Normen
ASVG §67 Abs4
ASVG §67 Abs4 idF vor 1986/111
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1988:1986080074.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem Punkt 2.) des angefochtenen Bescheides wurde die Beschwerdeführerin im Instanzenzug als Betriebsnachfolger gemäß § 67 Abs. 4 ASVG verpflichtet, die auf dem Beitragskonto „LC, Holzverarbeitung, W, B‑Straße 110“ rückständigen Sozialversicherungsbeiträge für die Zeit vom 8. März 1984 bis Mai 1984, 3. Nachtrag September 1984 samt Nebengebühren (Verzugszinsen berechnet bis 24. Oktober 1985) im Betrag von S 66.464,37 an die mitbeteiligte Wiener Gebietskrankenkasse zu bezahlen. Nach der darauf bezughabenden Begründung des angefochtenen Bescheides stehe auf Grund der Aktenlage, insbesondere der mit der Beschwerdeführerin und LC jun. am 3. September 1985 aufgenommenen Niederschrift sowie des zwischen der Verlassenschaft nach LC sen. und der Beschwerdeführerin abgeschlossenen Kaufvertrages vom 26. Februar 1985, abhandlungsbehördlich genehmigt am 8. März 1985, fest, daß LC sen. bis zu seinem Tode im März 1984 in W ein Eisengroßhandelsgeschäft geführt habe, welches im Laufe der Zeit um die Umarbeitung von Türen erweitert worden sei. Nach dem Tode von LC sen. sei der Betrieb stillgelegt und sämtliches Inventar, mit dem derselbe den Betrieb bis zu seinem Tode weitergeführt gehabt habe, aufbewahrt worden. In weiterer Folge habe die Beschwerdeführerin am 26. Februar 1985 das vorhandene Inventar erworben, da diese Gegenstände einer Verwertung hätten zugeführt werden müssen. Daraufhin hätten die Beschwerdeführerin und LC jun. am 1. Mai 1984 eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes gegründet, um Althaussanierungen sowie Schutzmaßnahmen gegen Einbruch durchzuführen; hiefür seien die von LC sen. vormals benützten Räumlichkeiten von der Gemeinde Wien gemietet worden. Auf Grund dieses Sachverhaltes ergebe sich aber, daß lediglich die Beschwerdeführerin im Wege eines Veräußerungsgeschäftes mit der Verlassenschaft nach LC sen. sämtliche Gegenstände, welche diesem bis zu seinem Tod der Führung seines Betriebes gedient und die daher die wesentliche Grundlage dieses Betriebes dargestellt hätten, erworben habe, sodaß sie als Betriebsnachfolgerin gemäß § 67 Abs. 4 ASVG angesehen werden müsse. Wenn von der Beschwerdeführerin im Einspruch vorgebracht werde, nicht ein Betrieb, sondern lediglich einige geringwertige Gegenstände seien erworben worden, sodaß der Betrieb des Verstorbenen mit den erworbenen Betriebsmitteln in keiner Weise hätte fortgeführt werden können, so sei hiezu auszuführen, daß nach eigenen Angaben der Beschwerdeführerin und des LC jun. LC sen. bis zu seinem Tode den Betrieb in vollem Umfang mit dem im Kaufvertrag erwähnten Inventar geführt habe. Es sei also ein durchaus lebensfähiger Betrieb vorgelegen, dessen wesentliche Betriebsmittel von der Beschwerdeführerin erworben worden seien. Wenn weiters vorgebracht werde, die erworbenen Gegenstände seien für den Erwerber vollkommen wertlos und dienten im übrigen keineswegs dem nunmehrigen Geschäftsbetrieb, so sei darauf hinzuweisen, daß eine Betriebsnachfolge selbst dann gegeben sei, wenn der Betriebsnachfolger den Betrieb des Vorgängers nicht weiterführe.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Nach dem Beschwerdevorbringen sei die belangte Behörde offensichtlich einem Irrtum hinsichtlich des zeitlichen Ablaufes unterlegen. Richtig sei, daß der gegenständliche Kaufvertrag hinsichtlich der diversen Gegenstände aus der Verlassenschaft nach LC abgeschlossen worden sei. Unrichtig sei allerdings, daß am 26. Februar 1985 danach erst die Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet worden sei. Dies sei auch sachgerecht, da LC sen. am 16. März 1984 gestorben sei und danach, eben am 1. Mai 1984, zwischen den Geschwistern die Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet worden sei. Das Verlassenschaftsverfahren benötige normalerweise immer einige Zeit und es sei daher der gegenständliche Kaufvertrag erst am 26. Februar 1985 abgeschlossen worden. Das bedeute aber andererseits, daß schon aus logischen Gründen die Beschwerdeführerin als Betriebsnachfolgerin nicht in Frage komme. Dies deshalb, da der zeitliche Ablauf nicht stimme. Es habe daher die Beschwerdeführerin nicht Rechtsnachfolgerin nach dem verstorbenen LC sen. werden können. Insofern sei daher das durchgeführte Ermittlungsverfahren mangelhaft geblieben, da die belangte Behörde auf Grund dieser zeitlichen Widersprüche eine entsprechende ergänzende Sachverhaltsfeststellung hätte treffen müssen. Außerdem sei von der belangten Behörde der ins Auge gefaßte Dienstnehmer offensichtlich nicht vernommen worden, obwohl eine ladungsfähige Adresse dieses Zeugen durchaus zur Verfügung gestanden wäre. Dieser Zeuge hätte zweifelsohne Mitteilung darüber machen können, daß die von der Beschwerdeführerin gekauften Gegenstände keineswegs von der Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Anschluß verwendet worden seien. Fest stehe jedenfalls, daß die Beschwerdeführerin lediglich einige geringwertige und für sie vollkommen wertlose Gegenstände aus der Verlassenschaft nach LC sen. erworben habe. Die Beschwerdeführerin und LC jun. hätten betreffend die Verlassenschaft eine bedingte Erbserklärung abgegeben, da mit erheblichen Schulden zu rechnen gewesen sei. Bei Durchführung der Verlassenschaft habe der Notar gemeint, daß es am zweckmäßigsten wäre, wenn die Beschwerdeführerin diese Gegenstände um den Schätzwert erwerben würde, damit der Notar diesen so erzielten Betrag kridamäßig unter die Gläubiger verteilen könnte. Dies deshalb, da in jedem Fall der bedingten Erbserklärung der Erbe bis zur Höhe der übernommenen Aktiven zu haften habe. In diesem Zusammenhang sei nochmals auf den zeitlichen Ablauf hingewiesen:
1. Sterbedatum von LC sen.: 16. März 1984.
2. Gründung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts: 1. Mai 1984.
3. Kaufvertrag: 26. Februar 1985. Es ergebe sich daraus, daß der Betrieb der Beschwerdeführerin bereits zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt begonnen habe, als der Kaufvertrag hinsichtlich der Gegenstände abgeschlossen worden sei. Außerdem fänden sich diese Gegenstände nicht im Anlagevermögen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Es werde auch darauf hingewiesen, daß das Verfahren nicht mängelfrei geblieben sei. Es sei nicht nur der Zeuge nicht vernommen worden, es seien weiters auch keinerlei Erhebungen darüber angestellt worden, ob sich diese erworbenen Gegenstände tatsächlich im Betriebsvermögen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts befänden oder nicht. Grundsätzlich genüge der Erwerb von Betriebsmitteln für das Eintreten der Haftung gemäß § 67 Abs. 4 ASVG nicht. Diese Haftung trete nur dann ein, wenn der Erwerber jene Betriebsmittel erwerbe, die je nach der Betriebsart und nach dem Betriebsgegenstand die wesentliche Grundlage des Betriebsvorgängers gebildet hätten. Dies sei im gegenständlichen Fall allerdings nicht gegeben. Der Erwerber müsse grundsätzlich in die Lage versetzt werden, mit diesen Betriebsmitteln den Betrieb fortzuführen. Gerade das Gegenteil sei aber im gegenständlichen Fall gegeben gewesen. Es stehe zweifelsfrei fest, daß die Beschwerdeführerin mit den aus der Verlassenschaft erworbenen Betriebsmitteln den Betrieb des verstorbenen LC sen. in keiner Weise habe fortführen können.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 67 Abs. 4 ASVG, in der Fassung vor der 41. Novelle zum ASVG vom 20. Februar 1986, BGBl. Nr. 111, welche Rechtslage bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides galt und somit anzuwenden war, haftet der Betriebsnachfolger für die Beiträge, die sein Vorgänger im Betrieb zu zahlen gehabt hätte, unbeschadet der fortdauernden Haftung des Vorgängers und unbeschadet der Haftung des Betriebsnachfolgers nach § 1409 ABGB, für die Zeit von höchstens zwölf Monaten, vom Tage des Erwerbes zurückgerechnet, im Falle einer Anfrage beim Versicherungsträger jedoch nur mit dem Betrag, der ihm als Rückstand ausgewiesen worden ist.
Als „Betriebsnachfolger“ gemäß § 67 Abs. 4 ASVG (unter dem Gesichtspunkt der Nachfolge unter Lebenden) ist jene Person zu verstehen, die den Betrieb oder einen organisatorisch selbständigen Teilbetrieb des Betriebsvorgängers (Beitragsschuldners) auf Grund eines Veräußerungsgeschäftes (von Veräußerungsgeschäften) mit ihm erworben hat. Die bloße Bestandnahme eines Betriebes (eines Teilbetriebes) begründet daher keine Haftung nach dieser Gesetzesstelle. Zum Betriebserwerb ist es allerdings nicht erforderlich, daß alle zum Betrieb gehörigen Betriebsmittel erworben werden; es genügt vielmehr der Erwerb jener Betriebsmittel, die die (nach Betriebsart und Betriebsgegenstand) wesentliche Grundlage des Betriebes des Betriebsvorgängers gebildet haben und den Erwerber mit ihrem Erwerb in die Lage versetzen, den Betrieb fortzuführen. Der Erwerb einzelner, nicht die wesentliche Grundlage des Betriebes darstellenden Betriebsmittel von einem Dritten schließt die Betriebsnachfolge nicht aus. Es ist auch nicht entscheidend, ob der Betrieb tatsächlich fortgeführt wird und ob im Falle der Fortführung der Betriebsgegenstand und die Betriebsart gleichbleiben (vgl. das zum § 67 Abs. 4 ASVG in der Fassung vor der 41. Novelle ergangene Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. November 1983, Zl. 82/08/0021, Slg. Nr. 11.241/A).
Für die Betriebsnachfolgehaftung ist nicht maßgebend, ob der Vorgänger auf Dauer in der Lage war, mit den Betriebsmitteln, die auf den Nachfolger übergingen, ohne nennenswerte Investitionen Gewinne zu erzielen oder zumindest Verluste zu vermeiden; ausschlaggebend ist vielmehr, ob vom Nachfolger eine organisierte Erwerbsgelegenheit als Objekt im Rechtsverkehr erworben wurde, die als solche geeignet ist, unabhängig von den im Zeitpunkt des Erwerbes gegebenen Gewinnchancen oder Verlustgefahren, wirtschaftlich werthafte Leistungen auf den für sie in Betracht kommenden Markt zu erbringen. Wurden vom Nachfolger nicht ein Betrieb als solcher, sondern nur Betriebsmittel erworben, so kommt es für die Qualifizierung als Betriebserwerb im Sinne des § 67 Abs. 4 ASVG darauf an, ob jene Betriebsmittel erworben wurden, die nach der Betriebsart und dem Betriebsgegenstand die wesentliche Grundlage des Betriebes des Vorgängers, also die Grundlage für die Erbringung wirtschaftlich werthafter Leistungen im genannten Sinn gebildet haben und den Erwerber mit ihrem Erwerb objektiv in die Lage versetzen, den Betrieb (in dem Umfang, mit dem Betriebsgegenstand und in der Betriebsart wie der Vorgänger) - unter Einsatz weiterer, nicht die wesentliche Grundlage des Betriebes bildender Betriebsmittel - fortzuführen (vgl. das ebenfalls zu § 67 Abs. 4 ASVG in der Fassung vor der 41. Novelle ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. November 1987, Zl. 86/08/0217, auf das unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der hg. Geschäftsordnung BGBl. Nr. 45/1965 hingewiesen wird).
Die Sachverhaltsannahme der belangten Behörde, wonach die von der Beschwerdeführerin erworbenen Betriebsmittel die wesentliche Grundlage des Betriebes des LC sen. gewesen seien, gründet sich auf die Aussage der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vom 3. September 1985. Nach der darüber aufgenommenen Niederschrift seien sämtliche Gegenstände, die inventarisiert worden seien, von der Beschwerdeführerin erworben worden. Mit diesen im Inventar enthaltenen Gegenständen sei der Betrieb von LC sen. bis zu seinem Tode geführt worden.
Die weitere Rechtsfrage, ob die Beschwerdeführerin objektiv in der Lage gewesen wäre, mit den ca. 1 Jahr später gekauften Gegenständen den Betrieb (in dem Umfang, mit dem Betriebsgegenstand und in der Betriebsart wie LC sen.) fortzuführen, wurde von der belangten Behörde nach der Begründung des angefochtenen Bescheides bejaht.
Für die Führung eines Betriebes - im Sinne der oben wiedergegebenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - sind verschiedene Umstände maßgebend. Bei einem Betrieb, der die Umarbeitung von Türen zum Gegenstand hat, ist nicht zu erkennen, weshalb nicht nur die Betriebsmittel die wesentliche Grundlage sind, sondern auch etwa das Geschäftswissen oder sonstiges.
Da bei einem derartigen Betrieb nicht von einer Laufkundschaft auszugehen ist, kann ebenso nicht von vornherein angenommen werden, daß dem Verstreichen von ca. einem Jahr Bedeutung zukommt.
Deshalb ergeben sich im gegenständlichen Fall keine Umstände dafür (und es wurde von der Beschwerdeführerin diesbezüglich auch nichts vorgebracht), daß die Beschwerdeführerin objektiv nicht in der Lage gewesen sein sollte, den Betrieb wie LC sen. weiterzuführen. Die Beurteilung der belangten Behörde, daß für die Beschwerdeführerin die objektive Möglichkeit einer Fortführung gegeben gewesen sei, ist somit nicht rechtswidrig.
Aus diesen Erwägungen ist die vorliegende Beschwerde unbegründet und gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 243/1985.
Wien, am 27. September 1988
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