VwGH 85/01/0055

VwGH85/01/005517.9.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Draxler, Dr. Hoffmann, Dr. Herbert und Dr. Kremla als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wrulich, über die Beschwerde des RF in W, vertreten durch Dr. Herbert Eichenseder, Rechtsanwalt in Wien I, Auerspergstraße 2/4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 5. Dezember 1984, Zl. SD 642/84, betreffend Abweisung eines Antrages auf Ausstellung einer Waffenbesitzkarte, zu Recht erkannt:

Normen

WaffG 1967 §12 Abs1;
WaffG 1967 §16 Abs1;
WaffG 1967 §17 Abs1;
WaffG 1967 §20 Abs1;
WaffG 1967 §6 Abs1;
WaffG 1967 §12 Abs1;
WaffG 1967 §16 Abs1;
WaffG 1967 §17 Abs1;
WaffG 1967 §20 Abs1;
WaffG 1967 §6 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 13. April 1976 verbot die Bundespolizeidirektion Wien dem Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs. 1 des Waffengesetzes 1967, BGBl. Nr. 121 (WaffG), den Besitz von Waffen und Munition, weil der Beschwerdeführer am 28. März 1976 durch einen Schuß aus seiner Pistole, zu deren Besitz und Führen er keine waffenrechtliche Urkunde besessen gehabt habe, einen Menschen verletzt habe.

Am 5. Juni 1976 wurde der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 StGB und des Vergehens nach § 36 Abs. 1 lit. a Waffe für schuldig erkannt und zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr verurteilt.

Mit Bescheid vom 9. Juli 1984 wies die Bundespolizeidirektion Wien den Antrag des Beschwerdeführers vom 29. November 1983 auf Ausstellung einer Waffenbesitzkarte gemäß § 17 Abs. 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 WaffG ab. Begründend führte die Behörde aus, wegen des noch aufrecht bestehenden, gegen den Beschwerdeführer verhängten Waffenverbotes sei seine Verläßlichkeit nicht gegeben. Daran ändere auch die Tilgung der Verurteilung des Beschwerdeführers nichts.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung verwies der Beschwerdeführer auf die Tilgung seiner Verurteilung und auf die lange Tilgungsfrist sowie die nunmehr schon lange Dauer seines Wohlverhaltens. Die beantragte Waffenbesitzkarte benötige er nur deshalb, weil er einem Sportschützenverein beitreten wolle.

Mit Bescheid vom 17. September 1984 hob die Bundespolizeidirektion Wien gemäß § 68 Abs. 2 AVG 1950 das gegen den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 13. April 1976 verhängte Waffenverbot mit der Begründung auf, die zur seinerzeitigen Erlassung des Waffenverbotes führenden Voraussetzungen seien nicht mehr gegeben.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den die Ausstellung einer Waffenbesitzkarte verweigernden Bescheid keine Folge. Begründend führte die belangte Behörde aus, die vom Beschwerdeführer im Jahre 1974 begangene Straftat sei im Verhältnis zu den in § 6 Abs. 2 Z. 1 bis 4 WaffG aufgezählten Tatbeständen, bei deren Vorliegen eine Person keinesfalls als verläßlich gelten könne, besonders schwerwiegend. Wohl stehe die Tilgung einer Verurteilung der Anwendung des § 6 Abs. 2 Z. 1 bis 4 WaffG entgegen, doch ziehe die Tilgung einer derartigen Verurteilung nicht die Verläßlichkeit der betreffenden Person im Sinne des § 6 Abs. 1 WaffG nach sich. Vielmehr könne im Hinblick auf die Schwere der vom Beschwerdeführer begangenen Tat und eine vorangegangene, auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Verurteilung des Beschwerdeführers trotz der mittlerweile verstrichenen Zeit nicht von der Annahme ausgegangen werden, der Beschwerdeführer werde Waffen nicht mißbräuchlich oder leichtfertig verwenden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. In deren Ausführung macht der Beschwerdeführer geltend, die belangte Behörde hätte in Bindung an den das Waffenverbot aufhebenden Bescheid nicht davon ausgehen dürfen, der Beschwerdeführer werde Waffen mißbräuchlich oder leichtfertig verwenden. In der Unterlassung eines diesbezüglichen Ermittlungsverfahrens wird der gerügte Verfahrensmangel erblickt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 16 Abs. 1 WaffG ist der Erwerb, der Besitz und das Führen von Faustfeuerwaffen nur auf Grund einer behördlichen Erlaubnis zulässig. Die Erlaubnis zum Erwerb und zum Besitz von Faustfeuerwaffen ist von der Behörde durch die Ausstellung einer Waffenbesitzkarte zu erteilen. Nach § 17 Abs. 1 WaffG hat die Behörde einer verläßlichen Person, die das 21. Lebensjahr vollendet hat und die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, auf Antrag eine Waffenbesitzkarte auszustellen. Der Begriff der Verläßlichkeit im Sinne des Waffengesetzes ist in § 6 umschrieben. Gemäß § 6 Abs. 1 WaffG - auf diese Bestimmung allein stützt sich der angefochtene Bescheid - ist eine Person als verläßlich im Sinne dieses Bundesgesetzes anzusehen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie

  1. 1.) Waffen nicht mißbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird;
  2. 2.) mit Waffen vorsichtig und sachgemäß umgehen und diese sorgfältig verwahren wird;

    3.) Waffen nicht an Personen überlassen wird, die zum Besitz von Waffen nicht berechtigt sind.

    Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, daß bei Wertung einer Person als "verläßlich" im Sinne des Waffengesetzes ihre gesamte Geisteshaltung und Sinnesart ins Auge zu fassen ist, weil der Begriff der Verläßlichkeit ein Ausdruck ihrer Wesenheit, nicht aber ein Werturteil über ihr Tun und Lassen im Einzelfall ist. Bestimmte Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften einer Person rechtfertigen demnach durchaus die Folgerung, daß die vom Waffengesetz geforderte Verläßlichkeit nicht gewährleistet ist. Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen und es ist auch nicht erforderlich, daß tatsächlich eine mißbräuchliche Verwendung einer Waffe jemals stattgefunden hat (vgl. Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnisse vom 30. April 1947, Slg. N. F. Nr. 84/A, vom 8. Mai 1979, Zl. 3397/78, und vom 18. Jänner 1984, Zl. 83/01/0320). Bei der im Zusammenhang mit der Beurteilung der Verläßlichkeit erforderlichen Verhaltensprognose handelt die Behörde durchaus rechtmäßig, wenn sie diese unter Einbeziehung von getilgten Vorstrafen erstellt (vgl. auch Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnisse vom 27. Februar 1967, Slg. N. F. Nr. 7092/A, und vom 18. Jänner 1984, Zl. 83/01/0320).

    § 12 Abs. 1 WaffG verpflichtet die Behörde, einer Person den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß diese Person durch mißbräuchliche Verwendung von Waffen die öffentliche Sicherheit gefährden könnte. Als Tatbestandsvoraussetzung für die Verhängung eines Waffenverbotes steht somit die zu erwartende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit im Vordergrund. Anders als bei den Entziehungstatbeständen des § 20 Abs. 1 in Verbindung mit § 6 WaffG setzt der strengere Verbotstatbestand des § 12 Abs. 1 WaffG eine qualifizierte Verwendungswidrigkeit der Waffen, nämlich die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch Mißbrauch, voraus. Demgegenüber ist der Entzug waffenrechtlicher Urkunden schon von der mangelnden Verläßlichkeit abhängig. Insofern ist das Waffenverbot an strengere Voraussetzungen als der Entzug waffenrechtlicher Urkunden geknüpft (vgl. Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnisse vom 9. Mai 1978, Slg. N. F. Nr. 9554/A, und vom 23. April 1986, Zl. 86/01/0047). Diese Rechtsgrundsätze müssen auch im umgekehrten Fall, nämlich bei Aufhebung eines Waffenverbotes, Anwendung finden. So kann aus der Aufhebung eines Waffenverbotes wegen Wegfalls der Voraussetzungen, die zu seiner Verhängung geführt haben, keinesfalls - wie dies der Beschwerdeführer tut - der Schluß gezogen werden, daß damit gleichzeitig auch wieder die waffenrechtliche Verläßlichkeit des mit dem Waffenverbot belegt Gewesenen wiederhergestellt wäre. Vielmehr unterliegt die Frage der waffenrechtlichen Verläßlichkeit auf Grund der aufgezeigten verschiedenen Tatbestandsvoraussetzungen einer gesonderten Prüfung der Behörde. Von einer Bindung der Behörde in dem in der Beschwerde vertretenen Sinn, daß die Aufhebung eines Waffenverbotes die Verpflichtung der Behörde nach sich zöge, einem Antrag auf Ausstellung einer Waffenbesitzkarte Folge zu geben, kann sohin keine Rede sein.

    Bei Prüfung der ein Erfordernis für die Ausstellung der beantragten Waffenbesitzkarte darstellenden Verläßlichkeit ist die belangte Behörde ausgehend von der dargestellten Rechtslage unter Bedachtnahme auf die wenngleich bereits getilgten Verurteilungen des Beschwerdeführers zu der Auffassung gelangt, daß der Beschwerdeführer nicht als verläßlich im Sinn des § 6 WaffG angesehen werden kann. Angesichts des vom Beschwerdeführer begangenen gravierenden Verstoßes gegen die Rechtsordnung und gegen die Sicherheit des menschlichen Lebens (beabsichtigte Abgabe eines gezielten Schusses aus 3 bis 4 m Entfernung auf einen Menschen) und seiner Vorstrafe kann der belangten Behörde nicht der Vorwurf rechtswidrigen Handelns gemacht werden, wenn sie die waffenrechtliche Verläßlichkeit des Beschwerdeführers verneint hat.

    Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers, dem offenbar vorschwebt, daß mit Verstreichen der Tilgungsfrist einer gerichtlichen Verurteilung die waffenrechtliche Verläßlichkeit wiederhergestellt sei, ist festzuhalten, daß eine allgemeine Aussage, wieviel Zeit seit einer gerichtlichen Verurteilung verstrichen sein muß, um die waffenrechtliche Verläßlichkeit wiederzuerlangen, nicht möglich ist (vgl. das zur Frage der Vertrauenswürdigkeit im Sinne der Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr, BGBl. Nr. 289/1955, ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Jänner 1986, Zl. 85/15/0009).

    Bei diesem Sachverhalt kommt aber auch der Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe die Durchführung eines weiteren, die Verläßlichkeit des Beschwerdeführers betreffenden Ermittlungsverfahrens unterlassen, keine Berechtigung zu.

    Nach allen dargelegten Erwägungen erweist sich die vorliegende Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

    Die Entscheidung über den Anspruch auf Ersatz des Aufwandes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243, über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

    Wien, am 17. September 1986

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