VwGH 82/08/0238

VwGH82/08/023828.5.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident DDr. Heller und die Hofräte Dr. Liska, Dr. Knell, Dr. Puck und Dr. Waldner als Richter, im Beisein des Schriftführers Richter Mag. Dr. Walter, über die Beschwerde des EW in W, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in Wien X, Favoritenstraße 108/3, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 3. November 1982, Zl. 124.814/2-6/81, betreffend Sozialversicherungspflicht und Rückerstattung von Beiträgen (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse in Wien X, Wienerbergstraße 15-19), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1162b
AngG §29 Abs1
AngG §29 Abs2
AngG §34
ASVG §11 Abs1 Satz2
ASVG §11 Abs2
ASVG §4 Abs1 Z1
ASVG §49 Abs1
ASVG §49 Abs2
ASVG §49 Abs3 Z7

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1984:1982080238.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für soziale Verwaltung) Aufwendungen in der Höhe von S 400,-- und der mitbeteiligten Wiener Gebietskrankenkasse Aufwendungen in der Höhe von S 8.060,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Einspruch des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der mitbeteiligten Wiener Gebietskrankenkasse vom 14. April 1980 gemäß § 73 und § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge gegeben. Nach der Begründung dieses angefochtenen Bescheides habe die H Gesellschaft m.b.H. mit Schreiben vom 27. September 1979 die Kündigung des Beschwerdeführers unter Verzicht auf die Dienstleistung mit 30. September 1979 per 11. November 1979 ausgesprochen. In der Folge sei seitens dieser Gesellschaft m.b.H. als Dienstgeber festgestellt worden, daß die Kündigung mit 11. November 1979 rechtlich nicht möglich gewesen sei, und daher das Entgelt dem Beschwerdeführer als Dienstnehmer bis 31. Dezember 1979 gewährt worden. Mit Bescheid vom 14. April 1980 habe die mitbeteiligte Wiener Gebietskrankenkasse festgestellt, daß die Pflichtversicherung des Beschwerdeführers gemäß § 11 Abs. 1 ASVG am 31. Dezember 1979 geendet habe. Gleichzeitig sei der Antrag des Beschwerdeführers, Beiträge gemäß § 69 ASVG für die Zeit vom 12. November 1979 bis 31. Dezember 1979 rückzuerstatten, abgelehnt worden. Dagegen habe der Beschwerdeführer Einspruch erhoben und vorgebracht, daß er bis zum 31. Dezember 1979 kein Entgelt, sondern eine Kündigungsentschädigung erhalten habe. Dem vorgelegten Dienstzeugnis sei zu entnehmen, daß das Dienstverhältnis mit 11. November 1979 geendet habe. Die Auffassung, die Pflichtversicherung sei über das Ende des Dienstverhältnisses hinaus bis zum 31. Dezember 1979 aufrecht gewesen, weil die Kündigungsentschädigung als Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1 und 2 ASVG zu betrachten sei, finde im bestehenden Gesetzestext keine Deckung. Nach den in der Begründung des angefochtenen Bescheides dargelegten Erwägungen der belangten Behörde stehe im vorliegenden Fall fest, daß das Beschäftigungsverhältnis zwar im Zeitpunkt der Entlassung bzw. des vorzeitigen Austrittes des Beschwerdeführers geendet habe. Da aber der Dienstgeber verpflichtet sei, das Entgelt für den Zeitraum, der bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses durch ordnungsgemäße Kündigung hätte verstreichen müssen, zu zahlen, ergebe sich die Schlußfolgerung, daß der Entgeltanspruch erst in einem späteren Zeitpunkt geendet habe als das Beschäftigungsverhältnis und demnach die Pflichtversicherung über das Ende des Beschäftigungsverhältnisses hinaus bis zum Ende des Entgeltanspruches aufrecht bleibe. Zu der Behauptung, daß rein arbeitsrechtlich betrachtet die Kündigungsentschädigung eher den Charakter eines Schadenersatzes als den Charakter von Entgelt habe, sei zu sagen, daß aus einer derartigen Betrachtungsweise angesichts der anders gearteten Regelung des Sozialversicherungsrechtes für den Beschwerdeführer nichts gewonnen sei. Aus dem Umstand, daß die Kündigungsentschädigung wesensmäßig das laufende Entgelt für den Zeitraum bis zum Ablauf der Kündigungsfrist und damit bis zum Ende der Pflichtversicherung darstelle, ergebe sich, daß es sich hier nicht um eine aus Anlaß der Beendigung des Dienstverhältnisses gewährte Vergütung handle, die als beitragsfrei im Sinne des § 49 Abs. 3 Z. 7 ASVG zu behandeln wäre. Zusammenfassend sei somit festzustellen, daß es sich im gegenständlichen Fall um das Entgelt während der Kündigungsfrist handle, das jedenfalls beitragspflichtig sei, auch wenn es aus Anlaß der Beendigung des Dienstverhältnisses fällig geworden sei. Unwesentlich sei dabei, ob diesem Entgelt, auf das ein Rechtsanspruch bestehe, seitens des Dienstnehmers noch eine Arbeitsleistung gegenüberstehe.

Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde, in der erklärt wird, daß unbeschadet des Rechtsanspruches auf Kündigungsentschädigung mit dem arbeitsrechtlichen Ende eines Dienstverhältnisses auch der Verpflichtungsakt erloschen sei. Dies deswegen, weil die Kündigungsentschädigung lediglich aus dem Titel des Schadenersatzes gebühre. Jedenfalls sei der Dienstnehmer nach dem arbeitsrechtlichen Ende des Dienstverhältnisses dem Einflußbereich des Dienstgebers entzogen und es stehe ihm frei, sich arbeitslos zu melden, Arbeitslosengeld zu beziehen oder eventuell ein anderes Dienstverhältnis einzugehen. Somit stehe fest, daß der vom Dienstgeber ausgezahlte Betrag für die Kündigungsentschädigung mangels Dienstnehmereigenschaft des Beschwerdeführers nach dem 11. November 1979 nicht zu einer Verlängerung der Pflichtversicherung bis 31. Dezember 1979 habe führen können. Daher seien die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden.

Darüber sowie über die von der mitbeteiligten Wiener Gebietskrankenkasse erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 11 Abs. 1 ASVG erlischt die Pflichtversicherung der im § 10 Abs. 1 bezeichneten Person, soweit in den Abs. 2 bis 6 nichts anderes bestimmt wird, mit dem Ende des Beschäftigungs-, Lehr- oder Ausbildungsverhältnisses. Fällt jedoch der Zeitpunkt, an dem der Anspruch auf Entgelt endet, nicht mit dem Zeitpunkt des Endes des Beschäftigungsverhältnisses zusammen, so erlischt die Pflichtversicherung mit dem Ende des Entgeltanspruches.

Nach § 11 Abs. 2 ASVG verlängert sich, wird ein gerichtlicher oder außergerichtlicher Vergleich über den dem Dienstnehmer nach Beendigung des Dienstverhältnisses gebührenden Arbeitslohn oder Gehalt abgeschlossen, die Pflichtversicherung um den Zeitraum, der durch den Vergleichsbetrag (Pauschbetrag) nach Ausscheidung allfälliger, gemäß § 49 ASVG nicht zum Entgelt im Sinne dieses Bundesgesetzes gehörender Bezüge, gemessen an den vor dem Austritt aus der Beschäftigung gebührenden Bezügen, gedeckt ist.

Entsprechend dem § 49 Abs. 3 Z. 7 ASVG gelten als Entgelt im Sinne der Abs. 1 und 2 dieses Paragraphen nicht Vergütungen, die aus Anlaß der Beendigung des Dienst(Lehr)verhältnisses gewährt werden, wie z.B. Abfertigungen, Abgangsentschädigungen, Übergangsgelder, nach gesetzlicher Vorschrift gewährte Urlaubsabfindungen.

Der Beschwerdeführer geht selbst davon aus, daß sein (privatrechtlich zu beurteilendes) Arbeitsverhältnis zur H Gesellschaft m.b.H. durch eine fristwidrige Kündigung seiner ehemaligen Arbeitgeberin zum 11. November 1979 an diesem Tag endete und ihm daher von ihr zu Recht aus dem Titel des Schadenersatzes eine Kündigungsentschädigung für die Zeit vom 12. November 1979 bis 31. Dezember 1979 (in der er auch von seiner ehemaligen Arbeitgeberin - aus welchem Grund immer - nicht mehr beschäftigt wurde) in der Höhe des ihm für diesen Zeitraum bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gebührenden Entgelts gewährt wurde. Da - jedenfalls unter diesen Umständen - mit der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses auch sein daran anknüpfendes sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis endete, ist im Beschwerdefall nur zu klären, ob die dem Beschwerdeführer (nach seinem Vorbringen zu Recht) gewährte Kündigungsentschädigung a) überhaupt ein Entgelt darstellt, das das Weiterbestehen der Pflichtversicherung über das Ende des Beschäftigungsverhältnisses hinaus im Sinne des § 11 Abs. 1 zweiter Satz ASVG bewirkte, und b) bejahendenfalls, ob es sich nicht um eine Ausnahme nach § 49 Abs. 3 Z. 7 ASVG handelt.

Der § 11 Abs. 2 ASVG ist schon deshalb nicht anzuwenden, weil dem Beschwerdeführer die Kündigungsentschädigung nicht auf Grund eines Vergleiches gewährt wurde. Ebenso ist zur Frage der Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung, betreffend den Zeitraum vom 12. November 1979 bis 31. Dezember 1979, nicht Stellung zu nehmen, weil der Gegenstand des angefochtenen Bescheides nur die Pflichtversicherung nach dem ASVG ist.

Zu der ersten, oben unter lit. a) aufgeworfenen Frage ist Nachstehendes zu bemerken:

Wie sich aus § 11 Abs. 1 zweiter Satz ASVG ergibt, fällt das Ende der Pflichtversicherung eines nach § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG Pflichtversicherten nicht notwendig mit dem Ende des diese Pflichtversicherung begründenden Beschäftigungsverhältnisses zusammen. Die Pflichtversicherung besteht vielmehr ‑ entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - trotz der Beendigung des sie begründenden Beschäftigungsverhältnisses und damit auch seiner Dienstnehmereigenschaft bis zu dem Zeitpunkt weiter, an dem der Anspruch auf das Entgelt endet (vgl. schon das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Dezember 1957, Zl. 1836/56, Slg. N. F. Nr. 4495/A).

In seinem Erkenntnis vom 13. September 1983, Zl. 82/11/0056, hat der Verwaltungsgerichtshof unter ausführlicher Zitierung von Judikatur und Schrift ausgeführt, daß es sich beim Ausspruch auf Kündigungsentschädigung nicht um einen Entgelt-(Erfüllungs-), sondern um einen aus dem Gesetz abgeleiteten (Schaden)Ersatzanspruch handelt, der in der Fortzahlung des vertragsmäßigen Entgelts durch eine bestimmte Zeit hindurch, nämlich für jenen Zeitraum, der bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses durch Ablauf der bestimmten Vertragszeit oder durch ordnungsgemäße Kündigung durch den Dienstgeber hätte verstreichen müssen, besteht.

Die Funktion der Kündigungsentschädigung als „Entgeltersatzanspruch eigener Art“ liegt somit darin, in zunächst pauschaler Weise an die Stelle der Entgeltansprüche zu treten, diese also nach Beendigung des vertragsmäßigen Synallagma zu ersetzen.

Einerseits ist nun dieser arbeitsrechtliche Anspruch auf Kündigungsentschädigung ein solcher auf Geld- und Sachbezüge im Sinne des § 49 Abs. 1 ASVG. Anderseits ergibt sich aus dem Vorstehenden ein Auseinanderfallen des Endes des Beschäftigungsverhältnisses und des Entgeltanspruches im Sinne des § 11 Abs. 1 zweiter Satz ASVG. Ob ein Anspruch auf einen Geld- oder Sachbezug aus dem (sozialversicherungsrechtlichen) Dienstverhältnis besteht, ist zwar nach zivilrechtlichen (arbeitsrechtlichen) Grundsätzen zu beurteilen (vgl. u.a. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Jänner 1984, Zl. 81/08/0211). Ist diese Frage aber im Sinne eines Hervorgehens aus dem Arbeitsverhältnis zu bejahen, so kommt es auf den Rechtsgrund dieses Anspruchs, also darauf, ob der Geld- oder Sachbezug in Erfüllung des Arbeitsvertrages oder aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes wegen eines Bruches des Vertrages gebührt, nicht an. Da die Kündigungsentschädigung für einen bestimmten Zeitraum nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses (und damit des Beschäftigungsverhältnisses) zusteht, ist das Ende dieses Zeitraumes als jenes des Entgeltanspruches im Sinne des § 11 Abs. 1 zweiter Satz in Verbindung mit § 49 Abs. 1 ASVG aufzufassen (vgl. dazu auch das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 12. Oktober 1982, Zl. 4 Ob 119, 120/82). Die Pflichtversicherung des Beschwerdeführers endete somit erst mit dem Ende jenes Zeitraumes, für den dem Beschwerdeführer Kündigungsentschädigung gewährt wurde, nämlich mit Ablauf des 31. Dezember 1979.

Wegen der Bejahung der ersten, oben unter lit. a) aufgeworfenen Frage muß auch die zweite, oben unter lit. b) gestellte beantwortet werden. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes liegt bei der Kündigungsentschädigung eine unter § 49 Abs. 3 Z. 7 ASVG fallende Vergütung schon deswegen nicht vor, weil es sich nach der oben dargelegten Rechtsansicht bei der Kündigungsentschädigung um einen aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erwachsenden Entgeltersatzanspruch für einen bestimmten Zeitraum nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (und damit des Beschäftigungsverhältnisses) handelt, der dieser Rechtsnatur nach nicht mit den in dieser Bestimmung aufgezählten Beispielen vergleichbar ist (vgl. dazu auch das schon zitierte Urteil des Obersten Gerichtshofes).

Aus diesen Erwägungen hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid nicht mit den ihr vom Beschwerdeführer vorgeworfenen Rechtswidrigkeiten belastet, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen ist.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965 hingewiesen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.

Wien, am 28. Mai 1984

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