European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1987:1986040184.X00
Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 19.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zu 1.: Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 21. November 1985, Zl. X-10214-1985, wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, die ihm mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 14. Mai 1985, Zl. 11-2225/84, aufgetragenen Betriebszeiten, dadurch, daß er in seinem Betrieb in K, S-straße 1, am 26. August 1985 um 07.15 Uhr den Doppelbesäumer und bis 18.15 Uhr den Hubstapler, am 27. August 1985 von 07.05 Uhr bis 12.15 Uhr das Vollgatter, am 28. August 1985 um 07.10 Uhr das Vollgatter, am 29. August 1985 um 07.15 Uhr das Vollgatter, am 30. August 1985 um 07.10 Uhr und um 13.10 Uhr das Vollgatter, am 2. September 1985 von 07.00 Uhr bis 12.15 Uhr das Vollgatter und um 13.15 Uhr das Vollgatter sowie am 3. September 1985 um
13.15 Uhr das Vollgatter sowie am 3. September 1985 um 07.00 Uhr den Hubstapler und um 13.20 Uhr das Vollgatter in Betrieb genommen habe, nicht eingehalten und hiedurch eine Verwaltungsübertretung gemäß "§ 360/2 i.V.m. § 368 Zif. 17 GewO" begangen zu haben. Hiefür wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 368 Z. 17 GewO 1973 eine Geldstrafe in der Höhe von S 4.000,-- (Ersatzarreststrafe 8 Tage) verhängt.
Einer dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers gab der Landeshauptmann von Vorarlberg mit Bescheid vom 16. Juli 1986 keine Folge und bestätigte das erstbehördliche Straferkenntnis mit der Maßgabe, daß die Bestrafung des Beschwerdeführers wegen Übertretung nach § 368 Z. 17 GewO 1973 in Verbindung mit Punkt 1 des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 14. Mai 1985, Zl. 11-2225/1984, erfolge. Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, es stehe außer Streit, daß die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch mit Bescheid vom 14. Mai 1985, Zl. 11-2225/1984, unter Punkt 1 in Anwendung des § 360 Abs. 2 GewO 1973 als Auflage für die Durchführung von Sägereiarbeiten beim Sägewerk des Beschwerdeführers in K vorgeschrieben habe, daß lärmverursachende Tätigkeiten nur in der Zeit von 07.30 bis 12.00 Uhr und 13.30 bis 18.00 Uhr durchgeführt werden dürften. Lärmverursachende Tätigkeiten seien demnach außer diesen Zeiten nicht zulässig. Der Beschwerdeführer bestreite, gegen diese Auflage verstoßen zu haben. Nach Auffassung der Berufungsbehörde sei auf Grund der Aktenlage als erwiesen anzusehen, daß der Beschwerdeführer zu den angeführten Zeitpunkten gegen die vorbezeichnete bescheidmäßig angeordnete "Auflage" verstoßen habe. Zu dieser Schlußfolgerung komme die Berufungsbehörde insbesondere auf Grund der glaubwürdigen Aussagen der Zeugen ML sowie H und FS vor der Erstbehörde, wonach sie den Betrieb der in Rede stehenden Maschinen persönlich hätten wahrnehmen können. Es sei daher die nachträgliche Vernehmung der vom Beschwerdeführer erstmals in seiner Berufung namhaft gemachten Zeugen im Hinblick auf die zwischen den Tatzeitpunkten und der Einbringung der Berufung verflossene Zeit nicht mehr zielführend.
Zu 2.: Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 21. November 1985, Zl. X-11303-1985, wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, die ihm mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 14. Mai 1985, Zl. 11-2225/84, aufgetragenen Betriebszeiten, dadurch, daß er in seinem Betrieb in K, Sstraße 1, am 24. September 1985 um 07.05 Uhr den Doppelbesäumer und um 13.15 Uhr den Hubstapler, am 25. September 1985 um 07.05 Uhr den Doppelbesäumer, am 26. September 1985 um 07.00 Uhr den Hubstapler und um 13.15 Uhr den Doppelbesäumer, am 27. September 1985 um 07.15 Uhr das Vollgatter und am 30. September 1985 um 07.05 Uhr den Hubstapler, bis 12.10 Uhr die Kettensäge und um 13.15 Uhr ebenfalls die Kettensäge in Betrieb genommen und zu dem am 27. September 1985 bis 19.40 Uhr einen Holztransport durchgeführt habe, nicht eingehalten und hiedurch eine Verwaltungsübertretung gemäß "§ 360/2 i.V.m. § 368 Zif. 17 GewO" begangen zu haben. Hiefür wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 368 Z. 17 GewO 1973 eine Geldstrafe in der Höhe von S 4.000,-- (Ersatzarreststrafe 8 Tage) verhängt.
Einer dagegen erhobenen Berufung gab der Landeshauptmann von Vorarlberg mit Bescheid vom 15. Juli 1986 keine Folge und bestätigte das erstbehördliche Straferkenntnis mit der Maßgabe, daß die Bestrafung des Beschwerdeführers wegen Übertretung nach § 368 Z. 17 GewO 1973 in Verbindung mit Punkt 1 des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 14. Mai 1985, Zl. 11- 2225/1984, erfolge. Zur Begründung wurde u.a. auf die bereits zu
1. angeführte "Auflage" im Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 14. Mai 1985 hingewiesen, und inhaltlich gleichartige Beweiserörterungen, wie zu 1. dargestellt, angeführt.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden.
Die belangte Behörde legte die Akten des jeweiligen Verwaltungsverfahrens vor und erstattete Gegenschriften mit dem Antrag, den Beschwerden keine Folge zu geben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Seinem Beschwerdevorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer jeweils in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht wegen der in Rede stehenden Verwaltungsübertretungen bestraft zu werden. Er bringt hiezu jeweils unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen
Rechtswidrigkeit bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften u.a. vor, in der Begründung des in Rede stehenden Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 14. Mai 1985, Zl. 11-2225/84, mit dem gemäß § 360 Abs. 2 GewO 1973 in Anwendung des § 57 AVG 1950 dem Beschwerdeführer bis zur rechtskräftigen Entscheidung der beantragten gewerbepolizeilichen Genehmigung vorgeschrieben worden sei, daß verursachende Tätigkeiten nur in der Zeit von 07.30 bis 12.00 Uhr und von 13.30 bis 18.00 Uhr durchgeführt werden dürften (Punkt 1) und weiters, daß der Hubstapler binnen vier Wochen mit einem Schalldämpfer auszustatten sei (Punkt 2), werde u.a. ausgeführt, daß bei den Wohnhäusern der S-straße 2 und 4 ein Grundgeräuschpegel von 34 bis 36 dB ermittelt worden sei. Durch den Arbeitslärm des Sägewerkes komme es zu einer Erhöhung des Lärmes auf 50 bis 55 dB (energieäquivalenter Dauerschallpegel). Da nach den ÖAL-Richtlinien die Grenze zumutbarer Störung im Freien bei 45 dB liege, komme es zu einer Grenzüberschreitung von 5 bis 10 dB, was sich negativ auf das vegetative Nervensystem auswirken könnte. Der Bescheid enthalte somit keine Betriebszeitenbeschränkung, sondern ganz eindeutig nur eine Einschränkung des Ausmaßes lärmverursachender Tätigkeit. Die Verwaltungsbehörden waren daher verpflichtet gewesen, Feststellungen zu treffen, welche tatsächliche lärmverursachende Tätigkeit ausgeübt worden und ob diese mit einem Lärmpegel über 35 bis 36 dB verbunden gewesen sei. Jedenfalls stelle die Inbetriebnahme des Vollgatters, des Hubstaplers und des Doppelbesäumers noch kein strafbares Verhalten dar, wenn nicht gleichzeitig eindeutig damit eine
lärmverursachende Tätigkeit verbunden sei. Die Behörde hatte daher zumindest in Konkretisierung der Tat feststellen müssen, ob und welcher Lärm mit der Inbetriebnahme verbunden gewesen sein solle. Unter Inbetriebnahme eines Fahrzeuges sei bereits das Hineinstecken des Zündschlüssels und die Betätigung der Zündung zu verstehen. Dies gelte auch für Elektrogeräte wie Doppelbesäumer und Vollgatter. Wenn er aber diese Form der Inbetriebnahme gesetzt habe, dann verursache er noch keinerlei Lärm und sei daher in keiner Weise strafbar. Selbst wenn also mit Bescheid vom 14. Mai 1985 jedweder Lärm gemeint gewesen sein sollte, sei die Inbetriebnahme der angeführten Geräte nicht hinreichend konkretisiert, um den Begriff der "lärmverursachenden Tätigkeit" auszufüllen. Abgesehen davon sei auch der Zeitablauf nicht konkretisiert, da hievon auch Zeiträume erfaßt seien, die von der vorangeführten Beschränkung nicht betroffen würden und es habe die belangte Behörde insbesondere auch gegen das Verbot der Doppelbestrafung verstoßen, da sämtliche in dem zu 2. angefochtenen Bescheid angeführten Tatzeiträume vor der am 26. November 1985 erfolgten Zustellung des zu 1. angeführten erstbehördlichen Straferkenntnisses lägen. Desgleichen habe die belangte Behörde die Ablehnung der von ihm beantragten Beweismittel auf eine vorweggenommene Beweiswürdigung gestützt.
Den Beschwerden kommt auf Grund folgender Überlegung Berechtigung zu:
Gemäß § 368 Z. 17 GewO 1973 begeht eine Verwaltungsübertretung, die - nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle - mit einer Geldstrafe bis zu S 10.000,-- zu ahnden ist, wer andere in § 366, § 367 und in Z. 1 bis 16 genannte Gebote oder Verbote dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder der Bescheide, die auf Grund der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassener Verordnungen ergangen sind, nicht einhält.
Wenn es auch dem Gesetzgeber nicht verwehrt ist, die äußere Trennung von Tatbestand und Strafdrohung so vorzunehmen, daß bloß die Strafdrohung in einer Gesetzesbestimmung besteht, der Tatbestand im Einzelfall jedoch durch einen Bescheid konstituiert wird (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 14. November 1973, Slg. N.F. Nr. 8497/A), ist die Heranziehung eines gewerbebehördlichen Bescheides als Tatbestand nur zulässig, wenn er mit genügender Klarheit eine Gebots- oder Verbotsnorm derart enthält, daß der Unrechtsgehalt eines Zuwiderhandelns eindeutig erkennbar ist (vgl. hiezu VfSlg. Nr. 6762), das heißt, daß derartige bescheidmäßige "Auflagen" nur dann Tatbestandsmerkmal einer Verwaltungsübertretung sein können, wenn sie so klar gefaßt sind, daß sie dem Verpflichteten jederzeit die Grenzen seines Verhaltens und damit die Einhaltung der Auflagen zweifelsfrei erkennen lassen (vgl. hiezu sinngemäß das hg. Erkenntnis vom 2. Juni 1976, Zl. 640/75, u.a.).
Dieses Erfordernis trifft aber im vorliegenden Fall auf den von der belangten Behörde in Verbindung mit § 368 Z. 17 herangezogenen, gemäß § 360 Abs. 2 GewO 1973 ergangenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 14. Mai 1985 nicht zu, da dieser auch nach den Begründungsausführungen in den angefochtenen Bescheiden schlechthin auch die Durchführung "lärmverursachender Tätigkeiten" nur in den dort angeführten Zeiträumen zuläßt. Das bloße Verbot "lärmverursachender Tätigkeiten" entspricht aber im gegebenen Zusammenhang nicht der für eine Strafnorm erforderlichen eindeutigen Klarheit im Sinne der vordargestellten Gesichtspunkte.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie die angefochtenen Bescheide schon im Hinblick darauf mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu ihrer Aufhebung zu führen hatte; solcherart war eine Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens entbehrlich.
Die Entscheidung über die Verfahrenskosten in Ansehung der zur Entscheidung stehenden Beschwerden gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.
Wien, am 10. Juni 1987
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