VwGH 89/10/0110

VwGH89/10/011013.11.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Waldner und Dr. Sittenthaler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Mag. Kirchner, über die Beschwerde der T Aktiengesellschaft in T, vertreten durch Dr. Franz Müller-Strobl in Klagenfurt, Bahnhofstraße 4/II, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 6. Februar 1989, Zl. 18.341/01-I C 8/89 , betreffend Feststellung gemäß § 51 Abs. 1 des Forstgesetzes 1975, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
ForstG 1975 §51 Abs1;
ForstG 1975 §51 Abs2;
ForstG 1975 §51 Abs3;
VwGG §63 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1989100110.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 10.440,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen

Begründung

I.

1. Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 28. März 1988, Zl. 87/10/0155, verwiesen, mit dem der damals angefochten gewesene Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft (der belangten Behörde) vom 20. August 1987 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben worden ist, und zwar mit der Begründung, daß die von der belangten Behörde im vorgenannten, im Instanzenzug ergangenen Feststellungsbescheid gemäß § 51 Abs. 1 Forstgesetz 1975, BGBl. Nr. 440, verwertete ergänzende Äußerung des forsttechnischen Sachverständigen nicht als eine den Kriterien eines Sachverständigengutachtens hinsichtlich Vollständigkeit und Schlüssigkeit entsprechende Aussage qualifiziert werden könne, und daß darüber hinaus der beschwerdeführenden Partei zu dieser ergänzenden Stellungnahme nicht das rechtliche Gehör gewährt worden sei.

2. Im fortgesetzten Verfahren wies die belangte Behörde - nach Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens - mit Bescheid vom 6. Februar 1989 die gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 19. März 1987 erhobene Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit den §§ 51 Abs. 1 und 170 Abs. 7 des Forstgesetzes 1975 (neuerlich) ab.

3. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid der belangten Behörde in ihrem Recht darauf, "daß nur bei Vorliegen aller gesetzlichen Voraussetzungen ein ihre Rechtssphäre verändernder Bescheid ergehen darf, insbesondere in ihrem Recht auf richtige Auslegung der Bestimmungen der §§ 50, 51 ff Forstgesetz", verletzt. Sie macht Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend und begehrt deshalb die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

4. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Wird in einem Waldgebiet ein Überschreiten eines entsprechenden Immissionsgrenzwertes festgestellt und ergibt sich daraus eine Gefährdung der Waldkultur, so hat gemäß § 51 Abs. 1 Forstgesetz 1975 die Behörde den Inhaber der die Gefährdung der Waldkultur verursachenden Anlage festzustellen.

Voraussetzung für eine auf diese Norm gestützte bescheidmäßige Feststellung ist demnach die Feststellung einer Grenzwertüberschreitung und eine daraus resultierende Gefährdung der Waldkultur. Letztere liegt - wie sich aus § 47 leg. cit. ergibt - nur und erst dann vor, wenn forstschädliche Verunreinigungen (d.s. Überschreitungen des in der Zweiten Verordnung gegen forstschädliche Verunreinigungen, BGBl. Nr. 199/1984, festgelegten Immissionsgrenzwertes) meßbare Schäden an Waldboden oder Bewuchs verursachen.

2. Soweit die Beschwerde neuerlich die generelle Unzulässigkeit der Erlassung eines Feststellungsbescheides nach § 51 Abs. 1 des Forstgesetzes 1975 behauptet, so ist auf ihr Vorbringen im Hinblick auf die sich aus § 63 Abs. 1 VwGG ergebende Bindungswirkung aufhebender Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes für die belangte Behörde wie für diesen Gerichtshof selbst nicht einzugehen. Wenngleich die vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Vorerkenntnis Zl. 87/10/0155 ausdrücklich bejahte Zulässigkeit eines Feststellungsbescheides gemäß der vorzitierten Gesetzesstelle nicht den Grund für die Aufhebung des im ersten Rechtsgang erlassenen Bescheides der belangten Behörde bildete, so ist die besagte Bindung im vorliegenden Fall dennoch gegeben, da sich diese auf alle in dem aufhebenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Zl. 87/10/0155 zum Ausdruck gekommenen Rechtsansichten erstreckt, und zwar unbeschadet des Umstandes, daß nur eine von diesen zur Aufhebung des damals angefochtenen Bescheides führte (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Wien 1987, Seite 733 angeführten Entscheidungen). Es ist daher auch für das fortgesetzte Verfahren davon auszugehen - eine Änderung der maßgeblichen Rechtslage ist seit Erlassung des mit dem Vorerkenntnis aufgehobenen Bescheides nicht eingetreten -, daß § 51 Abs. 1 Forstgesetz 1975 der Erlassung eines Feststellungsbescheides an sich eine gesetzliche Deckung bietet. Ob die konkrete, hier bekämpfte bescheidmäßige Feststellung rechtens ergangen ist, bleibt zu prüfen.

3. Der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auffassung, daß die belangte Behörde bei Erlassung ihres Ersatzbescheides auf die zu diesem Zeitpunkt bestehende Sach- und Rechtslage abzustellen hatte, ist beizupflichten. Sie entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Behörde gemäß § 63 Abs. 1 VwGG bei Erlassung des Ersatzbescheides durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes - nur - im Rahmen des seinerzeit angenommenen Sachverhaltes gebunden ist, folglich neue, d.h. von dem dem aufgehobenen Bescheid als maßgeblich zugrunde gelegten Sachverhalt nicht mitumfaßt gewesene Tatsachen bei Erlassung des Ersatzbescheides zu würdigen sind.

Der Ansicht der belangten Behörde, es sei bei Feststellungsbescheiden ganz allgemein (somit auch in bezug auf den der Beschwerde zugrunde liegenden) nicht die im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bestehende Sach- und Rechtslage maßgeblich, kann jedenfalls für den vorliegenden Fall nicht geteilt werden. Vielmehr macht das Verhältnis, in dem § 51 Abs. 1 des Forstgesetzes 1975 einerseits und die Abs. 2 und 3 dieses Paragraphen anderseits zueinanderstehen - Leistungsbescheide nach diesen Normen haben einen Feststellungsbescheid nach jener Norm zur unabdüngbaren Voraussetzung (vgl. das Vorerkenntnis) - deutlich, daß einem solchen Feststellungsbescheid der jeweils aktuelle, im Zeitpunkt seiner Erlassung bestehende Sachverhalt zugrunde zu legen ist, kann doch sinnvollerweise nur dieser und nicht ein in der Vergangenheit liegender (und damit u.U. überholter) die Basis für die genannten Leistungsbescheide bilden.

4.1. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auf das von der Beschwerdeführerin im Zuge des fortgesetzten Verfahrens geltend gemachte neue Sachverhaltselement der Errichtung einer Abgasreinigungsanlage für die Elektrolyse I und II mit einer dadurch bewirkten 96 %igen Reduktion der chlorhaltigen Abgasinhaltsstoffe (gewerberechtlicher Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 4. August 1986) Bedacht genommen (siehe den dritten Absatz auf Seite 11 des bekämpften Bescheides). Daß die belangte Behörde insoweit dem Beweisantrag der Beschwerdeführerin auf Einholung des diesbezüglichen Gewerberechts-Aktes der Bezirkshauptmannschaft zwecks Überprüfung der Behauptung einer Reduktion des Schadstoffgehaltes um 96 % durch die bezeichnete Anlage nicht entsprochen hat, stellt jedenfalls keinen wesentlichen Verfahrensmangel dar, da der angefochtene Bescheid an der vorgenannten Stelle auf eben dieses neue Sachverhaltsvorbringen der Beschwerdeführerin Bezug nimmt und dieses damit erkennbar in den von der belangten Behörde als maßgeblich angesehenen Sachverhalt einbezogen wird.

4.2. Der Verwaltungsgerichtshof hält die Bedachtnahme auf das vorbezeichnete neue Tatsachenvorbringen der Beschwerdeführerin als für die Annahme des maßgeblichen Sachverhaltes relevantes Vorbringen für zutreffend, ist es doch keineswegs auszuschließen, daß die Installierung einer Abgasreinigungsanlage und die dadurch bewirkte beträchtliche Minderung des Ausstoßes an chlorhaltigen Abgasinhaltsstoffen für das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen der gemäß § 51 Abs. 1 Forstgesetz 1975 wesentlichen Kriterien bedeutsam sein kann.

Nun hat zwar die belangte Behörde auf der Grundlage einer weitgehenden Reduktion der chlorhaltigen Abgasinhaltsstoffe unter Bezugnahme auf Messungen aus jüngster Zeit ausgeführt, daß - wenngleich an weniger Probepunkten als früher - auch noch im Jahr 1988 Grenzwertüberschreitungen festgestellt worden seien, somit das erste Tatbestandselement des § 51 Abs. 1 Forstgesetz 1975 als verwirklicht angesehen. Allerdings hat es die belangte Behörde verabsäumt darzutun, daß und weshalb sie auf dem Boden dieser Tatsachenfeststellung im Zeitpunkt der Erlassung des Ersatzbescheides auch die Erfüllung des zweiten nach der zitierten Gesetzesstelle wesentlichen Tatbestandsmomentes (d.h. eine aus diesen Grenzwertüberschreitungen resultierende Gefährdung der Waldkultur) annehmen durfte. Eine Begründung dafür wurde keinesfalls mit dem Hinweis auf die forsttechnischen Amtssachverständigengutachten vom 3. November 1986 und vom 23. Februar 1987 entbehrlich, enthalten doch diese hinsichtlich meßbarer Schäden am Bewuchs Aussagen lediglich für die Jahre 1985 und 1986 (aufgrund von Grenzwertüberschreitungen in den Jahren 1984 und 1985). Vielmehr hätte die - nach Ausweis der Akten - gegenüber dem Jahr 1985 erheblich verminderte Anzahl an Probepunkten mit Überschreitungen des Grenzwertes im Jahr 1988 (7 gegenüber 24) sachverständig abgesicherte Ausführungen dahingehend erforderlich gemacht, aus welchen Gründen ungeachtet dieser beachtlichen Reduzierung der Anzahl - wie im übrigen auch (wie sich den Aktenunterlagen entnehmen läßt) des jeweiligen Ausmaßes - der festgestellten Grenzwertüberschreitungen im Zeitpunkt der Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides nach Meinung der belangten Behörde eine Gefährdung der Waldkultur anzunehmen sei.

Weil die belangte Behörde unter Zugrundelegung der ihr vorliegenden Gutachten des forsttechnischen Amtssachverständigen die entscheidende Rechtsfrage, ob eine Gefährdung der Waldkultur, also aus den festgestellten Immissionsgrenzwertüberschreitungen sich ergebende meßbare Schäden an Waldboden oder Bewuchs, zu bejahen sei, für den maßgebenden Zeitpunkt der Erlassung des Ersatzbescheides (noch) nicht in rechtlich einwandfreier Weise zu lösen in der Lage war - den Gutachten sind zur genannten Frage, wie erwähnt, verwertbare fachliche Aussagen lediglich für die Jahre 1985 und 1986, nicht aber für das von der belangten Behörde im gegebenen Zusammenhang als maßgeblich erachtete Jahr 1988 zu entnehmen -, war sie auch außerstande, rechtens einen auf § 51 Abs. 1 Forstgesetz 1975 gestützten Bescheid zu erlassen, mit dem sie die Beschwerdeführerin als Inhaberin einer die Gefährdung der Waldkultur verursachenden Anlage feststellte.

5. Da die im Sinne des Vorgesagten gegebene Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes und der daraus resultierende Begründungsmangel darauf zurückzuführen sind, daß die belangte Behörde insoweit die Rechtslage - Maßgeblichkeit des Zeitpunktes der Erlassung des Ersatzbescheides auch für die Beurteilung des allfälligen Vorliegens einer Gefährdung der Waldkultur - verkannt hat, war der in Beschwerde gezogene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989, insbesondere dessen Art. III Abs. 2. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß zum einen die gesonderte Vergütung von Umsatzsteuer neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwandersatz im Gesetz nicht vorgesehen ist, und zum anderen Eingabengebühr lediglich für zwei Beschwerdeausfertigungen (S 240,--) zu entrichten war.

Wien, am 13. November 1989

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