VwGH 88/14/0183

VwGH88/14/018317.10.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Hnatek, Dr. Pokorny und Dr. Karger als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Egger, über die Beschwerde der Ziegelwerke R Gesellschaft m.b.H. als Rechtsnachfolgerin der S G.m.b.H. in O, vertreten durch Dr. Norbert Nagele, Rechtsanwalt in Linz, Promenade 9, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich, Berufungssenat I, vom 6. Juli 1988, Zl. 12/25/1-BK/R-1988, betreffend Körperschaft- und Gewerbesteuer für 1986, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §19;
BAO §278;
EStG 1972 §18 Abs1 Z4;
StruktVG 1969 §1 Abs4;
StruktVG 1969 §1 Abs5;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1988140183.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.590,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende GmbH - im folgenden "übernehmende Gesellschaft" genannt - ist Rechtsnachfolger einer mit ihr zum 31. Dezember 1986 gemäß § 1 Abs. 1 lit. a des Strukturverbesserungsgesetzes (StruVG) verschmolzenen anderen GmbH

- im folgenden als "übertragende Gesellschaft" bezeichnet.

Die übertragende Gesellschaft erzielte im Kalenderjahr 1986 ein positives Betriebsergebnis in Höhe von S 1,315.546,-- und die übernehmende Gesellschaft im selben Kalenderjahr ein positives Betriebsergebnis von S 7,002.992,--. Der übernehmenden Gesellschaft standen für das Kalenderjahr 1986 aber noch Verlustvorträge aus den Jahren 1979 bis 1983 in Höhe von insgesamt S 28,365.431,-- zu. In Beilagen zu den Abgabenerklärungen der übertragenden Gesellschaft kam zum Ausdruck, daß ihr positives Betriebsergebnis aus dem Jahre 1986 bei der übernehmenden Gesellschaft zu veranlagen (und daher mit deren Verlustvorträgen zu verrechnen) sei. Das Finanzamt trug diesem Standpunkt jedoch nicht Rechnung und erließ an die übertragende Gesellschaft für 1986 einen Körperschaft- und Gewerbesteuerbescheid, dem es deren Betriebsergebnis zugrunde legte.

Die übertragende Gesellschaft erhob Berufung und brachte im Rechtsmittelverfahren im wesentlichen vor, daß sie gemäß § 1 Abs. 4 StruVG mit Stichtag 31. Dezember 1986 als aufgelöst und ihr Einkommen und Vermögen mit diesem Stichtag als auf die übernehmende Gesellschaft übergegangen gelte. § 1 Abs. 4 StruVG bedeute nach Mirtl, Verlustausgleich bei Umgründungen, ÖStZ 1985 Seite 39 ff, daß der Untergang der übertragenden Gesellschaft und die Vermögensübertragung gleichzeitig und nicht gedanklich hintereinander erfolgen. Zum übertragenen Vermögen sei auch das letzte Betriebsergebnis zu rechnen, da hierin alle Betriebsvorfälle bis zum Ablauf des Bilanzstichtages erfaßt seien. Um ein Betriebsergebnis zurechnen zu können, müsse es begrifflich realisiert worden sein. Zum Zeitpunkt der Realisierung des Betriebsergebnisses (= Ablauf des Bilanzstichtages) bestehe auf Grund gesetzlicher Fiktion die übertragende Gesellschaft nicht mehr. Es könne ihr damit auch das letzte Betriebsergebnis nicht mehr zugerechnet werden. Es habe daher vielmehr die Zurechnung (Einkommens- und Vermögensermittlung) so zu erfolgen, als wäre zum Zeitpunkt der Realisierung des Betriebsergebnisses nur mehr die übernehmende Gesellschaft existent gewesen. Der übertragenden Gesellschaft könne daher zum Verschmelzungsstichtag weder ein Einkommen noch ein Vermögen zugerechnet werden. Die Zurechnung habe vielmehr bereits bei der übernehmenden Gesellschaft zu erfolgen. Der laufende Gewinn und Verlust der übertragenden Gesellschaft gelte daher als Gewinn und Verlust der übernehmenden Gesellschaft. In diese Richtung wiesen auch die Ausführungen von Lechner und Kovasznay, ÖStZ 1987 Seite 172 f.

Weiters berief sich die übertragende Gesellschaft auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Dezember 1987, Zl. 87/13/0080.

Die belangte Behörde gab der Berufung mit dem angefochtenen, an die beschwerdeführende Partei gerichteten Bescheid, soweit dieser den vor dem Verwaltungsgerichtshof allein interessierenden Beschwerdepunkt betrifft, keine Folge. Ungeachtet der Fragestellung, in welchem Jahr (Verschmelzungsjahr oder danach) der Eintritt der übernehmenden Gesellschaft in die Rechtsstellung der übertragenden Gesellschaft erfolgt sei, wäre jedenfalls nur die übernehmende Gesellschaft in der Lage, Verlustvorträge bzw. Betriebsergebnisse der Vorgängergesellschaft in Anspruch zu nehmen, da diese Gesellschaft gemäß § 1 Abs. 5 StruVG Gesamtrechtsnachfolger der übertragenden Gesellschaft werde und nicht umgekehrt. Offensichtlich könne sich nur bei der übernehmenden Gesellschaft die Frage des Zeitpunktes und des Ausmaßes der Übernahme von Verlustvorträgen bzw. Betriebsergebnissen stellen, zumal nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Zl. 87/13/0080 im Verschmelzungsjahr für die übertragende Gesellschaft eine normale Einkommensermittlung vorzunehmen sei. Ob, wie die berufungswerbende Gesellschaft meine, nicht nur Verlustvorträge, sondern das gesamte im Verschmelzungsjahr angefallene Einkommen der übertragenden Gesellschaft der aufnehmenden Gesellschaft zugerechnet werden könne, müsse im Zuge der Veranlagung der übernehmenden Gesellschaft beurteilt werden.

Vorliegende Beschwerde, die den von der übertragenden Gesellschaft im Rechtsmittelverfahren vertretenen Standpunkt aufrechterhält, macht inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Die Beschwerdeführerin gab zur Gegenschrift eine Stellungnahme ab.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerdeführerin bringt in ihrer Beschwerde unter anderem vor, daß das Finanzamt "ungeachtet der abgabenrechtlichen und zivilrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge" für die übertragende Gesellschaft Körperschaft- und Gewerbesteuerbescheide für 1986 erließ.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Denn aktenkundig ist, daß die gegenständliche Verschmelzung am 29. Dezember 1987 in das Handelsregister eingetragen wurde (AZ 3). Damit erlosch die übertragende Gesellschaft (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. November 1986, Zl. 86/17/0131). Dennoch erließ das Finanzamt den Körperschaft- und Gewerbesteuerbescheid für 1986 im Jänner 1988 (Bescheid vom 19. Jänner 1988, AZ 6) an die übertragende Gesellschaft. Die Erledigungen des Finanzamtes, welche an ein nicht (mehr) existierendes Rechtssubjekt gerichtet waren, gingen daher ins Leere. Sie entfalteten somit keine Rechtswirkungen. Folglich richtete sich die von der übertragenden (bereits untergegangenen) Gesellschaft gegen diese Erledigungen gerichtete Berufung nicht gegen einen Bescheid. Die belangte Behörde war deshalb nicht befugt, in eine meritorische Erledigung des Rechtsmittels einzutreten, sondern hätte die Berufung als unzulässig zurückweisen müssen. Dessen ungeachtet traf die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Körperschaft- und Gewerbesteuer Sachentscheidungen. Solcherart wurden von der belangten Behörde, ohne daß ein Bescheid erster Instanz vorlag, gegenüber der Beschwerdeführerin die genannten Abgaben festgesetzt, wodurch diese in vom Beschwerdepunkt umfaßten Rechten verletzt sein kann. Die mögliche Rechtsverletzung ist auch eingetreten, und zwar deshalb, weil die belangte Behörde zu einer meritorischen Erledigung nicht befugt war und daher eine Sachentscheidung nicht erfolgen durfte. Der angefochtene Bescheid mußte deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben werden (siehe nochmals das Erkenntnis Zl. 86/17/0131).

Abschließend sei zu diesem Punkt bemerkt, daß die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid den Bescheidadressaten richtig anführt (übernehmende Gesellschaft als Rechtsnachfolgerin der übertragenden Gesellschaft); mit diesem Bescheidadressaten hätte aber schon das Finanzamt den Körperschaft- und Gewerbesteuerbescheid für 1986 erlassen müssen.

2. Aus Gründen der Prozeßökonomie sei zur Sachfrage, ob die übernehmende Gesellschaft den Gewinn, welchen die übertragende Gesellschaft in dem mit der Verschmelzung endenden Wirtschaftsjahr erzielte, mit eigenen Verlustabzügen im Sinne des § 18 Abs. 1 Z. 4 EStG 1972 bzw. eigenen Fehlbeträgen im Sinne des § 6 Abs. 3 GewStG 1953 - in beiden Fällen soll der Einfachheit halber nur noch von "Verlustvorträgen" die Rede sein - verrechnen kann, folgendes ausgeführt:

Aus § 1 Abs. 4 erster Satz StruVG geht hervor, daß einer Verschmelzung wie der hier in Rede stehenden eine Bilanz der übertragenden Gesellschaft zugrunde zu legen ist. Nach § 1 Abs. 4 zweiter Satz leg. cit. sind das Einkommen und das Vermögen der übertragenden und der übernehmenden Gesellschaft so zu ermitteln, als ob der Vermögensübergang und die Auflösung der übertragenden Gesellschaft bereits mit Ablauf des Tages erfolgt wären, zu dem diese Bilanz aufgestellt ist. Das gleiche gilt nach dem folgenden Satz für die Ermittlung der Bemessungsgrundlagen bei der Gewerbesteuer. Gemäß § 1 Abs. 5 StruVG ist die übernehmende Gesellschaft Gesamtrechtsnachfolger der übertragenden Gesellschaft mit dem gesondert normierten Recht, unter bestimmten Voraussetzungen jene Verlustvorträge geltend zu machen, die bei der übertragenden Gesellschaft vor der Verschmelzung entstanden sind.

Zu diesen Gesetzesstellen sprach nun der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 2. Dezember 1987, Zl. 87/13/0080, aus, daß die übernehmende Gesellschaft Verlustvorträge der übertragenden Gesellschaft schon für das Wirtschaftsjahr (Veranlagungsjahr) der Verschmelzung geltend machen könne. Der Gerichtshof brachte aber auch unmißverständlich zum Ausdruck, daß zunächst hinsichtlich der übertragenden Gesellschaft für das Wirtschaftsjahr, in welches die Verschmelzung fällt, "eine normale Einkommensermittlung" durchzuführen ist, in deren Rahmen auch ein allfälliger Abzug vorhandener Verluste vorgenommen werden muß. Den nach dieser Veranlagung verbleibenden Verlustvortrag, welcher bei der übertragenden Gesellschaft vor der Verschmelzung entstanden ist, kann gemäß § 1 Abs. 5 StruVG die übernehmende Gesellschaft (im "Verschmelzungsjahr") in Anspruch nehmen.

Zu Recht leitet Quantschnigg, RdW 1988/3a, Seite 107, aus diesem Erkenntnis ab, daß der Verwaltungsgerichtshof die im Schrifttum vertretene Meinung nicht teilt, wonach das bei der übertragenden Gesellschaft im Verschmelzungsjahr angefallene Einkommen bereits der übernehmenden Gesellschaft zuzurechnen sei. Auch Mirtl, Zeitpunkt des Verlustabzuges bei Verschmelzungen, ÖStZ 1988 Seite 173, interpretiert den Verwaltungsgerichtshof richtig, wenn er ausführt, abweichend von einer geäußerten Ansicht komme es (nach dem Erkenntnis) zu zwei Veranlagungen im Verschmelzungsjahr, nämlich der übertragenden und der übernehmenden Gesellschaft.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht keinen Anlaß, von seiner Rechtsauffassung abzurücken, im "Verschmelzungsjahr" sei nicht nur die übernehmende, sondern (mit dem von ihr bis zur Verschmelzung erzielten Ergebnis) auch die übertragende Gesellschaft zu den Ertragssteuern zu veranlagen, und dies umsoweniger, als die im Erkenntnis Zl. 87/13/0080 vertretene Auffassung auch im hg. Erkenntnis vom 25. Mai 1988, Zl. 86/13/0069, Niederschlag fand. Anders als die Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme zur Gegenschrift offenbar meint, ist aus dem Erkenntnis Zl. 86/13/0069 auf Grund des Umstandes, daß es über einen "Gewerbefehlbetrag" befand, keine andere Rechtsauffassung abzuleiten als aus dem Erkenntnis Zl. 87/13/0080, zumal es im Falle des Erkenntnisses Zl. 86/13/0069 um einen Fehlbetrag gemäß § 6 Abs. 3 GewStG 1953 ging, wie er nach § 1 Abs. 5 StruVG dem Verlustabzug gemäß § 18 Abs. 1 Z. 4 EStG 1972 gleichsteht und wie er schon Gegenstand des Erkenntnisses Zl. 87/13/0080 war. Eine Aussage im Sinne der Stellungnahme zur Gegenschrift, das Einkommen der übertragenden Gesellschaft bis zum Ablauf des Verschmelzungsstichtages sei bereits im Jahr der Verschmelzung bei der übernehmenden Gesellschaft zu berücksichtigen, enthält das Erkenntnis Zl. 86/13/0069 nicht.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich somit nicht der insbesondere auf Lechner und Kovasznay, aaO, gestützten Ansicht der Beschwerdeführerin anzuschließen, daß über das Einkommen beider Gesellschaft zusammenfassend bescheidmäßig abzusprechen sei, daß eine eigenständige Veranlagung der untergehenden (übertragenden) Gesellschaft nicht stattfinde und das Einkommen der übertragenden Gesellschaft im Verschmelzungsjahr bereits als durch die übernehmende Gesellschaft erzielt gelte. Beruht doch diese Ansicht auf einem Verständnis des zweiten Satzes des § 1 Abs. 4 StruVG, das der Verwaltungsgerichtshof aus folgenden Gründen nicht teilen kann:

Der zweite Satz des § 1 Abs. 4 StruVG in der für das Streitjahr geltenden Fassung (Bundesgesetz BGBl. Nr. 563/80) besagt, wie erwähnt, daß das Einkommen und das Vermögen der übertragenden und der übernehmenden Gesellschaft so zu ermitteln sind, als ob der Vermögensübergang und die Auflösung der übertragenden Gesellschaft bereits mit Ablauf des Tages erfolgt wären, zu dem die der Verschmelzung zugrunde zu legende Bilanz der übertragenden Gesellschaft aufgestellt ist. Diese Vorschrift stimmt, soweit es jedenfalls die Streitfrage betrifft, inhaltlich mit der ursprünglichen Fassung des zweiten Satzes des § 1 Abs. 4 StruVG überein. Über den Sinn der Regelung geben die Erläuternden Bemerkungen zum Strukturverbesserungsgesetz, 1029 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates, XI. GP, Auskunft. Dort heißt es:

Aus dem Umstand, daß die der Verschmelzung zugrundeliegende Bilanz die Schlußbilanz der übertragenden Gesellschaft darstellt, folgt, daß die von der übertragenden Gesellschaft nach dem Stichtag der Schlußbilanz durchgeführten Geschäfte bereits als solche der übernehmenden Gesellschaft gelten. Dies ist für die Ermittlung des Einkommens, Ertrages und Vermögens der übertragenden und der übernehmenden Gesellschaft von Bedeutung.

Helbich, Umgründungen3, führt auf Seite 237 zum § 1 Abs. 4 zweiter Satz StruVG aus, im engen sachlichen Zusammenhang mit der Bestimmung, daß die Schlußbilanz der übertragenden Gesellschaft zugleich die der Verschmelzung zugrundeliegende Bilanz ist, stehe die Folgerung des Gesetzes, daß die von der übertragenden Gesellschaft nach dem Stichtag der Schlußbilanz durchgeführten Geschäfte und Veränderungen im Betriebsvermögen steuerlich als solche der übernehmenden Gesellschaft gelten. Durch diese Fiktion würden die steuerlichen Wirkungen der Verschmelzung auf ihren Stichtag rückbezogen, ein Umstand, der für die Ermittlung des Einkommens, Ertrages (Gewerbesteuer) und Vermögens der übertragenden und der übernehmenden Gesellschaft von Bedeutung sei.

Der normative Gehalt des § 1 Abs. 4 zweiter Satz StruVG ist demnach aus der Sicht der Ertragsbesteuerung in einer rückwirkenden zeitlichen Abgrenzung der Betriebsvorfälle zu erblicken:

"Geschäfte" und Veränderungen im Betriebsvermögen, welche bei der übertragenden Gesellschaft vor Ablauf des Verschmelzungs- (Bilanz)stichtages stattfanden, bleiben Betriebsvorfälle der übertragenden Gesellschaft. Erst mit Ablauf des Verschmelzungsstichtages - in einer gedanklich letzten Sekunde - ist der Vermögensübergang auf die übernehmende Gesellschaft und die (abgabenrechtliche) Auflösung der übertragenden Gesellschaft zu unterstellen. Bis zum Ablauf des Verschmelzungsstichtages (bis zur gedanklich letzten Sekunde) ist jedoch, wie das Gesetz zeigt, das Einkommen der übertragenden Gesellschaft so zu ermitteln, als ob der Vermögensübergang und die Auflösung der übertragenden Gesellschaft noch nicht erfolgt wären. Das bis dahin von ihr erzielte Einkommen ist (bleibt) daher Einkommen der auch abgabenrechtlich (als Steuersubjekt) bis zu diesem Zeitpunkt bestehenden übertragenden Gesellschaft und ist als solches für diese Gesellschaft steuerlich (durch Abgabenfestsetzung oder Einkunftsfeststellung) zu erfassen. Der Verwaltungsgerichtshof pflichtet daher Gassner, Nochmals: Verrechnung des Verlustvortrages nach § 1 Abs. 5 StruVG im Jahr der Verschmelzung, RdW Nr. 9/1985, Seite 291 f, bei, daß sowohl die übertragende als auch die übernehmende Gesellschaft jeweils trotz abgabenrechtlicher Gesamtrechtsnachfolge (§ 1 Abs. 5 StruVG) einen eigenen Veranlagungszeitraum haben und auch getrennt für ihre Veranlagungszeiträume veranlagt werden. Erfolgt z.B. eine Verschmelzung per 30. September eines Kalenderjahres, so erfolgt nach Gassner eine Veranlagung der übertragenden Gesellschaft für den Zeitraum 1. Jänner bis 30. September, während die aufnehmende Gesellschaft für das gesamte Kalenderjahr veranlagt werde.

Für den Beschwerdefall ergibt sich aus dem Gesagten, daß die übertragende Gesellschaft selbst mit dem bis zum Ablauf des Verschmelzungsstichtages (Bilanzstichtages) erzielten Gewinn (Gewerbeertrag) zur Körperschaftsteuer (Gewerbesteuer) zu veranlagen ist. Da er steuerlich noch bei der übertragenden Gesellschaft zu erfassen ist, kann der Gewinn (Gewerbeertrag) dieser Gesellschaft nicht auch noch bei der Abgabenfestsetzung der übernehmenden Gesellschaft steuerlich berücksichtigt und daher dort auch nicht mit Verlustvorträgen der übernehmenden Gesellschaft verrechnet werden, zumal in dieser Hinsicht keine Sonderregelung besteht, wie sie für Verlustvorträge, die bei der übertragenden Gesellschaft vor der Verschmelzung entstanden sind, durch § 1 Abs. 5 StruVG gegeben ist. Erst das um den versteuerten Gewinn der übertragenden Gesellschaft vermehrte Betriebsvermögen ist Gegenstand der Verschmelzung.

Die Veranlagung des Betriebsergebnisses der übertragenden Gesellschaft bei der aufnehmenden Gesellschaft beginnend mit dem Wirtschaftsjahr, in dem die Verschmelzung abgabenrechtlich wirkt, wie sie in der Beschwerde vertreten wird, hätte zur Folge, daß der übertragenden Gesellschaft kein Einkommen zugerechnet wird, obwohl abgabenrechtlich der Vermögensübergang und die Auflösung der übertragenden Gesellschaft erst mit Ablauf des Verschmelzungsstichtages (Wirtschaftsjahres) fingiert wird.

Das Strukturverbesserungsgesetz führt bei dem Verständnis, wie es ihm nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes zukommt, zu keinem sinn- oder gleichheitswidrigen Ergebnis. Es wird vielmehr den für die Besteuerung von Körperschaften geltenden Grundsätzen durchaus gerecht und überschreitet auch nicht den rechtspolitischen Spielraum des Gesetzgebers. Dabei ist in Rechnung zu stellen, daß die gesonderte Veranlagung von übertragender und übernehmender Gesellschaft - also zweier verschiedener Körperschaften im Sinne des § 1 KStG 1966 - für die Abgabepflichtigen nicht nur von Nachteil sein muß, sondern z. B. aus der Sicht des § 22 Abs. 1 KStG auch von Vorteil sein kann. Von einer gesetz- und verfassungswidrigen "Doppelbesteuerung" kann bei gesonderter Erfassung verschiedener Steuersubjekte keine Rede sein, auch dann nicht, wenn übernehmende und übertragende Gesellschaft im Verschmelzungsjahr Gewinne erzielten und keiner der Gesellschaften ein Verlustabzug zustünde. Es wäre sachlich eher bedenklich, wenn bei einem abgabenrechtlich als existent angesehenen Steuersubjekt das von ihm erzielte Einkommen nicht bei ihm, sondern bei einem anderen Steuersubjekt erfaßt würde.

3. Obwohl der Verwaltungsgerichtshof somit in der Frage der Verrechnung des Gewinnes der übertragenden Gesellschaft mit Verlustvorträgen der übernehmenden Gesellschaft nicht den Standpunkt der Beschwerdeführerin teilt, war der angefochtene Bescheid dennoch aus dem in Punkt 1 aufgezeigten Grund wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206, insbesondere auf Art. III Abs. 2 dieser Verordnung.

Wien, am 17. Oktober 1989

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