VwGH 87/08/0053

VwGH87/08/005329.6.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident DDr. Heller und die Hofräte Dr. Liska, Dr. Knell, Dr. Puck und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. Novak, über die Beschwerde des Mag. pharm. ET in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Lenneis, Rechtsanwalt in Wien 1, Singerstraße 8, gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom 23. Dezember 1986, Zl. IV‑245.161/4‑4/86, betreffend Erteilung der Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke im 23. Wiener Gemeindebezirk (mitbeteiligte Partei: Mag. pharm. EP in E, vertreten durch Dr. Heinrich Orator, Rechtsanwalt in Wien II, Am Tabor 2), zu Recht erkannt:

Normen

ApG 1907 §10 Abs1 Z2 idF 1984/502
ApG 1907 §10 Abs1 Z3
ApG 1907 §10 Abs2 idF 1984/502
ApG 1907 §10 Abs3
ApG 1907 §51 Abs3 idF 1984/502
ApGNov 1984 Art3 Abs4
AVG §45 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z3 litc
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1987:1987080053.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird insoweit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, als mit ihm im Punkt I der mitbeteiligten Partei eine Apothekenkonzession erteilt und der Einspruch des Beschwerdeführers abgewiesen wurde.

Der Bund (Bundesminister für Gesundheit und öffentlicher Dienst) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.840,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Hinsichtlich der Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Mai 1985, Zl. 83/08/0181, verwiesen, mit dem der im Instanzenzug ergangene Bescheid der belangten Behörde vom 14. Juni 1983 teilweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben wurde.

Mit Punkt I des angefochtenen Bescheides gab die belangte Behörde der von der mitbeteiligten Partei gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 14. Mai 1981, Zl. MA 14‑24/1978, mit dem deren Ansuchen um Erteilung einer Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke in Wien 23, abgewiesen wurde, rechtzeitig eingebrachten Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 im Zusammenhang mit den §§ 10, 51 Abs. 1 und 48 Abs. 2 Apothekengesetz (ApG), RGBl. Nr. 5/1907 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 502/1984, Folge und erteilte der Mitbeteiligten die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke im 23. Wiener Gemeindebezirk mit einem näher bezeichneten Standort. Die Einsprüche von vier Nachbarapothekern, u.a. der des Beschwerdeführers, wurden gemäß § 10 ApG abgewiesen. Mit Punkt II wurde festgestellt, daß die für die Erteilung der Konzession an die Mitbeteiligte vorschriebenen Abgaben und Gebühren bereits entrichtet worden seien. Die Punkte III und IV betreffen Einsprüche anderer Apotheker.

In der Bescheidbegründung geht die belangte Behörde davon aus, daß sie dem Ersatzbescheid die durch die Apothekengesetznovelle 1984 geänderte Rechtslage zugrundezulegen habe. Danach hätten Nachbarapotheker grundsätzlich auch Parteistellung in der Bedarfsfrage. Entsprechend den Grundgedanken des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Februar 1986, Zlen. 85/08/0056, AW 85/08/0017, sei die belangte Behörde auch im Beschwerdefall berechtigt und verpflichtet gewesen, über die Bedarfsfrage zu entscheiden. Hiezu sei jedoch die neuerliche Durchführung eines Ermittlungsverfahrens nicht erforderlich gewesen, zumal aus dem vorangegangenen Verwaltungsverfahren eindeutig ersichtlich sei, daß die von der neuen Apotheke zu versorgende Personenanzahl auch im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 1 lit. b ApG weit über 5.500 betrage. Im einzelnen werde vollinhaltlich auf die Beurteilung der Bedarfsfrage im Bescheid vom 14. Juni 1983 verwiesen, wobei bereits damals unter anderem im Wohnpark A mehr als 9.000 Personen zu verzeichnen gewesen seien. Danach sei ein Bedarf für die neue Apotheke im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 2 ApG zu bejahen. Das Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen nach § 3 ApG sei durch die von der Mitbeteiligten vorgelegten Urkunden nachgewiesen. Die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 1 ApG sei gegeben, da die Versorgung durch vorhandene Ärzte aktenkundig sei. Es sei aber auch eine Existenzgefährdung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 3 und Abs. 3 ApG zu verneinen. Diesbezüglich sei im Verlauf des fortgesetzten Verwaltungsverfahrens bekanntgeworden, daß die öffentliche Apotheke in A mit der Betriebsstätte B Straße 44, top nn, 1232 Wien, bereits am 19. Dezember 1983 eröffnet worden sei und die Mitbeteiligte gemäß § 19 a Abs. 2 ApG mit Rücksicht auf den vorliegenden Bedarf der Bevölkerung die Fortführung der Apotheke beantragt habe. In Anbetracht dieser Änderung der Sachlage sei von einer neuerlichen Rezeptzählung im Sinne der Ausführungen im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Mai 1985 zwecks Erfassung eines prognostizierten Umsatzverlustes abzusehen und gemäß der bisher geübten Verwaltungspraxis in derartigen Fällen von den nun bestehenden tatsächlichen Gegebenheiten auszugehen gewesen. Darauf beruhe das gemäß § 10 Abs. 3 ApG eingeholte Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer vom 8. April 1986. Nach den „Feststellungen des vollständigen und schlüssigen Gutachtens“, denen sich die belangte Behörde vollinhaltlich anschließe, bestehe keine Existenzgefährdung.

Im Punkt I dieses Gutachtens legt die Österreichische Apothekerkammer nach Zitierung des § 10 Abs. 3 ApG die Grundsätze dar, auf denen das Gutachten beruhe. Dieser Punkt lautet:

„Laut Erlaß des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom 5. Juli 1985, Zl. IV-51.301/13-4/85, hat die Existenzfähigkeitsprüfung einer bestehenden Apotheke im Sinne der zitierten Gesetzesstelle objektiviert aufgrund statistischer Unterlagen nach Vergleichsgruppen (verba legalia: ‚vergleichbaren öffentlichen Apotheken‘) zu erfolgen. Eine nach objektiven Kriterien zu erwartende Existenzgefährdung wäre zu bejahen, wenn der zu erwartende künftige Umsatz der bestehenden Apotheke den durchschnittlichen Umsatz (Schwellenwert) der in der Vergleichsgruppe befindlichen existenzfähigen Apothekenbetriebe, welcher unter Ausschluß atypischer Elemente, darunter auch existenzgefährdeter Betriebe, zu ermitteln ist, unterschreitet. Andernfalls wäre zu erwarten, daß die bestehende Apotheke, wenn sie wirtschaftlich geführt wird, lebensfähig sein wird, da alle anderen Apotheken unter statistisch vergleichbaren Bedingungen (langfristig) tatsächlich lebensfähig sind.

Grundlage der Berechnungen bilden die betrieblichen Meldekarten gemäß § 4 der Umlagenordnung der Österreichischen Apothekerkammer (genehmigt mit Erlaß des Bundesministeriums für soziale Verwaltung zuletzt vom 16.1.1962, Zl. V‑4911‑25/4‑1962). Diese Meldekarten unterliegen einer strengen formellen wie materiellen Prüfung. Die Österreichische Apothekerkammer ist berechtigt, die Vorlage von Nachweisen, insbesondere von steuerbehördlich bestätigten Umsatzsteuererklärungen, zu verlangen, und macht von diesem Recht sowohl für stichprobenweise Überprüfungen als auch bei atypischer Datenstruktur und/oder ‑entwicklung Gebrauch.

Gemäß § 10 Abs. 3 Apothekengesetz hat das Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer die künftige Lage und Entwicklung der bestehenden Apotheke nicht nur unter Berücksichtigung der nach statistischen Grundsätzen ermittelten ‚durchschnittlichen und objektiv angemessenen Erträge‘, sondern auch der ‚durchschnittlichen und objektiv angemessenen Kosten‘ vergleichbarer öffentlicher Apotheken, d.s. solche mit pharmazeutisch ordnungsgemäßer und wirtschaftlich rationeller Betriebsführung, ‚nach wirtschaftlichen Grundsätzen‘ zu beurteilen. Nach ho. Auffassung sind demnach als ‚atypische Elemente‘ im Sinne des zitierten Erlasses für die Ermittlung des maßgeblichen durchschnittlichen Umsatzes der relevanten Vergleichsgruppe auch jene Apothekenbetriebe auszuscheiden, deren Erträge, d. s. im wesentlichen die Umsätze, bzw. Kosten den gesetzlich normierten Erfordernissen ‚objektive Angemessenheit‘ in der spezifischen Vergleichsgruppe sowie ‚pharmazeutisch ordnungsgemäße und wirtschaftlich rationelle Betriebsführung‘ nicht entsprechen.

Die Errechnung des Schwellenwertes der jeweils heranzuziehenden Vergleichsgruppe erfolgt - da ausschließlich mit ‚unter statistisch vergleichbaren Bedingungen (langfristig) tatsächlich lebensfähigen anderen Apotheken‘ zu vergleichen ist - im Rahmen eines Regressionsmodells, bei dem die jeweils relevante Information (Turnus, Personalausstattung) aller vergleichbarer Apotheken berücksichtigt wird. Eine solche Vorgangsweise gewährleistet eine breite Datenbasis und damit höchstmögliche Qualität der Berechnungen.

Bei der Personalausstattung wird jenes Arbeitsausmaß herangezogen, welches in Ansehung durchschnittlicher und objektiv angemessener Kosten für nötig erachtet wird, um jedenfalls - also etwa auch im Falle der krankheitsbedingten Verhinderung des Apothekenleiters - den Fortbestand der bestehenden Apotheke bei der ho. angenommenen künftigen Bereitschaftsdienstleistung unter Aufrechterhaltung einer ordnungsgemäßen und wirtschaftlich rationellen Betriebsführung zu gewährleisten. Insbesondere wird eine solche regelmäßig über dem Dienstausmaß eines alleinarbeitenden Apothekenleiters liegende Personalausstattung ho. auch als zuverlässiger Indikator für eine langfristige Abgeltung nicht buchmäßiger (kalkulatorischer) Kosten in einem solchen Umfang, wie zur Gewährleistung des Fortbestandes der Apotheke unbedingt nötig ist, gesehen. Als Bestandsgarantie für eine solche Abgeltung werden die auf eine durchschnittliche und objektiv angemessene Kostengestaltung öffentlicher Apotheken Rücksicht nehmenden Ertragsregelungen der Österreichischen Arzneitaxe angesehen.“

Nach einer Auflistung der Strukturdaten in dem mit „Befund“ überschriebenen Punkt II des Gutachtens gelangt die Österreichische Apothekerkammer im Punkt III zu folgendem Ergebnis:

„Aufgrund des o.a. Befundes hat die ‚S‑Apotheke‘, Wien 23., im Jahr 1984 eine Gesamtumsatzeinbuße gegenüber dem Vorjahr in Höhe von rund 28,8 % erfahren. Unter Berücksichtigung einer durchschnittlichen Gesamtumsatzsteigerung aller Wiener Apotheken von 1,8 % im selben Zeitraum ergibt sich eine reale Umsatzeinbuße von rund 30,1 %. Diese Umsatzeinbuße scheint aufgrund der ho. vorliegenden Unterlagen durch die Neueröffnung der Apotheke ‚A‘, Wien 23., bedingt. Eine solche Verursachung wird durch die oben angeführte Entwicklung der Umsätze mit begünstigten Beziehern im Zeitraum nach Eröffnung der neuen Apotheke bestätigt. Andere Ursachen für einen Umsatzrückgang sind ho. nicht bekannt.

Aufgrund der Entwicklung der Monatsumsätze der ‚S‑Apotheke‘ mit begünstigten Beziehern bis zum Rezeptmonat Dezember 1985 im Vergleich zur durchschnittlichen Entwicklung der Monatsumsätze aller Wiener Apotheken erscheint abgesichert, daß trotz des verhältnismäßig kurzen Bestandes der Apotheke ‚A‘ mit einer Dauer von knapp 2 Jahren (bis inkl. 12/1985) die im Jahr 1984 erfolgte Umsatzverschiebung zwischen den beiden Apotheken abgeschlossen ist. Dies wird auch dadurch bestätigt, daß der gesamte Apothekenumsatz der prüfungsgegenständlichen Apotheke 1985 gegenüber 1984 um 3,8 % gestiegen ist. Somit erscheint ho. ein nachhaltig erzielbarer Umsatz von rund 7,139 Mio.S (Wert 1984) für die prüfungsgegenständliche Apotheke absehbar. Dieser Erwartungsumsatz entspricht dem tatsächlichen Umsatz 1984.

Hinsichtlich des Turnus ist zu bemerken, daß die ‚S-Apotheke‘, Wien 23., heute ebenso wie vor der am 15. Dezember 1983 erfolgten Neueröffnung der Apotheke ‚A‘ in Wien 23., an dem für Wien geltenden regelmäßig wechselnden Bereitschaftsdienst (Turnus VII) teilnimmt.

Beim Personal wurden in Anwendung der unter I. dargelegten Grundsätze als Vergleichsgruppe solche Betriebe herangezogen, die eine Fachpersonalausstattung von insgesamt 12/10 (inkl. Apothekerleiter) und eine Ausstattung mit Apothekenpersonal von 20/10 aufweisen.

Unter Berücksichtigung der unter I. angeführten Grundsätze wurde der durchschnittliche Umsatz (= Schwellenwert) der mit der Apotheke des Einspruchswerbers vergleichbaren Apotheken (12/10 Fachpersonal inkl. Apothekenleiter, 20/10 Hilfspersonal, Bereitschaftsdienstklasse VII) im Sinne des § 10 Abs. 3 Apothekengesetz mit rund 5,798 Mio. S (Wert 1984) ermittelt.

Stellt man den nach ho. Auffassung nachhaltig erzielbaren Umsatz von rund 7,139 Mio. S diesem Schwellenwert in Höhe von rund 5,798 Mio. S gegenüber, so erscheint der Fortbestand der ‚S-Apotheke‘ in Wien 23. auch nach Neuerrichtung der Apotheke ‚A‘ in Wien 23. bei pharmazeutisch ordnungsgemäßer und wirtschaftlich rationeller Betriebsführung gewährleistet.“

Wenn der Beschwerdeführer, so fährt die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides fort, in seinen Stellungnahmen zum Gutachten auf die Notwendigkeit der Gegenüberstellung von Ertrag und Leiterkosten und die diesbezügliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verweise, so sei dies in Ansehung der geänderten Rechtslage als überholt zu betrachten. Daß eine Rezeptzählung zur Feststellung, welche Rezepte der bestehenden Apotheke verlorengehen würden, bei bereits eröffneter neuer Apotheke nicht mehr durchführbar sei, ergebe sich von selbst, da nun eben vom tatsächlichen Umsatzverlust, d.h. von jenen Umsätzen auszugehen sei, die der bestehenden Apotheke verloren gegangen seien. Wenn weiters die Erstellung einer genauen Zukunftsprognose verlangt werde, so werde unter Hinweis auf Punkt I des genannten Gutachtens festgestellt, daß die Existenzgefährdungsprüfung nach statistischen Grundsätzen davon ausgehe, daß andere vergleichbare Apotheken langfristig tatsächlich lebensfähig seien.

Mit der vorliegenden Beschwerde bekämpft der Beschwerdeführer Punkt I dieses Bescheides insofern, als mit ihm der Mitbeteiligten die Apothekenkonzession erteilt und sein Einspruch abgewiesen wurde.

Die belangte Behörde und die Mitbeteiligte erstatteten Gegenschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer wendet sich zunächst gegen die Bejahung des Bedarfes für eine neue Apotheke im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 2 ApG durch die belangte Behörde. Anders als nach der Rechtslage vor der Apothekengesetznovelle 1984, von der das Vorerkenntnis ausgegangen sei, komme ihm nach der neuen Rechtslage auch diesbezüglich die Beschwerdelegitimation zu. Die belangte Behörde habe sich mit den im § 10 Abs. 2 ApG aufgezählten Kriterien des Bedarfes überhaupt nicht auseinandergesetzt und dies auch nicht als notwendig erachtet. Es liege daher nicht nur eine entscheidungsrelevante Verletzung von Verfahrensvorschriften, sondern überdies auch ein gravierender Rechtsirrtum vor. Die belangte Behörde ziehe nämlich aus § 10 Abs. 2 Z. 1 lit. a ApG, wonach kein Bedarf nach einer neuen Apotheke bei weniger als 5.500 zu versorgenden Personen bestehe, den völlig ungerechtfertigten Umkehrschluß, daß bei einer Personenzahl, die 5.500 übersteige, Bedarf gegeben sei. Bei Richtigkeit dieses Umkehrschlusses wäre der erster Satz des § 10 Abs. 2 leg. cit. mit seinen zahlreichen Prüfungskriterien völlig überflüssig, da ja dann einfach auf eine Zahl abzustellen wäre. Der Beschwerdeführer sei zu diesem Problemkreis des § 10 Abs. 2 leg. cit. nicht befragt und daher in einem wesentlichen Recht (Recht der Stellungnahme, Grundsatz des beiderseitigen Gehörs) gravierend verletzt worden.

Daran ist zunächst richtig, daß dem Beschwerdeführer auch diesbezüglich Beschwerdelegitimation zukommt. Eine Bindung an die im Vorerkenntnis zur Rechtslage vor der Apothekengesetznovelle 1984 ausgesprochene Rechtsansicht besteht wegen Änderung dieser Rechtslage durch die genannte Novelle nicht. Die Meinung der Mitbeteiligten, es sei die diesbezügliche Beschwerdelegitimation des Beschwerdeführers nach Art. III Abs. 4 der Apothekengesetznovelle 1984 zu verneinen, ist unzutreffend, da im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle am 1. Jänner 1985 das Konzessionsverfahren nicht mehr anhängig, sondern bereits rechtskräftig abgeschlossen war.

Die erhobenen, oben wiedergegebenen Beschwerdeeinwände sind aber nicht berechtigt. Die belangte Behörde hat nicht, wie der Beschwerdeführer meint, „aus § 10 Abs. 2 Z. 1 lit. a ApG“ (richtig: § 10 Abs. 2 Z. 1 lit. b ApG) den angeführten Umkehrschluß gezogen; die diesbezüglichen Begründungsteile sind vielmehr im Gesamtzusammenhang der Begründung so zu verstehen, daß jedenfalls nicht diese negative Tatbestandsvoraussetzung vorliege, im übrigen aber aus den Erwägungen des Bescheides vom 14. Juli 1983 der Bedarf für eine neue Apotheke zu bejahen sei. Danach befinde sich im Standort der neuen Apotheke der neu errichtete Wohnpark „A“, in dem seit 1978 sukzessive mehr als 9.000 Personen eingezogen seien. In diesem Wohnpark befänden sich auch zwei Ärztezentren, ferner ein Kaufpark, sodaß diese Anlage weitgehend in sich abgeschlossen sei, daß heiße, daß die dort wohnhafte Bevölkerung die Artikel des täglichen Bedarfes in ihrem unmittelbaren Wohnbereich besorgen könne. Dazu gehöre aber auch eine öffentliche Apotheke. Die nächsten, derzeit schon bestehenden öffentlichen Apotheken befänden sich zwar von der jeweils nächstgelegenen Standortgrenze der geplanten Apotheke nicht allzuweit entfernt, doch dürfe nicht übersehen werden, daß zur Erreichung der Apotheken stark frequentierte Straßen zu überqueren seien. In Ansehung der in diesem Gebiet bestehenden Gesamtsituation müsse die Bedarfsfrage bejaht werden. Wenn die belangte Behörde im Hinblick auf diese vom Beschwerdeführer in der Beschwerde nicht bekämpften Feststellungen vor dem Hintergrund der nach § 10 Abs. 2 erster Satz ApG vorrangigen Kriterien der versorgenden Personen unter Berücksichtigung der Einwohner und der Entfernung zur nächstgelegenen Bedarf für eine neue Apotheke bejaht hat, vermag der Verwaltungsgerichtshof darin keine Rechtswidrigkeit zu erblicken. Der Einwand der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist (unabhängig davon, ob bei der gegebenen Verfahrenskonstellation eine derartige Verletzung überhaupt vorliegt) schon deshalb nicht beachtlich, weil der Beschwerdeführer nicht dargetan hat, was er vorgebracht hätte, wenn ihm die belangte Behörde zur Bedarfsfrage Parteiengehör gewährt hätte (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Mai 1985, Zl. 84/11/0324 und vom 17. Oktober 1984, Zl. 84/11/0049).

2. Gegen die Verneinung der Existenzgefährdung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 3 und Abs. 3 ApG durch die belangte Behörde wendet der Beschwerdeführer ein, die belangte Behörde habe diesbezüglich die nach dem Vorerkenntnis bei der Existenzgefährdungsprüfung maßgeblichen Kriterien mit der nicht näher begründeten Ansicht übergangen, die diesbezügliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei zufolge der geänderten Rechtslage als überholt zu betrachten. Diese Rechtsansicht sei völlig unhaltbar, da sich „die relevante Bestimmung (Überprüfung der Existenzgefährdung) nicht geändert hat“. Auf Grund der unrichtigen Rechtsauffassung der belangten Behörde sei entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes weder a) Ertrag und Kosten eines verantwortlichen Apothekenleiters erhoben bzw. gegenübergestellt noch b) eine Prognostizierung des längerfristig zu erwartenden Umsatzverlustes vorgenommen noch c) eine Rezeptzählung veranlaßt noch d) der Reinertrag auf Grund prognostizierter Umsatzzahlen ermittelt noch e) der durch Gegenüberstellung von Reinertrag und Kosten relevante entscheidungswesentliche Schluß gezogen worden. Die von der Österreichischen Apothekerkammer angebotenen statistischen Daten seien nicht nachvollziehbar; so werde ohne Vergleichsmaterial angegeben, daß der Jahresumsatzvergleich bei gleichartigen Apotheken rund S 5,798 Mio betrage. Unklar sei, für welches Jahr das gelte. Auch sei auf die vom Beschwerdeführer im Verfahren vorgebrachten persönlichen atypischen Verhältnisse nicht eingegangen worden. Der Beschwerdeführer erwirtschafte seinen etwas über dem Durchschnitt gelegenen Ertragsprozentsatz auf Grund eines viel höher und physischen und psychischen Einsatzes als dies in Vergleichsunternehmen der Fall sei. Der Verwaltungsgerichtshof halte aber in ständiger Judikatur richtig fest, daß von durchschnittlichen Ertragssätzen auszugehen sei.

Sollte der Beschwerdeführer mit seinen Ausführungen meinen, die belangte Behörde habe gegen § 63 Abs. 1 VwGG verstoßen, so ist ihm nicht beizupflichten. Denn die belangte Behörde hatte die durch die Apothekengesetznovelle neugefaßten Bestimmungen des § 10 Abs. 1 Z. 3 und Abs. 3 ApG dem Ersatzbescheid zugrundezulegen. Bei deren Auslegung war sie aber nicht an die im Vorerkenntnis dargelegte Auslegung der vor der genannten Novelle geltenden Existenzgefährdungsnorm gebunden.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt aber aus nachstehenden Gründen nicht die Rechtsauffassung der belangten Behörde, es sei auf Grund der geänderten Rechtslage „die Notwendigkeit der Gegenüberstellung von Ertrag und Leiterkosten und die diesbezügliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ... als überholt zu betrachten.“

Die bezüglichen Bestimmungen in der Fassung der Apothekengesetznovelle 1984 lauten:

„§ 10 (1) Die Konzession für eine neu zu errichtende Apotheke ist zu erteilen, wenn

...

3. durch die Neuerrichtung die Existenzfähigkeit bestehender öffentlicher Apotheken nicht gefährdet wird.

...

(3) Eine öffentliche Apotheke gilt in ihrer Existenzfähigkeit gefährdet, wenn der Fortbestand der bestehenden Apotheke durch die Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke bei pharmazeutisch ordnungsgemäßer und wirtschaftlich rationeller Betriebsführung nicht gewährleistet erscheint. Hierüber ist ein Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer einzuholen. Das Gutachten hat unter Berücksichtigung der nach statistischen Grundsätzen durch die Österreichische Apothekerkammer ermittelten durchschnittlichen und objektiv angemessenen Kosten und Erträge vergleichbarer öffentlicher Apotheken die zu erwartende zukünftige betriebliche Lage und Entwicklung nach wirtschaftlichen Grundsätzen zu beurteilen.“

Anders als nach der früheren Rechtslage wird nunmehr durch § 10 Abs. 3 erster Satz ApG das negative Tatbestandsmerkmal der Existenzgefährdung bestehender öffentlicher Apotheken durch die beabsichtigte Neuerrichtung einer Apotheke umschrieben. Wann allerdings „der Fortbestand der bestehenden Apotheke durch die Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke bei pharmazeutisch ordnungsgemäßer und wirtschaftlich rationeller Betriebsführung nicht gewährleistet erscheint“, sagt das Gesetz nicht. Es bestimmt nur, daß „hierüber“ (nämlich über die für diesen rechtlichen Schluß erforderlichen tatsächlichen Grundlagen) ein Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer einzuholen ist. Gegenstand dieses Gutachtens ist die Beurteilung der nach Neuerrichtung der öffentlichen Apotheke bei pharmazeutisch ordnungsgemäßer und wirtschaftlich rationeller Betriebsführung zu erwartenden zukünftigen betrieblichen Lage und Entwicklung der bestehenden Apotheke nach wirtschaftlichen Grundsätzen; diese Beurteilung ist „unter Berücksichtigung der nach statistischen Grundsätzen durch die Österreichische Apothekerkammer ermittelten durchschnittlichen und objektiv angemessenen Kosten und Erträge vergleichbarer öffentlicher Apotheken“ vorzunehmen. Darin kommt zwar die (in der Regierungsvorlage zur genannten Novelle erklärte) Absicht des Novellengesetzgebers zum Ausdruck, die „Feststellung der Existenzgefährdung durch Heranziehung statistischer Grundlagen“ zu objektivieren; damit wird aber nur - in Fortführung der im Vorerkenntnis zitierten jüngeren Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - der Methode der Ermittlung der für die Beurteilung der Existenzgefährdung erforderlichen Tatsachengrundlagen aus den Ansätzen der steuerlichen Erfolgsrechnung der konkreten Apotheke, wie sie nach der bis etwa 1968 reichenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes allein, danach alternativ und zuletzt nur ausnahmsweise üblich war (vgl. dazu Puck, Die Organisation der Heilmittelversorgung durch Apotheken - Realtypus wirtschaftsverwaltungsrechtlicher Gestaltungsformen, Festschrift für Karl Wenger zum 60. Geburtstag, 599 ff), eine deutliche Absage erteilt; ein Maßstab dafür, wann der Fortbestand der bestehenden Apotheke durch die Neuerrichtung der öffentlichen Apotheke bei pharmazeutisch ordnungsgemäßer und wirtschaftlich rationeller Betriebsführung nicht gewährleistet erscheint, läßt sich auch aus dem dritten Satz des § 10 Abs. 3 ApG nicht entnehmen. Doch wird daraus immerhin deutlich, daß hiefür den „durchschnittlichen und objektiv angemessenen Kosten und Erträgen vergleichbarer öffentlicher Apotheken“ eine wesentliche Bedeutung zukommt.

Aus den im Vorerkenntnis und in den darin zitierten weiteren Erkenntnissen näher dargelegten Erwägungen erachtet der Verwaltungsgerichtshof weiterhin eine Existenzgefährdung einer öffentlichen Apotheke durch die Neuerrichtung der geplanten Apotheke (also die Nichtgewährleistung des Fortbestandes der bestehenden Apotheke durch diese Neuerrichtung) - in bezug auf solche Apotheken, deren Betriebsinhaber die Apotheke selbst führt (ob dies auch nach der neuen Rechtslage für andere Apotheken anders ist, braucht im Beschwerdefall nicht beurteilt zu werden) - dann für gegeben, wenn aus dem durch die Betriebsaufnahme der neuen Apotheke prognostizierten verminderten Umsatz bei pharmazeutisch ordnungsgemäßer und wirtschaftlich rationeller Betriebsführung auf Dauer (ohne Beachtung der Umstellungsschwierigkeiten) nicht einmal ein solcher Nettoertrag erwirtschaftet werden kann, aus dem die Kosten eines verantwortlichen Apothekenleiters bestritten werden können. Denn die durch die Apothekengesetznovelle 1984 vorgenommenen Änderungen haben nichts an dem aus dem Apothekenrecht insgesamt erkennbaren Sinn des Konzessionssystems (und damit auch der durch § 10 normierten Bedachtnahme auf die Existenzfähigkeit bereits bestehender öffentlicher Apotheken) geändert. Dieser Sinn liegt weiterhin darin, im Interesse einer optimalen, kontinuierlichen Heilmittelversorgung der Bevölkerung und nicht zum Schutze der wirtschaftlichen Interessen (im Sinne der Wahrung einer Monopolstellung) jener Personen, denen der Ertrag der bestehenden Apotheken zukommt, die Zahl der Apotheken zu beschränken und ihre Standorte so festzulegen, daß auf Dauer existenzfähige Apotheken bestehen, die der ihnen im Interesse der Heilmittelversorgung obliegenden Betriebspflicht auch nachkommen können. Demgemäß muß die Ertragskraft des Unternehmens auch unter Zugrundelegung des prognostizierten Umsatzausfalles infolge der Betriebsaufnahme der neu bewilligten Apotheke zumindest noch dafür ausreichend sein, daß der Betriebspflicht (§ 13 ApG) bei einer möglichen kurzfristigen Verhinderung des Apothekeninhabers im Wege der Bestellung eines verantwortlichen Apothekenleiters entsprochen werden kann. Andererseits soll dem selbständigen Unternehmer, der nicht nur seine Arbeitskraft, sondern auch sein Kapital dem Apothekenbetrieb widmet, im obgenannten öffentlichen Interesse zumindest ein Einkommen gewährleistet bleiben, das er auch in unselbständiger Stellung und ohne das Unternehmerrisiko tragen zu müssen, erreichen kann (vgl. Puck, Organisation der Heilmittelversorgung durch Apotheken, 598 f mit Judikaturhinweisen). Mit dieser Rechtslage stehen sowohl die in der Bescheidbegründung vertretene, oben wiedergegebene Rechtsauffassung der belangten Behörde als auch die diesbezüglichen Teile des Erlasses der belangten Behörde vom 5. Juli 1985, Zl. IV‑51301/13-4/85, auf den die Österreichischen Apothekenkammer ihr Gutachten gestützt hat, der aber als bloße Verwaltungsverordnung den Verwaltungsgerichtshof nicht bindet, in Widerspruch.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund kann mangels entsprechender Feststellungen nicht beurteilt werden, ob die Annahme der belangten Behörde über die fehlende Existenzgefährdung der Apotheke des Beschwerdeführers durch die bereits erfolgte Neuerrichtung der Apotheke der Mitbeteiligten zutrifft. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers durfte die belangte Behörde zwar bei dieser Beurteilung von einem durch die bereits erfolgte Betriebsaufnahme der Apotheke der Mitbeteiligten verminderten Umsatz von 7,139 Mio. S ausgehen, da die diesbezüglichen Ausführungen des Gutachtens über die erfolgte Stabilisierung der Umsatzverminderung, auf die sich die belangte Behörde stützt, nicht unschlüssig sind (der Beschwerdeführer bringt in der Beschwerde dagegen auch keine Einwände vor, er wendet sich lediglich gegen die Behauptung der belangten Behörde, es sei eine Rezeptzählung bei bereits eröffneter neuer Apotheke nicht durchführbar). Ob aber aus dem verminderten Umsatz bei pharmazeutisch ordnungsgemäßer und wirtschaftlich rationeller Betriebsführung, gemessen an den nach statistischen Grundsätzen durch die Österreichische Apothekerkammer ermittelten durchschnittlichen und objektiv angemessenen Kosten und Erträge (hinsichtlich der Kosten und Ertragsstruktur) vergleichbarer öffentlicher Apotheken, ein jährlicher Nettoertrag in der Höhe der Kosten eines für diese Apotheke in Betracht kommenden verantwortlichen Apothekenleiters erwirtschaftet werden kann, läßt sich dem Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer und den darauf gestützten Feststellungen der belangten Behörde nicht entnehmen. Es fehlen nicht nur die entsprechenden konkreten Ziffern der danach relevanten Aufwendungen und damit Nettoerträge der Apotheke des Beschwerdeführers, sondern es ist auch weithin unklar, welche Determinanten die Österreichische Apothekerkammer für die Vergleichbarkeit der Apotheken, deren Aufwands- und damit Nettoertragsstruktur nach Maßgabe des dritten Satzes des § 10 Abs. 3 ApG bedeutsam ist, herangezogen hat. Zum Hinweis des Beschwerdeführers auf die von ihm geltend gemachten „persönlichen atypischen Verhältnisse“ ist zu bemerken, daß darauf, wie er selbst in der Beschwerde ausführt, im Hinblick auf die Objektivierung der Ermittlung des relevanten Nettoertrages nicht Bedacht zu nehmen ist.

Da die belangte Behörde, ausgehend von ihrem Rechtsirrtum, es komme bei der Prüfung der Existenzgefährdung einer bestehenden Apotheke nicht mehr auf die Gegenüberstellung von Ertrag und Leiterkosten an, nicht die nach den obigen Darlegungen erforderlichen Feststellungen getroffen hat, war der Bescheid im angefochtenen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 leg. cit. Abstand genommen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, da an Stempelgebührenersatz nur S 570,-- zustehen.

Hingewiesen wird darauf, daß die Beendigung des Beschwerdeverfahrens, für dessen Dauer die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt wurde, einen Abspruch über entbehrlich macht.

Wien, am 29. Juni 1987

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