VwGH 87/05/0157

VwGH87/05/015726.4.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger, über die Beschwerde des MS in S, vertreten durch Dr. Erich DRUCKENTHANER, Rechtsanwalt in Wels, Maria-Theresia-Straße 19/15, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 1. Juli 1987, Zl. BauR- 6556/5-1987 See/Sch, betreffend einen baupolizeilichen Beseitigungsauftrag (mitbeteiligte Partei: Gemeinde S, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §66 Abs4;
BauO OÖ 1976 §23;
BauO OÖ 1976 §41 Abs1 litb;
BauO OÖ 1976 §41 Abs1;
BauO OÖ 1976 §61 Abs1;
BauRallg;
BauV OÖ 1985 §43 Abs1;
BauV OÖ 1985 §43 Abs2;
BauV OÖ 1985 §43;
B-VG Art119a Abs5;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.840,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer betreibt seinem Vorbringen zufolge auf den Grundstücken 693 und 695/1, KG. V, ein Palettenwerk. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 8. Oktober 1980 war ihm die gewerberechtliche Bewilligung zur Errichtung einer Lagerhalle unter Vorschreibung von Auflagen erteilt worden; unter anderem war ihm die Errichtung einer 3 m hohen und ca. 52 m langen massiven Lärmschutzwand vorgeschrieben worden. Diese massive Lärmschutzwand hat der Beschwerdeführer nicht errichtet, vielmehr waren seine Bemühungen, den Entfall der Auflage zu erreichen, schließlich insoweit erfolgreich, als mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 13. Oktober 1986 die Auflage aufgehoben worden ist. Anstelle der vorgeschriebenen Lärmschutzwand hat der Beschwerdeführer ohne Erwirkung einer baubehördlichen Bewilligung eine Holzwand errichtet, die seiner Meinung nach als Lärmschutzwand dient.

Am 24. Jänner 1986 wurde nach Durchführung eines Augenscheines an Ort und Stelle von Organen der mitbeteiligten Gemeinde in einer Niederschrift festgestellt, daß der Beschwerdeführer auf dem Grundstück 695/1 eine ca. 2,30 m hohe Holzwand in einem Abstand von ca. 32 cm zur Nachbargrundgrenze (Grundstück 695/3) errichten habe lassen. Hiebei handle es sich um ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben im Sinne des § 41 OÖ Bauordnung 1976, für das im Sinne des § 95 OÖ Bauverordnung die Abstandsbestimmungen zum Tragen kämen, sodaß auch nachträglich eine Baubewilligung nicht zulässig erscheine.

Mit Bescheid vom 21. Februar 1986 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde dem Beschwerdeführer den auf § 61 Abs. 1 OÖ Bauordnung gestützten Auftrag, binnen einer Frist von acht Wochen nach Rechtskraft des Bescheides die bewilligungslos errichtete bauliche Anlage zu beseitigen. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß die errichtete Holzwand den Neubau einer baulichen Anlage darstelle und gemäß § 41 Abs. 1 lit. a OÖ Bauordnung einer Baubewilligung bedürfe. Die Möglichkeit, nachträglich um die Baubewilligung anzusuchen, sei deswegen nicht einzuräumen gewesen, weil die konsenslos errichtete Holzwand hinsichtlich der Abstandsbestimmungen dem § 95 OÖ Bauverordnung widerspreche.

In seiner dagegen erhobenen Berufung bestritt der Beschwerdeführer das Erfordernis einer baubehördlichen Bewilligung. Er behauptete, die Erwirkung einer nachträglichen Baubewilligung sei möglich. Auch sei die Höhe der Einfriedung offensichtlich nicht oder falsch gemessen worden.

Auf Grund dieses Berufungsvorbringens wurde das Gutachten eines bautechnischen Amtssachverständigen des Bezirksbauamtes Gmunden eingeholt. In seinem ausführlichen Gutachten vom 26. November 1985 bejahte der bautechnische Amtssachverständige die Frage der Bewilligungspflicht nach § 41 Abs. 1 lit. b OÖ Bauordnung; zur Frage der Bewilligungsfähigkeit der errichteten Wand verwies der Amtssachverständige auf § 43 der OÖ Bauverordnung, wonach die Voraussetzungen für eine Bewilligung nur dann gegeben wären, wenn nach einem durchgeführten gewerberechtlichen Verfahren die Wand als Schallschutzwand diene. (Dieses Gutachten wurde dem Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis gebracht.)

In seiner Sitzung vom 31. Oktober 1986 beschloß der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde die Abweisung der Berufung. Mit dem in Ausfertigung des Sitzungsbeschlusses ergangenen Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 5. Dezember 1986 wurde der Berufung keine Folge gegeben, was im einzelnen näher begründet wurde.

Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Vorstellung wies die Oberösterreichische Landesregierung mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 1. Juli 1987 als unbegründet ab. Zur Frage der Bewilligungspflicht vertrat die Gemeindeaufsichtsbehörde die Auffassung, daß nach § 41 Abs. 1 lit. b der OÖ Bauordnung die errichtete Holzwand als sonstiger Bau über der Erde bewilligungspflichtig sei, weil sie geeignet sei, eine erhebliche Gefahr für Menschen herbeizuführen. Was die Höhe der Holzwand anlage, so widerspreche sie jedenfalls der Bestimmung des § 43 Abs. 2 der OÖ Bauverordnung, weil sie eine Höhe von 2,0 m über dem Erdboden überschreite und der Verwendungszweck der Einfriedung eine größere Höhe nicht erfordere. Daß diese Holzwand u.a. auch einen gewissen Lärmschutz darstellen könne, sei insofern ohne Bedeutung, als sie hinsichtlich ihrer örtlichen Situierung und Ausführung jedenfalls nicht als eine von der Gewerbebehörde vorgeschriebene Schallschutzwand zu beurteilen sei.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf bewilligungsfreie Errichtung der bestehenden Holzwand, auf Einhaltung der Bestimmung des § 43 Abs. 1 letzter Satz der OÖ Bauverordnung, in dem Recht auf Errichtung einer Einfriedung bis zu einer Höhe von 2 m nach § 43 Abs. 2 der OÖ Bauverordnung sowie in seinem Recht auf Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung gemäß § 61 der OÖ Bauordnung verletzt. Der Beschwerdeführer beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

 

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 41 Abs. 1 lit. a der OÖ Bauordnung LGBl. Nr. 35/1976, bedürfen einer Bewilligung der Baubehörde der Neu-, Zu- oder Umbau von Gebäuden; nach lit. b dieser Gesetzesstelle ist die Errichtung sonstiger Bauten über und unter der Erde, die geeignet sind, eine erhebliche Gefahr oder eine wesentliche Belästigung für Menschen herbeizuführen, bewilligungspflichtig.

Stellt die Baubehörde fest, daß eine bewilligungspflichtige bauliche Anlage ohne Baubewilligung ausgeführt wird oder bereits ausgeführt wurde, so hat sie gemäß § 61 Abs. 1 der OÖ Bauordnung dem Eigentümer mit Bescheid aufzutragen, entweder nachträglich innerhalb einer angemessen festzusetzenden Frist um die Baubewilligung anzusuchen oder die bauliche Anlage innerhalb einer weiters festzusetzenden angemessenen Frist zu beseitigen. Die Möglichkeit, nachträglich um die Baubewilligung anzusuchen, ist dann nicht einzuräumen, wenn nach der maßgeblichen Rechtslage eine Baubewilligung nicht erteilt werden kann.

Nach § 43 Abs. 1 der OÖ Bauverordnung 1985, LGBl. Nr. 5, unterliegen Einfriedungen als bauliche Anlagen den allgemeinen Erfordernissen des § 23 der OÖ Bauordnung. Sie sind insbesondere so auszuführen und zu erhalten, daß eine Gefährdung von Personen und Sachen möglichst vermieden und das Orts- und Landschaftsbild nicht gestört wird. Nach anderen Vorschriften vorgesehene Schallschutzwände gelten nicht als Einfriedungen.

Nach § 43 Abs. 2 der OÖ Bauverordnung 1985 dürfen Einfriedungen gegen Nachbargrenzen einschließlich der Straßengrundgrenze, soweit in anderen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, eine Höhe von 2 m über dem Erdboden, und zwar über dem jeweils höher gelegenen natürlichen Gelände (gewachsenen Boden), nur überschreiten, wenn der Verwendungszweck der Einfriedung (z.B. bei Tennisplätzen oder anderen Sportanlagen) eine größere Höhe erfordert.

Der Beschwerdeführer bestreitet die Bewilligungspflicht der errichteten Holzwand mit der Behauptung, daß auf Grund der soliden Ausführung der Holzwand die Eignung, eine erhebliche Gefahr auszulösen, nicht gegeben sei. Diesem Vorbringen hält die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend entgegen, daß das im § 41 Abs. 1 lit. b der OÖ Bauordnung festgelegte Tatbestandsmerkmal der erheblichen Gefährdung nicht nach den tatsächlichen Gegebenheiten, sondern nur abstrakt zu beurteilen ist, ob eine massive Einfriedung eine solche erhebliche Gefährdung darzustellen vermag. Nach Auffassung der belangten Behörde ist hiefür eine massive Einfriedung schon ab einer Höhe von 1,50 m geeignet. Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung der belangten Behörde, daß im vorliegenden Fall die Frage der Bewilligungspflicht zu Recht bejaht worden ist, weil ein Bau der vorliegenden Art jedenfalls geeignet ist, eine erhebliche Gefahr für Menschen herbeizuführen, also jene Kriterien zu erfüllen, die nach § 41 Abs. 1 lit. b der OÖ Bauordnung für die Bewilligungspflicht vom Oö Landesgesetzgeber festgesetzt worden sind. Gerade die vom Beschwerdeführer aufgestellte Behauptung, daß die solide Ausführung der gegenständlichen Holzwand keine erhebliche Gefahr für Menschen herbeizuführen geeignet ist, ist im Rahmen eines allfälligen baubehördlichen Bewilligungsverfahrens von der Baubehörde auf ihre Richtigkeit zu überprüfen.

Da unbestrittenermaßen für diese Holzwand eine baubehördliche Bewilligung nicht erwirkt wurde, haben die Baubehörden jedenfalls zu Recht ein baubehördliches Auftragsverfahren nach § 61 der OÖ Bauordnung eingeleitet. Zu prüfen war allerdings noch, ob im Sinne des § 61 Abs. 1 letzter Satz dem Beschwerdeführer die Möglichkeit, nachträglich um die Baubewilligung anzusuchen, hätte eingeräumt werden müssen. Die belangte Behörde hat diese Möglichkeit eines alternativen baupolizeilichen Auftrages unter Hinweis auf die Bestimmungen des § 43 Abs. 2 der OÖ Bauverordnung 1985 nicht in Betracht gezogen. Der Beschwerdeführer bestreitet nun nicht, daß die errichtete Holzwand eine Höhe von 2 m über dem Erdboden überschreitet, er meint allerdings, als Lärmschutzwand sei dies zulässig. Zu diesem Vorbringen ist zunächst festzustellen, daß die gemeindlichen Baubehörden davon ausgehen durften, daß es sich bei der errichteten Bretterwand um keine nach anderen Vorschriften vorgesehene Schallschutzwand handelt, welche im Sinne des § 43 Abs. 1 letzter Satz der OÖ Bauverordnung 1985 nicht als Einfriedung zu gelten hätte. Wenn sich der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang auf Verfahrensergebnisse des gewerblichen Betriebsanlagenverfahrens vor dem Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten beruft, dann übersieht er, daß für das nachprüfende Verfahren vor der Gemeindeaufsichtsbehörde und vor dem Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich nur jener Sachverhalt und jene Rechtslage entscheidend sein kann, die im Zeitpunkt des abschließenden Bescheides auf Gemeindeebene gegeben war. Danach war aber die errichtete Holzwand keinesfalls als eine für das gewerbebehördliche Verfahren erforderliche Lärmschutz- (Schallschutz-)wand zu beurteilen.

Der Beschwerdeführer verweist allerdings auch darauf, daß eine Einfriedung dann die Höhe von 2 m überschreiten dürfe, wenn der Verwendungszweck der Einfriedung eine größere Höhe erfordert, wobei der OÖ Landesgesetzgeber als Beispiel in einem Klammerausdruck Tennisplätze oder andere Sportanlagen genannt hat. Die belangte Behörde hat nun in ihrer Gegenschrift die Meinung vertreten, daß die ausschließliche Verwendung einer Einfriedung als Lärmschutz im OÖ Baurecht grundsätzlich nicht vorgesehen sei, sodaß eine Überschreitung der Höhe der Einfriedung über 2 m nach der genannten Verordnungsstelle unzulässig sei. Diese Auslegung erscheint dem Verwaltungsgerichtshof verfehlt, weil eine Einfriedung auch dem Lärmschutz dienen kann, ohne daß es sich dabei um eine nach anderen Vorschriften vorgesehene Schallschutzwand im Sinne des § 43 Abs. 1 letzter Satz der OÖ Bauverordnung 1985 handeln muß.

Für dieses Auslegungsergebnis spricht das vom Beschwerdeführer vorgebrachte Argument, daß die vom Verordnungsgeber genannte Aufzählung nur eine beispielhafte ist, zumal, wie erwähnt, nicht einzusehen ist, daß der Verwendungszweck einer Einfriedung nicht auch Lärmschutzzwecken dienen kann; ein solcher Verwendungszweck kann aber eine größere Höhe als 2 m erfordern. Bei dieser Situation erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob die grundsätzliche Begrenzung im Ausmaß von 2 m im § 43 Abs. 2 der OÖ Bauverordnung überhaupt in der Bauordnung ihre gesetzliche Deckung findet; von einer diesbezüglichen Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof im Sinne des Art. 139 B-VG konnte daher Abstand genommen werden. Die belangte Behörde hat daher zu Unrecht die Möglichkeit, nachträglich um die Baubewilligung anzusuchen, dem Beschwerdeführer nicht eingeräumt, obwohl nach der maßgeblichen Rechtslage eine Baubwilligung erwirkt werden kann.

Soweit in der Beschwerde weiters die Auffassung vertreten wird, daß auch dann, wenn nur eine Holzwand in der Höhe von 2 m zulässig sei, nicht der Auftrag für die Beseitigung der gesamten Wand hätte erteilt werden dürfen, sondern nur in Ansehung jenes Teiles, der eine Höhe von 2 m übersteigt, so mag der Verwaltungsgerichtshof dem Beschwerdeführer nicht zuzustimmen. Die belangte Behörde hat vielmehr zutreffend den Auftrag für die gesamte Wand als dem Gesetz entsprechend beurteilt, weil eine vom Beschwerdeführer damit geforderte Aufteilung eines einheitlichen Bauvorhabens in zulässige und unzulässige Maßnahmen nach der gesetzlichen Regelung des § 61 Abs. 1 der OÖ Bauordnung nicht vorgesehen ist.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG sowie die Verordnung BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 26. April 1988

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