VwGH 93/07/0122

VwGH93/07/012218.2.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Hargassner, Dr. Bumberger und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde der Nachbarschaft S im G, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des LAS beim Amt der Krnt LReg vom 19. April 1993, Zl. Agrar 11-37/7/93, betreffend Aufhebung eines Vollversammlungsbeschlusses (mP: 1. Walter S, 2. Renate S und weitere 9 mP), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §861;
AVG §56;
FlVfGG §36 Abs1;
FlVfGG §36;
FlVfLG Krnt 1979 §48 Abs2;
FlVfLG Krnt 1979 §51 Abs1;
FlVfLG Krnt 1979 §51 Abs2;
FlVfLG Krnt 1979 §51;
FlVfLG Krnt 1979 §93 Abs1;
FlVfLG Krnt 1979 §93 Abs2;
JagdRallg;
VwRallg;
ABGB §861;
AVG §56;
FlVfGG §36 Abs1;
FlVfGG §36;
FlVfLG Krnt 1979 §48 Abs2;
FlVfLG Krnt 1979 §51 Abs1;
FlVfLG Krnt 1979 §51 Abs2;
FlVfLG Krnt 1979 §51;
FlVfLG Krnt 1979 §93 Abs1;
FlVfLG Krnt 1979 §93 Abs2;
JagdRallg;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei ist eine körperschaftlich eingerichtete Agargemeinschaft im Sinne des § 48 Abs. 2 des Kärntner Flurverfassungs-Landesgesetzes 1979 (FLG 1979). Bei ihrer Vollversammlung vom 11. Jänner 1992 wurde unter Tagesordnungspunkt 9. "Vorgespräch über die Jagdverpachtung 1993" beschlossen, die beiden agrargemeinschaftlichen Eigenjagden an die Bestbieter innerhalb der Mitglieder der Agrargemeinschaft zu verpachten.

In der Folge teilte Margarethe P., ein Mitglied der Agrargemeinschaft deren Obmann mit, sie habe durch Zufall erfahren, daß anläßlich der Vollversammlung vom 11. Jänner 1992 zu Tagesordnungspunkt 9. ein Beschluß gefaßt worden sei, unter welchen Modalitäten die Jagdverpachtung für die kommende Periode durchgeführt werden sollte. Sie sei dieser Vollversammlung ferngeblieben, weil sie der Meinung gewesen sei, bei dieser Vollversammlung werde lediglich ein informatives Vorgespräch stattfinden, welches die Grundlage für einen später zu fassenden Verpachtungsbeschluß bilden sollte. Sie sei mit dieser Vorgangsweise nicht einverstanden und beantrage daher für die kommende Vollversammlung die Aufnahme folgender Tagesordnungspunkte:

a) Aufhebung des Beschlusses zu Tagesordnungspunkt 9 der Vollversammlung vom 11. Jänner 1992;

b) Beschlußfassung, daß die Eigenjagden im Wege der freihändigen Vergabe durch die Vollversammlung verpachtet werden;

c) Verpachtung der Eigenjagden für die Jagdpachtperiode 1993 bis 2002.

Der Obmann der beschwerdeführenden Partei nahm in der Einladung vom 2. November 1992 zu der für 7. November 1992 einberufenen Vollversammlung die geforderten Tagesordnungspunkte in die Tagesordnung auf.

Bei der Vollversammlung am 7. November 1992 wurde zu den Tagesordnungspunkten 3 und 4 mehrheitlich beschlossen, den bei der Vollversammlung vom 11. Jänner 1992 zu Tagesordnungspunkt 9 gefaßten Beschluß (Verpachtung der agrargemeinschaftlichen Eigenjagden an die Bestbieter innerhalb der Mitglieder der Agrargemeinschaft) zu beheben und die Eigenjagden im Wege der freihändigen Vergabe durch die Vollversammlung zu verpachten. Zu Tagesordnungspunkt 5 (Verpachtung der Eigenjagden für die Jagdperiode 1993 bis 2002) wurde ein Antrag, die Eigenjagden an die Bestbieter H.M. und C.W. zu vergeben, mehrheitlich abgelehnt und dem einzig verbleibenden Anbieter, dem Jagdverein L., der Zuschlag erteilt.

Gegen diese Beschlüsse erhoben die Mitbeteiligten Beschwerde an die Agrarbezirksbehörde Villach (ABB). Sie begründeten ihre Beschwerde im wesentlichen damit, Margarethe P. sei durch ein Mitglied des Jagdvereines L. falsch informiert worden und habe daher das Schreiben an den Obmann der beschwerdeführenden Partei gerichtet. Überdies stehe nach § 7 Abs. 6 der Verwaltungssatzung jenen Mitgliedern, die unentschuldigt der Vollversammlung fernbleiben, kein Beschwerderecht zu. Die Anbieter H.M. und C.W. seien Mitglieder der beschwerdeführenden Partei, der Jagdverein L. bestehe aber auch aus Personen, welche nicht Mitglieder der Agrargemeinschaft seien, weshalb das Anbot des Jagdvereines nicht dem Beschluß der Vollversammlung der beschwerdeführenden Partei vom 11. Jänner 1992 entspreche und deshalb auch keine Berücksichtigung hätte finden dürfen. Weiters bestehe auf Grund der Verwaltungssatzungen der beschwerdeführenden Partei die Verpflichtung, bei Verpachtungen und Verkäufen den bestmöglichen Erlös zu erzielen. Nicht unerwähnt bleiben dürfe auch, daß von zwei Mitgliedern des Jagdvereines L., welche auch Mitglieder der beschwerdeführenden Partei seien, 11 Vollmachten gesammelt worden seien, welche zu einer Verzerrung der Beschlüsse beigetragen hätten.

Mit Bescheid vom 29. Dezember 1992 wies die ABB die Beschwerde der mitbeteiligten Parteien als unbegründet ab. In der Begründung wird im wesentlichen ausgeführt, die Verpachtung des Jagdausübungsrechtes falle in den Zuständigkeitsbereich der Vollversammlung der beschwerdeführenden Partei. Als Selbstverständlichkeit und als keine Verletzung der Verwaltungssatzungen sowie der Wirtschaftsvorschriften werde die Vorgangsweise der Vollversammlung angesehen, daß einmal gefaßte Beschlüsse, seien sie auch einstimmig, durch die Vollversammlung wieder behoben bzw. abgeändert werden könnten. In diesem Zusammenhang müsse auch die Behebung des Beschlusses der Vollversammlung vom 11. Jänner 1992 durch die Vollversammlung vom 7. November 1992 gesehen werden.

Den formalen Bedenken von Magarethe P. müsse beigepflichtet werden, da auf Grund der Formulierung des Tagesordnungspunktes 9 der Vollversammlung vom 11. Jänner 1992 (Vorgespräch über die Jagdverpachtung 1993) nicht habe angenommen werden können, daß zu diesem Tagesordnungspunkt eine endgültige Festlegung der Vergabemodalitäten beschlossen werden sollte.

Der Auffassung der mitbeteiligten Parteien, das Anbot des Jagdvereines L. hätte im Sinne des Beschlusses der Vollversammlung der beschwerdeführenden Partei vom 11. Jänner 1992 ausgeschlossen werden müssen, weil der Jagdverein kein Mitglied der Agrargemeinschaft sei, werde entgegen gehalten, daß zum Zeitpunkt der Beschlußfassung über die Vergabe der Jagd an den Jagdverein der Beschluß der Vollversammlung vom 11. Jänner 1992 bereits, wenn auch nicht rechtskräftig, behoben gewesen sei.

Nach § 7 Abs. 7 der Verwaltungssatzungen der beschwerdeführenden Partei könne das Stimmrecht entweder persönlich oder durch Bevollmächtigte ausgeübt werden; der Vorwurf der mitbeteiligten Parteien, daß die Beschlüsse vom 7. November 1992 durch die Erteilung von 11 Vollmachten zu einer Verzerrung der Meinungsbildung geführt hätten, gehe ins Leere.

Die Verpachtung von Eigenjagden aus freier Hand bedeute die Möglichkeit, solche Interessenten als Pächter zu wählen, von denen angenommen werden dürfe, daß sie die Jagd sachgemäß, weidgerecht und unter Beachtung der Grundsätze eines geordneten Jagdbetriebes ausüben werden. Die Agrargemeinschaften seien daher keineswegs verpflichtet, das Jagdausübungsrecht stets an den Bestbieter zu verpachten, wenn die Verpachtung aus freier Hand auf Grund der Verwaltungssatzungen bzw. der Wirtschaftsvorschriften zulässig sei. Der Abschluß eines Jagdpachtvertrages sei überdies weitgehend eine Sache des gegenseitigen Vertrauens der Vertragspartner.

Agrargemeinschaften seien daher gut beraten, wenn sie bei ihren Überlegungen nicht nur die Höhe des angebotenen Pachtschillings im Auge behielten. Die Höhe des Pachtschillings sei zwar in der Beschwerde der mitbeteiligten Parteien nicht bemängelt worden, die ABB habe aber trotzdem ihre Angemessenheit und Ortsüblichkeit überprüft und diese Überprüfung habe ergeben, daß der vom Jagdverein L. gebotene Jagdpachtschilling beiden Kriterien entspreche.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Mitbeteiligten Berufung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 19. April 1993 wurde der Bescheid der ABB vom 29. Dezember 1992 insofern abgeändert, als den Minderheitsbeschwerden stattgegeben und die Beschlußpunkte 3, 4 und 5 der Tagesordnung der außerordentlichen Vollversammlung der beschwerdeführenden Partei vom 7. November 1992, soweit diese dem zu Tagesordnungspunkt 9 der Vollversammlung vom 11. Jänner 1992 gefaßten Beschluß widersprechen, ersatzlos behoben wurden.

In der Begründung wird im wesentlichen ausgeführt, die ABB sei davon ausgegangen, daß die Vollversammlung der beschwerdeführenden Partei zu Recht den zu Tagesordnungspunkt 9 der Vollversammlung vom 11. Jänner 1992 gefaßten Beschluß behoben habe, mithin gewissermaßen stellvertretend für die Behörde erster Instanz als Aufsichtsbehörde tätig geworden sei. Dieser Rechtsansicht könne sich die belangte Behörde nicht anschließen. Als Ergebnis einer Überprüfung des zu Tagesordnungspunkt 9 gefaßten Beschlusses der Vollversammlung vom 11. Jänner 1992 unter dem Gesichtspunkt der Beschwerde der M.P. trete zutage, daß weder am formellen Zustandekommen noch am materiellen Gehalt des Vollversammlungsbeschlusses vom 11. Jänner 1992 Mängel zu erblicken seien. Der Umstand, daß der Tagesordnungspunkt 9 der Vollversammlung vom 11. Jänner 1992 die Bezeichnung "Vorgespräch über die Jagdverpachtung" aufgewiesen habe, habe es der Vollversammlung nicht verwehrt, zu diesem Tagesordnungspunkt einen Beschluß über die Jagdvergabe zu fassen. Dem Beschwerdevorbringen der mitbeteiligten Parteien komme sohin Berechtigung zu, weshalb die Beschlußpunkte 3, 4 und 5 der außerordentlichen Vollversammlung der beschwerdeführenden Partei vom 7. November 1992 zu beheben gewesen seien, soweit diese dem zu Tagesordnungspunkt 9 der Vollversammlung vom 11. Jänner 1992 gefaßten Beschluß widersprächen. Unter dem Gesichtspunkt, daß davon auszugehen sei, daß zum Zeitpunkt der Abstimmung zu den Tagesordnungspunkten 3, 4 und 5 der Vollversammlung vom 7. November 1992 Angebote des H.M. und des C.W., welche die in der Vollversammlung vom 11. Jänner 1992 festgelegten Voraussetzungen erfüllten, vorgelegen seien, seien die zu Tagesordnungspunkt 3, 4 und 5 gefaßten Beschlüsse als rechtswidrig anzusehen. Die berechtigte Annahme des Vorliegens der entsprechenden Angebote ergebe sich aus dem der Einladung zur Vollversammlung vom 7. November 1992 beigefügten Nachsatz, demzufolge alle an der Jagdpachtung interessierten Mitglieder sowie der Jagdverein L. ersucht worden seien, ihr Anbot zur Jagdpachtung bis spätestens eine Stunde vor Beginn der Vollversammlung schriftlich im verschlossenen Kuvert beim Obmann der beschwerdeführenden Partei einzubringen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die beschwerdeführende Partei bringt vor, der Vollversammlungsbeschluß vom 11. Jänner 1992 über die Jagdvergabe sei satzungswidrig zustande gekommen. Selbst wenn man aber von der gegenteiligen Auffassung ausgehe, sei der angefochtene Bescheid rechtswidrig. Die Vollversammlung einer Agrargemeinschaft sei jederzeit berechtigt, einen einmal gefaßten Beschluß durch einen anderen aufzuheben bzw. abzuändern; dies insbesondere dann, wenn der aufzuhebende oder abzuändernde Beschluß nach außen hin noch nicht wirksam geworden sei. Obwohl H.M. und C.W. an der Vollversammlung vom 11. Jänner 1992 teilgenommen hätten, hätten sie es unterlassen, ein Pachtanbot abzugeben, sodaß davon auszugehen sei, daß der Vollversammlungsbeschluß vom 11. Jänner 1992 bis zur Vollversammlung vom 7. November 1992 keine materielle Rechtswirksamkeit erlangt habe. Die belangte Behörde übersehe, daß in der Einladung zur Vollversammlung vom 7. November 1992 unter den Tagesordnungspunkten 3, 4 und 5 die Aufhebung des Beschlusses zu Tagesordnungspunkt 9 der Vollversammlung vom 11. Jänner 1992, die Beschlußfassung, daß die Eigenjagden im Wege der freihändigen Vergabe durch die Vollversammlung verpachtet werden und die Verpachtung der Eigenjagden für die Jagdperiode 1993 bis 2002 angeführt worden seien. In einem Nachsatz zur Einladung sei festgehalten worden, daß alle an der Jagdpachtung interessierten Mitglieder sowie der Jagdverein L. ersucht würden, ihr Anbot zur Jagdpachtung bis spätestens eine Stunde vor Beginn der Vollversammlung schriftlich im verschlossenen Kuvert beim Obmann der beschwerdeführenden Partei einzubringen. Auf Grund der Tagesordnungspunkte in der Einladung sei jedem Mitglied klar gewesen, daß als erstes der Tagesordnungspunkt 3 (Aufhebung des Beschlusses über die Jagdvergabe bei der Vollversammlung vom 11. Jänner 1992) behandelt werden müsse und erst nach positiver Erledigung des Tagesordnungspunktes 3 über die folgenden Tagesordnungspunkte 4 und 5 abgestimmt werden könne. Keines der Mitglieder der beschwerdeführenden Partei habe daher davon ausgehen können, daß es im Sinne des Vollversammlungsbeschlusses vom 11. Jänner 1992 ein Anbot abgeben könne.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die erstbis neuntmitbeteiligten Parteien haben ebenfalls eine Gegenschrift erstattet, in der sie beantragen, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 51 Abs. 2 FLG 1979 entscheidet über Streitigkeiten, die zwischen den Mitgliedern einer Agrargemeinschaft untereinander oder mit dem gemeinsamen Verwalter oder zwischen einer körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft und ihren Organen oder Mitgliedern aus dem Gemeinschaftsverhältnis entstehen, die Behörde.

Der aus der Verpachtung der Eigenjagden der beschwerdeführenden Partei entstehende Streit zwischen dieser und einem Teil ihrer Mitglieder stellt eine Streitigkeit im Sinne des § 51 Abs. 2 FLG 1979 dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1978, Slg. NF Nr. 9494/A).

§ 51 Abs. 2 FLG 1979 enthält lediglich eine Zuständigkeitsnorm, aber keine inhaltlichen Kriterien für die Entscheidung der Agrarbehörde. § 51 Abs. 2 ist Teil des mit "Überwachung der Agargemeinschaften; Entscheidung von Streitigkeiten" überschriebenen § 51 und findet sich im unmittelbaren Anschluß an die im Abs. 1 enthaltenen allgemeinen Bestimmungen über die Überwachung der Agrargemeinschaften. Aus diesem Systemzusammenhang folgt, daß die Entscheidung über Streitigkeiten ein Teil der Aufsicht bzw. der Überwachung der Agrarbehörde gegenüber den Agrargemeinschaften ist und daß daher die im § 51 Abs. 1 FLG 1979 für die Überwachung enthaltenen Bestimmungen auch für die Streitentscheidung von Bedeutung sind.

Nach § 51 Abs. 1 erster Satz FLG 1979 hat die Behörde die Agrargemeinschaften, gleichgültig ob eine Regelung der gemeinschaftlichen Nutzungs- und Verwaltungsrechte stattgefunden hat oder nicht, insbesondere bezüglich der Beobachtung der gesetzlichen Bestimmungen, der Einhaltung eines allfälligen endgültigen oder vorläufigen Regelungsplanes, bezüglich der Bewirtschaftung der gemeinschaftlichen Grundstücke und bezüglich der Verwaltung sowie allenfalls der Ausführung und Erhaltung der gemeinsamen wirtschaftlichen Anlagen zu überwachen.

Aus dieser Bestimmung folgt, daß die Agrarbehörde bei ihr angefochtene Beschlüsse einer Agrargemeinschaft jedenfalls daraufhin zu überprüfen hat, ob sie gegen gesetzliche Bestimmungen oder einen Regelungsplan in einer Weise verstoßen, daß Rechte der die Streitentscheidungskompetenz der Agrarbehörde in Anpruch nehmenden Rechtssubjekte verletzt werden. In gleicher Weise ist auch die Satzung einer Agrargemeinschaft ein Beurteilungsmaßstab für die Rechtmäßigkeit ihres Handelns. Die Satzung ist zwar im § 51 Abs. 1 nicht ausdrücklich angeführt; § 51 Abs. 1 enthält aber nur eine demonstrative Aufzählung der von der Agrarbehörde zu beachtenden Kriterien und die Verpflichtung zur Einhaltung einer Satzung durch die Agrargemeinschaft ergibt sich schon aus der Funktion und dem Wesen einer Satzung. Außerdem sind Satzungen, wie sich aus § 93 Abs. 1 FLG 1979 ergibt, in der Regel Teil des Regelungsplanes, dessen Einhaltung § 51 Abs. 1 zum Gegenstand der Überwachungspflicht der Agrarbehörde macht.

Welcher Maßstab von der Agrarbehörde bei der Überwachung bezüglich der Bewirtschaftung anzulegen ist, braucht im Beschwerdefall nicht im einzelnen untersucht werden. Heranzuziehen sind jedenfalls Satzungsbestimmungen, die Grundsätze für die Bewirtschaftung enthalten.

Die belangte Behörde hat die die Eigenjagdvergabe betreffenden Beschlüsse der Vollversammlung der beschwerdeführenden Partei vom 7. November 1992 deswegen behoben, weil sie gegen den Vollversammlungsbeschluß vom 11. Jänner 1992 verstießen. Auch die mitbeteiligten Parteien vertreten die Auffassung, der Vollversammlungsbeschluß vom 11. Jänner 1992 sei "rechtskräftig" geworden und es hätte daher kein neuerlicher Beschluß in dieser Angelegenheit ergehen dürfen.

Das FLG 1979 enthält keine näheren Bestimmungen über Beschlüsse von Organen einer Agrargemeinschaft; es erwähnt sie lediglich, so etwa im § 93 Abs. 2.

Die Satzung der beschwerdeführenden Partei enthält kein ausdrückliches Verbot, Beschlüsse zu einem Gegenstand durch spätere Beschlüsse aufzuheben oder abzuändern. Daraus allein kann allerdings noch nicht auf die Zulässigkeit einer solchen Vorgangsweise geschlossen werden. In diesem Zusammenhang stellt sich zunächst die Frage nach der Rechtsnatur der Beschlüsse von Organen einer Agrargemeinschaft. Handelte es sich nämlich um Bescheide, dann könnte die Auffassung vertreten werden, daß auf solche Bescheide, wenngleich bei ihrer Erlassung das AVG nicht unmittelbar anzuwenden ist, die Grundsätze des AVG über die Rechtskraft von Bescheiden zu übertragen seien.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Beschluß vom 28. Februar 1990, VfSlg. 12.279/1990, die Auffassung vertreten, den Agrargemeinschaften nach dem Vorarlberger Flurverfassungsgesetz 1979 kämen keine behördlichen Befugnisse, insbesondere auch nicht die Zuständigkeit zur Erlassung von Bescheiden, zu. Er begründete dies im wesentlichen damit, daß nach § 35 Abs. 2 des Vorarlberger Flurverfassungsgesetzes 1979 die Entscheidung (auch) über Streitigkeiten, die zwischen Mitgliedern einer körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft und dieser oder ihren Organen aus dem Mitgliedschaftsverhältnis entstehen, der Behörde obliegt. Dasselbe gilt auch für die Agrargemeinschaften nach dem (Kärntner) FLG 1979. Beschlüsse von Organen solcher Agrargemeinschaften sind daher keine Bescheide.

Die Satzung der beschwerdeführenden Partei verleiht der Vollversammlung die Kompetenz zur Beschlußfassung in bestimmten Angelegenheiten, zu denen auch die Vergabe der Eigenjagd gehört. Diese Kompetenz ist eine dauernde; sie wird nicht dadurch konsumiert, daß in einer bestimmten Angelegenheit ein Beschluß gefaßt wird.

Weder das FLG 1979 noch die Satzung der beschwerdeführenden Partei enthalten somit ein grundsätzliches Verbot, Beschlüsse von Organen der Agrargemeinschaft durch nachfolgende Beschlüsse wieder aufzuheben oder abzuändern.

Daraus darf aber nicht geschlossen werden, daß Beschlüsse unbeschränkt abgeändert oder aufgehoben werden dürfen. Eine Aufhebung oder Abänderung von Beschlüssen ist jedenfalls dann unzulässig, wenn sie gegen gesetzliche Bestimmungen verstößt. Ein solcher Fall könnte sich dann ergeben, wenn auf Grund eines Beschlusses bereits Verträge abgeschlossen wurden, deren Einhaltung vom Vertragspartner eingeklagt werden könnte. In diesem Fall verstieße die Aufhebung des Beschlusses gegen den aus dem bürgerlichen Recht ableitbaren Grundsatz, daß Verträge einzuhalten sind. Im Beschwerdefall liegt allerdings eine solche Situation nicht vor, da zum Zeitpunkt der Beschlußfassung vom 7. November 1992 noch kein Vertrag abgeschlossen wurde, sondern lediglich von Mitgliedern der beschwerdeführenden Partei an Anbot vorlag, aus dem noch keine Rechte resultierten.

Die Begründung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vermag ihre Entscheidung daher nicht zu tragen.

Ob die Beschlüsse der Vollversammlung der beschwerdeführenden Partei vom 7. November 1992 aus anderen Gründen rechtswidrig und daher aufzuheben waren, war im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen, da die belangte Behörde derartige Gründe in der Begründung ihres Bescheides nicht genannt hat. Dies gilt insbesondere für die von den mitbeteiligten Parteien aufgeworfene Frage, ob es sachlich gerechtfertigt war, die Jagd nicht an den Bestbieter zu vergeben. Diese Frage wird die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren zu prüfen haben.

Aus den angeführten Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

An Kostenersatz standen der beschwerdeführenden Partei S 11.120,-- an Schriftsatzaufwand und S 1.620,-- für Stempelgebühren (S 1.440,-- für 12 Ausfertigungen der Beschwerde und S 180,-- für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides) zu. Das darüberhinausgehende Mehrbegehren war daher abzuweisen.

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