Normen
B-VG Art130 Abs2;
VwRallg;
WaffG 1967 §12 Abs1;
WaffG 1967 §16 Abs1;
WaffG 1967 §17 Abs1;
WaffG 1967 §20 Abs1;
WaffG 1967 §20;
WaffG 1967 §6 Abs1;
WaffG 1967 §6;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 1. Dezember 1982 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 20 Abs. 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 des Waffengesetzes 1967, BGBl. Nr. 121, der am 8. März 1982 ausgestellte Waffenpaß Nr. 084027 entzogen. Zur Begründung wurde ausgeführt, gegen den Beschwerdeführer sei ein gerichtliches Strafverfahren gemäß §§ 206 und 207 StGB anhängig und nach der Aktenlage eine Verurteilung voraussehbar, sodaß die waffenrechtliche Verläßlichkeit des Beschwerdeführers nicht mehr gegeben sei.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, das gegen ihn eingeleitete Strafverfahren sei hinsichtlich § 206 StGB bereits gänzlich und hinsichtlich § 207 StGB teilweise eingestellt worden. Die ihm zur Last gelegten Straftaten lägen bereits drei Jahre zurück und sei er mit Waffen noch niemals mißbräuchlich, unvorsichtig oder unsachgemäß umgegangen. Er habe mangels einer Verurteilung als unschuldig zu gelten.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 16. Jänner 1987 der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien wurde der Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid mit der Ergänzung bestätigt, daß sich die Entziehung des Waffenpasses auf § 6 Abs. 1 Z. 1, 2 und 3 des Waffengesetzes in der Fassung BGBl. Nr. 443/1986 stütze. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei im Berufungsweg vom Oberlandesgericht mit Urteil vom 18. September 1984 wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen rechtskräftig zu einer einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Aus dem Gerichtsurteil sei zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer in den Jahren 1980 und 1981 mehrmals unmündige Personen auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht und sie zu unzüchtigen Handlungen mit anderen Personen verleitet habe. Er habe diese Personen auch angewiesen, unzüchtige Handlungen an sich selbst und mit anderen Personen zu vollziehen, während er dabei fotografiert habe. Außerdem habe er im Jahre 1982 zwei weitere unbekannte unmündige Mädchen auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht. Der Beschwerdeführer habe während der Hauptverhandlung versucht, nach teilweisem Bekennen seiner Schuld sich wieder herauszureden, wobei er insbesondere auch darauf verwiesen habe, unter Einfluß von Medikamenten gestanden zu sein. Beim Beschwerdeführer seien neurotische Persönlichkeitszüge nachzuweisen und sei ein durch langjährigen Medikamentenmißbrauch bedingtes, leichtgradiges organisches Psychosyndrom vorgelegen. Nach Ansicht der belangten Behörde lasse das Verhalten des Beschwerdeführers und die Art, in der er die ihm angelasteten Straftaten an unmündigen Personen begangen habe, auf einen besonders schweren charakterlichen Mangel schließen. Es sei daher auch zu einer Verurteilung zu einer einjährigen Freiheitsstrafe gekommen. Die durch längere Zeit vom Beschwerdeführer gesetzten sittlichen Verfehlungen ließen die Annahme, der Beschwerdeführer sei im Sinne des § 6 Abs. 1 des Waffengesetzes verläßlich, nicht mehr gerechtfertigt erscheinen. Das in der Folge durch einige Zeit gezeigte Wohlverhalten des Beschwerdeführers lasse auch deshalb nicht den Schluß zu, die Beeinträchtigung der Verläßlichkeit bzw. der charakterliche Mangel sei weggefallen, weil dem Wohlverhalten während eines anhängigen Strafverfahrens nicht die gleiche Bedeutung wie außerhalb eines solchen Verfahrens beigemessen werden könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die, wegen Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, in der sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Ausübung des Ermessens im Sinne des § 7 Waffengesetz 1986 verletzt erachtet. Der Beschwerdeführer habe niemals Handlungen gesetzt, die den im § 6 Abs. 1 für das Vorliegen der waffenrechtlichen Verläßlichkeit angeführten Kriterien widersprechen würden. Derartiges sei auch dem strafgerichtlichen Urteil nicht zu entnehmen. Vielmehr ergebe sich aus dem Wortlaut des der Verurteilung zugrundeliegenden § 207 StGB, daß Gewaltanwendung oder -drohung nicht vorliege. Der Beschwerdeführer habe weder Zwang angewendet noch durch Drohungen die Unmündigen zu den erwähnten Handlungen genötigt. Die belangte Behörde habe entgegen § 7 Waffengesetz von dem ihr eingeräumten Ermessen lediglich unter Heranziehung der gegen den Beschwerdeführer aber nicht der für ihn sprechenden Umstände Gebrauch gemacht. Daraus, daß dem Beschwerdeführer bereits im Jahre 1983 sowohl sein Waffenpaß als auch seine Waffe wieder ausgefolgt worden seien, könne ersehen werden, daß nicht vom Vorliegen von Gefahr im Verzug ausgegangen worden sei. Diese Wiederausfolgung sei auch durch den Umstand gerechtfertigt gewesen, daß der Beschwerdeführer niemals leichtfertig mit Waffen umgehe und sich der großen Verantwortung, die auf Grund der von Waffen ausgehenden Gefahr mit einem Waffenbesitz verbunden sei, bewußt sei. Der Beschwerdeführer habe sich sowohl vor den ihm zur Last gelegten Straftaten als auch nachher durchwegs wohl verhalten, worauf auch im Rahmen eines Führerscheinentziehungsverfahrens dadurch Bedacht genommen worden sei, daß die Dauer des Führerscheinentzuges auf zwei Jahre herabgesetzt worden sei.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und Gegenanträge gestellt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 20 Abs. 1 des Waffengesetzes 1967 und des im wesentlichen gleichlautenden Waffengesetzes 1986 hat die Behörde spätestens alle fünf Jahre die Verläßlichkeit eines Inhabers eines Waffenpasses oder einer Waffenbesitzkarte zu überprüfen. Ergibt sich hiebei oder aus anderem Anlaß, daß er nicht mehr verläßlich ist, so hat die Behörde diese Urkunden zu entziehen. Unter welchen Voraussetzungen die Behörde vom Fortbestand der Verläßlichkeit ausgehen kann und wann diese zu verneinen ist, ergibt sich aus § 6 des Gesetzes. Eine Person ist als verläßlich im Sinne des Waffengesetzes anzusehen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie
- 1. Waffen nicht mißbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird;
- 2. mit Waffen vorsichtig und sachgemäß umgehen und diese sorgfältig verwahren wird;
3. Waffen nicht an Personen überlassen wird, die zum Besitz von Waffen nicht berechtigt sind (§ 6 Abs. 1 Waffengesetz).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, daß die Wertung einer Person als verläßlich im Sinne des Waffengesetzes ihre gesamte Geisteshaltung und Sinnesart ins Auge fassen muß, weil der Begriff der Verläßlichkeit ein Ausdruck ihrer Wesenheit, nicht aber ein Werturteil über ihr Tun und Lassen im Einzelfall ist (vgl. die Erkenntnisse vom 30. April 1947, Slg. N. F. Nr. 84/A, vom 27. Jänner 1970, Zl. 680/69, und vom 13. Mai 1987, Zl. 85/01/0154). Bestimmte Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften einer Person rechtfertigen demnach durchaus die Folgerung, daß die vom Waffengesetz geforderte Verläßlichkeit nicht gewährleistet ist. Wenn auch nach der Aktenlage der Beschwerdeführer bei Begehung der ihm zur Last gelegten Straftaten nicht mit Waffengewalt vorgegangen ist und auch keinen Zwang ausgeübt oder Drohungen ausgesprochen hat, so muß doch, wie dies die belangte Behörde auch getan hat, davon ausgegangen werden, daß auf Grund des sich in den über einen längeren Zeitraum verübten Straftaten des Beschwerdeführers manifestierenden schweren Charaktermangels und bestimmten allenfalls durch die sexuelle Neigung des Beschwerdeführers herbeigeführten Situationen eine leichtfertige oder mißbräuchliche Verwendung von Waffen durch den Beschwerdeführer nicht ausgeschlossen werden kann. Dies umso mehr, als im gerichtlichen Strafverfahren der Beschwerdeführer selbst angegeben hat, er habe sich bei seinem strafbaren Tun auch unter Einfluß von Medikamenten befunden, wobei neurotische Persönlichkeitszüge und ein auf langjährigen Medikamentenmißbrauch zurückzuführendes leichtgradiges Psychosyndrom im strafgerichtlichen Verfahren nachgewiesen wurden. Angesichts der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Beurteilung, ob Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß eine Person mit Waffen nicht mißbräuchlich und leichtfertig umgehen wird, derzufolge ein strenger Maßstab anzulegen ist, und es auch nicht erforderlich ist, daß tatsächlich eine mißbräuchliche Verwendung einer Waffe stattgefunden hat (vgl. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Juni 1977, Zl. 2794/76, vom 6. März 1979, Zl. 73/79, vom 18. September 1979, Zlen 1643/79 und 1644/79, u.a.), kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie auf Grund der strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers und seiner in den bestraften Taten zum Ausdruck kommenden Bereitschaft, die seinen sexuellen Neigungen entsprechenden Handlungen trotz deren strafgesetzlicher Pönalisierung über längere Zeit zu begehen, dem Beschwerdeführer Verläßlichkeit im Sinne des § 6 Abs. 1 Z. 1 bis 3 des Waffengesetzes abgesprochen hat.
Desgleichen muß der belangten Behörde beigepflichtet werden, wenn sie das vom Beschwerdeführer während des gegen ihn anhängigen strafgerichtlichen Verfahrens gezeigte Wohlverhalten als nicht hinreichend für eine Wiedererlangung der waffenrechtlichen Verläßlichkeit gewertet hat. Auch hat sich die belangte Behörde keine Rechtswidrigkeit zuschulden kommen lassen, wenn sie den seit Abschluß des strafgerichtlichen Verfahrens verstrichenen Zeitraum als nicht ausreichend lange für eine neuerliche Beurteilung des Vorliegens der waffenrechtlichen Verläßlichkeit des Beschwerdeführers erachtet hat. In dieser Hinsicht ist auch aus dem Hinweis des Beschwerdeführers auf eine Beschränkung der Dauer des Führerscheinentzuges auf zwei Jahre nichts für ihn zu gewinnen, weil eine Angabe, wieviel Zeit seit einer gerichtlichen Verurteilung verstrichen sein muß, um die waffenrechtliche Verläßlichkeit wieder zu erlangen, nicht gegeben werden kann (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. September 1986, Zl. 85/01/0055).
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers stellt sich die auf § 20 Abs. 1 des Waffengesetzes gestützte Entziehung einer waffenrechtlichen Urkunde nicht als Ermessensentscheidung dar, weil die Behörde bei mangelnder Verläßlichkeit verpflichtet ist, die jeweilige waffenrechtliche Urkunde zu entziehen.
Auch aus der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten zwischenweiligen Wiederausfolgung seines Waffenpasses und seiner Faustfeuerwaffe kann für seinen Standpunkt nichts gewonnen werden, weil aus diesem Vorgehen der Behörde allein noch keine Schlüsse auf die waffenrechtliche Verläßlichkeit des Beschwerdeführers gezogen werden können. Dies umso mehr, als die Wiederausfolgung in einem Zeitpunkt erfolgte, als das Entziehungsverfahren wegen des noch nicht rechtskräftigen Abschlusses des strafgerichtlichen Verfahrens ausgesetzt war.
Der Beschwerdeführer hat zwar die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht, es aber zunächst unterlassen aufzuzeigen, worin er diese Verletzung erblickt. Aber auch der in einer "Berichtigung der Beschwerde" nachträglich als Verfahrensmangel geltend gemachten Zugrundelegung von neuen Sachverhaltselementen kommt keine die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nach sich ziehende Bedeutung zu, weil die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid im wesentlichen auf die bereits dem Parteiengehör unterzogenen Ermittlungsergebnisse des Verwaltungsverfahrens bzw. auf das rechtskräftige strafgerichtliche Urteil gestützt hat.
Da sich sohin zusammenfassend die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243, über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof.
Wien, am 9. September 1987
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