Normen
EStG 1972 §7 Abs1;
EStR 1979 Abschn50 Abs10;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1988140162.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Jahre 1972 errichtete der Beschwerdeführer MR sen. einen als Supermarkt ausgestalteten Zubau zu einem bestehenden Altbau (Warenhaus). 1980 brachte MR sen. seine Einzelfirma in die R GmbH ein. Die Betriebsgrundstücke (einschließlich des Zubaues) übergab MR sen. im Jahre 1980 teilweise seinen Kindern. MR sen. und seine Kinder (insgesamt die Beschwerdeführer) vermieteten sodann die Betriebsgrundstücke (einschließlich des Zubaues) der R GmbH.
Die Absetzung für Abnutzung (AfA) vom Zubau war bis zum Streitjahr 1983 mit 5 v.H. der AfA-Bemessungsgrundlage angesetzt und von den Abgabenbehörden anerkannt worden. Bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für 1983, welche die Beschwerdeführer aus der Liegenschaftsvermietung an die R GmbH erzielt hatten, ließ das Finanzamt die AfA jedoch nur noch mit 2 v.H. der AfA-Bemessungsgrundlage zum Abzug zu, wogegen die Beschwerdeführer Berufung erhoben; sie hielten die Änderung des bisher anerkannten AfA-Satzes bei unveränderten Verhältnissen für nicht gerechtfertigt.
Dieser Berufung war mit dem angefochtenen Bescheid teilweise, nicht aber hinsichtlich des Zubaues, Erfolg beschieden. Hinsichtlich des Zubaues führt die belangte Behörde im wesentlichen aus, daß die Abgabenbehörde nicht an einen einmal vom Steuerpflichtigen gewählten AfA-Satz gebunden sei, sondern davon abweichen könne, wenn er nicht der Nutzungsdauer des Wirtschaftsgutes entspreche. Nur in bestimmten (Abschnitt 50 Abs. 10 der Einkommensteuerrichtlinien 1984 entsprechenden) Ausnahmsfällen, zu denen der Beschwerdefall nicht zähle, erscheine ein Abweichen unzulässig. Unbeachtlich sei auch, daß das Gebäude früher zum Betriebsvermögen des MR sen. gehört und das Finanzamt entsprechend den Einkommensteuerrichtlinien für den damaligen Zeitraum einen AfA-Satz von 5 v.H. berücksichtigt habe. Ab dem Zeitpunkt, ab dem das Gebäude von den Beschwerdeführern an die R GmbH vermietet werde, rechne es nicht mehr zum Betriebsvermögen, weshalb sich die Beschwerdeführer schon aus diesem Grund nicht auf die bei Betriebsgebäuden zu unterstellende Nutzungsdauer nach Maßgabe der Einkommensteuerrichtlinien mit Erfolg berufen könnten, abgesehen davon, daß diese Richtlinien keinen normativen Inhalt hätten. Die Tatsachen (Bauweise) sprächen für eine mindestens 50- jährige technische Nutzungsdauer des Zubaues und Umstände, die eine kürzere wirtschaftliche Nutzungsdauer indizierten, lägen nicht vor.
Vorliegende Beschwerde macht inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend. Der Bescheid werde insoweit angefochten, als bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 188 BAO die Nutzungsdauer des vermieteten Gebäudes nicht mit 20, sondern mit 50 Jahren angenommen worden sei. Da die Nutzungsdauer nur bezüglich des Zubaues mit 50 Jahren angenommen, hingegen beim Altbau dem Standpunkt der Beschwerdeführer (20-jährige Nutzungsdauer) mit dem angefochtenen Bescheid Rechnung getragen wurde, ist nur die AfA vom Zubau Gegenstand der Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In Streit stehen im Beschwerdefall, wie ausgeführt, die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Zubaues (20 oder 50 Jahre) und damit die Höhe des AfA-Satzes (5 oder 2 v.H.).
Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer eines Wirtschaftsgutes (und damit die Höhe des AfA-Satzes) können regelmäßig nur geschätzt werden (Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Mai 1965, Zl. 2338/64, vom 10. Oktober 1978, Zlen. 483, 631/78, und vom 12. Mai 1981, Zl. 14/3204/80). Eine solche Schätzung obliegt grundsätzlich dem Steuerpflichtigen, der in aller Regel über einen besseren Einblick als die Abgabenbehörde verfügt, wielange sich das von ihm angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgut nach den Verhältnissen seines Betriebes dort nutzen lassen wird (siehe auch nochmals die Erkenntnisse Zlen. 443, 631/78, und Zl. 14/3204/80). Die Abgabenbehörde ist allerdings befugt, die Schätzung durch den Steuerpflichtigen zu überprüfen und von ihr abzuweichen, wenn sie sich als unzutreffend erweist (siehe insbesondere § 115 Abs. 1, § 161 BAO und abermals das Erkenntnis Zl. 14/3204/80). Diese Befugnis kommt der Abgabenbehörde bei jeder einzelnen Abgabenfestsetzung (Einkunftsfeststellung) zu. Sie kann daher bei der Abgabenfestsetzung (Einkunftsfeststellung) für ein Kalenderjahr die AfA-Berechnung des Steuerpflichtigen für ein Wirtschaftsgut auch dann überprüfen und von ihr abweichen, wenn sie die vom Steuerpflichtigen geschätzte betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer in den Vorjahren unbeanstandet ließ (siehe auch den Beschluß des Bundesfinanzhofes vom 15. Juli 1975, Zl. VIII R 193/71, BStBl II Seite 858). Der Steuerpflichtige kann aus dem Umstand, daß die Abgabenbehörde in früheren Jahren seine AfA-Berechnung tolerierte, keinen Rechtsanspruch auf die Berechnung für spätere Veranlagungszeiträume ableiten (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. April 1966, Zl. 95/66, und die dort angeführte Vorjudikatur).
Eine andere Betrachtung mag allenfalls aus der Sicht des - von den Beschwerdeführern nicht ins Treffen geführten - Grundsatzes von Treu und Glauben dann gerechtfertigt sein, wenn die Abgabenbehörde selbst von der AfA-Berechnung des Steuerpflichtigen abwich und so den Ansatz der AfA nach einer von ihr selbst für das betreffende Wirtschaftsgut bestimmten betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer veranlaßte. Weder das Vorbringen der Beschwerdeführer noch die Aktenlage bieten jedoch einen Anhaltspunkt dafür, daß im Beschwerdefall ein solcher Sachverhalt vorliegen könnte. Vielmehr wurde die 5-%ige AfA für den Zubau seitens des (der) Abgabenpflichtigen angesetzt und durch die Abgabenbehörden zunächst (lediglich) toleriert. Nichts anderes ergibt sich aus dem aktenkundigen Bericht über die im Jahre 1982 bei MR sen. durchgeführte Betriebsprüfung, in dem eine Gebäude-AfA nicht einmal erwähnt wird.
Bei ihrer Auffassung, die Abgabenbehörden hätten die jahrelang hingenommene 5-%ige AfA für den Zubau unverändert belassen müssen, haben die Beschwerdeführer offenkundig Abschnitt 50 Abs. 10 der Einkommensteuerrichtlinien 1984 im Auge, zumal sich die einschlägigen Beschwerdegründe gegen die inhaltlich dieser Erlaßstelle entsprechenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid richten; Hofstätter-Reichel, Kommentar zur Einkommensteuer, § 7 EStG 1972, Tz 10, welche Kommentarstelle der angefochtene Bescheid zitiert, gibt in diesem Zusammenhang ausdrücklich nur Abschnitt 50 Abs. 10 der Einkommensteuerrichtlinien 1979 wieder, welcher mit Abschnitt 50 Abs. 10 der Einkommensteuerrichtlinien 1984 übereinstimmt. Aus der Erlaßregelung ist für die Beschwerdeführer aber nichts zu gewinnen, weil den Einkommensteuerrichtlinien kein normativer Gehalt zukommt (siehe die hg. Erkenntnisse vom 12. Mai 1981, Zl. 14/3204/80, vom 19. März 1985, Zl. 84/14/0145, vom 10. Dezember 1985, Zl. 85/14/0082, und die Einleitung der Einkommensteuerrichtlinien 1984). Abgesehen davon steht nicht fest, daß die Frage der AfA im Sinne der Erlaßregelungen im Einzelfall geprüft wurde.
Auch aus der Vorgangsweise der Abgabenbehörde für die Folgejahre können die Beschwerdeführer bei der Einkunftsfeststellung für das Streitjahr nichts gewinnen, und dies umsoweniger, als sie selbst angeben, daß für die Jahre 1984 bis 1986 nur vorläufige Bescheide ergingen.
Mangels normativem Gehalt tragen die Einkommensteuerrichtlinien auch nichts zur Lösung der Frage bei, welche betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer für den Zubau in Betracht kommt (siehe nochmals die Erkenntnisse Zl. 14/3204/80, Zl. 88/14/0145 und Zl. 85/14/0082). Für die dem Gesetz entsprechende Lösung ist in Rechnung zu stellen, daß die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von der technischen und der wirtschaftlichen Nutzbarkeit des Wirtschaftsgutes bestimmt wird. Daß sich der unbestrittenermaßen in Massivbauweise errichtete Zubau technisch mehr als 50 Jahre nutzen läßt, wie dies die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid im einzelnen darlegt, stellen die Beschwerdeführer nicht in Abrede. Sie behaupten jedoch eine gegenüber der technischen Nutzungsdauer kürzere wirtschaftliche Nutzungsdauer, weil bei einem Verbrauchermarkt (Supermarkt) ebenso wie bei dem von der belangten Behörde als Beispiel für eine gegenüber der technischen kürzere wirtschaftliche Nutzungsdauer erwähnten (erstklassigen) Hotelgebäude laufend auf geänderte Konkurrenzverhältnisse und geänderte Käuferwünsche reagiert werden müsse. Im Verwaltungsverfahren hatten die Beschwerdeführer zur kürzeren wirtschaftlichen Nutzungsdauer - abgesehen von einer Auseinandersetzung mit den Einkommensteuerrichtlinien - nicht mehr als die Behauptung vorgetragen, daß bei einem Verbrauchermarkt die wirtschaftliche Nutzungsmöglichkeit maximal 20 Jahre betrage.
Die belangte Behörde hielt dem im wesentlichen entgegen, Hotelgebäude u.dgl., bei denen eine gegenüber der technischen Nutzungsdauer kürzere wirtschaftliche Nutzungsdauer anerkannt werde, seien als wirtschaftlich abgenutzt anzusehen, wenn sie nach Bauart und Anlage den Ansprüchen des Reisepublikums nicht mehr entsprächen. Eine aus einem vergleichbaren Grund gerechtfertigte kürzere wirtschaftliche Nutzungsdauer als die technische Nutzungsdauer sei bei einem Gebäude, das wie das gegenständliche als Supermarkt Verwendung finde, nicht gegeben. Ein solcher Verbrauchermarkt veralte nicht durch Unmodernwerden, Überalterung u. dgl. derart schnell wie die genannten Gebäude. Bei Gebäuden, in denen ein Verbrauchermarkt untergebracht sei, müsse im Interesse des Wettbewerbs kein solcher Wert auf Repräsentation gelegt werden wie bei Hotelgebäuden oder Gebäuden des Gaststätten- und Beherbergungsgewerbes. Auch sei im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Nutzungsdauer von Supermärkten anders als z. B. bei Hotelgebäuden zu berücksichtigen, daß sie selbst bei Änderung der Zweckbestimmung durch verhältnismäßig geringe Umbauten für andere rentierliche Zwecke nutzbar gemacht werden könnten und die wirtschaftliche Nutzung lediglich durch eine von Zeit zu Zeit notwendig werdende Erneuerung der Einrichtung nicht in dem Sinn berührt werde, daß damit der Ansatz einer gegenüber der technischen Nutzungsdauer des Gebäudes kürzeren wirtschaftlichen Nutzungsdauer gerechtfertigt wäre.
Diese Ausführungen der belangten Behörde erscheinen dem Verwaltungsgerichtshof schlüssig. Die bloße Behauptung in der Beschwerde, in einem Supermarkt müsse laufend auf geänderte Konkurrenzverhältnisse und geänderte Käuferwünsche reagiert werden, entkräftet sie nicht. Es muß sicher vom Warenangebot, von der Geschäftseinrichtung und der Geschäftsausstattung her auf geänderte Konkurrenzverhältnisse und Käuferwünsche reagiert werden. Daß das Supermarktgebäude nach 20 Jahren wirtschaftlich nicht mehr nutzbar wäre, haben die Beschwerdeführer jedoch nicht dargetan; nach dem von ihnen im Berufungsverfahren vorgelegten Mietvertrag haben sie sogar gegenüber dem Mieter einen Kündigungsverzicht bis zum Jahre 2000 abgegeben, der über eine 20- jährige Nutzungsdauer des 1972 errichteten Zubaues hinausreicht. In diesem Zusammenhang darf auch nicht unbeachtet bleiben, daß bei der Einschätzung der Nutzungsdauer zukünftige Verhältnisse nur insoweit zu berücksichtigen sind, als sich diese in der Gegenwart bereits verläßlich voraussehen lassen (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. März 1985, Zl. 84/14/0145).
Die Erhaltungspflicht der Vermieter ist auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer eines Gebäudes grundsätzlich ohne Einfluß. Allfälliger Instandhaltungsaufwand ist sofort als Werbungskosten abziehbar, ohne die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer zu beeinflussen, und allfälliger Herstellungsaufwand ist verteilt auf die Restnutzungsdauer des Gebäudes abzusetzen, ebenfalls ohne im allgemeinen diese Restnutzungsdauer zu beeinflussen. Unterlassene Instandhaltungsarbeiten aber können die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer erst verkürzen, sobald eine solche Wechselwirkung feststeht.
Der angefochtene Bescheid läßt somit keine Rechtswidrigkeit erkennen. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
Wien, am 12. September 1989
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