VwGH 87/16/0106

VwGH87/16/010610.3.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Närr, Mag. Meinl, Dr. Kramer und Dr. Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Samonig, über die Beschwerde des HS in D, vertreten durch Dr. Franz Kleinszig, Rechtsanwalt in St. Veit a.d. Glan, Unterer Platz 11, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für ZRS. Graz vom 15. Juni 1987, Zl. Jv 955‑33/87, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §6
ABGB §7
GGG 1984 TP1
GGG 1984 TP1 Anm1
GGG 1984 §1 Abs1
VwRallg
ZPO §170

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1988:1987160106.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,‑ ‑ binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aus den vorgelegten Gerichts- und Verwaltungsakten ergibt sich im wesentlichen folgendes:

Der Beschwerdeführer war in der Rechtssache AZ. 7 Cg 220/86 des Landesgerichtes für ZRS. Graz (in der Folge: Gericht) Kläger gewesen und hatte die dem Wert des Streitgegenstandes von S 100.000,‑ ‑ s.A. entsprechenden Gerichtsgebühren (Pauschalgebühr nach TP 1 des gemäß § 1 Abs. 1 GGG einen Bestandteil dieses Bundesgesetzes bildenden Tarifs) in Höhe von S 2.200,‑ ‑ entrichtet. Gemäß dem durch Art. IV Z. 42 lit. a) der Zivilverfahrens‑Novelle 1983, BGBl. Nr. 135, dem § 243 ZPO angefügten vierten Absatz war von einer ersten Tagsatzung abgesehen worden. Nachdem die Beklagte die Klagebeantwortung erstattet und der Beschwerdeführer darauf einen vorbereitenden Schriftsatz überreicht hatte, war bei der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 8. September 1986 keine der Parteien erschienen, was auf Grund des § 170 erster Satz ZPO Ruhen des Verfahrens zur Folge hatte.

Mit dem im Spruch dieses Erkenntnisses näher bezeichneten Bescheid gab der Präsident des Gerichtes dem Antrag des Beschwerdeführers auf Rückzahlung von 3/4 der entrichteten Gerichtsgebühren nicht Folge, und zwar im wesentlichen mit der Begründung, für die in Rede stehenden Pauschalgebühren seien Ermäßigungen nicht vorgesehen. Ermäßigungen gebe es nur in bestimmten Fällen des zivilgerichtlichen Verfahrens erster Instanz nach TP 1 Anm. 2. und 3. sowie im Rechtsmittelverfahren dritter Instanz nach TP 3 Anm. 2.

In der vorliegenden Beschwerde wird die Aufhebung dieses Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes beantragt.

Der Präsident des Gerichtes legte die Gerichts- und Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Z. 1 lit. a) GGG wird der Anspruch des Bundes hinsichtlich der Pauschalgebühren für das zivilgerichtliche Verfahren erster Instanz ‑ abgesehen von den hier nicht in Betracht kommenden Fällen ‑ mit der Überreichung der Klage begründet.

Nach der Anm. 1. erster Satz zu TP 1 des zitierten Tarifs unterliegen u.a. alle mittels Klage einzuleitenden gerichtlichen Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen der Pauschalgebühr nach dieser TP.

Auf Grund des zweiten Satzes dieser Anmerkung ist die Pauschalgebühr ohne Rücksicht darauf zu entrichten, ob das Verfahren bis zum Ende durchgeführt wird.

Gemäß der Anm. 2. zu dieser TP ist die Pauschalgebühr nach ihr auch für prätorische Vergleiche (§ 433 ZPO) sowie für Verfahren zur Erlassung einstweiliger Verfügungen außerhalb eines Zivilprozesses zu entrichten; in diesen Fällen ermäßigt sich die Pauschalgebühr nach dieser TP auf die Hälfte. Nach der Anm. 3. zu dieser TP ermäßigen sich die Pauschalgebühren auf ein Viertel, wenn die Klage oder ein in den

Anm. 1. oder 2. zu ihr angeführter Antrag vor Zustellung an den Verfahrensgegner zurückgezogen wird. Das gleiche gilt auch, wenn die Klage oder der Antrag ‑ ausgenommen der Fall einer Überweisung nach § 230 a ZPO ‑ von vornherein zurückgewiesen wird. Bereits entrichtete Mehrbeträge sind zurückzuzahlen.

Auf Grund der Anm. 2. letzter Satz zu der ‑ Pauschalgebühren für das Rechtsmittelverfahren dritter Instanz betreffenden ‑ TP 3 des zitierten Tarifs ermäßigt sich die Gebühr nur in den Fällen, in denen eine außerordentliche Revision verworfen (zurückgewiesen) wird, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, auf die Hälfte; bereits entrichtete Mehrbeträge sind zurückzuzahlen.

Gemäß § 30 Abs. 2 GGG sind Gebühren zurückzuzahlen, 1. wenn sie ohne Zahlungsauftrag entrichtet wurden, sich aber in der Folge ergibt, daß überhaupt nichts oder ein geringerer Betrag geschuldet wurde; 2. wenn die Gebühr vor Vornahme der Amtshandlung zu entrichten war, ihre Vornahme jedoch unterbleibt.

Es bedarf keiner weiteren Begründung, daß die zuletzt zitierte Z. 2. im vorliegenden Fall keine Anwendung findet.

Der Beschwerdeführer übersieht vor allem, daß die zitierten Ausnahmebestimmungen das zivilgerichtliche Verfahren der jeweiligen Instanz vermeidende oder beendende Verfahrensschritte betreffen, und zwar auf einfache Weise, was (zumindest in der Regel) ‑ entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung ‑ wohl auch für die vom Obersten Gerichtshof im Fall des dritten Satzes der Anm. 2. zu TP 3 des zitierten Tarifs zu leistende Arbeit gilt (siehe zur außerordentlichen Revision z.B. Fasching, Lehrbuch des österreichischen Zivilprozeßrechts, Wien 1984 ‑ Ergänzungsheft 1987, S. 868, Rz 1899, und den dort zitierten Aufsatz von Petrasch, eines aktiven Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes).

Anders als bei diesen Verfahrensschritten ist der Prozeß bei ‑ selbst bei dem hier nicht ersichtlichen „ewigen“ ‑ Ruhen des Verfahrens, das offensichtlich auch Arnold, Das neue Gerichtsgebührengesetz, Anw. 1/1985, S. 3 ff, insbesondere S. 5 links Abs. 2 in Verbindung mit Anm. 20, nicht als einen Fall der Ermäßigung der Gerichtsgebühren ansieht, auf Antrag einer Partei nach Ablauf von drei Monaten fortzusetzen (siehe z.B. Fasching, a.a.O. S. 288, Rz 610 f).

Im übrigen hat der Justizausschuß in seinem Bericht zur Regierungsvorlage zu GGG (siehe 454 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XVI. GP) mit seinen Ausführungen zu TP 1 deutlich zu erkennen gegeben, daß er eine ‑ über die ausdrücklich angeführten Ausnahmen hinausgehende ‑ Teilung der Gebühren für kürzere („nichtstreitige“) und für längere („streitige“) Verfahren als nicht zielführend ansah.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes knüpft die Gerichtsgebührenpflicht bewußt an formale äußere Tatbestände an, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu gewährleisten. Eine ausdehnende oder einschränkende Auslegung des Gesetzes, die sich vom Wortlaut insoweit entfernt, als sie über das Fehlen eines Elementes des im Gesetz umschriebenen formalen Tatbestandes, an dem die Gebührenpflicht oder die Ausnahme hievon geknüpft ist, hinwegsieht, würde diesem Prinzip nicht gerecht werden (siehe z.B. das Erkenntnis vom 11. Februar 1988, Zl. 87/16/0044, und den dort gemachten Hinweis auf weitere Rechtsprechung).

Aus den dargelegten Erwägungen erweist sich die vorliegende Beschwerde als unbegründet und sie ist gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §S 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 10. März 1988

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte