmäßiges Inverkehrsetzen einer großen Suchtgiftmenge) rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, davon vier Monate unbedingt, verurteilt worden sei, liege das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 1 Z. 2 StbG vor. Aus diesem Grund sei der Zusicherungsbescheid gemäß § 20 Abs. 2 StbG zu widerrufen und der Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft abzuweisen gewesen.

Der Beschwerdeführer bestreitet in seiner dagegen gerichteten Beschwerde nicht, daß seine rechtskräftige gerichtliche Verurteilung ein Verleihungshindernis gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 StbG darstellt, meint jedoch, die belangte Behörde hätte ungeachtet dessen die Staatsbürgerschaft verleihen müssen und führt dazu zusammengefaßt aus, daß er aufgrund seiner Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin einen Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft erworben habe. Mit dem Zusicherungsbescheid vom 27. Juli 1995 sei rechtskräftig über die Verleihungsvoraussetzungen des § 10 StbG abgesprochen worden. Dieser Bescheid habe ihm einen nur durch den Nachweis des Ausscheidens aus dem bisherigen Staatsverband bedingten Anspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft verschafft. Er habe das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband am 21. August 1995 nachgewiesen. Das Verleihungshindernis sei erst danach eingetreten (Einleitung des Strafverfahrens am 4. September 1995, rechtskräftige Verurteilung am 11. September 1997). Die Zusicherung könne bei richtiger Interpretation des § 20 Abs. 2 StbG nur dann widerrufen werden, wenn zwischen der Zusicherung und dem Nachweis des Ausscheidens aus dem bisherigen Staatsverband ein Verleihungshindernis eintrete. Bei späterem Eintritt eines Verleihungshindernisses komme eine Durchbrechung der Rechtskraft des Zusicherungsbescheides nur mehr in den Fällen der §§ 68 und 69 AVG in Betracht. Eine andere Interpretation des Gesetzes würde zu einer Vermehrung der Fälle der Staatenlosigkeit führen und daher dem Grundsatz der Vermeidung der Staatenlosigkeit widersprechen. Der Widerruf der Zusicherung der Staatsbürgerschaftsverleihung komme einem Staatsbürgerschaftsentzug gleich, bei welchem die Konsequenz der Staatenlosigkeit vom Gesetz nur in ganz gravierenden - beim Beschwerdeführer nicht gegebenen - Fällen in Kauf genommen werde. Überdies sei der Widerruf vorliegend nur darauf zurückzuführen, daß die belangte Behörde trotz Vorliegens eines Zusicherungsbescheides und des Nachweises des Ausscheidens aus dem bisherigen Staatsverband entgegen der Bestimmung des § 73 Abs. 1 AVG nicht ohne unnötigen Aufschub über den Verleihungsantrag entschieden habe.

Über diese Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 20 Abs. 1 StbG ist einem Fremden bei Vorliegen der in den Z. 1 bis 3 näher umschriebenen Voraussetzungen die Verleihung (Erstreckung der Verleihung) zunächst für den Fall zuzusichern, daß er binnen zwei Jahren das Ausscheiden aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates nachweist.

Die Möglichkeit der Zusicherung wurde geschaffen, um Fremden das - gemäß § 10 Abs. 2 StbG für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft grundsätzlich erforderliche - Ausscheiden aus ihrem bisherigen Staatsverband zu ermöglichen oder zu erleichtern (vgl. RV, 497 Blg NR 10. GP, Seite 27).

§ 20 Abs. 2 StbG hat folgenden Wortlaut:

"Die Zusicherung ist zu widerrufen, wenn der Fremde auch nur eine für die Verleihung der Staatsbürgerschaft (Erstreckung der Verleihung) erforderlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt."

Diese Bestimmung unterscheidet nach ihrem klaren Wortlaut nicht danach, ob ein Verleihungshindernis vor oder nach Erbringung des Nachweises für das Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband eingetreten ist, sondern normiert, daß die Zusicherung jedenfalls zu widerrufen ist, wenn der Beschwerdeführer (im Entscheidungszeitpunkt) eine zwingende Verleihungsvoraussetzung nicht mehr erfüllt.

Die gegenteilige, vom Beschwerdeführer vertretene Auslegung dieser Bestimmung würde dazu führen, daß die Staatsbürgerschaftsbehörde bei Eintritt eines Verleihungshindernisses erst nach dem Nachweis des Ausscheidens aus dem bisherigen Staatsverband die Verleihungsvoraussetzungen nicht für den Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides beurteilen dürfte und verpflichtet wäre, die Staatsbürgerschaft trotz Vorliegens eines bekannten Hindernisses zu verleihen. Auch die zitierten Erläuterungen zur Regierungsvorlage geben keinen Anhaltspunkt für das vom Beschwerdeführer erwünschte Interpretationsergebnis. Darin ist festgehalten, daß die Landesregierung die Zusicherung widerrufen muß, wenn z.B. der Verleihungswerber nach Erteilung der Zusicherung eine ein Verleihungshindernis bildende gerichtliche Verurteilung erleidet. Eine Unterscheidung danach, ob diese Verurteilung vor oder nach Erbringung des Nachweises über das Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband erfolgt, ist darin auch andeutungsweise nicht enthalten. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat bisher in seiner ständigen Judikatur zu § 20 Abs. 2 StbG nur darauf abgestellt, ob nach Zusicherung der Staatsbürgerschaftsverleihung ein Hinderungsgrund eingetreten ist, ohne den Zeitpunkt der Erbringung des Nachweises über das Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband zu berücksichtigen (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 29. Jänner 1997, Zl. 96/01/0173, vom 3. September 1997, Zl. 96/01/0773, Zl. 96/01/0968, Zl. 96/01/1207, und vom 2. Juni 1998, Zl. 98/01/0220).

§ 20 Abs. 2 StbG ist daher nach seinem klaren Wortlaut so zu verstehen, daß die Zusicherung der Staatsbürgerschaftsverleihung auch dann zu widerrufen ist, wenn erst nach Erbringung des Nachweises über das Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband ein Versagungsgrund eintritt. Der Gesetzgeber nimmt in diesen Fällen die Staatenlosigkeit von Personen, die - anders als in Fällen der Entziehung der Staatsbürgerschaft - vorher nicht österreichische Staatsbürger waren, in Kauf.

In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, daß das Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit, BGBl. Nr. 538/1974 keine Bestimmungen enthält, wonach die Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft nicht widerrufen werden dürfte.

Die belangte Behörde hat daher die Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von 18 Monaten, welche gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 StbG ein Verleihungshindernis darstellt, zu Recht zum Anlaß genommen, die Zusicherung der Staatsbürgerschaftsverleihung gemäß § 20 Abs. 2 StbG zu widerrufen und den Antrag auf Verleihung abzuweisen. Der Umstand, daß die belangte Behörde über den Verleihungsantrag nicht noch vor Einleitung des Strafverfahrens gegen den Beschwerdeführer entschieden hat, kann an diesem Ergebnis nichts ändern.

Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 11. November 1998

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