VwGH 87/03/0273

VwGH87/03/027321.6.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Weiss und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Dr. Schmidt, über die Beschwerde des GH in P, vertreten durch Dr. Herbert Neuhauser, Rechtsanwalt in Wien I, Schubertring 3, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 15. Oktober 1987, Zl. IIb2‑V‑5807/8‑1987, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art8
StVO 1960 §20 Abs1
StVO 1960 §43 Abs1
StVO 1960 §43 Abs1 litb Z1
StVO 1960 §52 lita Z10a
StVO 1960 §52 Z10a
VStG §32 Abs2
VStG §44a lita
VStG §44a Z1 implizit
VwGG §13 Abs1 Z1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1987030273.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer wegen der Übertretung nach § 52 Z. 10 a StVO 1960 bestraft, weil er am 5. Juli 1986 um 9.50 Uhr als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws auf der Inntalautobahn A-12, im Bereich des Autobahnendes in Ötztal in Richtung Imst fahrend, die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 52 km/h überschritten habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Der Beschwerdeführer macht darin geltend, daß die für den Tatortbereich erlassene Verordnung über die Geschwindigkeitsbeschränkung einen Kundmachungsmangel aufweise, weil ihr Inhalt nicht in Sätzen formuliert, sondern durch Verweisung auf Verkehrszeichen zum Ausdruck gebracht worden sei. Ferner sei die Anbringung der nach § 51 Abs. 1 letzter Satz StVO 1960 erforderlichen Zusatztafel nach § 54 Abs. 5 lit. b leg. cit. unterblieben. Schließlich entspreche die Tatortumschreibung im angefochtenen Bescheid nicht dem Erfordernis des § 44 a lit. a VStG 1950. Neben der Straßenbezeichnung wäre die „Kilometrierung“ oder Lichtmastbezeichnung oder eine ähnlich präzise Ortsbeschreibung anzuführen gewesen. Da eine solche genaue Tatortbeschreibung innerhalb der am 5. Jänner 1987 endenden Verfolgungsverjährungsfrist des § 31 Abs. 2 VStG 1950 nicht erfolgt sei, sei Verfolgungsverjährung eingetreten.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 43 Abs. 1 lit. b Z. 1 StVO 1960 bedarf es zur Erlassung einer Geschwindigkeitsbeschränkung einer Verordnung der Behörde. Die Zulässigkeit der Bestrafung des Beschwerdeführers hängt somit davon ab, ob der am Tatort durch die Aufstellung von Vorschriftszeichen gemäß § 52 Z. 10 a StVO 1960 vorgenommenen Kundmachung (§ 44 Abs. 1 leg. cit) einer Geschwindigkeitsbeschränkung eine den entsprechenden normativen Gehalt aufweisende Verordnung zugrundelag.

Im Verwaltungsstrafakt erliegt die Abschrift eines an das Bundesministerium für Bauten und Technik gerichteten Schreibens des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 30. Juni 1986 folgenden Inhaltes:

„Aufgrund des § 43 Abs. 1 und 3 StVO wird verordnet:

1) Der Abschnitt von der Anschlußstelle Mötz bis zur Anschlußstelle Roppen der Inntalautobahn A 12 wird einschließlich der in diesem Bereich vorhandenen Zu- und Abfahrtsstraße zur Autobahn erklärt.

2) Für den im Abs. 1 genannten Autobahnabschnitt werden

- sofern sich aus Abs. 4 nichts anderes ergibt - die aus den vom Amt der Tiroler Landesregierung

- Bundesstraßenverwaltung vorgelegten Verkehrszeichenplänen Nr. 1219/1, 1219/7, 1210/7, 1219/3 und 1219/2, die einen Bestandteil dieser Verordnung bilden, ersichtlichen Verkehrsbeschränkungen, Verkehrsgebote und Verkehrsverbote, soweit diese den Bereich der Autobahn betreffen, erlassen.

3) Ergänzend zu der im Abs. 2 angeführten Verkehrsregelung wird in den Galerie- und Tunnelbereichen (im Abschnitt von km 116,9 bis km 120,4) die erlaubte Höchstgeschwindigkeit mit 100 km/h festgesetzt.

4) Für die Dauer der provisorischen Verkehrsführung im Bereich der Anschlußstelle Ötztal (bis Anfang November 1986) werden für diesen Bereich die aus den Verkehrszeichenplänen Nr. 1219/6 und 1219/5 ersichtlichen Verkehrsbeschränkungen, Verkehrsgebote und Verkehrsverbote, soweit diese den Bereich der Autobahn betreffen, erlassen.

5) Beim Ausfahren aus einem an der Autobahn gelegenen Parkplatz (aus einer Autobahnstation u.dgl.) ist vor dem Einfahren in die betreffende Richtungsfahrbahn - sofern nicht eine Beschleunigungsspur vorhanden ist - anzuhalten, Vorrang zu geben sowie in die betreffende Fahrtrichtung einzubiegen. Falls eine Beschleunigungsspur vorhanden ist, haben die Lenker von Fahrzeugen, die diese Beschleunigungsspur benützen, den Fahrzeugen, die auf der betreffenden Richtungsfahrbahn der Autobahn fahren, den Vorrang zu geben.

6) Die Benützung von Betriebsumkehren ist für den öffentlichen Verkehr verboten.

Diese Verordnung ist gemäß § 41 StVO durch die entsprechenden Straßenverkehrszeichen kundzumachen.“

Ferner befindet sich im Verwaltungsstrafakt eine Ausfertigung des in Punkt 4) des vorstehenden Schreibens erwähnten Verkehrszeichenplanes Nr. 1219/5, aus dem u.a. die Aufstellung eines Vorschriftszeichens gemäß § 52 Z. 10 a StVO 1960 mit der Angabe 80 km auf der der Fahrtrichtung Innsbruck entgegengesetzten Richtungsfahrbahn der A 12-Inntalautobahn im Bereich der Anschlußstelle Ötztal sowie eines weiteren derartigen Vorschriftszeichens mit der Angabe 60 km in einer Entfernung von etwa 250 m nach dem erstgenannten Vorschriftszeichen hervorgeht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner bisherigen Judikatur (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 11. September 1987, Zl. 87/18/0032) die Auffassung vertreten, es könne die örtliche Festsetzung von Verkehrszeichen an sich durch Verweisung auf einen Plan erfolgen, wenn dieser selbst durch andere Merkmale, z.B. durch Höhenangaben oder durch die Aufnahme von in der Natur vorhandenen Bauwerken oder straßenbaulichen Einrichtungen, mit der wiederzugebenden Wirklichkeit verbunden sei. Es sei aber unzulässig, den durchaus durch Worte wiederzugebenden Inhalt von Geboten oder Verboten - z.B. eine bestimmte Höchstgeschwindigkeit nicht zu überschreiten - nicht in Sätzen zu formulieren, sondern schlechthin durch die Verweisung auf Verkehrszeichen zum Ausdruck zu bringen.

Von dieser Rechtsprechung ist der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. Juni 1989, Zl. 87/03/0047, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 VwGG hingewiesen wird, abgegangen. Dem auf die bisherige Rechtsprechung gestützten Einwand des Beschwerdeführers gegen das Vorliegen einer die Anordnung von Geschwindigkeitsbeschränkungen im Tatortbereich enthaltenden Verordnung kommt daher keine Berechtigung zu. Das oben angeführte Schreiben des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 30. Juni 1986 weist einen dem verfassungsrechtlichen Verordnungsbegriff entsprechenden normativen Gehalt auf, der in Ansehung des Punktes 4) der in Rede stehenden Kundmachung einer Geschwindigkeitsbeschränkung zugrunde liegt.

Gegen die gehörige Kundmachung dieser Verordnung im Sinne der §§ 44 bis 51 StVO 1960 sind keine Bedenken entstanden. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf das Nichtvorhandensein einer Zusatztafel nach § 54 Abs. 5 lit. b StVO 1960 geht fehl. Da die Anbringung einer derartigen Zusatztafel gemäß § 51 Abs. 1 StVO 1960 nur für solche Geschwindigkeitsbeschränkungen erforderlich ist, die für Straßenstrecken von mehr als 1 km gelten, die gegenständliche Geschwindigkeitsbeschränkung aber nur für eine Straßenstrecke von etwa 250 m, nämlich bis zum Standort des Vorschriftszeichens gemäß § 52 Z. 10 a StVO 1960 mit der Angabe 60 km, galt, bedurfte es nicht der Anbringung einer Zusatztafel.

Die Beschwerde ist auch nicht berechtigt, soweit sie die Tatortumschreibung bemängelt:

Gemäß § 44a lit. a VStG 1950 hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Es bedarf daher im Bescheidspruch der Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens und damit für die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die dadurch verletzten Verwaltungsvorschriften erforderlich sind.

Wesentlich für die Bezeichnung der Tat ist der Ausspruch über Zeit und Ort der Begehung. So hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. Juni 1984, Slg. Nr. 11466/A, ausgesprochen, daß es nach § 44a lit. a VStG 1950 rechtlich geboten ist, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß 1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird, und daß 2) die Identität der Tat z.B. nach Ort und Zeit unverwechselbar feststeht. Was den Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Feststehen der Identität der Tat), so muß a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, daß der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren (Wiederaufnahmeverfahren) auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und b) der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat ferner im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Slg. Nr. 11894/A, dargetan, daß nach diesen, aber nur nach diesen Gesichtspunkten in jedem konkreten Fall zu beurteilen ist, ob die im Spruch eines Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit dem § 44a lit. a VStG genügt oder nicht genügt, mithin, ob die erfolgte Tatort- und Tatzeitangabe im konkreten Fall das Straferkenntnis als rechtmäßig oder als rechtswidrig erscheinen läßt. Es wird daher das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den wiedergegebenen Rechtschutzüberlegungen zu messendes Erfordernis sein (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1987, Zl. 86/03/0223).

Im Beschwerdefall wurde dem Beschwerdeführer die Übertretung des § 52 Z. 10 a StVO 1960 durch Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h „auf der Inntalautobahn A-12, im Bereich des Autobahnendes in Ötztal in Richtung Imst“ zur Last gelegt. Eine Verwaltungsübertretung nach § 52 Z. 10 a StVO 1960 kann nur vom Lenker eines in Fahrt befindlichen Fahrzeuges während der Fahrt begangen werden, sodaß als Tatort für ein solches Delikt begrifflich niemals ein bestimmter Punkt, sondern stets nur eine bestimmte (Fahr-)Strecke in Betracht kommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Juni 1986, Zl. 85/02/0220, und die dort angeführte Vorjudikatur). Es bedurfte daher entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht der Angabe der entsprechenden Kilometer- oder Lichtmastbezeichnung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. April 1988, Zl. 87/03/0149). Durch die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Bezeichnung des Tatortes ist ein ausreichend enger Bezug zwischen der dem Beschwerdeführer angelasteten, im Fahren gesetzten Tat mit einem bestimmten Ort hergestellt, sodaß der Tatort unverwechselbar feststeht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Juni 1986, Zl. 85/18/0139). Es besteht kein Zweifel, wofür der Beschwerdeführer bestraft worden ist. Der Beschwerdeführer wurde durch die gewählte Tatortumschreibung weder in seinen Verteidigungsrechten eingeschränkt noch der Gefahr ausgesetzt, für dieselbe Tat doppelt bestraft zu werden. Die Tatumschreibung entsprach demnach den Erfordernissen des § 44 a lit. a VStG 1950. Aus den vom Beschwerdeführer zitierten hg. Erkenntnissen vom 7. Dezember 1984, Zl. 84/02/0129, und vom 12. September 1986, Zl. 85/18/0107, ist für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen, weil diesen Erkenntnissen ein anderer Sachverhalt, nämlich eine als „Tatort“ bezeichnete Straßenstrecke von mehr als 1 km, zugrundelag.

Die im angefochtenen Bescheid verwendete Tatortumschreibung war bereits ‑ neben den anderen für die Bestrafung erforderlichen Sachverhaltselementen ‑ in der Anzeige enthalten. Diese wurde dem Beschwerdeführer mit dem übrigen Akteninhalt am 10. Dezember 1986, also noch vor Ablauf der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist des § 31 Abs. 2 VStG 1950, zur Kenntnis gebracht. Damit wurde eine den Eintritt der Verfolgungsverjährung unterbrechende Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG 1950 gesetzt (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1987, Zl. 86/02/0150). Es schlägt daher auch der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Einwand der Verjährung nicht durch.

Die Beschwerde erweist sich somit zur Gänze als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Wien, am 21. Juni 1989

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