VwGH 87/05/0126

VwGH87/05/012624.11.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden SenatspräsidentDr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer und Dr. Würth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger, über die Beschwerde des FJ in O, vertreten durch Dr. Klaus J Mitzner, Rechtsanwalt in Villach, Hans‑Gasser‑Platz 3/11, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 6. Februar 1987, Zl. 8 BauR 1‑63/1/1987, betreffend Verwaltungsübertretung nach der Kärntner Bauordnung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG
AVG §56
AVG §62 Abs1
AVG §68 Abs1
BauO Krnt 1969 §27 litb idF 1979/079
BauO Krnt 1969 §45 Abs1 litb idF 1979/079
BauRallg
VStG §19
VStG §5 Abs1
VStG §5 Abs2
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1987:1987050126.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 8. Mai 1985 brachte JR (der Bauherr) „Auswechslungspläne“ über den Zubau eines Wohnhauses ein, worüber am 9. Juli 1985 eine mündliche Bauverhandlung stattfand. Obwohl der Bewilligungsbescheid mit 18. Juli 1985 datiert und offensichtlich auch zu diesem Zeitpunkt vom Vizebürgermeister unterschrieben worden war, wurde der Bescheid erst am 20. November 1986 den Parteien des Verfahrens zugestellt; mangels Berufung erwuchs der Bescheid in Rechtskraft.

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Villach vom 17. November 1986 wurde der Beschwerdeführer schuldig befunden, im August 1986 mit dem Ende am 18. August 1986 auf der Parzelle Nr. 152, KG. F, einen Zubau beim Gaststättengebäude in F, K‑straße 1, und zwar die Errichtung eines Obergeschoßes in Ziegelbauweise bis zur Dachgleiche, somit dadurch als befugter Unternehmer eine baubewilligungspflichtige Änderung an einem bestehenden Gebäude durchgeführt zu haben, obwohl hiefür eine Baubewilligung nicht vorlag. Er habe dadurch § 45 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 4 b der Kärntner Bauordnung verletzt; über ihn wurde gemäß § 45 Abs. 2 der Kärntner Bauordnung eine Geldstrafe von S 3.000,-- (im Nichteinbringungsfall eine Ersatzarreststrafe von einem Tag) verhängt. Die Behörde nahm auf Grund der Aktenlage als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer den Zubau im genannten Gaststättengebäude und zwar die Errichtung eines Obergeschoßes in Ziegelbauweise bis zur Dachgleiche, somit als befugter Unternehmer eine baubewilligungspflichtige Änderung an einem bestehenden Gebäude durchgeführt habe, obwohl eine Baubewilligung nicht vorgelegen sei. Nach der Kärntner Bauordnung begehe eine Verwaltungsübertretung, wer Vorhaben ohne Baubewilligung oder vor Wirksamkeit der Anzeige ausführe oder ausführen lasse. Einer Bewilligung bedürfe die Änderung von Gebäuden und sonstigen Anlagen. Die Rechtfertigungsangaben des Beschwerdeführers seien nicht geeignet gewesen, sein persönliches Verschulden als befugter Unternehmer aufzuheben, weil gerade befugte Unternehmer darauf zu achten hätten, daß die Bestimmungen der Kärntner Bauordnung eingehalten und insbesondere konsenslose Bauführungen hintangehalten werden. Da der Beschwerdeführer dieses Gebot in fahrlässiger Weise außer Betracht gelassen habe, habe er bestraft werden müssen. Bei der Bemessung der Strafhöhe im Sinn des § 19 VStG habe die bisherige Unbescholtenheit in einschlägiger Hinsicht als mildernd gewertet werden können. Dabei sei auch auf die Einkommens- und Familienverhältnisse sowie auf die gesetzlichen Sorgepflichten weitestgehend Rücksicht genommen worden.

In der Berufung wies der Beschwerdeführer wie schon bei seiner Beschuldigtenvernehmung darauf hin, daß der Bauherr ihm auf Grund einer persönlichen Anfrage vor Ausführung der Baumeisterarbeiten mitgeteilt habe, die Kommissionierung des Bauvorhabens sei durchgeführt worden und eine Baubewilligung liege vor. Der Bauherr habe ihn also nicht richtig informiert.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Begründend führte sie aus, daß gemäß § 13 Abs. 1 letzter Satz der Kärntner Bauordnung die Baubewilligung nur mit schriftlichem Bescheid erteilt werden dürfe. Es stehe außer Streit, daß der Beschwerdeführer die baubewilligungspflichtigen Bauarbeiten am Gaststättengebäude durchgeführt habe, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch keine Baubewilligung vorgelegen sei. Die Bauarbeiten seien am 18. August 1986 beendet worden.

Aus dem Bauakt der Marktgemeinde F und einem Aktenvermerk der Behörde erster Instanz vom 12. November 1986 gehe hervor, daß anläßlich einer Bauverhandlung an Ort und Stelle dem Bauwerber am 5. September 1986 die „mündliche Baubewilligung“ (vgl. jedoch § 13 Abs. 1 letzter Satz der Kärntner Bauordnung) erteilt worden sei. Dieser Umstand habe auf das Strafverfahren jedoch keinen Einfluß, weil der Beschwerdeführer selbst im Zuge seiner Einvernahme bei der Marktgemeinde F am 29. Oktober 1986 zugegeben habe, im August 1986 begonnen und Ende des Monats die Arbeiten beendet zu haben. Bei Beginn der Bauarbeiten sei daher nicht einmal eine mündliche Baubewilligung vorgelegen. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei vom Bauherrn über das Vorhandensein der Baubewilligung offenbar unrichtig informiert worden, hielt die belangte Behörde entgegen, daß gerade beim Beschuldigten als befugtem Bauunternehmer vorausgesetzt werden müsse, daß er die baurechtlichen Bestimmungen kenne. Es könne ihm durchaus zugemutet werden, daß er vom Auftraggeber den erforderlichen Nachweis über die Baubewilligung vor Aufnahme der Bauarbeiten verlange oder sich die entsprechende Auskunft bei der Gemeinde als Baubehörde einhole. Zur Strafbarkeit genüge fahrlässiges Verhalten, das darin liege, daß der Beschwerdeführer sich mit der bloßen Mitteilung des Bauwerbers begnügt habe. Damit liege der strafbare Tatbestand im Sinn des § 45 Abs. 1 lit. b der Kärntner Bauordnung vor. Im Hinblick auf Verschuldensgrad, Einkommens- und Vermögensverhältnisse und die Sorgepflichten habe die Behörde erster Instanz unter Würdigung aller mildernden und erschwerenden Umstände bei einem Strafrahmen bis zu S 200.000,-- eine angemessene Strafe verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:

Soweit der Beschwerdeführer auf das gegen den Bauherrn zunächst eingeleitete und dann eingestellte Verwaltungsstrafverfahren verweist, muß ihm entgegengehalten werden, daß eine unrichtige Entscheidung in einem parallelen Verwaltungsstrafverfahren keine Wirkungen auf die Beurteilung der vorliegenden Strafsache haben kann.

Dem Beschwerdeführer ist wohl zuzugeben, daß der Organwalter der zuständigen Baubehörde den in der Folge erlassenen und in Rechtskraft erwachsenen Bescheid bereits mit dem Datum 18. Juli 1985 unterfertigt hat. Dies ändert jedoch nichts daran, daß ein (rechtsnotwendig schriftlicher) Bescheid erst mit der Zustellung als „erlassen“ anzusehen ist (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 7. April 1964, Slg. Nr. 6289/A, und vom 8. Oktober 1980, Slg. Nr. 10253/A). Die im Datum eines Bescheides zum Ausdruck gekommene Zeitangabe ist für den Eintritt der Rechtswirkungen eines Bescheides ohne Belang (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Mai 1965, Slg. Nr. 6693/A). Daran, daß daher der Bescheid erst mit 20. November 1986 erlassen wurde, ändert auch nichts, daß das Liegenlassen des unterschriebenen Bescheides in der Absicht, mit dem Bauwerber zu zivilrechtlichen Vereinbarungen zu kommen, offensichtlich rechtswidrig war; ein Baubewilligungsbescheid war nicht ergangen. Dem Bauherrn als Partei des Verfahrens wäre es frei gestanden, im Wege eines Devolutionsantrages und schließlich einer Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen die Untätigkeit der Baubehörde erster Instanz entsprechend vorzugehen.

Die Ausführungen der Beschwerde werden daher, soweit sie sich auf einen vor dem 20. November 1986 ergangenen Baubewilligungsbescheid berufen, durch die Aktenlage widerlegt; was - noch dazu offensichtlich unrichtig - in einem anderen Verwaltungsstrafverfahren als erwiesen angenommen wurde, ist für den Beschwerdeführer in diesem Verfahren ohne Bedeutung. Dazu kommt noch, daß nach der ausdrücklichen Anordnung des § 13 Abs. 1 zweiter Satz der Kärntner Bauordnung die Baubewilligung zulässigerweise nur schriftlich ergehen kann. Da der Beschwerdeführer sohin jedenfalls bereits vor Erlassung des Baubewilligungsbescheides die Bauarbeiten durchgeführt hat, hat er damit gegen § 45 Abs. 1 lit. b leg. cit. verstoßen, wonach eine Verwaltungsübertretung begeht, wer Vorhaben ohne Baubewilligung ausführt. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob infolge dieser nicht ganz klaren Formulierung im Zweifel auf das Ergehen der Baubewilligung und nicht auf deren Rechtskraft abzustellen ist.

Damit kommt es auf die vom Beschwerdeführer schon in seiner Verantwortung vor der Strafbehörde erster Instanz und in der Berufung relevierten Frage an, ob ihn die unrichtige Auskunft des Bauherrn, eine Baubewilligung liege vor, zu entschuldigen vermag. Auch in diesem Punkt kann jedoch der Verwaltungsgerichtshof dem Standpunkt des Beschwerdeführers nicht folgen. Bei einem gewerblichen Bauunternehmer muß nämlich die Kenntnis der maßgebenden Bestimmungen des Baurechts über die Erlassung und Wirksamkeit von Baubewilligungen - zumindest in jenem Bundesland, in dem er tätig wird - verlangt werden. Eine Unkenntnis dieser Vorschriften oder ihre bewußte Außerachtlassung stellt (mögen sie auch in der Praxis nicht immer eingehalten werden) jedenfalls eine Fahrlässigkeit dar, die zur Bestrafung nach § 45 Abs. 1 lit. b der Kärntner Bauordnung ausreicht. Der Bauführer hat nämlich auf Grund der bewilligten Pläne und nach dem Inhalt der Baubewilligung zu bauen; es genügt nicht zu wissen, daß „eine“ Baubewilligung vorliege, sondern er muß sich auch Kenntnis vom Inhalt der Baubewilligung und der bewilligten Baupläne verschaffen. Damit aber handelt ein Bauführer jedenfalls rechtswidrig und schuldhaft, wenn er sich mit der Versicherung des Bauherrn begnügt, es liege „eine“ Baubewilligung vor, ohne sich von deren Inhalt (mit Hilfe der bewilligten Pläne) Kenntnis zu verschaffen. Daß der Bauführer im Zeitpunkt des Beginns seiner Arbeiten etwa im Besitz mit einem Bewilligungsvermerk versehener Pläne gewesen wäre, hat er selbst nicht behauptet.

Da gegen die Höhe der Strafe weder etwas Konkretes vorgebracht wurde noch auch der Verwaltungsgerichtshof von sich aus gegen die vorgenommene Strafbemessung Bedenken hat, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Da die vom Verwaltungsgerichtshof beigeschafften Akten der Verwaltungsverfahren im Zusammenhang mit den Schriftsätzen der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erkennen lassen, daß eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt, war von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abzusehen.

Mit der Entscheidung in der Sache selbst erübrigte sich eine gesonderte Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 24. November 1987

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