VwGH 86/13/0184

VwGH86/13/01843.6.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Iro, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rat Dr. Papierer, über die Beschwerde des GT in W, vertreten durch Dr. Karl Bollmann, Rechtsanwalt in Wien I, Weihburggasse 9, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 2. Oktober 1986, GZ. GA 5‑2086/86, betreffend Berücksichtigung erhöhter Werbungskosten für das Jahr 1985, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §16 Abs1
EStG 1972 §34 Abs7
UStG 1972 §6 Z11 implizit
UStG 1972 §6 Z12 implizit

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1987:1986130184.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Sparkassenangestellter, studiert seit 1984 an der Fernuniversität Hagen, BRD, Mathematik und Informatik. Im Dezember 1985 beantragte er beim zuständigen Finanzamt Aufwendungen in der Höhe von S 31.091,09 für dieses Studium als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Das Finanzamt gab diesem Antrag insofern statt, als es die in Rede stehenden Studienkosten zwar nicht als Werbungskosten, wohl aber als außergewöhnliche Belastung (§ 34 Abs. 7 EStG 1972) anerkannte.

Innerhalb offener Frist erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid Berufung, in welcher er vorbrachte, es sei ihm zwar bekannt, daß Aufwendungen für ein Erststudium nicht als Fortbildungskosten zu qualifizieren seien, doch handle es sich bei ihm nicht um ein solches Erststudium. Er habe nämlich bereits 1968 seine Berufslaufbahn als Sparkassenangestellter begonnen. Zu diesem Zeitpunkt sei die Studienrichtung Informatik an den österreichischen Hochschulen noch nicht unterrichtet worden. Das für ihn notwendige dienstliche Wissen habe er sich daher im Rahmen von Ausbildungskursen des „EDV‑Herstellers“ aneignen müssen. In der Zwischenzeit werde Informatik an den Hochschulen unterrichtet und die ersten Absolventen dieses Faches seien in das Unternehmen, bei welchem auch er beschäftigt sei, eingetreten. Da er zu erkennen vermeine, daß diesen Personen für weitere Aufgaben der Vorzug gegeben werde, habe er sich entschlossen, sein theoretisches Wissen durch Absolvierung des strittigen Studiums zu erweitern.

Nachdem das Finanzamt dieses Rechtsmittel mit Berufungsvorentscheidung abgewiesen hatte, beantragte der Beschwerdeführer dasselbe der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorzulegen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung abgewiesen, den erstinstanzlichen Bescheid abgeändert und nach wörtlicher Zitierung von Teilen der Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom 9. April 1986, Zl. 85/13/0147, im wesentlichen ausgeführt:

Nach Ansicht der belangten Behörde müsse „analog der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes“ in dem oben zitierten Erkenntnis entschieden werden. Es stehe daher fest, daß es sich bei den in Streit stehenden Aufwendungen um keine Werbungskosten handle.

Es sei aber auch die Ansicht des Finanzamtes unrichtig, daß die geltend gemachten Aufwendungen als Ausbildungskosten im Sinne des § 34 Abs. 7 EStG 1972 zu qualifizieren wären; denn nach der zitierten Gesetzesstelle seien Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung nur dann als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen, wenn diese Ausbildung an öffentlichen Schulen oder im Rahmen von Bildungseinrichtungen und Lehrveranstaltungen gemäß § 6 Z. 11 und 12 des Umsatzsteuergesetzes 1972 erfolge.

Die Absolvierung des Studiums an der Fernuniversität Hagen erfülle nicht die im § 34 Abs. 7 EStG 1972 angeführten Voraussetzungen, weshalb die strittigen Aufwendungen auch nicht als außergewöhnliche Belastungen anerkannt werden könnten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Strittig ist im vorliegenden Fall ausschließlich die Frage, ob die in Rede stehenden Aufwendungen als Fortbildungs- oder als Ausbildungskosten anzusehen sind und ob sie, wenn sie Ausbildungskosten darstellen, gemäß § 34 Abs. 7 EStG 1972 als außergewöhnliche Belastung Berücksichtigung finden können.

1. Fortbildungskosten:

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1972 sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen.

Nach übereinstimmender Auffassung von Lehre und Rechtsprechung (vgl. Hofstätter‑Reichel, Kommentar zu § 16 Abs. 1 EStG 1972 allgemein, Tz. 2 und die dort angeführte hg. Judikatur) stellen Ausgaben nur dann Werbungskosten dar, wenn sie in einem unmittelbaren, ursächlichen wirtschaftlichen Zusammenhang, d. h. in einer unmittelbaren Beziehung zu den Einnahmen aus einer der Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 Z. 4 bis 7 EStG 1972 stehen und nicht zu den Kosten der Lebensführung des Abgabepflichtigen gehören. Zu den Werbungskosten gehören zwar die Aufwendungen für die berufliche Fortbildung, nicht jedoch die der Berufsausbildung eines Arbeitnehmers. Während Ausbildungskosten Aufwendungen des Steuerpflichtigen zur Erlernung eines Berufes sind, stellen im Gegensatz dazu Fortbildungskosten Ausgaben zum Zwecke der Verbesserung der beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten desselben dar (vgl. Hofstätter-Reichel, a.a.O., Tz. 7, Stichworte „Ausbildungskosten“ und „Berufsfortbildungskosten“). Ein Hochschulstudium jedoch kann in der Regel nicht als eine Fortbildung für eine bisher ohne akademische Ausbildung ausgeübte Berufstätigkeit angesehen werden (vgl. Hofstätter-Reichel, Kommentar zu § 20 EStG 1972, Tz. 4, Stichwort „Ausbildungskosten - Fortbildungskosten“).

Im Streitfall hat der Beschwerdeführer seine bisherige Berufstätigkeit als Sparkassenangestellter ausgeübt, ohne eine akademische Ausbildung besessen zu haben. Das nunmehr erste vom Beschwerdeführer auf - wie er selbst angibt - Hochschulniveau absolvierte Studium der Informatik und Mathematik - nach den Ausführungen im Schreiben des interuniversitären Forschungsinstitutes für Fernstudien vom 25. November 1986 kann ein an der Fernuniversität Hagen erreichter „Abschluß“ bei „einer österreichischen Universität zur Nostrifizierung eingereicht werden“ ‑ kann, schon im Hinblick auf die obigen Ausführungen, von welchen abzugehen der Verwaltungsgerichtshof keine Veranlassung sieht, nicht als berufliche Fortbildung des Beschwerdeführers angesehen werden. Dies vor allem deshalb, weil das vermittelte Wissen ja eine umfassende Ausbildungsgrundlage für verschiedene Berufe darstellt und nicht nur der spezifischen fachlichen Weiterbildung in dem vom Beschwerdeführer bereits ausgeübten Beruf - für welchen es zweifellos auch von Vorteil sein kann - dient.

Bei dieser Sachlage aber kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie den strittigen Aufwendungen des Beschwerdeführers die Anerkennung als Fortbildungs- und damit als Werbungskosten versagt hat.

2. Außergewöhnliche Belastung:

Gemäß § 34 Abs. 7 stellen Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung eine außergewöhnliche Belastung dar, wenn diese Berufsausbildung an öffentlichen Schulen oder im Rahmen von Bildungseinrichtungen und Lehrveranstaltungen im Sinne des § 6 Z. 11 und 12 des Umsatzsteuergesetzes 1972 erfolgt. Ausgenommen sind Beträge im Sinne des § 26 Z. 4, Aufwendungen eines Steuerpflichtigen, der als Kind im Sinne des § 119 gilt, sowie Aufwendungen für den Lebensunterhalt wie insbesondere für Unterkunft und Verpflegung. Aufwendungen im Sinne des ersten Satzes sind nur insoweit als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, als sie im Kalenderjahr mehr als S 4.000,-- betragen und S 12.000,-- nicht übersteigen. Die Bestimmungen des Absatzes 4 sind nicht anzuwenden.

Der belangten Behörde kann im Streitfall, ungeachtet des Umstandes, daß sich - was der Beschwerdeführer zu Recht rügt - der diesbezügliche Teil der Begründung des angefochtenen Bescheides als eher dürftig darstellt, nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie sinngemäß zu der Auffassung gelangt, daß die strittigen Aufwendungen auch nicht als außergewöhnliche Belastungen im Sinne der oben zitierten Gesetzesbestimmung anzuerkennen sind; denn einerseits stellt die Fernuniversität in Hagen, BRD, in Österreich schon im Hinblick auf Art. 14 Abs. 6 B‑VG, wonach öffentliche Schulen jene sind, die vom gesetzlichen Schulerhalter (Bund, Land, Gemeinde, Gemeindeverbände) errichtet und erhalten werden, keine solche öffentliche Schule dar, andererseits ist sie auch nicht als „Bildungseinrichtung und Lehrveranstaltung im Sinne des § 6 Z. 11 und 12 des Umsatzsteuergesetzes 1972“ anzusehen. Kann doch die Tätigkeit eines Fernlehrinstitutes, wie die genannte Fernuniversität eines darstellt (vgl. Kranich‑Siegl-Waba, Kommentar zur Mehrwertsteuer, § 6 Z. 11 Umsatzsteuergesetz 1972, Anmerkung 242, sowie die hg. Erkenntnisse vom 28. April 1976, Zl. 559/75, Slg. N. F. Nr. 4968/F, und vom 24. April 1980, Zl. 2482/77) mit der Unterrichtstätigkeit einer öffentlichen Schule schon deshalb nicht verglichen werden - was jedoch im Sinne des § 6 Z. 11 Umsatzsteuergesetz 1972 Voraussetzung wäre -, weil weder das Merkmal des gemeinsamen Unterrichtes einer Mehrzahl von Schülern noch auch die für die Durchführung eines normalen Schulbetriebes erforderlichen organisatorischen Voraussetzungen (Schulräume etc.) gegeben sind.

Daß im Streitfall aber auch keine Vorträge, Kurse und Filmvorführungen einer öffentlich‑rechtlichen Körperschaft oder eines Volksbildungsvereines vorliegen, und daher die Ausbildung des Beschwerdeführers nicht im Rahmen von Einrichtungen im Sinne des § 6 Z. 12 Umsatzsteuergesetz 1972 erfolgt, liegt auf der Hand.

Die belangte Behörde hat daher zu Recht die Anerkennung der in Rede stehenden Aufwendungen auch als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 34 Abs. 7 EStG 1972 verneint.

Da die belangte Behörde demnach im Ergebnis richtig erkannte, daß die Studienkosten des Beschwerdeführers weder als Werbungskosten noch als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen waren, und eine entscheidungswesentliche Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht vorliegt, erwies sich der angefochtene Bescheid nicht mit der behaupteten Rechtswidrigkeit belastet, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 3. Juni 1987

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