Normen
StVO 1960 §52 lita Z1
StVO 1960 §97 Abs4
StVO 1960 §99 Abs4 liti
VStG §19
VStG §21
VStG §44a lita
VStG §44a litb
VStG §44a Z1 implizit
VStG §44a Z2 implizit
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1988030078.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird, soweit der Beschwerdeführer damit wegen der Übertretung des § 97 Abs. 4 StVO bestraft wurde, einschließlich des damit verbundenen Verfahrenskostenbeitrages wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Hinsichtlich der dem Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Bescheid zur Last gelegten Übertretung des § 52 lit. a Z. 1 StVO wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.060,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 26. Februar 1988 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, am 1. November 1987 gegen 15.20 Uhr seinen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw auf dem Postmühlweg und Friedhofweg im Gemeindegebiet von Krieglach in Richtung Friedhof gelenkt und 1) das im Bereiche der Kreuzung Grazerstraße-Postmühlweg am Beginn des Postmühlweges angebrachte Vorschriftszeichen „Fahrverbot (in beiden Richtungen)“ mißachtet und 2) die Anordnung eines Straßenaufsichtsorganes, die Fahrt auf dem Postmühlweg und Friedhofweg nicht fortzusetzen, nicht befolgt zu haben, obwohl dies ohne Gefährdung von Personen und ohne Beschädigung von Sachen möglich gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch Verwaltungsübertretungen nach zu 1) § 52a Z. 1 StVO und zu 2) § 97 Abs. 4 StVO begangen. Gemäß zu 1) § 99 Abs. 3 lit. a StVO und zu 2) § 99 Abs. 4 lit. i StVO wurden über den Beschwerdeführer Geldstrafen von je S 300,-- (Ersatzarreststrafen je 12 Stunden) verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1) Zur Übertretung des § 52 lit. a Z. 1 StVO:
Bezüglich dieser ihm zur Last gelegten Übertretung rügt der Beschwerdeführer, daß die belangte Behörde nicht geprüft habe, ob am Tattage „für den Friedhofsweg“ ein Fahrverbot verordnet und entsprechend kundgemacht worden sei. Es sei lediglich ein Scherengitter aufgestellt gewesen, eine Fahrverbotstafel habe er nicht gesehen. Ferner sei nicht erhoben worden, ob sich „auf dem Friedhofsweg“ - wie der Meldungsleger in der Anzeige behaupte - Fußgänger befunden hätten, die er bei seiner Fahrt hätte gefährden können. Der Meldungsleger habe von seinem Standort aus keine Möglichkeit gehabt, dies festzustellen. Auch sei nicht überprüft worden, ob in den Jahren vorher von diesem Fahrverbot Ausnahmen erteilt worden seien und bejahendenfalls aus welchem Grunde. Insgesamt sei das Verfahren mangelhaft geblieben, weil sich die belangte Behörde lediglich auf ein Beweismittel, nämlich den Meldungsleger, gestützt habe und vom Beschwerdeführer anläßlich der mündlich zu Protokoll gegebenen „Berufung und der Vorstellung“ erhobene wesentliche Detaileinwände als unwichtig abgetan und nicht protokolliert worden seien.
Zu diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer zunächst auf die Anzeige zu verweisen, in der festgehalten ist, daß von der Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag am 25. Oktober 1984 unter der GZ. 11/I‑K 196-83 gemäß § 43 StVO für den Friedhofweg von der Abzweigung L 135 bis Ende und für den Postmühlweg von der Abzweigung des Friedhofweges bis zum Haus Freßnitz Nr. 1 im Ortsgebiet Krieglach für den 1. November (Allerheiligen) jeden Jahres ein Fahrverbot erlassen wurde und dieses Fahrverbot am Tattage durch Aufstellung einer Fahrverbotstafel „gut sichtbar in der Mitte der Fahrbahn“ kundgemacht war. Da der Beschwerdeführer diese Feststellungen im gesamten Verwaltungsstrafverfahren unbestritten ließ, obwohl sie ihm bereits in der Strafverfügung vom 4. Dezember 1987 ausdrücklich vorgehalten worden waren, bestand für die belangte Behörde keine Veranlassung zu weiteren Ermittlungen in dieser Frage, weshalb die diesbezügliche Verfahrensrüge des Beschwerdeführers nicht berechtigt ist. Bei der Behauptung des Beschwerdeführers, es sei für ihn eine Fahrverbotstafel nicht sichtbar gewesen, handelt es sich im übrigen um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung.
Dem weiteren Einwand des Beschwerdeführers, es sei nicht erhoben worden, ob sich auf der Fahrbahn Fußgänger befunden haben, ist zu entgegnen, daß es für die Erfüllung des Tatbestandes eines allgemeinen Fahrverbotes nach § 52 lit. a Z. 1 StVO unbeachtlich ist, ob sich auf der Straße, für die das Fahrverbot besteht, Fußgänger befanden, die gefährdet hätten werden können, und ob an diesem Tage dort eine Prozession stattfand. Eine Gefährdung von Personen stellt - wie die belangte Behörde in der Gegenschrift zutreffend bemerkte - kein Tatbestandsmerkmal des § 52 lit. a Z. 1 StVO dar. Die darauf Bezug habenden Einwendungen des Beschwerdeführers gehen daher ins Leere. Desgleichen ist die Frage, ob und aus welchem Grunde in früheren Jahren Ausnahmen vom Fahrverbot - gemeint wohl durch die Straßenaufsichtsorgane - erteilt wurden, ohne Belang, weil der Beschwerdeführer daraus keinen Rechtsanspruch ableiten kann, daß ihm deswegen eine solche Ausnahme auch am Tattage erteilt hätte werden müssen.
Ob und welche Detaileinwände außer den Vorangeführten vom Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren noch erhoben wurden, die von der Behörde nicht protokolliert worden seien, bleibt in der Beschwerde offen, weshalb der Verwaltungsgerichtshof die Relevanz dieser Behauptung nicht zu erkennen vermag. Ausgehend davon aber ist der belangten Behörde weder eine Rechtswidrigkeit unterlaufen noch ein Verfahrensmangel anzulasten, wenn sie unter Zugrundelegung der Angaben des als Zeugen vernommenen Meldungslegers, dem sie gleich der Vorinstanz in Hinsicht darauf, daß dieser bei einer falschen Zeugenaussage mit strafgerichtlichen Folgen zu rechnen habe, mehr Glauben schenkte als der Verantwortung des Beschwerdeführers, die Tat als erwiesen annahm.
Der Beschwerdeführer bekämpft ferner den Strafausspruch. Auf Grund des Umstandes, daß er alle Jahre vorher von den Straßenaufsichtsorganen die Erlaubnis erhalten habe, mit seinem Fahrzeug trotz des verhängten Fahrverbotes zum Friedhofsparkplatz zu fahren und im Hinblick darauf, daß die Anordnung des Meldungslegers im vorliegenden Fall dermaßen mißverständlich gewesen sei, treffe ihn lediglich geringfügiges Verschulden. Sein Verhalten habe überhaupt keine vom Gesetz sanktionierten Folgen gezeitigt. Die Behörde hätte daher im Sinne des § 21 VStG von der Verhängung einer Strafe absehen müssen. Im Hinblick auf die gesetzlichen Voraussetzungen habe die belangte Behörde das ihr gemäß § 19 VStG zustehende Ermessen bei der Festsetzung der Strafe rechtswidrig ausgeübt.
Auch dieser Einwand ist nicht berechtigt. Zu einem Absehen von der Strafe war die belangte Behörde nicht verpflichtet, weil es im Beschwerdefall an der für ein Absehen von der Strafe im § 21 VStG verlangten Voraussetzung des geringfügigen Verschuldens mangelt. Dem Beschwerdeführer war die Zufahrt zum Friedhofsparkplatz schon auf Grund des Fahrverbotes untersagt. Außerdem wurde er ausdrücklich vom Meldungsleger auf dieses Fahrverbot hingewiesen. Dennoch wurde es vom Beschwerdeführer mißachtet. Es kann daher der Ansicht des Beschwerdeführers, deswegen, weil ihm in früheren Jahren die Zufahrt gestattet worden sei, sei sein Verschulden geringfügig, nicht gefolgt werden. Daß und aus welchen Gründen die Anordnung des Straßenaufsichtsorgans, nicht weiter zu fahren, welcher Anordnung es im übrigen gar nicht bedurft hätte, mißverständlich gewesen sei, wird in der Beschwerde nicht konkretisiert, ganz abgesehen davon, daß diese Behauptung erstmals in der Beschwerde aufgestellt wird. Auch damit vermag sohin der Beschwerdeführer keine Geringfügigkeit seines Verschuldens darzutun.
Schließlich entbehrt der Vorwurf, die belangte Behörde habe des weiteren das ihr gemäß § 19 VStG zustehende Ermessen bei der Strafbemessung mißbraucht, der Berechtigung. In Hinsicht auf den bis zu S 10.000,-- reichenden Strafrahmen ist die ohnehin im untersten Bereich gelegene Strafe von S 300,-- selbst bei dem von der belangten Behörde berücksichtigten Umstand, daß der Beschwerdeführer unbescholten ist, nicht als rechtswidrig zu erkennen.
In Ansehung der Übertretung des § 52 lit. a Z. 1 StVO war demnach die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
2) Zur Übertretung des § 97 Abs. 4 StVO:
Gemäß § 97 Abs. 4 StVO sind die Organe der Straßenaufsicht sowie die nach Abs. 3 dieses Paragraphen betrauten Organe, wenn es die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs erfordert, einzelnen Straßenbenützern für den Einzelfall Anordnungen für die Benützung der Straße zu erteilen, und zwar auch solche, die von den sonstigen diesbezüglichen Bestimmungen abweichen. Diese Anordnungen dürfen a) nur gegeben werden, wenn ihre Befolgung ohne Gefährdung von Personen und ohne Beschädigung von Sachen möglich ist, und b) nur befolgt werden, wenn dies ohne Gefährdung von Personen und ohne Beschädigung von Sachen möglich ist.
Die nach dieser Gesetzesstelle von einem Straßenaufsichtsorgan gegebene Anordnung ist eine individuelle Weisung, welche die Verpflichtung des Straßenbenützers mit sich zieht, ihr unter den in dieser Gesetzesstelle angeführten Voraussetzungen Folge zu leisten. Unter Zugrundelegung dieser Gesichtspunkte erweist sich die Beschwerde hinsichtlich der Übertretung des § 97 Abs. 4 StVO im Ergebnis als berechtigt.
Nach dem mit der Aktenlage übereinstimmenden Vorbringen des Beschwerdeführers fuhr der Beschwerdeführer mit seinem Pkw bis zur Stelle, an der die Fahrverbotstafel (und ein Scherengitter) aufgestellt war. Dort wurde er vom Meldungsleger angehalten, auf das allgemeine Fahrverbot hingewiesen und ihm die Weiterfahrt unter Androhung der Anzeige untersagt. Der Beschwerdeführer setzte dennoch die Fahrt fort.
Dem Beschwerdeführer war es im Hinblick auf das generell verordnete allgemeine Fahrverbot verwehrt, den Teil der Straße, für den das Fahrverbot verordnet wurde, zu befahren. Mit der Aufforderung des Meldungslegers, nicht weiter zu fahren, wurde der Beschwerdeführer sohin zu einem Unterlassen verhalten, zu dem er ohnehin auf Grund des allgemeinen Fahrverbotes verpflichtet war. Solcherart stellte sich die Anordnung des Meldungslegers ihrem Inhalte nach als ein bloßes Aufmerksammachen und Erinnern an das bestehende allgemeine Fahrverbot ohne eigene, einer Weisung immanenten verbindliche Wirkung dar. Die Verpflichtung des Beschwerdeführers, den in Rede stehenden Teil der Straße nicht zu befahren, bestand bereits auf Grund des allgemeinen Fahrverbotes und wurde nicht erst durch die Anordnung des Meldungslegers begründet, weshalb die Anordnung des Meldungslegers keinen selbständigen normativen Gehalt hatte. (Insofern unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von dem Sachverhalt, der dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Juli 1963, Zl. 149/62, zugrundelag. Dort war die Anordnung des Straßenaufsichtsorganes nicht - wie hier - darauf gerichtet, daß der Beschwerdeführer ein ihn verpflichtendes Verbot einhält und nicht verletzt, sondern hatte die Anordnung den normativen Gehalt, daß der damalige Beschwerdeführer ein von ihm bereits gesetztes rechtswidriges Verhalten (verbotswidriges Parken) beseitigt, weshalb der Beschwerdeführer damals nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes zu Recht sowohl wegen des verbotswidrigen Parkens als auch wegen der Nichtbefolgung der Anordnung des Straßenaufsichtsorganes bestraft wurde.) Da die belangte Behörde dies verkannte und den Beschwerdeführer auch wegen der Nichtbefolgung der nach dem Vorgesagten keine selbständige normative Wirkung habende Anordnung des Meldungslegers bestrafte, belastete sie in diesem Punkte den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, was hinsichtlich der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Übertretung des § 97 Abs. 4 StVO zu seiner Aufhebung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG führte. Bemerkt sei, daß die Nichtbefolgung einer von einem Straßenaufsichtsorgan gemäß § 97 Abs. 4 StVO gegebenen Anordnung entgegen der Ansicht der belangten Behörde keinen Verstoß gegen diese Gesetzesstelle darstellen würde, sondern daß die dadurch verletzte Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 44a lit. b VStG § 99 Abs. 4 lit. i StVO wäre (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Februar 1981, Slg. Nr. 10373/A, und vom 18. Februar 1983, Zl. 81/02/0105).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 50 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206, wobei der Schriftsatzaufwand nur in der beantragten Höhe zuzusprechen war.
Wien, am 24. Mai 1989
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