VwGH 93/09/0030

VwGH93/09/003022.4.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des M in X, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Disziplinarkommission für Bundeslehrer beim Landesschulrat für Salzburg vom 9. Oktober 1990, Zl. 5/2/DZK/BL/90, betreffend Einleitungs- und Verhandlungsbeschluß, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
BDG 1979 §123 Abs1;
BDG 1979 §124 Abs1;
BDG 1979 §124 Abs2;
BDG 1979 §91;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
BDG 1979 §123 Abs1;
BDG 1979 §124 Abs1;
BDG 1979 §124 Abs2;
BDG 1979 §91;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der beantragten Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Lehrer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er ist der Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule X zur Dienstleistung zugewiesen.

Nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens hatte der Direktor der Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule X als unmittelbarer Dienstvorgesetzter am 8. Mai 1990 an seine Dienstbehörde gegen den Beschwerdeführer Anzeige wegen Verdachtes der Verletzung von Dienstpflichten erstattet. Darin war im wesentlichen ausgeführt worden, der Beschwerdeführer sei, nachdem ihm bereits vorher eine mündliche Weisung erteilt worden sei, der ihm vom Schulleiter am 2. Mai 1990 schriftlich erteilten Weisung, die Jahresnote im Pflichtgegenstand Volkswirtschaftslehre und Soziologie für vier namentlich genannte Schüler des Jahrganges V. B. von "Nicht genügend" auf "Genügend" abzuändern und den entsprechenden Vermerk im Hauptkatalog auf dem Schülerstammblatt vorzunehmen, nicht nachgekommen.

Diese Disziplinaranzeige war in der Folge am 5. Juli 1990 von der Dienstbehörde gemäß § 110 Abs. 1 Z. 2 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333 (BDG 1979) an den Vorsitzenden der Disziplinarkommission und an den Disziplinaranwalt weitergeleitet worden.

Die belangte Behörde beschloß in der Folge ohne Vornahme weiterer Erhebungsschritte in ihrer nichtöffentlichen Sitzung vom 9. Oktober 1990 gegen den Beschwerdeführer gemäß § 123 Abs. 1 BDG ein Disziplinarverfahren durchzuführen und im Grunde des § 124 Abs. 1 leg. cit. eine mündliche Verhandlung anzuberaumen. Im Spruch dieses Bescheides wird der Beschwerdeführer beschuldigt,

"er habe die am 27.4.1990 mündlich erteilte Weisung des unmittelbaren Dienstvorgesetzten, Direktor G, die Noteneintragungen im Hauptkatalog im Pflichtgegenstand Volkswirtschaftlehre und Soziologie für die Schüler des V/B-Jahrganges der Bundeshandelsakademie X im Schuljahr 1989/90 A, K, L und S von "Nicht genügend" auf "Genügend" abzuändern sowie die am 2.5.1990 in der gleichen Angelegenheit erteilte schriftliche Weisung nicht befolgt,

dadurch gegen § 44 Abs. 1 BDG 1979 verstoßen und eine Dienstpflichtverletzung im Sinne des § 91 BDG 1979 begangen."

Zur Begründung wurde nach Darstellung des Sachverhaltes und Wiedergabe des § 44 Abs. 1 und 2 BDG 1979 ausgeführt, dem Beschwerdeführer sei vom Schulleiter der Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule X am 27. April 1990 die mündliche und am 2. Mai 1990 die schriftliche Weisung erteilt worden, im Hauptkatalog die Jahresbeurteilung im Pflichtgegenstand Volkswirtschaftslehre und Soziologie für die im Spruch genannten vier Schüler von "Nicht genügend" auf "Genügend" abzuändern, weil die Beurteilung mit "Nicht genügend" den Bestimmungen der Leistungsbeurteilungs-Verordnung nicht entspreche. Zweifelsohne sei der Schulleiter einer Schule Vorgesetzter der an der Schule unterrichtenden Lehrer. Dies ergebe sich eindeutig aus § 56 Abs. 2 SchUG.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der zunächst an ihn wegen Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gerichteten Beschwerde gegen den obgenannten Bescheid mit Beschluß vom 30. November 1992, B 1298/90, ab, weil das Beschwerdevorbringen, § 98 Abs. 3 zweiter Satz BDG 1979 sei verfassungswidrig vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen lasse, daß es keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Gleichzeitig wurde die Beschwerde nach Art. 144 Abs. 3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

Gegen den oben genannten Bescheid der Disziplinarkommission für Bundeslehrer beim Landesschulrat für Salzburg richtet sich die vorliegende, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Der Gerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht darauf verletzt, daß gegen ihn wegen der im angefochtenen Bescheid dargelegten Verhaltensweisen kein Disziplinarverfahren eingeleitet werde. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes trägt er unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit vor, Voraussetzung für die Zulässigkeit der Einleitung eines Disziplinarverfahrens sei, daß genügende Verdachtsgründe vorliegen, welche die Annahme einer Dienstpflichtverletzung rechtfertigten. Damit dies von der belangten Behörde beurteilt werden könne, hätte es einer Klärung des Sachverhaltes bedurft, und zwar im Wege von Ermittlungen, welche im Auftrag der Disziplinarkommission hätten durchgeführt werden müssen. Insbesondere hätte die Einleitung eines Disziplinarverfahrens im gegenständlichen Falle zur Voraussetzung, daß die dem Beschwerdeführer erteilte Weisung nicht tatsächlich bereits objektiv gegen strafgesetzliche Bestimmungen verstoßen habe. Solange völlig offen bleibe, ob eine derartige Strafgesetzwidrigkeit gegeben sei oder nicht, hätte gegen den Beschwerdeführer kein Disziplinarverfahren eingeleitet werden dürfen.

Diesem Vorbringen bleibt es verwehrt, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu erweisen.

Gemäß § 91 BDG 1979 ist der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, nach diesem Abschnitt (d.h. dem neunten Abschnitt dieses Gesetzes) zur Verantwortung zu ziehen.

§ 118 Abs. 1 BDG 1979 sieht vor, daß das Disziplinarverfahren mit Bescheid einzustellen ist, wenn

1) der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen,

2) die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Dienstpflichtverletzung darstellt,

  1. 3) Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen, oder
  2. 4) die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von der Verletzung der Dienstpflichten abzuhalten oder der Verletzung von Dienstpflichten durch andere Beamte entgegenzuwirken.

Nach § 123 Abs. 1 BDG 1979 hat der Vorsitzende der Disziplinarkommission nach Einlangen der Disziplinaranzeige die Disziplinarkommission zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob ein Disziplinarverfahren durchzuführen ist. Notwendige Ermittlungen sind von der Dienstbehörde im Auftrag der Disziplinarkommission durchzuführen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben Ermittlungen der Disziplinarbehörde vor der Einleitung eines Disziplinarverfahrens das Ziel, zu klären, ob die Voraussetzungen für die Einleitung gegeben sind, oder ob allenfalls offenkundige Gründe für eine sofortige Verfügung der Einstellung des Disziplinarverfahrens vorliegen. Für die Einleitung des Verfahrens reicht es aus, wenn genügende Verdachtsgründe gegen den Beamten vorliegen, welche die Annahme einer Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Ein Verdacht besteht, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen gegeben erscheinen lassen. Verdacht ist mehr als eine bloße Vermutung, er setzt die Kenntnis von Tatsachen voraus, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Vergehen geschlossen werden kann. Die Disziplinarkommission muß bei Fällung eines Einleitungsbeschlusses noch nicht völlige Klarheit darüber haben, ob ein bestimmter Beamter eine Dienstpflichtverletzung begangen hat; dies ist erst in dem der Einleitung des Verfahrens nachfolgenden Ermittlungsverfahren aufzuklären. Ebensowenig muß im Einleitungsbeschluß das dem Beamten zur Last gelegte Verhalten bereits abschließend rechtlich gewürdigt werden. Die dem Einleitungsbeschluß nach § 123 BDG 1979 zukommende rechtliche Bedeutung ist in erster Linie darin gelegen, dem beschuldigten Beamten gegenüber klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird, was insbesondere für die Frage einer allfälligen Verjährung von ausschlaggebender Bedeutung ist vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Oktober 1990, Zl. 90/09/0044, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Für den Einleitungsbeschluß nach § 123 BDG 1979 kommen die Bestimmungen des § 58 Abs. 1 und 2 AVG insofern zur Anwendung, als er - neben der Rechtsmittelbelehrung - einen Spruch und eine Begründung zu enthalten hat. Im Spruch des Einleitungsbeschlusses ist das dem Beschuldigten zur Last gelegte Verhalten, das als Dienstpflichtverletzung erachtet wurde, nur in groben Umrissen zu beschreiben. Die einzelnen Fakten müssen nicht bestimmt, d.h. in dem für eine Subsumtion relevanten Einzelheiten beschrieben werden. In der Begründung des Einleitungsbeschlusses ist darzulegen, warum sich nach dem geschilderten Verhalten der Verdacht einer Dienstpflichtverletzung ergibt (ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, vgl. beispielsweise Erkenntnis vom 30. Oktober 1991, Zl. 90/09/0192 mit weiteren Judikaturhinweisen). Typisch für den Verdacht ist, daß die dem Beschuldigten zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung noch nicht nachweisbar ist, trotzdem aber so starke Verdachtsmomente bestehen, daß nach der Lebenserfahrung auf eine Dienstpflichtverletzung geschlossen werden kann. Danach ist Verdacht bei einfacher Wahrscheinlichkeit einer Diestpflichtverletzung zu bejahen, wobei der Disziplinarbehörde ein nicht geringer Beurteilungsspielraum ("Subsumtionsspielraum") bei prognostischer Sicht der Lage zuzugestehen ist.

Der Bescheid, durch den das Disziplinarverfahren eingeleitet wird und für dessen weiteren Gang er eine Prozeßvoraussetzung bildet, dient zugleich dem Schutz des Beschuldigten, der ihm entnehmen kann, nach welcher Richtung er sich vergangen und inwiefern er pflichtwidrig gehandelt haben soll. Der Einleitungsbeschluß begrenzt regelmäßig den Umfang einer durchzuführenden Untersuchung und des vor den Disziplinarkommissionen stattfindenden Verfahrens: Es darf keine Disziplinarstrafe wegen eines Verhaltens ausgesprochen werden, das nicht Gegenstand des durch den Einleitungsbeschluß in seinem Umfang bestimmten Disziplinarverfahrens war (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1990, Zl. 90/09/0107).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind im Spruch des Verhandlungsbeschlusses die Anschuldigungspunkte bestimmt anzuführen. Daraus folgt, daß im Anschuldigungspunkt der vom Beschuldigten gesetzte strafbare Sachverhalt darzustellen ist, wobei alle Umstände anzugeben sind, die zur Bezeichnung der strafbaren Handlung und zur Subsumtion unter einem bestimmten gesetzlichen Tatbestand notwendig sind. Aus dem Begriff der "Anschuldigung" folgt weiters, daß anzugeben ist, welche Dienstpflichten der beschuldigte Beschwerdeführer im einzelnen durch welches Verhalten verletzt haben soll, also welchen gesetzlichen Bestimmungen der angeführte Sachverhalt zu unterstellen sein wird (vgl. VwSlg. 10864/A).

Vor dem Hintergrund der wiedergegebenen Rechtslage und der durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dargestellten Funktion des Einleitungs- bzw. Verhandlungsbeschlusses entspricht der angefochtene Bescheid den dargelegten Anforderungen. Es ist insbesondere klar ersichtlich, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzungen ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden ist. Der Grund für die Einleitung ist sowohl in sachverhaltsmäßiger als auch in rechtlicher Hinsicht dargelegt. Die Beschuldigung im oben wiedergegebenen Spruch genügt auch den an die Formulierung von Anschuldigungspunkten zu stellenden Anforderungen. Es werden die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen mit den Merkmalen, die für die Individualisierung und Konkretisierung erforderlich und für den Verdacht des Verstoßes gegen eine Dienstpflicht von Bedeutung sind, ebenso angegeben, wie die in § 44 Abs. 1 BDG 1979 normierte Dienstpflicht, deren Verletzung dem Beschwerdeführer zur Last gelegt wird.

Was letztlich den Einwand des Beschwerdeführers betrifft, die belangte Behörde hätte sich bereits im angefochtenen Bescheid mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob die erteilte Weisung strafgesetzwidrig war, ist ihm zu erwidern, daß dies Aufgabe der mündlichen Disziplinarverhandlung sein wird. In dieser wird das dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Verhalten nach weiterer Beweisaufnahme einer abschließenden rechtlichen Beurteilung, die auch die vom Beschwerdeführer behauptete Strafgesetzwidrigkeit der Weisung zu behandeln haben wird, zu unterziehen sein.

Auf dem Boden der oben dargelegten Rechtslage reichen im Beschwerdefall die in der Disziplinaranzeige und im angefochtenen Bescheid enthaltenen Tatsachen sowie die darin gegen den Beschwerdeführer erhobenen Beschuldigungen für die berechtigte Annahme der belangten Behörde aus, gegen den Beschwerdeführer liege ein für die Einleitung des Disziplinarverfahrens ausreichender Tatverdacht vor.

Solcherart mußte aus den dargelegten Gründen die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

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