VwGH 84/12/0024

VwGH84/12/002414.5.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zach und die Hofräte Dr. Seiler, Dr. Drexler, Dr. Närr und Dr. Herberth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Novak, über die Beschwerde des AT in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Emberger, Rechtsanwalt in Wien I, Plankengasse 2, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 17. Juni 1983, Zl. 514.461/3-I 12/83, betreffend Anerkennung einer ausländischen Ehescheidung (mitbeteiligte Partei: N P-T in W), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
EheGDV 04te §24 Abs1;
AVG §56;
EheGDV 04te §24 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer richtete an die belangte Behörde den Antrag auf Anerkennung einer am 23. April 1980 vor dem Obersten Gerichtshof in Kuwait erfolgten Ehescheidung gemäß § 24 Abs. 1 der

4. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz (4. DVOzEheG).

Die Mitbeteiligte sprach sich in dem von der belangten Behörde eingeleiteten Verfahren gegen die Anerkennung der Scheidung aus.

Mit dem angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde gemäß § 24 Abs. 1 der 4. DVOEheG fest, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der am 23. April 1980 vor dem Obersten Gerichtshof in Kuwait erfolgten Ehescheidung (Scheidungsurkunde Nr. 61/80) seien nicht gegeben. Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer und die Mitbeteiligte hätten am 10. September 1974 in Kuwait vor dem Richter des Gerichtes für Personalangelegenheiten die Ehe geschlossen. Am 23. April 1980 habe der Beschwerdeführer beim Gericht die Scheidung von der Mitbeteiligten gefordert und sie verstoßen. Die Verstoßung sei vor zwei Gerichtszeugen verkündet worden. Der Beschwerdeführer sei jordanischer Staatsangehöriger, die Mitbeteiligte polnische Staatsangehörige. Der Mann habe zur Zeit der Scheidung seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Kuwait gehabt. Die Mitbeteiligte habe von der Einleitung des Scheidungsverfahrens keine Kenntnis erlangt. Nach § 328 Abs. 1 Z. 4 der Deutschen Zivilprozeßordnung, die gemäß § 24 Abs. 4 der 4. DVO sinngemäß anzuwenden sei, widerspreche die Aufhebung der Ehe durch einseitige Erklärung des Mannes (Verstoßung) ohne Zustimmung der Frau dem ordre public, da sie gegen die guten Sitten oder gegen den Zweck eines österreichischen Gesetzes verstoßen würde und auch mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar wäre. Dabei stützte sich die belangte Behörde auf eine Reihe von Darstellungen der Rechtslehre zu den genannten Bestimmungen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, allenfalls wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, aufzuheben. Er erachtet sich in dem Recht auf Feststellung, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der am 23. April 1980 vor Gericht erfolgten Scheidung der am 10. September 1974 zwischen der Mitbeteiligten und ihm geschlossenen Ehe gemäß § 24 Abs. 1 der 4. DVOEheG gegeben seien, verletzt.

Die belangte Behörde erstattete unter Vorlage der Verwaltungsakten eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte. Die Mitbeteiligte hat sich am Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß dem Abs. 1 des mit "Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen" überschriebenen § 24 der als österreichische Rechtsvorschrift auf der Stufe eines Bundesgesetzes weiterhin in Geltung stehenden Vierten Durchführungsverordnung zum Ehegesetz vom 25. Oktober 1941, DRGBl. I, S. 654 (4. EVOzEheG) - auf welche Bestimmung sich der angefochtene Bescheid stützt -, sind Entscheidungen, durch die im Ausland eine Ehe für nichtig erklärt, aufgehoben, dem Bande nach oder unter Aufrechterhaltung des Ehebandes geschieden oder durch die das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe zwischen den Parteien festgestellt ist, in Österreich nur wirksam, wenn der Bundesminister für Justiz oder die von ihm bestimmte Stelle festgestellt hat, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der Entscheidung gegeben sind. Hiebei ist (sofern sich - wie dies für den Beschwerdefall aber nicht zutrifft - nicht auf Grund besonderer zwischenstaatlicher Vereinbarungen etwas anderes ergibt) § 328 der (deutschen) Reichs-Zivilprozeßordnung anzuwenden. Trifft der Bundesminister eine Feststellung nach der genannten Bestimmung, so ist diese für Gerichte und Verwaltungsbehörden bindend.

Da im Beschwerdefall die beiden Ehegatten zur Zeit der Entscheidung (Scheidung) nicht dem Staat angehört haben, dessen Gericht entschieden hat, ist die Bestimmung des Abs. 4 des § 24 der 4. EVOzEheG hier nicht anzuwenden.

Strittig ist zwischen den Parteien im Beschwerdefall ausschließlich, ob der Versagungsgrund nach § 328 Abs. 1 Z. 4 der deutschen Reichs-Zivilprozeßordnung vorliegt oder nicht. Nach dieser Bestimmung ist die Anerkennung ausgeschlossen, wenn sie gegen die guten Sitten oder gegen Zwecke eines österreichischen Gesetzes verstoßen würde. Dabei ist vom folgenden unbestrittenen Sachverhalt auszugehen: Der Beschwerdeführer und die Mitbeteiligte haben am 10. September 1974 in Kuwait vor dem Richter des Gerichts für Personalangelegenheiten die Ehe geschlossen. Am 23. April 1980 hat der Beschwerdeführer beim kuwaitischen Gericht - Direktion für religiöse Beglaubigungen - die Scheidung von der Mitbeteiligten gefordert und sie verstoßen. Diese Verstoßung wurde vor zwei Gerichtszeugen verkündet. Der Beschwerdeführer ist jordanischer Staatsangehöriger, die Mitbeteiligte polnische Staatsangehörige. Der Beschwerdeführer hatte zur Zeit der Scheidung seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Kuwait. Die Mitbeteiligte hatte von der Einleitung des Scheidungsverfahrens keine Kenntnis.

Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes macht der Beschwerdeführer geltend, der Spruch des angefochtenen Bescheides überschreite unter Verletzung des klaren Wortlautes der Bestimmung des § 24 Abs. 1 der 4. DVOzEheG den Antrag der Mitbeteiligten auf Abweisung seines Antrages, weil danach nur eine positive Feststellung über das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung einer ausländischen Ehescheidung zu treffen sei. Diese Rechtsansicht des Beschwerdeführers trifft nicht zu, da in der Einräumung der Zuständigkeit, darüber zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung eines ausländischen Urteiles in Ehesachen gegeben sind, zugleich auch die Befugnis zur negativen Feststellung liegt, daß die Voraussetzungen für eine Anerkennung nicht vorliegen. Dies ergibt sich, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 9. Juli 1959, Zlen. 1066/58 und 2331/58, ausgesprochen hat, schon daraus, daß die Abweisung eines Antrages auf Feststellung, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Anerkennung vorliegen, zugleich auch die Feststellung enthält, daß diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, und damit in einer der Rechtskraft fähigen Form eine negative Feststellung bescheidmäßig ausgesprochen wird, wobei es darauf nicht ankommen kann, ob der Spruch eines solchen Bescheides diese Feststellung ausdrücklich enthält oder sich auf die Abweisung des auf positive Feststellung gerichteten Antrages beschränkt.

Die Feststellung wird im Spruch des angefochtenen Bescheides durch Bezugnahme auf den Antrag des Beschwerdeführers nach § 24 Abs. 1 der 4. DVOzEheG verdeutlicht, so daß der vom Beschwerdeführer erhobene Vorwurf der inhaltlichen Rechtswidrigkeit der mangelnden Bezugnahme auf die genannte Bestimmung ins Leere geht.

Welche Wirkungen die bescheidmäßige Feststellung der belangten Behörde auf anhängige Zivilprozesse hat, ist nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof, da dieser ausschließlich die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes zu prüfen hat. Die Beschwerdeausführungen, die die Rechtswirkungen des angefochtenen Bescheides betreffen, vermögen daher eine Rechtswidrigkeit dieses Bescheides nicht aufzuzeigen.

Soweit der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend macht, die Rechtsansicht der belangten Behörde, jede Ehescheidung nach islamischem Glaubensrecht verstoße gegen Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung, wendet er sich gegen eine Rechtsauffassung, die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid nicht vertreten wird. Dort wird nämlich nur zum Ausdruck gebracht, die Aufhebung der Ehe durch einseitige Erklärung des Mannes (Verstoßung) ohne Zustimmung der Frau widerspreche dem ordre public. Über die Auflösung der Ehe nach islamischem Eherecht, die auch durch gegenseitiges Einverständnis der Ehegatten oder durch gerichtliche Scheidung erfolgen kann (vgl. Bermann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, religiöse Eherechte - Islam, S. 16), wird von der belangten Behörde nichts ausgesagt. Daß die Auflösung der Ehe durch Verstoßung (talaq) dem österreichischen ordre public widerspricht, hat die belangte Behörde aber unter Berufung auf die herrschende Lehre ohne Rechtsirrtum ausgesprochen. Da die Ehe nach islamischem Recht ein Privatvertrag ist, der durch den Willen des Mannes mit Zustimmung der Frau zustandekommt, kann sie auch durch den einseitigen Willen des Mannes mit oder ohne Einverständnis der Frau gelöst werden. Nach dem Koran ist das Verstoßungsrecht ein ausschließliches Privileg des Mannes. Er kann die Ehe nach Gutdünken, ohne Angabe von Gründen, lösen (vgl. Bergmann/Ferid, a. a.O., S. 16f). Daß der Beschwerdeführer bei der nach islamischem Recht vollzogenen Verstoßung seiner Ehefrau, der Mitbeteiligten, vor dem kuwaitischen Gericht Gründe für die Verstoßung hätte angeben müssen oder auch nur angegeben hätte und das kuwaitische Gericht solche geprüft und festgestellt hätte, hat der Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren behauptet, noch wurden diesbezüglich Feststellungen getroffen. Vielmehr ergibt sich aus dem Akt, daß die Ehescheidungsurkunde des kuwaitischen Gerichtes lediglich die Tatsache der erfolgten Verstoßung der Mitbeteiligten durch den Beschwerdeführer in der für das islamische Recht gültigen Form beurkundet. Die Anerkennung einer solchen Ehescheidung widerspricht den Grundsätzen österreichischen Rechts, insbesondere schon dem Grundsatz des Art. 7 Abs. 1 zweiter Satz B-VG, wonach Vorrechte des Geschlechtes und dem Art. 14 MRK, wonach eine Diskriminierung aus Gründen, die im Geschlecht begründet sind, auf Verfassungsebene ausgeschlossen werden.

Eine derartige Rechtseinrichtung ist aber auch auf einfachgesetzlicher Ebene mit den Grundregelungen des österreichischen Ehe- und Familienrechtes unvereinbar, da eine einseitige Auflösung der Ehe durch Erklärung des Mannes dem Wesen der Ehe im Sinne der österreichischen Normenordnung widerspricht. Die Anerkennung einer solchen Ehescheidung durch einseitige Erklärung des Ehemannes verstößt gegen die guten Sitten im Sinne des § 879 Abs. 1 ABGB, da sie dem Rechtsgefühl der österreichischen Rechtsgemeinschaft, das ist aller billig und gerecht Denkenden, widerspricht (vgl. Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts I, 6. Auflage, und die dort genannte Rechtsprechung des OGH). Die kuwaitische Regelung verstößt darüber hinaus gegen Sinn und Zweck der österreichischen Ehegesetzgebung, der eine derartige Form der Eheauflösung durch einseitige Erklärung des Ehegatten fremd ist. Die belangte Behörde hat daher zu Recht ausgesprochen, daß die Anerkennung des ausländischen Urteiles, die vom Beschwerdeführer beantragt wird, gegen den österreichischen ordre public verstoßen würde.

Als ergänzungsbedürftig sieht der Beschwerdeführer das Verfahren deshalb an, weil die belangte Behörde nicht erhoben hat, ob die Mitbeteiligte durch ehebrecherische bzw. grob ehewidrige Beziehungen Scheidungsgründe - auch im Sinne des österreichischen Rechtes - gesetzt habe. Dies wird vom Beschwerdeführer sowohl unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit als auch als Verfahrensrüge geltend gemacht. Die Beschwerde ist aber auch in dieser Hinsicht nicht berechtigt. Gegenstand des Verfahrens vor der belangten Behörde war ausschließlich das ausländische Ehescheidungsurteil, auf das sich der Antrag des Beschwerdeführers bezog. Keineswegs war daher von der belangten Behörde zu prüfen, ob von der Mitbeteiligten Ehescheidungsgründe im Sinne der österreichischen Rechtsordnung gesetzt worden sind, die nicht Gegenstand des ausländischen Ehescheidungsverfahrens gewesen sind. Die weitwendigen Ausführungen der Beschwerdeschrift gehen daran vorbei, daß es nicht Aufgabe der belangten Behörde sein kann, einen Ehescheidungsprozeß darüber zu führen, ob ein ausländisches Urteil, das auf Grund einer dem österreichischen ordre public widersprechenden Rechtslage ergangen ist, auch bei Anwendung österreichischer Ehescheidungsvorschriften Rechtsbestand haben könnte.

Völlig unhaltbar ist die Auffassung des Beschwerdeführers, die österreichische Gerichtsbarkeit für Streitigkeiten in Ehesachen zwischen ihm und der Mitbeteiligten sei nicht gegeben, da nach der Beschwerdeschrift die Mitbeteiligte ihren Aufenthalt in Wien hat. Gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 der Juristiktionsnorm ist die inländische Gerichtsbarkeit für die im Absatz 1 genannten Streitigkeiten aber gegeben, wenn der Beklagte seinen gewöhnliche Aufenthalt im Inland hat, so daß der Beschwerdeführer die Mitbeteiligte bei dem Gerichtsstand ihres Aufenthaltes in Wien auf Scheidung der Ehe klagen kann. Damit fallen aber alle vom Beschwerdeführer aus der von ihm angenommenen Voraussetzung der Unmöglichkeit, die Ehescheidung in Österreich durchzusetzen, gezogenen Schlußfolgerungen in sich zusammen.

Ausgehend von der dargestellten Rechtslage ist aber auch der vom Beschwerdeführer gerügte Mangel der Gewährung des Parteiengehörs ohne rechtliche Bedeutung, weil nicht zu erkennen ist, daß die belangte Behörde bei Erteilung des Parteiengehörs zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.

Die somit insgesamt unbegründete Beschwerde mußte daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abgewiesen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 im Zusammenhalt mit den Bestimmungen der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, am 14. Mai 1984

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte