VwGH 96/09/0380

VwGH96/09/038016.12.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde der Helga Fiala in Wien, vertreten durch Dr. Walter Kainz, Rechtsanwalt in Wien IV, Gußhausstraße 23, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Bundessozialamt Wien, Niederösterreich, Burgenland vom 28. Oktober 1996, Zl. OB. 115-158449-008, betreffend Erhöhung der Pflegezulage nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
AVG §52;
KOVG 1957 §18 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
KOVG 1957 §18 Abs1;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Kriegsbeschädigte (der Ehegatte der Beschwerdeführerin) beantragte mit Schreiben vom 17. Februar 1995 unter anderem die Erhöhung der Pflegezulage, da er aufgrund der Dienstbeschädigung auf den dauernden Gebrauch eines Rollstuhles angewiesen sei. Er legte einen Befundbericht des Donauspitals vor, nach dem eine Nachamputation im Oberschenkelniveau aufgrund der Lokalsituation nötig wäre. Da der Kriegsbeschädigte aber aufgrund der coronaren Herzkrankheit und des Diabetes mellitus auch nach einer Amputation nicht prothesenfähig wäre, werde davon abgesehen, zumal auch ein hohes Operationsrisiko bestünde. Der Patient sei auf die Benützung eines Rollstuhls angewiesen. Die offene Stelle am Unterschenkelstumpf werde ambulant versorgt.

Mit Datum 10. Mai 1995 erstellte der praktische Arzt Dr. L als Sachverständiger der Behörde erster Instanz ein Gutachten. Unter "Vorgeschichte" führt er unter anderem aus, daß der Kriegsbeschädigte "früher mit Prothese und Krücke" gegangen sei. Im Juni 1994 sei der Kriegsbeschädigte wegen Herzproblemen und Problemen mit dem Amputationsstumpf letztmalig in stationärer Behandlung gewesen. Er fahre "mit dem Rollstuhl selbst im Wohnbereich herum". Nach der Befundaufnahme, Verweis auf die vorliegend festgestellte Dienstbeschädigung und akausale Leiden kam er zu folgender Beurteilung:

"Pflegezulage Der Kb. bedarf für lebenswichtige Verrichtungen folgender qualifizierter Hilfeleistung(en): An- und Auskleiden, Verrichtung der Notdurft mit anschließender Reinigung, gründliche tägliche Körperpflege (durch die Chefärztin Dr. T wurde hinzugefügt: Stumpfpflege).

Er kann insbesondere ohne fremde Hilfe essen. Stellungnahme zur Frage der zumutbaren Mittel der Selbsthilfe: 0.

Es ist ein Maß an qualifizierter Hilfeleistung erforderlich, das als Pflege und Wartung angesehen werden kann. Außergewöhnliche Pflege und Wartung ist erforderlich. Dauerndes Krankenlager liegt praktisch vor.

Die Hilflosigkeit wird - im Zusammenwirken der kausalen und akausalen Leiden - verursacht.

Im Falle des Zusammenwirkens der kausalen und akausalen Leiden: Die Db. ist wesentlich, das heißt annähernd gleichwertig,

"(1) Zur Beschädigtenrente wird eine Pflegezulage gewährt, wenn der Beschädigte infolge der Dienstbeschädigung so hilflos ist, daß er für lebenswichtige Verrichtungen der Hilfe einer anderen Person bedarf.

(2) Die Höhe der Pflegezulage ist nach der Schwere des Leidenszustandes und nach dem für die Pflege und Wartung erforderlichen Aufwand abgestuft. Die Gewährung der Pflegezulagen der Stufen II bis V setzt voraus, daß die Dienstbeschädigung außergewöhnliche Pflege und Wartung erfordert; verursacht die Dienstbeschädigung dauerndes Krankenlager, ist die Pflegezulage zumindest in der Höhe der Stufe III zu leisten . ..."

Mit dem Bescheid der Schiedskommission beim Landesinvalidenamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 11. Jänner 1989 war ein Bescheid der Behörde erster Instanz, mit welchem die dem Kriegsbeschädigten zuerkannte Pflegezulage eingestellt worden war, aufgehoben und der mit Bescheid des Landesinvalidenamtes für Wien, Niederösterreich, Burgenland vom 25. März 1982 geschaffene Rechtszustand wieder hergestellt worden. Dem Kriegsbeschädigten gebühre gemäß

18 KOVG die Pflegezulage in Höhe der Stufe I. Aufgrund der akausalen und kausalen Leidenszustände bedürfe der Kriegsbeschädigte bei der Besorgung der Lebensmittel, der Wohnungs- und Wäschereinigung und bei der Herbeischaffung von Arzneien ständiger Hilfe. Bei der Zubereitung des Essens und beim An- und Auskleiden bedürfe er ständig der Wartung, für die Durchführung lebenswichtiger Verrichtungen bedürfe er qualifizierter Hilfeleistungen, wie z.B. bei der gründlichen Körperreinigung und Körperpflege und bei der Verrichtung der Notdurft mit anschließender Reinigung. Es sei ein Maß an qualifizierter Hilfeleistung erforderlich, das als Pflege und Wartung angesehen werden könne. Außergewöhnliche Pflege und Wartung sei nicht erforderlich. Dauerndes Krankenlager liege nicht vor. Die Hilflosigkeit werde im Zusammenwirken von kausalen und akausalen Leiden verursacht. Die Dienstbeschädigung sei wesentlich, das heißt annähernd gleichwertig am Gesamtzustand der Hilflosigkeit beteiligt.

In einer amtswegigen Nachuntersuchung vom 10. August 1989 (Akt Seite 494 bis 497) - auf welches sich der Gutachter Dr. K bezieht - ist enthalten, daß der Kriegsbeschädigte ein Prothesenprovisorium trage und mit zwei Handstützkrücken gehe.

Dem steht die in dem dem nunmehr angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Verwaltungsverfahren aufgestellte Behauptung des Kriegsbeschädigten gegenüber, er sei an den Rollstuhl gebunden und praktisch dauernd bettlägerig. Diese Behauptung findet sich im von der Behörde erster Instanz eingeholten Gutachten Dris. L vom 10. Mai 1995 bestätigt. Der Gutachter erster Instanz hat ausgehend von dieser Änderung auch eine Beurteilung erstattet, welche eine wesentliche Verschlechterung des Zustandes des Kriegsbeschädigten zeigt.

Obwohl der Gutachter den kausalen Anteil der Dienstbeschädigung als an dem Zustand des Kriegsbeschädigten annähernd gleichwertig beteiligt bezeichnet, außergewöhnliche Pflege und Wartung als erforderlich erachtet und dauerndes Krankenlager als praktisch vorliegend genannt hat, ist er ohne nähere Begründung zum Schluß gekommen, daß die Zuerkennung der Pflegezulage im Ausmaß der Stufe I vorgeschlagen werde. Damit ist das Gutachten im Hinblick auf den Gesetzestext, wonach im Falle, daß die Dienstbeschädigung dauerndes Krankenlager verursacht, die Pflegezulage zumindest in der Höhe der Stufe III zu leisten ist, nicht schlüssig. Es ist nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen eine annähernd gleichwertige kausale Dienstbeschädigung entgegen dem Gesetzestext nur zur Zuerkennung der Pflegezulage im Ausmaß der Stufe I bei dauerndem Krankenlager führen solle.

Die Unschlüssigkeit des in erster Instanz eingeholten Gutachtens wäre aber für die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes nicht relevant, hielte das von der belangten Behörde dem Berufungsbescheid zugrundegelegte Gutachten einer Schlüssigkeitsprüfung stand.

Entgegen dem in erster Instanz eingeholten Gutachten geht Dr. K jedoch hinsichtlich der Benützung von Krücken von einem Zustand des Kriegsbeschädigten im Jahre 1989 aus. Des weiteren unterscheiden sich die Gutachten dadurch, daß der Zweitgutachter - jedoch ohne dies näher zu begründen - davon ausgeht, daß dauerndes Krankenlager ausschließlich aufgrund akausaler Leiden vorgelegen sei und die außergewöhnliche Pflege und Wartung durch akausale Begleiterkrankungen notwendig und nicht dienstbeschädigungsbedingt gewesen sei. Der Erstgutachter ist hingegen von einer annähernden Gleichwertigkeit des Zusammenwirkens kausaler und akausaler Leiden ausgegangen.

Angesichts dieser Unterschiede des im angefochtenen Bescheid verwerteten Gutachtens zu dem in erster Instanz eingeholten Gutachten und zum Vorbringen der Beschwerdeführerin über die Gründe der Zuteilung eines Rollstuhls an den Kriegsbeschädigten im Jahre 1994 hätte es näherer Ausführungen des Gutachters Dr. K bedurft, weshalb der im Befund des Donauspitals angeführten chronischen Osteomyelitis am Amputationsstumpf - welche einen Hinweis auf die Verschlechterung der anerkannten Dienstbeschädigung liefert -kein Anteil an der Verschlechterung der Gesamtsituation im Hinblick auf die Pflegebedürftigkeit des Kriegsbeschädigten zukommt. Die bloße Behauptung, daß dafür ausschließlich akausale Leiden die Ursache seien, entbehrt einer schlüssigen, nachvollziehbaren Begründung. Diese Behauptung läßt weder die ihr zugrundeliegenden Tatsachen erkennen, noch beschreibt sie die den jeweiligen Leiden des Kriegsbeschädigten zukommenden Ursachen und Wirkungen.

Indem die belangte Behörde das Gutachten Dris. K aber trotz dieser Mangelhaftigkeit als schlüssig dem angefochtenen Bescheid zugrundelegte, belastete sie den Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Zuletzt ist noch festzuhalten, daß der Hinweis der belangten Behörde, die in beiden Instanzen eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten stimmten im Ergebnis überein, keine Aussagekraft hinsichtlich der Schlüssigkeit ihrer Inhalte hat, weil die Schlüssigkeit der jeweiligen Inhalte der Gutachten nicht ausgehend vom gleichen Ergebnis zu beurteilen ist, sondern ausgehend von der Art und Weise, wie sie zu dem übereinstimmenden Ergebnis gelangt sind. Kommen die Gutachten in nicht nachvollziehbarer Weise (im gegenständlichen Fall zudem auf unterschiedlichen Wegen) zum gleichen Ergebnis, so ändert das gleiche Ergebnis nichts am Umstand der Unschlüssigkeit.

Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 16. Dezember 1997

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