VwGH 90/09/0060

VwGH90/09/006031.5.1990

N gegen Disziplinaroberkommission der Stadt Wien vom 19. Feber 1990, MD-1096-53/89, betreffend Suspendierung

Normen

AVG §37;
AVG §39;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
BDG 1979 §112 Abs1;
BDG 1979 §112 Abs4;
BDG 1979 §112 Abs5;
DO Wr 1966 §76 Abs1 idF 1988/013;
DO Wr 1966 §76 Abs1;
DO Wr 1966 §76 Abs2;
DO Wr 1966 §76 Abs3 idF 1988/013;
DO Wr 1966 §76 Abs3;
DO Wr 1966 §79 Abs2 idF 1988/013;
DO Wr 1966 §79 Abs2;
VwGG §48 Abs1;
VwGG §49 Abs1;
AVG §37;
AVG §39;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
BDG 1979 §112 Abs1;
BDG 1979 §112 Abs4;
BDG 1979 §112 Abs5;
DO Wr 1966 §76 Abs1 idF 1988/013;
DO Wr 1966 §76 Abs1;
DO Wr 1966 §76 Abs2;
DO Wr 1966 §76 Abs3 idF 1988/013;
DO Wr 1966 §76 Abs3;
DO Wr 1966 §79 Abs2 idF 1988/013;
DO Wr 1966 §79 Abs2;
VwGG §48 Abs1;
VwGG §49 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Bezüglich des Sachverhaltes und des bisherigen Verfahrensablaufes wird, um Wiederholungen zu vermeiden, auf das die beiden Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens betreffende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Jänner 1990, Zl. 89/09/0107, verwiesen, mit welchem der Bescheid der belangten Behörde vom 6. Juli 1989 betreffend die im Instanzenzuge bestätigte Suspendierung des Beschwerdeführers wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben worden war. Der Gerichtshof hatte hierbei für bestimmend erachtet, daß dem angefochtenen Bescheid jede eigenständige, über den bloßen Hinweis auf die Disziplinaranzeige der Magistratsabteilung 2 - Personalamt vom 12. Mai 1989 hinausgehende Begründung fehle und er sich auch mit dem umfangreichen und substantiierten Vorbringen des Beschwerdeführers im Administrativverfahren nicht auseinandergesetzt habe.

Das anschließende sachgleiche Disziplinarverfahren, in welchem auf Grund von zwei ergänzenden Disziplinaranzeigen der Magistratsabteilung 2 - Personalamt vom 6. Juli 1989 und vom 17. August 1989 dem Beschwerdeführer noch vier weitere Dienstpflichtverletzungen zur Last gelegt worden waren, hatte die Disziplinarkommission der Stadt Wien unter Berufung auf den materiellen Einstellungstatbestand des § 79 Abs. 1 Z. 4 der Dienstordnung 1966, LGBl. für Wien Nr. 37/1967, idF der 14. Novelle, LGBl. für Wien Nr. 13/1988 (DO 1966), gemäß § 79 Abs. 2 erster Satz leg. cit. mit Aktenvermerk vom 13. Oktober 1989 eingestellt.

In dem daraufhin fortgesetzten Verfahren gab die Disziplinaroberkommission der Stadt Wien als Disziplinarbehörde zweiter Instanz mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Ersatzbescheid vom 19. Feber 1990 der Berufung des Beschwerdeführers abermals keine Folge und bestätigte die im erstinstanzlichen Bescheid vom 22. Mai 1989 ausgesprochene Suspendierung des Beschwerdeführers vom Dienst.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte eine Gegenschrift vor, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.

Der Gerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht darauf, daß eine Suspendierung nach § 76 Abs. 1 DO 1966 nicht ohne die in dieser Norm genannten Voraussetzungen verfügt bzw. bestätigt werde, durch unrichtige Anwendung dieser Bestimmung, sowie der Vorschriften über die Bescheidbegründung verletzt.

Der Beschwerde kommt aus folgenden, vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachten Gründen, Berechtigung zu:

Gemäß § 42 Abs. 3 VwGG tritt durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Bescheides befunden hatte. Der § 63 Abs. 1 VwGG legt der belangten Behörde, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 oder 131a B-VG stattgegeben hat, die Pflicht auf, in dem betreffenden Streitfalle mit den ihr zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Die im Grunde der bezogenen Gesetzesstelle bestehende Bindung der Verwaltungsbehörde wie auch des Gerichtshofes setzt voraus, daß seit Erlassung des mit dem vorausgegangenen Erkenntnis aufgehobenen Bescheides die Sach- und Rechtslage keine Änderung erfuhr. Im Zusammenhang sei unter anderem auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. März 1965, Slg. Nr. 6638/A, hingewiesen. Eine Änderung in der für die rechtliche Beurteilung des Beschwerdefalles maßgebenden Rechtslage ist seit dem Erfließen des obzitierten Vorerkenntnisses vom 18. Jänner 1990 nicht eingetreten. Wohl aber hat sich seit Erlassung des damit aufgehobenen Berufungsbescheides der belangten Behörde vom 6. Juli 1989 eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes, nämlich die gemäß § 79 Abs. 2 erster Satz DO 1966 mit Aktenvermerk vom 13. Oktober 1989 seitens der Disziplinarkommission verfügte Einstellung des Disziplinarverfahrens (vgl. das gegenüber beiden Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erflossene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. April 1990, Zl. 90/09/0011), ergeben.

Gemäß § 76 Abs. 3 DO 1966 endet die Suspendierung spätestens mit dem rechtskräftigen Abschluß des Disziplinarverfahrens. Fallen die Umstände, durch die die Suspendierung des Beamten veranlaßt wurde, vorher weg, so ist die Suspendierung von der Behörde, bei der das Disziplinarverfahren anhängig ist, unverzüglich aufzuheben.

Diese Bestimmung regelt somit ausdrücklich den Fall, zu welchem äußersten Zeitpunkt (wann spätestens) die verfügte Suspendierung endet. Welchen Inhalt die abschließende Entscheidung hat, ist für die kraft Gesetzes - also ohne weiteren Rechtsakt - eintretende Beendigung der Suspendierung rechtlich unerheblich. Es kommt also nicht darauf an, ob über den Beamten eine Disziplinarstrafe verhängt oder ob er freigesprochen wird oder ob - wie im Beschwerdefall - das Disziplinarverfahren - gleichviel aus welchen Gründen - eingestellt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag im Beschwerdefall eine Verpflichtung zu einer gesonderten Aufhebung der Suspendierung nicht zu erkennen, weil diese ohnehin ex lege mit der in der einzig und allein hiefür vom Gesetzgeber normierten prozessualen Form, nämlich der Verfügung der Einstellung mittels Aktenvermerkes gemäß § 79 Abs. 2 DO 1966, von der Disziplinarkommission beendet worden war (vgl. im Zusammenhang das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Oktober 1986, Zl. 86/09/0049, Slg. Nr. 12274/A).

Die Suspension eines Beamten gehört, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem obgenannten Vorerkenntnis vom 18. Jänner 1990 dargelegt hat, in die Reihe jener vorläufigen Maßnahmen (z.B. Beschlagnahme), die in zahlreichen Verfahrensgesetzen vorgesehen sind, um einen Zustand vorübergehend zu ordnen, der endgültig erst auf Grund des in der Regel einen längeren Zeitraum beanspruchenden förmlichen Verfahrens geregelt wird, um dadurch Nachteile und Gefahren ("Gefahrenrelevanz") - insbesondere für das gemeine Wohl (hier:

"... würden durch die Belassung des Beamten im Dienst wegen der Art der ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzung das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet, ...") - abzuwehren oder zu verhindern.

Die Suspendierung, die keinen Strafcharakter hat, hindert den davon betroffenen Beamten vorübergehend an der Ausübung seines Dienstes, auf die er kraft des bestehenden Beamtenverhältnisses einen Anspruch hat. Diese auferlegte Abstinenz stellt für einen arbeitswilligen Menschen abgesehen von einer finanziellen - gemäß § 76 Abs. 2 DO 1966 verkürzt sich während der Dauer der Suspendierung der Monatsbezug des Beamten kraft Gesetzes, d.h. ohne daß es eines individuellen Verwaltungsaktes bedarf (Akzessorietät der Einbehaltung), auf die Hälfte - auch eine psychische Belastung dar. Selbst wenn sich die Suspension im nachhinein als nicht gerechtfertigt erwiese, verbleibt zumeist ein irreparabler Achtungsschaden ("semper aliquid haeret"). Deshalb haben nach § 76 Abs. 3 zweiter Satz DO 1966 die Disziplinarbehörden von Amts wegen regelmäßig zu prüfen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen und die Notwendigkeit einer von ihnen verfügten Suspendierung eines Beamten noch gegeben und gerechtfertigt sind. Bei veränderter Sachlage (nachträglicher Wegfall der für die Suspendierung maßgebenden Umstände) ist nach der zwingenden Anordnung der zuletzt zitierten Gesetzesbestimmung die Suspendierung "unverzüglich" aufzuheben. Im Bescheid ist hierbei der Zeitpunkt anzugeben, zu dem die verfügte Aufhebung wirksam werden soll. Eine rückwirkende Aufhebung der Suspendierung ist in diesem Falle begrifflich nicht möglich.

Die Suspendierung endet spätestens jedoch mit dem rechtskräftigen Abschluß des Disziplinarverfahrens kraft Gesetzes, wobei der Ausgang des Disziplinarverfahrens unerheblich ist (Einstellung, Absehen von der Strafe, Disziplinarerkenntnis mit Schuld- oder Freispruch). Dies ist folgerichtig, weil die Suspension - wie oben dargelegt - eine vorläufige Maßnahme darstellt, welche die Stellung des Beamten für die Dauer des Disziplinarverfahrens regelt. Der rechtskräftige Abschluß des Disziplinarverfahrens ist der äußerste Zeitpunkt der Beendigung der Suspendierung. Er hat - wie im Beschwerdefall - nur dann Bedeutung, wenn sie nicht bereits vorher (während des Disziplinarverfahrens) durch die hiefür zuständige Disziplinarbehörde wegen Wegfalles der für die Suspendierung maßgebenden Voraussetzungen (z.B. Aufhebung einer gerichtlichen Untersuchungshaft) mit Bescheid aufgehoben oder durch den Eintritt besonderer Umstände (z.B. wenn der beschuldigte Beamte aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis ausscheidet oder durch strafgerichtliches Urteil seinen Beamtenstatus verliert und das Disziplinarverfahren gemäß § 79 Abs. 3 DO 1966 als eingestellt gilt) gegenstandslos geworden ist.

Wenn die Bestimmung des § 76 Abs. 3 erster Satz DO 1966 von dem "rechtskräftigen" Abschluß des Disziplinarverfahrens spricht, so ist diese Tatbestandsvoraussetzung auch bei einer die Hauptsache beendenden Einstellungsverfügung des Disziplinarverfahrens mittels Aktenvermerkes nach § 79 Abs. 2 leg. cit. gegeben, weil mit diesem Verwaltungsakt, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem obzitierten Erkenntnis vom 25. April 1990 gegenüber beiden Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens dargelegt hat, die Rechtsanhängigkeit des Disziplinarverfahrens in einer von den Parteien des Disziplinarverfahrens (§ 73 DO 1966) nicht mehr anfechtbaren Weise beendet wird.

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 im Zusammenhalt mit den noch außerdem heranzuziehenden §§ 37, 39 und 56 AVG 1950 über die von Amts wegen vorzunehmende Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes haben die Berufungsbehörden die seit Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides eingetretenen Änderungen des Sachverhalts zu berücksichtigen und auf neue, erst nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides eingetretene Umstände Bedacht zu nehmen (VfSlg 2477/1953; VwSlg 2794 A/1952, 3911 A/1955, 6693 A/1965, 7939 A/1970, 8265 A/1972 und 8344 A/1973).

Da der angefochtene Ersatzbescheid - wie oben dargelegt - auf die zwischenzeitig erfolgte EINSTELLUNG des gegen den Beschwerdeführer geführten Disziplinarverfahrens überhaupt nicht Bedacht genommen hat, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Ohne Bedeutung war hiefür, daß im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die inzwischen durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. April 1990, Zl. 90/09/0011, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehobene Berufungsentscheidung der belangten Behörde vom 30. November 1989, dem Rechtsbestand angehört hatte, weil für das nunmehrige Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes der Rechtszustand so zu betrachten ist, als ob der letztgenannte Bescheid von Anfang an nicht erlassen worden wäre (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. November 1987, Zl. 87/09/0069).

Zur Klarstellung verweist der Verwaltungsgerichtshof darauf, daß mit der Einstellung des Disziplinarverfahrens mit dem Aktenvermerk vom 13. Oktober 1989 die Suspendierung ex lege ihr Ende gefunden hat und damit eine Sachentscheidung über die Berufung gegen die Suspendierung rechtens nicht mehr in Betracht kommt.

Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung wurde aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen.

Die Entscheidung über den Anspruch auf Ersatz des Aufwandes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206. Das Mehrbegehren des Beschwerdeführers war abzuweisen, weil für die beiden Ausfertigungen der Beschwerde und die Kopie des angefochtenen Bescheides nur insgesamt 420 S an Stempelgebühren zu entrichten waren. Ein gesonderter Zuspruch für Umsatzsteuer ist neben dem für Schritsatzaufwand allein vorgesehenen PAUSCHbetrag im Gesetz nicht vorgesehen.

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