Normen
BauO Wr §76 Abs4
BauO Wr §76 Abs7
BauO Wr §79 Abs3
BauO Wr §80
BauO Wr §80 Abs1
BauRallg implizit
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1984:1983050173.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von zusammen S 2.400,‑ ‑ und den mitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von zusammen S 8.260,‑ ‑ binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren der Mitbeteiligten wird abgewiesen.
Begründung
Zur Vorgeschichte ist auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Februar 1983, Zl. 82/05/0140, zu verweisen. Mit dieser Entscheidung hatte der Verwaltungsgerichtshof den damals angefochtenen Bescheid der Bauoberbehörde für Wien wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben, weil die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage die Einwendungen der Beschwerdeführer gegen das Bauvorhaben der mitbeteiligten Parteien als präkludiert beurteilt und, im Gegensatz zur Baubehörde erster Instanz, einer sachlichen Prüfung nicht unterzogen hatte.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 31. August 1983 wies die Bauoberbehörde für Wien die Berufung der Beschwerdeführer als unbegründet ab. In einer ausführlichen Auseinandersetzung mit den Einwendungen und Berufungsausführungen der Beschwerdeführer gelangte die Baubehörde zweiter Instanz zur Auffassung, daß durch die in erster Instanz erteilte Baubewilligung die Beschwerdeführer in ihren subjektiv öffentlichen Rechten nicht verletzt worden sind.
In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragen die Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, allenfalls wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihren subjektiven öffentlichen Rechten verletzt, daß den Mitbeteiligten keine Verbauung in offener Bauweise genehmigt werden dürfe, den Mitbeteiligten kein über die zulässige Bauhöhe hinausgehender Bau genehmigt werden dürfe und keine über das Ausmaß des § 79 Abs. 3 der Bauordnung für Wien hinausgehende Verbauung der Abstandsfläche genehmigt werde. Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde und den Mitbeteiligten erstatteten Gegenschriften hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die Beschwerdeführer begründen ihre Auffassung, daß der Bau der Mitbeteiligten nur in gekuppelter Bauweise errichtet werden dürfe, damit, daß der Rechtsvorgänger der mitbeteiligten Parteien im Eigentum an der Liegenschaft in einer Erklärung vom 12. Dezember 1977 in Übereinstimmung mit den in Kraft stehenden Verbauungsbestimmungen der gekuppelten Bauweise zugestimmt habe. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes würde aber eine einmal erteilte Zustimmung zu einer Kupplung nicht nur für den einzelnen Baufall gelten, sondern es sei damit grundsätzlich auch für jede künftige Bauführung die gekuppelte Bauweise als gegeben anzunehmen. Der Umstand, daß die Beschwerdeführer seinerzeit ein Bauansuchen zurückgezogen hätten, sei daher rechtlich nicht erheblich.
Mit diesem Vorbringen verkennen die Beschwerdeführer die Rechtslage. Zunächst teilt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, daß im Beschwerdefall nach dem hier maßgeblichen Flächenwidmungs- und Bebauungsplan die offene oder gekuppelte Bauweise festgesetzt ist. Für einen solchen Fall regelt die Bauordnung für Wien (in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 18/1976) in § 76 Abs. 4, daß das Gebäude an der Bauplatzgrenze angebaut werden darf, wenn der Eigentümer des an diese Bauplatzgrenze anrainenden, bereits bestehenden oder noch zu schaffenden Bauplatzes zustimmt. Nach § 76 Abs. 7 des Gesetzes muß in Gebieten der offenen, bzw. offenen oder gekuppelten Bauweise an die Nachbargrenze angebaut werden, wenn der Nachbar an diese Bauplatzgrenze bereits angebaut hat oder wenn auf dem Nachbarbauplatz nach dem Bebauungsplan bis an diese Grundgrenze gebaut werden darf. (Die weitere Regelung dieses Absatzes ist im Beschwerdefall rechtlich unerheblich.)
Mit der Frage der Anwendung einer gekuppelten Bauweise hat sich der Verwaltungsgerichtshof, wie die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend feststellt, zuletzt ausführlich in seinem Erkenntnis vom 17. März 1978, Slg. N. F. Nr. 9508/A, zu der in dieser Beziehung gleichgebliebenen Rechtslage nach der Bauordnung für Wien in der Fassung vor der Novelle 1976 auseinandergesetzt. Der Verwaltungsgerichtshof hat zunächst die schon früher vertretene Auffassung wiederholt, daß bei einer Zustimmung des Nachbarn zur gekuppelten Bauweise es sich nicht um eine solche für den Einzelfall handelt, sondern um eine Zustimmung zur gekuppelten Bebauung schlechthin, sodaß die durch eine gemeinsame Entscheidung festgelegte Regelung auch für künftige Bauvorhaben Geltung hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch weiter klargestellt, daß die bindende Wirkung einer Zustimmung für künftige Baufälle voraussetzt, daß die Festlegung der gekuppelten Bauweise dem Nachbarn gegenüber in einem rechtskräftigen Baubewilligungsbescheid wirksam geworden ist. Diese Wirksamkeit, so führte der Gerichtshof weiter aus, könne entweder dann eintreten, wenn der Bescheid dem Nachbarn zugestellt wurde und von ihm unbekämpft geblieben ist, oder, wenn ein von ihm dagegen erhobenes Rechtsmittel erfolglos war, oder auch dann, wenn ihm gegenüber im Baubewilligungsverfahren die Präklusionsfolgen des § 42 AVG 1950 vorliegen. Keiner dieser Fälle ist jedoch im Beschwerdefall gegeben, wie die belangte Behörde auch in ihrer Gegenschrift zutreffend darlegt. Der Umstand, daß der Rechtsvorgänger der Mitbeteiligten nach den Behauptungen der Beschwerdeführer zu einem früheren Zeitpunkt der gekuppelten Bauweise zugestimmt hat, begründet sohin nach den Bestimmungen der Bauordnung für Wien kein subjektiv öffentliches Nachbarrecht, welches gegen die Mitbeteiligten erfolgreich in einem baubehördlichen Bewilligungsverfahren durchgesetzt werden könnte. Mangels Bestehens eines solchen Nachbarrechtes liegt auch die behauptete Rechtsverletzung nicht vor.
Die Beschwerdeführer behaupten weiter, daß der von den Baubehörden genehmigte Bau die nach dem Bebauungsplan zulässige Bauhöhe überschreite. Der Auffassung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, daß ein Nachbar in einem subjektiven öffentlichen Recht nur dann verletzt sein könnte, wenn die zulässige Gebäudehöhe an der ihm zugewandten Front des Gebäudes überschritten werde, was nicht der Fall sei, halten die Beschwerdeführer entgegen, daß unter „zugewandter Front“ alle vom Grundstück der Beschwerdeführer sichtbaren Frontteile verstanden werden müßten und nicht nur etwa die parallel oder annähernd parallel zur Grundgrenze verlaufenden Frontteile. Das würde bedeuten, daß im gegenständlichen Fall, so führen sie in ihrer Beschwerde weiter aus, selbstverständlich auch die talabwärts gelegene Front ihre Interessen zu beeinträchtigen imstande sei, weil diese Front von ihrem Grundstück aus sichtbar sei. Dazu komme, daß jedenfalls die Schnittpunkte der parallel zur Grundstücksgrenze verlaufenden, ihnen zugewandten Front und die talabwärts gelegene Front als ihnen zugewandt zu gelten hätten. Gerade in diesem Punkt sei aber eine bedeutende Überschreitung der zulässigen Gebäudehöhe gegeben. Die Beschwerdeführer meinen sodann, kein beliebiger Punkt der in Betracht zu ziehenden Fronten dürfe die zulässige Höhe von 8 m übersteigen und allgemeine Bestimmungen über die Ermittlung der Gebäudehöhe durch Mittelung seien nicht anzuwenden, sollten doch sowohl die Nachbarn als auch das Stadtbild an sich beeinträchtigende Bauten vermieden werden. Nach dem hier maßgeblichen Bebauungsplan aus dem Jahre 1937 sei zu erschließen, daß im gegenständlichen Gebiet kein Punkt einer Gebäudefront mehr als 8 m über dem Gelände liegen dürfe.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 13. Mai 1980, Slg. N. F. Nr. 10.127/A, eingehend dargelegt und begründet hat, besitzt der Nachbar bezüglich der Frage der Einhaltung der zulässigen Gebäudehöhe einen Rechtsanspruch nur darauf, daß diese Gebäudehöhe an einer dem Nachbarn zugekehrten Front nicht überschritten werde, nicht jedoch darauf, daß jede Front die Gebäudehöhe einhalte. Wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend ausführt, lag dieser Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes ein dem Beschwerdefall ähnlich gelagerter Fall einer Hangverbauung zugrunde, bei welcher sich naturgemäß unterschiedliche Höhen der Gebäudefronten ergeben können. Daß aber unter Front im aufgezeigten Sinne nur jene Begrenzungen des zu errichtenden Gebäudes verstanden werden können, welche der Liegenschaft der Beschwerdeführer zugewandt sind, läßt sich im Gegensatz zu den Ausführungen der Beschwerdeführer ernstlich nicht bestreiten und es ergibt sich eine solche Auslegung auch aus den Bestimmungen des § 81 Abs. 1 der Bauordnung für Wien, wo eindeutig der Begriff „Straßenfront“ vom Gesetzgeber in diesem Sinne verwendet wurde. (Als Gebäudehöhe wird der lotrechte Abstand von der festgesetzten Höhenlage der Verkehrsfläche bis zum obersten Schnittpunkt der Außenwandfläche der Straßenfront bezeichnet.) Daß die den Beschwerdeführern zugewandte Gebäudefront im aufgezeigten Sinne die höchstzulässige Gebäudehöhe nicht überschreitet, hat die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausführlich dargetan und diesen Ausführungen sind auch die Beschwerdeführer nicht entgegengetreten. Bei dieser Situation konnte es dahingestellt bleiben, auf welche Weise die Gebäudehöhe zu berechnen war, weil nach jeder Art der von der belangten Behörde vorgenommenen Berechnung diese Front die nach dem Bebauungsplan höchstzulässige Gebäudehöhe nicht überschreitet. Bemerkt sei noch, daß es auf die Sichtbarkeit allfälliger anderer Fronten schon deshalb nicht ankommen kann, weil einerseits auf die Einhaltung eines bestimmten Ortsbildes den Nachbarn ein subjektiv öffentliches Recht nicht zusteht und andererseits eine Beschränkung der Gebäudehöhe ja vor allem deshalb festgesetzt wird, um entsprechende Belichtungs- und Belüftungsverhältnisse zu garantieren. Insoweit die Beschwerdeführer rügen, daß sich im bekämpften Bescheid bezüglich der Gebäudehöhe keine Berechnungen vorfinden, trifft dies zwar zu, jedoch ergeben sich derartige Berechnungen aus den Darstellungen im Einreichplan sowie aus dem im Akt erliegenden sogenannten „Fassaden-Flächenplan“ und die Beschwerdeführer haben das Ergebnis der Berechnungen hinsichtlich der ihnen zugekehrten Front nicht in Zweifel gezogen. Auch in dieser Beziehung liegt daher die von den Beschwerdeführern behauptete Rechtsverletzung nicht vor.
Die Beschwerdeführer machen ferner geltend, daß den Bestimmungen des § 79 Abs. 3 der Bauordnung für Wien nicht entsprochen worden sei. Nach der genannten Gesetzesstelle muß in der offenen Bauweise der Abstand der Gebäude von Nachbargrenzen in den Bauklassen I und II mindestens 6 m betragen. Die Fläche, die zwischen den Nachbargrenzen und den gedachten Abstandslinien liegt, wird als Abstandsfläche bezeichnet. In die Abstandsfläche darf auf demselben Bauplatz mit nur einem Gebäude an zwei Gebäudefronten auf höchstens die Hälfte dieses Abstandes an die Nachbargrenzen herangerückt werden, wenn die über die gedachte Abstandslinie hinausragende bebaute Fläche innerhalb eines Rechteckes liegt, dessen Umfang nach Abzug der Schnittlängen an keiner der beiden Fronten in den Bauklassen I und II mehr als 21 m beträgt. Als bebaute Fläche gilt nach § 80 Abs. 1 der Bauordnung für Wien die senkrechte Projektion des Gebäudes einschließlich aller raumbildenden oder raumergänzenden Vorbauten auf eine waagrechte Ebene; als raumbildend oder raumergänzend sind jene Bauteile anzusehen, die allseits baulich umschlossen sind oder bei denen die bauliche Umschließung nur an einer Seite fehlt. Unterirdische Gebäude oder Gebäudeteile bleiben bei der Ermittlung der bebauten Fläche außer Betracht.
Im Beschwerdefall bezeichnen die Beschwerdeführer als strittig, ob der an der Nordwestfront des Gebäudes vorgesehene Balkon in die Berechnung der bebauten Fläche einzubeziehen sei oder nicht. Da die ursprünglich vorgesehene Ausladung von mehr als 1,50 m auf 1,50 m reduziert worden sei, bleibe noch, so führen die Beschwerdeführer aus, die Frage zu prüfen, ob es sich tatsächlich um einen Balkon im Sinne der Bauordnung oder um eine raumbildende oder raumergänzende Konstruktion handle. In diesem Zusammenhang sei nach Auffassung der Beschwerdeführer davon auszugehen, daß der gegenständliche Gebäudeteil eine Standfläche mit einer Brüstung sowie eine Abdeckung mit ebenfalls wandbildenden Teilen aufweise, wobei beide, in Beton zu errichtenden Teile durch Eisenstäbe verbunden seien. Diese Teile seien eindeutig für eine entsprechende Verglasung und Ausbildung einer Veranda, also eines allseits baulich umschlossenen Teiles, bestimmt. Dies sei aus dem Bauplan eindeutig zu ersehen. Damit ergebe sich, daß es sich um einen raumbildenden Bauteil handle, der bei Berechnung des Umfanges des Rechteckes der Bauteile, die in die linke Abstandsfläche ragten, zu berücksichtigen sei. Bei Berücksichtigung dieses Bauteiles betrage aber der Umfang mehr als 21 m, sodaß die Abstandsvorschrift eindeutig nicht eingehalten sei.
Der Verwaltungsgerichtshof teilt zunächst die Auffassung der Beschwerdeführer, daß ihnen als Nachbarn auf die Einhaltung der Bestimmung des § 79 Abs. 3 der Bauordnung für Wien ein subjektiv öffentliches Recht zusteht, handelt es sich doch hiebei um eine Abstandsvorschrift, welche dem Zweck dient, daß das Gebäude von den Nachbargrenzen einen, vor allem im Interesse der Belichtung und Belüftung ausreichenden Abstand einhält. Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich jedoch nicht der Auffassung der Beschwerdeführer anzuschließen, bei dem im Bauplan vorgesehenen strittigen Balkon handle es sich um einen raumbildenden Bauteil im Sinne des § 80 Abs. 1 der Bauordnung. Entgegen dem Beschwerdevorbringen fehlt es nämlich an der allseitigen baulichen Umschließung bzw. an deren Fehlen an nur einer Seite, wie dies für die Begriffsbestimmung „raumbildend oder raumergänzend“ vom Gesetzgeber gefordert wurde. Aus bestimmten konstruktiven Merkmalen, die eine spätere Verglasung erleichtern, kann, wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend darlegt, nicht der Schluß gezogen werden, es handle sich um keinen Balkon, ist doch nach dem vorgelegten Plan die Qualifikation dieses Bauteiles nicht als raumbildend zu beurteilen. Zu Recht hat auch die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift darauf hingewiesen, daß eine allfällige spätere Ausgestaltung als raumbildender Teil für sich selbst wieder bewilligungsbedürftig wäre und bei unveränderter Rechtslage wohl nicht bewilligt werden dürfte. Bei der gegebenen Situation vermag daher der Verwaltungsgerichtshof auch nicht die Auffassung der Beschwerdeführer zu teilen, das Bauvorhaben der Mitbeteiligten würde den Bestimmungen des § 79 Abs. 3 der Bauordnung für Wien widersprechen.
Auf Grund der dargelegten Erwägungen ergibt sich, daß die von den Beschwerdeführern behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, sodaß die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen war.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG 1965 sowie die Verordnung BGBl. Nr. 221/1981. Die Abweisung des Mehrbegehrens der Mitbeteiligten betrifft den Antrag auf Zuerkennung einer den pauschalierten Schriftsatzaufwand übersteigenden Umsatzsteuer.
Wien, 24. Jänner 1984
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