Normen
FlVfGG §20;
FlVfGG §31;
FlVfLG Tir 1978 §54 Abs2 litb idF 1982/027;
FlVfGG §20;
FlVfGG §31;
FlVfLG Tir 1978 §54 Abs2 litb idF 1982/027;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 9.870,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 15. März 1976 leitete das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz gemäß § 61 Abs. 3 TFLG 1969 das Verfahren zur Regulierung der gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte für die Agrargemeinschaft A (mit dem agrargemeinschaftlichen Grundstück 1223 EZ. 154 II KG Y) ein und erließ in der Folge gemäß §§ 64, 52, 54 und 56 TFLG 1978 den die Liste der Parteien und das Verzeichnis der Anteilsrechte enthaltenden Bescheid vom 30. März 1982, in dem unter anderem ausgesprochen wurde, daß den Eigentümern der Liegenschaften EZ. 28 II KG X (erstmitbeteiligte Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens) und EZ. 181 II KG X (zweitmitbeteiligte Partei), ebenso den Eigentümern der Liegenschaften EZ. 157 II und 159 II KG X"entgegen dem Grundbuchsstand keine Berechtigung und kein Anteil an der Gp. 1223 in EZl 154 II KG Y" zustehe. Der Berufung der beiden Mitbeteiligten, die sich gegen ihren Ausschluß von den Anteilsrechten wandten, gab hierauf der Landesagrarsenat beim Amt der Tiroler Landesregierung mit Erkenntnis vom 8. Juli 1982 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 und § 54 Abs. 2 lit. b TFLG 1978 Folge und behob den erstinstanzlichen Bescheid, um, wie es in der Begründung heißt, der Agrarbehörde erster Instanz die Möglichkeit zu geben, neuerlich die Anteilsrechte der berechtigten Liegenschaften unter Einbeziehung der vorgenannten Liegenschaften zu ermitteln. Die gegen die zweitinstanzliche Entscheidung erhobene Berufung der Beschwerdeführer und anderer Parteien, die ihre eigenen Anteile durch die Aufnahme zusätzlicher Liegenschaften geschmälert sahen, wies schließlich der Oberste Agrarsenat beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft mit Erkenntnis vom 2. Februar 1983 gemäß § 1 AgrVG 1950, § 66 Abs. 4 AVG 1950 und § 54 Abs. 2 lit. b TFLG 1978 im wesentlichen mit folgender Begründung ab: Die Frage, ob den jeweiligen Eigentümern der Liegenschaften EZ. 28 II und 181 II Anteilsrechte an der agrargemeinschaftlichen Liegenschaft zustünden, sei gemäß § 54 Abs. 2 TFLG 1978 in Ermangelung eines Übereinkommens nach den vorhandenen Urkunden zu ermitteln. Hiezu seien die Servitutenregulierungsurkunde vom 5. August 1882, Nr. 13747/864, das Grundbuchsanlegungsprotokoll für die Katastralgemeinde Y vom 3. Juli 1923 und der aktuelle Grundbuchsstand zur Verfügung gestanden. Nun stehe fest, daß die Liegenschaften EZ. 28 II, 157 II, 159 II und 181 II nicht in der Servitutenregulierungsurkunde aufschienen, hingegen bei der Grundbuchsanlegung 1923 als anteilsberechtigt genannt worden seien; das diesbezügliche Protokoll sei vom Obmann der damaligen Ainteressentschaft sowie einem Vertrauensmann unterfertigt worden. Als zeitlich letzte Urkunde biete sich somit das Grundbuch an; dieses sei ein öffentliches Register, seinen Eintragungen komme öffentlicher Glaube zu. Wenn auch Anteilsrechte keine bücherlichen Rechte seien und ihre Eintragung im Grundbuch nicht rechtsbegründend wirke, würden doch mit ihrer Ersichtlichmachung rechtserhebliche Tatbestände aufgezeichnet und damit im Interesse der Rechtssicherheit in der Erinnerung festgehalten. Die Mitwirkung von Behörden an der Aufzeichnung garantiere zudem weitgehend deren inhaltliche Richtigkeit. Der Oberste Agrarsenat sei der Ansicht, daß die von den Behörden geführten öffentlichen Bücher und Register öffentliche Urkunden seien, weshalb der grundbücherlichen Ersichtlichmachung der Anteilsrechte an der agrargemeinschaftlichen Liegenschaft die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde zukomme, die gemäß § 47 AVG 1950, § 292 Abs. 1 ZPO vollen Beweis dessen begründe, was darin vom Gericht bezeugt werde; gemäß § 47 AVG 1950, § 292 Abs. 2 ZPO sei der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsache oder der unrichtigen Beurkundung zulässig. Wenn nun die Beschwerdeführer die grundbücherliche Eintragung im Hinblick auf die Servitutenregulierungsurkunde für unrichtig hielten, hätten sie damit einen solchen Beweis nicht erbracht, denn diese Urkunde stamme aus einer Zeit lang vor der Grundbuchsanlegung und lasse daher das spätere Schicksal der Anteilsrechte nicht erkennen. Aus dem bei der Grundbuchsanlegung erstellten Protokoll aus 1923, welches immerhin von zwei mit der Sachlage wohlvertrauten Personen unterfertigt worden sei, müsse geschlossen werden, daß die Verteilung der Anteilsrechte nach dem Grundbuchsstand auch den "tatsächlichen rechtlichen" Verhältnissen entsprochen habe. Mit der zeitlich früheren Servitutenregulierungsurkunde könne daher die Unrichtigkeit des Grundbuches nicht nachgewiesen werden. Aber auch die im Verfahren behauptete bzw. bestrittene Rechtsausübung könne am Bestehen der Anteilsrechte nichts ändern; diese seien nämlich Einrichtungen des öffentlichen Rechtes und könnten somit mangels anders lautender gesetzlicher Bestimmungen weder durch Nichtausübung erlöschen noch durch Ausübung erworben werden. Daran könne auch das Vorbringen der Beschwerdeführer nichts ändern; dies bedeute, daß damit die Liegenschaften der Mitbeteiligten - die noch an einer anderen Agrargemeinschaft beteiligt sind - gleichzeitig in zwei verschiedenen Waldgebieten ein Bezugsrecht hätten.
Dieser Bescheid wird mit der vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften) bekämpft, wobei sich die Beschwerdeführer durch die in der Aufnahme weiterer Anteilsberechtigter gelegene Verkürzung ihrer eigenen agrargemeinschaftlichen Anteile in ihren Rechten verletzt erachten; sie stützen sich auf die Regulierungsurkunde aus 1882 und halten die Heranziehung späterer grundbücherlicher Eintragungen für verfehlt; im einzelnen wird auf das Beschwerdevorbringen noch im folgenden eingegangen.
Die belangte Behörde und die mitbeteiligten Parteien erstatteten Gegenschriften, in denen sie die Abweisung der Beschwerde beantragten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In Streit steht im Beschwerdefall der Bestand von an die genannten Liegenschaften der Mitbeteiligten gebundenen Anteilsrechten. In der mehrfach erwähnten Servitutenregulierungsurkunde sind diese nicht enthalten. Hingegen werden im B-Blatt der Grundbuchseinlage über die agrargemeinschaftliche Liegenschaft mit Bezug auf das Protokoll Nr. 355 (das ist jenes vom 3. Juli 1923) als Mitglieder der Ainteressentschaft die Eigentümer unter anderem der Liegenschaften 28 II, 157 II, 159 II und 181 II bezeichnet; ferner liegt die Kopie einer Beschlußausfertigung des Bezirksgerichtes Zell am Ziller vom 26. Jänner 1933 bei den Verwaltungsakten, wonach auf Grund des Evidenzblattes der Grundbuchsanlegungskommission Zell am Ziller im A2-Blatt derselben Grundbuchseinlagen die Ersichtlichmachung der Mitgliedschaft an der A-interessentschaft verordnet wurde.
Zu Recht hat nun, und dies wird auch von den Beschwerdeführern nicht bemängelt, die belangte Behörde gemäß § 64 TFLG 1978 den § 54 Abs. 2 lit. b dieses Gesetzes (damals noch in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 18/1984) angewendet, wonach, wenn ein Übereinkommen nicht erzielt wird, die Anteilsrechte, soweit ein urkundlicher Nachweis über ihren Bestand oder Umfang vorhanden ist, nach diesem, sonst nach dem Haus- und Gutsbedarf zu ermitteln sind. Bestritten wird von den Beschwerdeführern zunächst, daß es einen derartigen urkundlichen Nachweis über den Bestand der in Frage stehenden Rechte gibt. Die Beschwerdeführer meinen in diesem Zusammenhang, die Grundbuchseintragung, auf die sich die belangte Behörde, so wie der Landesagrarsenat, stütze, könne nicht als urkundlicher Nachweis im Sinne des § 54 TFLG 1978 gelten, denn damit seien lediglich konstitutive, also etwa Servitutenregulierungsurkunden, nicht rein deklarative Urkunden erfaßt, wie sie das Grundbuch darstelle, von dem im Gesetz nicht die Rede sei. Diese Auffassung ist jedoch unzutreffend; das Gesetz kennt eine solche Unterscheidung nicht. Zu Recht bemerkt zudem die belangte Behörde in der Gegenschrift, dem Standpunkt der Beschwerdeführer folgend dürften auch Servitutenregulierungsurkunden nicht herangezogen werden, da das Gesetz auch sie nicht eigens erwähne; dem ist noch hinzuzufügen, daß die in Rede stehende Urkunde aus 1882, von gleichzeitig vereinbarten Änderungen der Rechts- und Benützungsverhältnisse abgesehen, insofern deklarativen Charakter hat, als Nutzungsberechtigungen nicht neu geschaffen, sondern als bereits bestehend verzeichnet wurden, was auch sonst einen wesentlichen Teilinhalt von Servituten"regulierungs"urkunden ausmacht. Eine Priorität, die ganz allgemein derartigen vor anderen Urkunden zukäme, wie die Beschwerdeführer behaupten, legt das hier anzuwendende Gesetz jedenfalls nicht fest. Die Beschwerdeführer halten die Urkunde aus 1882 auch deswegen für allein maßgebend, weil sie älter als die grundbücherliche Eintragung sei und die Rechte der angegebenen Art seit dem kaiserlichen Patent vom 5. Juli 1853, RGBl. Nr. 130, weder hätten ersessen noch ohne Zustimmung der Agrarbehörden neu begründet werden können. Eine Ersitzung wurde allerdings von keiner Seite in Erwägung gezogen (und kam auch nicht in Betracht), Veränderungen hingegen waren vor und seit dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 19. Juni 1909, GVBl. Nr. 61, welches gemäß § 135 das erwähnte Patent aus 1853 in bezug auf die gemeinschaftlichen Besitz- und Benützungsrechte außer Wirksamkeit setzte, zulässig (§§ 125 ff). Davon abgesehen bedurfte es aber gar nicht der Annahme inzwischen eingetretener Änderungen, um einer späteren Urkunde unter Umständen mehr Gewicht beizumessen; die Urkunde aus 1882, welche die Liegenschaften der Mitbeteiligten nicht unter den berechtigten Objekten erwähnt, enthält selbst unter Punkt 1.) des Ablösungs- und Regulierungs-Vergleiches im Zusammenhang mit der Übergabe der belasteten Waldung in das gemeinschaftliche Eigentum den Vorbehalt "ohne Haftung für Grenzen und Flächenmaß und allfällige Ansprüche dritter Personen" (was immer unter letzterer Wendung verstanden worden sein mochte). Auch der Beschwerdeeinwand, die Behörde hätte sich deshalb an die Urkunde aus 1882 halten müssen, weil das Servitutenregulierungsverfahren "wesentlich genauer" gewesen sei und dort auch der genaue Umfang der Anteilsrechte, also die mit ihnen verbundenen Nutzungsrechte, bestimmt worden seien, ist nicht stichhaltig. Denn zum einen waren von den grundbücherlichen Eintragungen ihrer Art nach weitergehende Angaben nicht zu erwarten, was die Glaubwürdigkeit, den Bestand der Rechte betreffend, nicht berührt; zum andern muß das Grundbuchsanlegungsverfahren - ohne daß es notwendig wäre, Vergleiche zwischen den verschiedenen Verfahren anzustellen -, betrachtet man die Regelung der § 15 bis 35 des Gesetzes vom 17. März 1897, GVBl. Nr. 9, sowie die Bestimmungen der Verordnung vom 10. April 1898, GVBl. Nr. 9, den Anforderungen, die an eine genaue Erhebung zu stellen ist, jedenfalls als in hohem Maß entsprechend angesehen werden. Wenn die Beschwerdeführer schließlich dafürhalten, daß es, was die fraglichen Anteilsrechte betrifft, keinen Grund gebe, dem seinerzeitigen Obmann der betroffenen Agrargemeinschaft und dem Vertrauensmann, die gemeinsam das Protokoll aus 1923 unterschrieben hätten, mehr Glauben zu schenken als den Beschwerdeführern, von denen der Erstbeschwerdeführer nun Obmann und der Zweitbeschwerdeführer Ausschußmitglied der Agrargemeinschaft sei, ist ihnen zu entgegnen, daß es nicht um die Wertung rund sechzig Jahre auseinanderliegender widersprechender Aussagen geht, sondern daß das bei der Grundbuchsanlegung verfaßte Protokoll - eine öffentliche Urkunde - das amtliche Ergebnis der damals getätigten Ermittlungen darstellt, und nach dem Gesetz nicht (unterschiedliche) Aussagen als solche, sondern "urkundliche Nachweise" maßgebend sind.
Mit den vorstehenden Erwägungen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht in den allein der Verwaltungs-(Agrar‑)Behörde gemäß § 45 Abs. 2 AVG 1950 vorbehaltenen Beweiswürdigungsvorgang eingetreten. Es ist jedoch deutlich gemacht worden, daß sich unter Bedachtnahme auf das Beschwerdevorbringen - auch sonst ist nichts anderes hervorgekommen - eine Unschlüssigkeit bei der behördlichen Beurteilung des Sachverhaltes nicht erkennen läßt. Die in der Sachverhaltsdarstellung wiedergegebene Begründung für die mit dem angefochtenen Erkenntnis getroffene Entscheidung kann daher, was die agrargemeinschaftlichen Rechte der beiden Mitbeteiligten anlangt, nicht für rechtswidrig befunden werden.
Dennoch wird mit dem angefochtenen Erkenntnis, und zwar aus folgendem Grund, in Rechte der Beschwerdeführer eingegriffen: Der Landesagrarsenat hatte den vor ihm bekämpften Bescheid der Agrarbehörde erster Instanz gemäß § 66 "Abs. 4" AVG 1950 "behoben". Zu einer Bescheidbehebung in der Sache bestand indes kein rechtserheblicher Anlaß und es wurde ein Grund dafür, daß die Entscheidung der Agrarbehörde erster Instanz von Rechts wegen gar nicht hätte getroffen werden dürfen - vgl. dazu die Ausführungen bei Walter-Mayer, Verwaltungsverfahren4, Rz 538, 547 -, im Erkenntnis des Landesagrarsenates auch gar nicht behauptet. Die Behebung läßt sich ebensowenig als solche gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1950 verstehen, wobei nur die richtige Absatzbezeichnung verfehlt worden wäre; denn es ist weder dem Spruch ein Hinweis darauf - etwa durch Verweisung der Angelegenheit an die Behörde erster Instanz - zu entnehmen noch in der Begründung die Rede davon, daß ein mangelhafter Sachverhalt eine mündliche Verhandlung unvermeidlich erscheinen lasse und die Berufungsbehörde zweiter Instanz auf der Grundlage ihrer Rechtsanschauung noch erforderliche Ermittlungen nicht selbst vornehmen könne.
Die insoweit im Erkenntnis des Landesagrarsenates gelegene Rechtswidrigkeit wurde im nun angefochtenen Erkenntnis der belangten Behörde nicht wahrgenommen, womit dieses seinerseits mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet ist und daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG und der Verordnung BGBl. Nr. 243/1985, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2; Stempelübergebühren in der Höhe von 400 S konnten nicht vergütet werden.
Wien, am 23. Februar 1988
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