VwGH 87/13/0080

VwGH87/13/00802.12.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Iro, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rat Dr. Papierer, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat II) vom 30. Jänner 1987, GZ 6/2-2006/4/85, betreffend Körperschaft- und Gewerbesteuer 1979 der mitbeteiligten Partei Ing. WK GesmbH in W, zu Recht erkannt:

Normen

StruktVG 1969 §1 Abs4;
StruktVG 1969 §1 Abs5;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1987:1987130080.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Der Bund hat der Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Gemäß Punkt 1 des Verschmelzungsvertrages vom 28. Februar 1980 wurde die M GesmbH im Sinne des Art. I, § 1 Abs. 1 lit. a des Strukturverbesserungsgesetzes in Verbindung mit § 96 des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung durch die Übertragung ihres Vermögens im Wege der Gesamtrechtsnachfolge als Ganzes, mit allen Rechten und Pflichten, unter Verzicht auf die Liquidation, mit der mitbeteiligten GesmbH verschmolzen. Nach Punkt 2 des oben genannten Vertrages wurden der Verschmelzung die Rechnungsabschlüsse der beiden Gesellschaften zum 31. Dezember 1979 und die sich daraus ergebende Verschmelzungsbilanz zum 31. Dezember 1979 zugrunde gelegt. Dementsprechend wurde als Stichtag für die Verschmelzung der beiden Gesellschaften der 31. Dezember 1979 vereinbart. Mit diesem Tag war die M GesmbH aufgelöst und ihr Vermögen als Ganzes im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Mitbeteiligte übergegangen.

Bei der Veranlagung der Mitbeteiligten zur Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer 1979 hat das Finanzamt, abweichend von den vorgelegten Steuererklärungen, die geltend gemachten, von der M GesmbH stammenden Verlustvorträge bzw. Fehlbeträge mit der Begründung nicht berücksichtigt, daß § 1 Abs. 5 Strukturverbesserungsgesetz zwar einen Übergang des Verlustvortragsrechtes auf den Gesamtrechtsnachfolger einräume, dieses Recht vom Rechtsnachfolger jedoch erst dann in Anspruch genommen werden könne, wenn es dem Rechtsvorgänger nicht mehr zustehe. Im Streitfall würde daher der Verlustvortrag der mitbeteiligten GesmbH erst ab der Veranlagungsperiode 1980 zustehen.

Innerhalb offener Frist wurde gegen die entsprechenden erstinstanzlichen Bescheide Berufung erhoben und beantragt, die Körperschaftsteuer 1979 sowie den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag 1979 mit S Null festzusetzen. Begründend wurde ausgeführt, im Punkt 2 des Verschmelzungsvertrages sei als Verschmelzungsstichtag der 31. Dezember 1979 vereinbart worden. Zu diesem Stichtag seien die Bilanzen der Mitbeteiligten und der M GesmbH sowie die Verschmelzungsbilanz der Mitbeteiligten aufgestellt worden.

Im engen sachlichen Zusammenhang mit der Bestimmung, daß die Schlußbilanz der übertragenden Gesellschaft (= M GesmbH) zugleich die der Verschmelzung zugrundeliegende Bilanz sei, stehe die Folgerung des Gesetzes, daß die von der übertragenden Gesellschaft durchgeführten Geschäfte und Veränderungen im Betriebsvermögen steuerlich als solche der übernehmenden Gesellschaft (= mitbeteiligte Partei) gelten würden. Durch diese Fiktion würden die steuerlichen Wirkungen der Verschmelzung auf ihren Stichtag rückbezogen, ein Umstand, der für die Ermittlung des Einkommens, des Ertrages und des Vermögens der übertragenden Gesellschaft und der übernehmenden Gesellschaft von Bedeutung sei.

Die Umgründung sei somit regelmäßig am Schluß des der Umgründung zugrundeliegenden Bilanzstichtages und nicht erst am nachfolgenden Tag wirksam.

Da im Streitfall die Vertragsparteien den 31. Dezember gewählt hätten, sei dieser Stichtag zugleich der der Gesamtrechtsnachfolge. Mit ihm erwerbe die aufnehmende Gesellschaft (= mitbeteiligte Partei) das Recht der Übernahme der "Verlustvorträge sowohl gemäß § 18 Abs. 1 Z. 4 EStG als auch nach § 6 Abs. 3 GewStG".

Nachdem das Finanzamt dieses Rechtsmittel mit Berufungsvorentscheidung abgewiesen hatte, wurde fristgerecht der Antrag auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt. In dem betreffenden Schriftsatz legte die mitbeteiligte GesmbH ihren Rechtsstandpunkt nochmals und eindeutig dar.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der Berufung Folge gegeben und begründend nach Zitierung des § 1 Abs. 4 und 5 Strukturverbesserungsgesetz im wesentlichen ausgeführt:

Strittig sei ausschließlich die Frage, zu welchem Zeitpunkt die übergegangenen Verlustabzüge bei der Einkommensermittlung der übernehmenden Gesellschaft zu berücksichtigen seien.

Die belangte Behörde könne nun der vom Finanzamt vertretenen Auffassung, wonach - "abweichend von der ursprünglichen Verwaltungspraxis, nach der die aufnehmende Gesellschaft die Verluste der übertragenden Gesellschaft bereits im Jahre der Verschmelzung (Verschmelzungsstichtag) geltend machen konnte" - zwar in § 1 Abs. 5 Strukturverbesserungsgesetz der Übergang des Verlustvortragsrechtes auf den Gesamtrechtsnachfolger eingeräumt werde, dieses Recht vom Rechtsnachfolger aber erst dann in Anspruch genommen werden könne, wenn es dem Rechtsvorgänger nicht mehr zustehe, nicht folgen. Denn nach § 1 Abs. 5 leg. cit. könne die aufnehmende Gesellschaft Verluste gemäß § 18 Abs. 1 Z. 4 EStG und Fehlbeträge gemäß § 6 Abs. 3 Gewerbesteuergesetz, die bei der übertragenden Gesellschaft vor der Verschmelzung entstanden seien, in Anspruch nehmen. Stichtag für die Verlustübernahme "ist also der Stichtag der Verschmelzung". Die vor der Verschmelzung entstandenen Verluste könne die übernehmende Gesellschaft somit geltend machen. Nach dem Gesetzeswortlaut könne sie dies sofort und nicht erst im Veranlagungsjahr nach der Verschmelzung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland.

Die Mitbeteiligte und die belangte Behörde beantragen in den von ihnen erstellten Gegenschriften die Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 4 Strukturverbesserungsgesetz muß die einer Verschmelzung im Sinne der Absätze 1 und 2 zugrunde zu legende Bilanz der übertragenden Gesellschaft auf einen Zeitpunkt aufgestellt sein, der höchstens neun Monate vor der Anmeldung der Verschmelzung oder Einbringung zur Eintragung im Handelsregister liegt. Das Einkommen und das Vermögen der übertragenden und übernehmenden Gesellschaft sind so zu ermitteln, als ob der Vermögensübergang und die Auflösung der übertragenden Gesellschaft bereits mit Ablauf des Tages erfolgt wären, zu dem diese Bilanz aufgestellt ist. Das gleiche gilt für die Ermittlung der Bemessungsgrundlagen bei der Gewerbesteuer.

Nach § 1 Abs. 5 leg. cit. tritt bei Verschmelzungen und Einbringungen im Sinne der Absätze 1 und 2 die übernehmende Gesellschaft als Gesamtrechtsnachfolger in die Rechtsstellung der übertragenden Gesellschaft ein. Der Abzug von Verlusten gemäß § 18 Abs. 1 Z. 4 EStG 1972 und von Fehlbeträgen gemäß § 6 Abs. 3 Gewerbesteuergesetz, die bei der übertragenden Gesellschaft vor der Verschmelzung oder Einbringung entstanden sind, kann von der übernehmenden Gesellschaft - unter bestimmten, im Gesetz normierten Voraussetzungen grundsätzlich - in Anspruch genommen werden.

Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß die M GesmbH (als übertragende Gesellschaft) mit der Mitbeteiligten (als übernehmende Gesellschaft) im Sinne des Art. I des Strukturverbesserungsgesetzes verschmolzen wurde und daß Stichtag der Verschmelzung der 31. Dezember 1979 ist. In Streit steht hingegen die Frage, ob bei Ermittlung des Einkommens der mitbeteiligten GesmbH für 1979 die von der M GesmbH stammenden Verlustvorträge bzw. Fehlbeträge zu berücksichtigen sind oder nicht.

Der beschwerdeführende Präsident verneint diese Frage und vertritt die Auffassung, daß "der Tatbestand des Verlustabzuges ... für die Sphäre der übertragenden Gesellschaft für das bis zum Verschmelzungsstichtag laufende Wirtschaftsjahr noch von dieser konsumiert" werde und die Mitbeteiligte als übernehmende Gesellschaft als Gesamtrechtsnachfolger an diese "Konsumierung" gebunden sei. Sie könne daher für den betreffenden Zeitraum (1979) den "Tatbestand des Verlustabzuges" nicht nochmals setzen. Der in Rede stehende Verlustabzug könne daher erst bei der Einkommensermittlung der Beschwerdeführerin für das dem Jahr der Verschmelzung folgende Kalenderjahr (1980) berücksichtigt werden.

Dieser Auffassung vermag sich der Gerichtshof, der sich der von der belangten Behörde in diesem Zusammenhang vertretenen, der Literatur folgenden (vgl. Doralt, Recht der Wirtschaft 1985/7, Seite 224, und Gassner, Recht der Wirtschaft 1985/9, Seite 291) Ansicht anschließt, nicht beizutreten. Ist doch im Sinne des § 1 Abs. 4 Strukturverbesserungsgesetz davon auszugehen, daß das Einkommen der übertragenden und der übernehmenden Gesellschaft jeweils so zu ermitteln ist, als ob der Vermögensübergang und die Auflösung der übertragenden Gesellschaft bereits mit Ablauf des Tages erfolgt wären, zu dem diese Bilanz aufgestellt ist. Dies bedeutet nun in der Praxis aber nichts anderes, als daß - was auch in der Beschwerde selbst ausgeführt wird - zunächst hinsichtlich der übertragenden Gesellschaft (im Beschwerdefall die M GesmbH) für das Wirtschaftsjahr, in welches die Verschmelzung fällt, "eine normale Einkommensermittlung" durchzuführen war, in deren Rahmen auch ein allfälliger Abzug vorhandener Verluste vorgenommen werden mußte. Den nach dieser Veranlagung verbleibenden Verlust bzw. Fehlbetrag, welcher bei der übertragenden Gesellschaft vor der Verschmelzung entstanden war, konnte nun gemäß § 1 Abs. 5 Strukturverbesserungsgesetz die Mitbeteiligte als aufnehmende Gesellschaft in Anspruch nehmen. Stichtag für diese Verlustübernahme war, wie die belangte Behörde richtig erkannte, der Stichtag der Verschmelzung, also der 31. Dezember 1979. Für die Annahme des beschwerdeführenden Präsidenten, daß der in Rede stehende Verlust von der übernehmenden Gesellschaft nicht sofort, d. h. bei Errechnung ihres Einkommens für 1979, welches ja unter der Voraussetzung zu ermitteln war, daß der Vermögensübergang und die Auflösung der übertragenden Gesellschaft bereits zum genannten Stichtag erfolgte, sondern erst im Veranlagungsjahr nach der Verschmelzung (1980) geltend gemacht werden könnte, findet sich - worauf die belangte Behörde zu Recht verweist - in dem im Beschwerdefall maßgebenden Wortlaut des § 1 Abs. 5 Strukturverbesserungsgesetz keine Deckung. Es wäre aber auch nicht verständlich, warum die Mitbeteiligte als Gesamtrechtsnachfolger der übertragenden Gesellschaft nicht in dem Veranlagungszeitraum, auf den die Strukturverbesserungsmaßnahmen gemäß § 1 Abs. 4 Strukturverbesserungsgesetz zurückwirkt, das auf sie übergegangene Recht auf Verlustabzug in Anspruch nehmen darf. Der Umstand, auf welchen der Beschwerdeführer sinngemäß hinweist, daß nämlich der Veranlagungszeitraum der übertragenden ebenso wie der der übernehmenden Gesellschaft im selben Kalenderjahr, nämlich 1979, endeten, ist irrelevant (vgl. Gassner a.a.O.).

Der beschwerdeführende Präsident vermag aber für seinen Standpunkt auch nichts zu gewinnen, wenn er ausführt, daß nach dem das Verlustvortragsrecht "grundsätzlich regelnden § 18 Abs. 1 Z. 4 EStG 1972 ... die übertragende Gesellschaft ohne Verschmelzung ihre Verluste aus den Vorjahren nach erfolgter Veranlagung 1979 erst in der Veranlagungsperiode 1980" hätte geltend machen können, denn er übersieht bei dieser Argumentation, daß die in Rede stehende Inanspruchnahme von Verlustvorträgen eben nicht durch die bereits als aufgelöst zu behandelnde übertragende Gesellschaft, sondern vielmehr durch die als Gesamtrechtsnachfolger in deren Rechtsstellung eingetretene mitbeteiligte Partei im Rahmen der Sonderbestimmung des Strukturverbesserungsgesetzes erfolgt.

Da sich nach dem Dargelegten der angefochtene Bescheid nicht mit der behaupteten Rechtswidrigkeit belastet erweist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 243/1985. Wien, am 2. Dezember 1987

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