VwGH 86/04/0010

VwGH86/04/001015.6.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Iro, Dr. Salcher, Dr. Baumgartner, Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, Dr. Herberth, Dr. Degischer und DDr. Jakusch, im Beisein der Schriftführerin Dr. Janistyn, über die Beschwerde des KM in D, vertreten durch Dr. Helmut Valenta, Rechtsanwalt in Linz, Schillerstraße 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 3. August 1984, Zl. IIa-16.092/1, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
AVG §67;
B-VG Art130 Abs1 Z4;
GewO 1973 §52 Abs4;
VStG §24;
VStG §44a litb;
VStG §44a Z2;
VStG §51 Abs1;
VStG §51 Abs4;
VwGG §13 Abs1 Z2;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1987:1986040010.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er über Strafart und Strafausmaß sowie die Kosten des Strafverfahrens abspricht, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.750,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis vom 9. Juli 1984 erkannte die Bezirkshauptmannschaft Lienz den Beschwerdeführer schuldig, am 9. Mai 1984 eine gewerbliche Tätigkeit mittels eines Warenautomaten, der innerhalb eines Umkreises von 200 m von der Volks-, Haupt- und Sonderschule in N am Hause des HS in N, Pstraße Nr. 6, angebracht gewesen sei, ausgeübt zu haben, obwohl laut Verordnung der Gemeinde N vom 19. Mai 1983 derartige Tätigkeiten mittels eines Automaten innerhalb eines Umkreises von 200 m von Volks-, Haupt- und Sonderschulen sowie Postauto-, Schülerbushaltestellen, des Kindergartens, des Kinderspielplatzes und vom SOS-Kinderdorf untersagt worden seien; er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 367 Z. 15 GewO 1973 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Z. 1 der Verordnung der Gemeinde N vom 19. Mai 1983 begangen. Gemäß § 367 Einleitungssatz GewO 1973 wurde über ihn eine Geldstrafe von S 3.000,-- (Ersatzarreststrafe 6 Tage) verhängt. Zur Begründung wurde ausgeführt, der in Rede stehende Kaugummiautomat sei, wie eine vom Gemeindeamt N getroffene Feststellung ergeben habe, bis zum Zeitpunkt der Anzeigeerstattung am 24. Mai 1984 nach wie vor am Hause des HS in N, P-straße Nr. 6, angebracht gewesen. Auf dem am 9. Mai 1984 von der Örtlichkeit angefertigten Foto sei eindeutig ersichtlich, daß der Warenautomat mit Waren gefüllt gewesen sei, wobei eine Warenentnahme jederzeit möglich gewesen sei. Dieser Warenautomat befinde sich innerhalb des Umkreises von 200 m von der Volks-, Haupt- und Sonderschule N. Es stehe damit eindeutig fest, daß der Beschwerdeführer entgegen der Bestimmung des § 1 Abs. 1 Z. 1 der Verordnung der Gemeinde N vom 19. Mai 1983 am 9. Mai 1984 mittels eines Kaugummiautomaten, der innerhalb des Verbotsbereiches angebracht gewesen sei, eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt habe. Der Beschwerdeführer habe diejenigen Interessen, deren Schutz diese Verordnung diene, nicht unbeträchtlich verletzt. Da die Verordnung bereits im Mai 1983 in Kraft getreten sei und der Beschwerdeführer weiterhin seine gewerbliche Tätigkeit mittels Automaten im näheren Umkreis der in Rede stehenden Schule ausgeübt habe, sei der Unrechtsgehalt der begangenen Übertretung als schwerwiegend zu werten. Im Hinblick auf die Höhe der Strafdrohung sei unter sorgfältiger Abwägung der Erschwerungs- und Milderungsgründe, unter Berücksichtigung general- und spezialpräventiver Aspekte und der Familien-, Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Beschuldigten die ausgesprochene Geldstrafe als angemessen anzusehen.

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung. In seinen Berufungsgründen befaßte sich der Beschwerdeführer ausschließlich mit der Schuldfrage, ohne auf die Höhe der über ihn verhängten Strafe einzugehen. Die Berufung endet mit dem Antrag, der "Berufung Folge zu geben, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und das anhängige Verfahren einzustellen".

Mit Bescheid vom 3. August 1984 wies der Landeshauptmann von Tirol die Berufung als unbegründet ab. Begründend führte der Landeshauptmann aus, das Berufungsvorbringen, das sich nur mit der Frage befasse, inwieweit die Behörde dem Beschwerdeführer die Entfernung des Warenautomaten auftragen könne, könne die zutreffenden Entscheidungsgründe des erstbehördlichen Straferkenntnisses nicht entkräften. Dem Beschwerdeführer sei nicht das Aufstellen eines Warenautomaten, sondern die Ausübung der - durch eindeutige Erhebungen nachgewiesenen - gewerblichen Tätigkeit mittels eines Warenautomaten innerhalb der Verbotszone vorgeworfen worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 22. November 1985, B 786/84-9, abgelehnte und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetretene Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 13 Abs. 1 Z. 2 VwGG verstärkten Senat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer seinem gesamten Vorbringen nach in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung schuldig erkannt und hiefür bestraft zu werden. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes bringt der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit und einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, der bezeichnete Automat sei bereits seit längerem ordnungsgemäß angemeldet und es lägen die notwendigen Bewilligungen und Genehmigungen vor. Ein Widerruf dieser Genehmigung sei bislang noch nicht erfolgt. Die Erhebungen der Erstbehörde hätten sich nur darauf konzentriert, daß der gegenständliche Automat im Untersagungsbereich aufgestellt sei. Weitere Feststellungen seien nicht getroffen worden. Des weiteren sei der im Spruch festgehaltene Tatzeitraum keineswegs durch die Feststellungen und durch die Erhebungen im einzelnen gedeckt. Es wäre auch zu berücksichtigen, daß der gegenständliche Automat auf Privatgrund aufgestellt sei. Nach der für den Beschwerdeführer derzeit noch unklaren rechtlichen Situation sei davon auszugehen, daß er weder vorsätzlich noch fahrlässig gegen Bestimmungen der Gewerbeordnung und der gegenständlichen Verordnung verstoßen habe. Es mangle daher an einem schuldhaften tatbestandsmäßigen Verhalten des Beschwerdeführers. Dem Beschwerdeführer sei Gesetzesirrtum zuzugestehen. Der Spruch des angefochtenen Erkenntnisses sei mangelhaft, da auf die Bestimmung des § 52 Abs. 4 GewO 1973 nicht Bezug genommen werde. Schließlich sei davon auszugehen, daß die verhängte Geldstrafe bei weitem überhöht und ohne jede nähere Prüfung festgelegt worden sei.

Gemäß § 367 Z. 15 GewO 1973 begeht eine Verwaltungsübertretung, die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle mit einer Geldstrafe bis zu S 20.000,-- oder mit einer Arreststrafe bis zu vier Wochen zu ahnden ist, wer ein Gewerbe mittels Automaten entgegen § 52 Abs. 2 oder entgegen den Bestimmungen einer Verordnung gemäß § 52 Abs. 3 oder 4 ausübt, wenn nicht einer der Tatbestände des § 366 Abs. 1 Z. 1 und 2 gegeben ist.

Zufolge § 52 Abs. 4 leg. cit. kann die Gemeinde, soweit dies zum Schutz von unmündigen Minderjährigen vor unüberlegten Geldausgaben erforderlich ist, durch Verordnung die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten, die erfahrungsgemäß besonders auf die Inanspruchnahme durch unmündige Minderjährige ausgerichtet sind,

1. im näheren Umkreis von Schulen, die von unmündigen Minderjährigen besucht werden,

2. bei Aufnahmestellen des öffentlichen Verkehrs, die erfahrungsgemäß viel von unmündigen Minderjährigen auf dem Weg zur oder von der Schule benützt werden,

3. bei Schulbushaltestellen, die von unmündigen Minderjährigen benützt werden,

4. auf Plätzen oder in Räumen, die erfahrungsgemäß viel von unmündigen Minderjährigen besucht werden, oder

5. im näheren Umkreis der in Z. 4 angeführten Plätze und Räume untersagen.

Gestützt auf diese Gesetzesstelle erließ der Bürgermeister der Gemeinde N die Verordnung vom 19. Mai 1983, nach deren § 1 Abs. 1 zum Schutz von unmündigen Minderjährigen vor unüberlegten Geldausgaben die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten, die erfahrungsgemäß besonders auf die Inanspruchnahme durch unmündige Minderjährige ausgerichtet sind, an den in den Z. 1 bis 5 näher umschriebenen Örtlichkeiten untersagt ist. Gemäß § 1 Abs. 2 dieser Verordnung sind in den Verbotsbereichen aufgestellte Automaten, auf die diese Verordnung anzuwenden ist, binnen vierzehn Tagen nach Inkrafttreten dieser Verordnung zu entfernen.

Mit seinem Vorbringen über die Anbringung der in Rede stehenden Automaten auf Privatgrund und das Vorliegen der erforderlichen Bewilligungen und Genehmigungen übersieht der Beschwerdeführer, daß Gegenstand der über ihn verhängten Verwaltungsstrafe nicht die Unterlassung der Entfernung des Automaten, sohin ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 der bezeichneten Verordnung war, sondern die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit mittels dieses Automaten. Hiezu traf die belangte Behörde aber die erforderlichen - vom Beschwerdeführer nicht bekämpften - Feststellungen.

Aus welchen Gründen der Beschwerdeführer meint, es liege eine "derzeit noch unklare rechtliche Situation vor", die ihn der Verantwortlichkeit für das in Rede stehende Delikt enthebe, und es sei ihm Gesetzesirrtum zuzugestehen, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen.

Die vom Beschwerdeführer gerügte Unterlassung der Zitierung des § 52 Abs. 4 GewO 1973 im Spruche des angefochtenen Bescheides bildet keinen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides begründenden Verstoß gegen die Bestimmung des § 44a lit. b VStG 1950, weil die in Rede stehende Gesetzesstelle kein hier relevantes Verbot, sondern lediglich eine Verordnungsermächtigung enthält.

Mit Recht bekämpft der Beschwerdeführer aber die Höhe der über ihn verhängten Strafe.

Im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen das erstbehördliche Straferkenntnis nur zur Schuldfrage, nicht aber zur Höhe der über ihn verhängten Strafe Stellung nahm, ist zunächst die Rechtsfrage zu lösen, ob er in einem solchen Fall durch die die Strafbemessung der Behörde erster Instanz bestätigende Berufungsentscheidung in einem subjektiven öffentlichen Recht verletzt worden ist.

Dem hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 25. März 1980, Slg. N. F. Nr. 10.077/A, lag insofern ein gleichgelagerter Sachverhalt zugrunde, als sich auch in dem dort zu beurteilenden Verwaltungsstrafverfahren die Beschwerdeführerin in ihrer gegen das erstbehördliche Straferkenntnis erhobenen Berufung nur mit der Schuldfrage befaßte, ohne die Höhe der über sie verhängten Strafe ausdrücklich zu bekämpfen. In dem zitierten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof die Berechtigung der auch gegen die Strafhöhe erhobenen Beschwerde bejaht und den angefochtenen Bescheid, soweit dieser über Strafart und Strafausmaß sowie die Kosten des Strafverfahrens absprach, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Demgegenüber hat der Gerichtshof im hg. Erkenntnis vom 8. Juli 1983, Zl. 82/02/0176, jeweils die Beschwerden als unbegründet abgewiesen und in Erwiderung des die Strafbemessung betreffenden Beschwerdevorbringens die Rechtsansicht vertreten, die belangte Behörde sei nicht verpflichtet gewesen, bei der ihr nach dem Gesetz obliegenden Prüfung des erstinstanzlichen Bescheides auf die Bemessung der Strafe einzugehen, weil der Beschwerdeführer in der gegen das Straferkenntnis der erstinstanzlichen Behörde eingebrachten Berufung gegen die Bemessung der Strafe, auch hilfsweise, nichts vorgebracht und bis zum Abschluß des Berufungsverfahrens in dieser Hinsicht gegen den erstinstanzlichen Bescheid keine Einwendungen erhoben habe. Die gegenüber den Parteien und Beteiligten bestehende Begründungspflicht reiche nicht weiter als das von der Rechtsordnung anerkannte Rechtsschutzinteresse. Auf dieser Linie liege § 58 Abs. 2 AVG 1950, der auch für das Strafverfahren gemäß § 24 VStG 1950 anwendbar sei, nach dem Bescheide nur zu begründen seien, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen werde. Habe sich der Beschwerdeführer aber hinsichtlich der Bemessung der Strafe im Berufungsverfahren vor der Verwaltungsbehörde verschwiegen, so habe in dieser Hinsicht für die Verwaltungsbehörde keine Begründungspflicht bestanden. Im hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1983, Zl. 83/02/0073, hat der Verwaltungsgerichtshof in Verfolgung dieser Rechtsansicht weiter ausgeführt, da die belangte Behörde gar nicht verpflichtet gewesen wäre, bei der ihr nach dem Gesetz obliegenden Prüfung des erstinstanzlichen Bescheides auf die Bemessung der Strafe einzugehen und diese näher zu begründen, komme es bei Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer dadurch in einem subjektiven öffentlichen Recht verletzt worden ist, nicht auf eine diesbezüglich trotzdem gegebene Begründung an.

Nach der Bestimmung des § 66 Abs. 4 AVG 1950, welche zufolge § 24 VStG 1950 auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, hat die Berufungsbehörde - von den hier nicht in Betracht kommenden Fällen der Behebung des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1950 und der Zurückweisung der Berufung abgesehen - immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Die Berufungsbehörde hat daher aus Anlaß der Berufung die Sache ebenso wie die Behörde erster bzw. unterer Instanz nach allen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten neu zu überprüfen und sodann ihre Berufungsentscheidung zu fällen, ohne auf jene Gesichtspunkte beschränkt zu sein, die in der Berufung vorgebracht werden. Demgemäß kann sie den Bescheid nach jeder Richtung abändern. Grenzen gesetzt sind ihr dabei nur einerseits durch den allfälligen Eintritt einer Teilrechtskraft, sofern die unangefochten gebliebenen Teile des erst- bzw. unterinstanzlichen Bescheides nicht mit dem angefochtenen Teil untrennbar rechtlich verbunden waren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. November 1951, Slg. N. F. Nr. 2346/A) sowie durch eine allfällige Einschränkung des Mitspracherechtes des Berufungswerbers (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. N. F. Nr. 10.317/A) und andererseits im Verwaltungsstrafverfahren durch das Verbot de reformatio in peius (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Juni 1949, Slg. N. F. Nr. 890/A).

Bei dem hier zu beurteilenden Sachverhalt ist daher weder der erstbehördliche Strafausspruch in Teilrechtskraft erwachsen noch fehlt dem Beschwerdeführer ein Mitspracherecht in der Frage der Strafbemessung, sodaß die Berufungsbehörde in ihrer Prüfungsbefugnis in keiner Richtung eingeschränkt war.

Nach dem Gesagten kann sohin nicht mehr zweifelhaft sein, daß die Berufungsbehörde im Verwaltungsstrafverfahren auch dann, wenn 'in einer wegen Schuld erhobenen Berufung Ausführungen zur Höhe der verhängten Strafe fehlen, auch die Strafbemessung zu überprüfen und allenfalls die Strafe neu festzusetzen hat. Die Ausführungen im Erkenntnis vom 16. Dezember 1983, Zl. 83/02/0073, im Hinblick auf die Begründungspflicht vermögen zu der hier zu lösenden Rechtsfrage nichts beizutragen. Denn auch dann, wenn man davon ausgeht, daß die Berufungsbehörde in einem solchen Fall, wenn sie die von der Erstbehörde zur Strafbemessung angestellten Erwägungen teilt und den Strafausspruch des erstbehördlichen Straferkenntnisses bestätigt (und diesen damit zum Inhalt ihres eigenen Bescheides erhebt; vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 1978, Zl. 1032/77), nicht zu einer neuerlichen Darlegung der für die Strafbemessung maßgebenden Erwägungen verhalten ist, so kann das Unterlassen einer solchen Begründung doch nur dahin verstanden werden, daß sich die Berufungsbehörde den diesbezüglichen Erwägungen der Erstbehörde anschließt.

Hatte und hat aber die belangte Behörde in dem in Rede stehenden Fall im angefochtenen Bescheid auch über die Höhe der verhängten Strafe neu zu entscheiden, so unterliegt zufolge Art. 130 und 131 B-VG auch dieser Ausspruch der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof. Die Rechtsansicht, bei dieser Überprüfung sei es von Bedeutung, ob der Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen das erstbehördliche Straferkenntnis zur Höhe der über ihn verhängten Strafe Stellung nahm, findet im Gesetz keine Stütze.

Der Umstand, wonach der Beschwerdeführer in seiner das erstbehördliche Straferkenntnis zur Gänze bekämpfenden Berufung gegen das Straferkenntnis gegen das Straferkenntnis vom 9. Juli 1984 zur Höhe der über ihn verhängten Strafe nicht ausdrücklich Stellung nahm, steht sohin der Annahme nicht entgegen, er könnte durch den angefochtenen Bescheid im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes auch hinsichtlich der Höhe der über ihn verhängten Strafe in einem subjektiven Recht verletzt sein.

Nach der Anordnung des § 60 AVG 1950 - diese Bestimmung gilt zufolge § 24 VStG 1950 auch im Verwaltungsstrafverfahren - sind in der Begründung eines Bescheides die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof zu wiederholten Malen dargetan hat, ist die Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens eine Ermessensentscheidung.

Im Grunde des Art. 130 Abs. 2 B-VG liegt im Bereich des verwaltungsbehördlichen Ermessens Rechtswidrigkeit dann nicht vor, wenn die Behörde von diesem im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Demgemäß obliegt es der Behörde in der Begründung ihres Bescheides, die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 25. März 1980, Slg. N. F. Nr. 10.077/A).

Diesem Begründungserfordernis ist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid insofern nicht nachgekommen, als sie insbesondere die nach § 19 Abs. 2 letzter Satz VStG 1950 für die Strafbemessung maßgeblichen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschwerdeführers nicht darlegte und Begründungen im Hinsicht des § 19 Abs. 1 VStG 1950 überhaupt unterließ und damit dem Verwaltungsgerichtshof die ihm in Ansehung der Strafbemessung obliegende Ermessensprüfung unmöglich machte.

Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid, soweit dieser über Strafart und Strafausmaß sowie über die Kosten des Strafverfahrens abspricht, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 26. April 1979, Slg. N.F. Nr. 9828/A).

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985. Das Mehrbegehren auf Zuspruch eines höheren Schriftsatzaufwandes zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer war abzuweisen, weil dem Beschwerdeführer gemäß § 49 Abs. 1 VwGG für den Schriftsatzaufwand nur der in der zitierten Verordnung des Bundeskanzlers festgesetzte Pauschalbetrag zusteht.

Wien, am 15. Juni 1987

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