European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1983:1983080099.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Landeshauptmann von Vorarlberg) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 8.060,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit Bescheid der Vorarlberger Gebietskrankenkasse vom 4. Februar 1982 wurden der beschwerdeführenden Gesellschaft für namentlich genannte Dienstnehmer gemäß §§ 51 und 54 ASVG sowie § 1 AlVG nachverrechnete Versicherungsbeiträge in der Höhe von S 66.537,54 sowie gemäß § 113 Abs. 1 ASVG ein Beitragszuschlag in der Höhe von S 3.327,-- zur Zahlung vorgeschrieben.
Die beschwerdeführende Partei hat Einspruch erhoben.
1.2. Mit Bescheid vom 30. März 1983 hat der Landeshauptmann von Vorarlberg über diesen Einspruch entschieden. Der Spruch dieses Bescheides lautet:
„Gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 wird dem Einspruch teilweise Folge gegeben. Es wird festgestellt, daß bezüglich der Dienstnehmer PN sowie AS die Nachverrechnung sowie der aliquote Beitragszuschlag zu stornieren ist, die verbleibende Restvorschreibung jedoch zu Recht besteht.“
In der Begründung des Bescheides wird die Rechtsansicht vertreten, daß für die Vertreter der Anspruch auf Superprovision zugleich mit dem Entstehen der Provision entstehe. Alle Provisionen seien in jenem Beitragszeitraum abzurechnen, in dem der Anspruch darauf entstanden sei.
Zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei, daß ein Beitragszuschlag auf keinen Fall hätte zugerechnet werden dürfen, werde bemerkt, daß ein Dienstgeber, der die in den §§ 33 und 34 ASVG vorgeschriebene Melde- und Anzeigepflicht verletze, anstelle der Verrechnung von Verzugszinsen einen Beitragszuschlag bis zur zweifachen Höhe der nachzuzahlenden Beiträge zu bezahlen habe. Es könne nicht von der Praxis abhängig gemacht werden, ob die Anzeigepflicht verletzt worden sei, maßgebend sei die Verletzung der nach dem Gesetz vorgesehenen Meldepflicht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wird die Mangelhaftigkeit des Spruches des Bescheides geltend gemacht. Insbesondere ergebe sich aus diesem nicht, welcher Betrag der beschwerdeführenden Partei zu viel vorgeschrieben worden sei und wieviel der aliquote Beitragszuschlag ausmache, der „zu stornieren ist“. Der angefochtene Bescheid habe den Anforderungen an einen Exekutionstitel zu genügen. Gerügt wird auch die Begründung des Beitragszuschlages; die Rechtsausführungen seien zu dieser Frage so knapp, daß sie eigentlich überhaupt nicht überprüfbar seien; entscheidungswesentliche Tatsachenfeststellungen fehlten weitgehend, insbesondere was die „Art des Meldeverstoßes“, die nach § 113 Abs. 1 zweiter Satz ASVG zu berücksichtigen sei, anbelange.
1.4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet; auch die mitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift eingebracht.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG 1965 in der Fassung BGBl. Nr. 203/1982 gebildeten Dreiersenat erwogen:
2.1. Gemäß § 59 Abs. 1 AVG 1950 hat der Spruch die in Verhandlung stehende Angelegenheit und alle die Hauptfrage betreffenden Parteienanträge, ferner die allfällige Kostenfrage in möglichst gedrängter deutlicher Fassung und unter Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen, und zwar in der Regel zur Gänze, zu erledigen. Läßt der Gegenstand der Verhandlung eine Trennung nach mehreren Punkten zu, so kann, wenn dies zweckmäßig erscheint, über jeden dieser Punkte, sobald er spruchreif ist, gesondert abgesprochen werden. Nach § 59 Abs. 2 AVG ist dann, wenn die Verbindlichkeit zu einer Leistung oder zur Herstellung eines bestimmten Zustandes ausgesprochen wird, im Spruch zugleich auch eine angemessene Frist zur Ausführung der Leistung oder Herstellung zu bestimmen.
2.2.1. Mit dem Bescheid der Vorarlberger Gebietskrankenkasse vom 4. Februar 1982 wurden der beschwerdeführenden Partei nachverrechnete Sozialversicherungsbeiträge in ziffernmäßig bestimmter Höhe sowie ein ebenfalls ziffernmäßig bestimmter Beitragszuschlag vorgeschrieben. Der oben wörtlich wiedergegebene Spruch des angefochtenen Bescheides läßt nicht erkennen, welche Sozialversicherungsbeiträge in Abänderung des Bescheides der Gebietskrankenkasse betragsmäßig nunmehr von der beschwerdeführenden Partei geschuldet werden, da der angefochtene Bescheid auch die auf die beiden Dienstnehmer entfallenden Beitragssummen nicht nennt. Es kann demnach nicht davon gesprochen werden, daß dieser Spruch die Angelegenheit in möglichst gedrängter deutlicher - das heißt allgemein verständlicher - Fassung erledigt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. Juni 1981, Zl. 08/0085/80 = ZfVB 1982/5/1751 und 1939). Derselbe Vorwurf der Beschwerdeführer besteht hinsichtlich des aliquoten, verbleibenden Beitragszuschlages zu Recht.
Die mitbeteiligte Partei hat in ihrer Gegenschrift noch folgendes bemerkt, worauf auch die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift hingewiesen hat: „Die Formulierung des Spruches folgt im übrigen einer langjährigen Praxis (als solche der beschwerdeführenden Partei sicher verständlich und auch akzeptabel), welche Unrichtigkeiten zweitinstanzlicher Bescheide infolge von Rechenfehlern verhindern soll. Der den Beitragsnachverrechnungen zugrunde liegende Sachverhalt und die daraus zu ziehenden rechtlichen Konsequenzen sind nicht selten so kompliziert, daß der rechnerische Vollzug einer Entscheidung sinnvollerweise im Wege der elektronischen Datenverarbeitung erfolgt, ohne allerdings seine Überprüfbarkeit zu verlieren.“ Diese Äußerung gibt genau jenen Umstand treffend wieder, der den Verwaltungsgerichtshof schon im vorzitierten Erkenntnis veranlaßt hat, auf die ziffernmäßige Festsetzung der Beitragsschuld im Bescheid (§ 410 Abs. 1 Z. 7 ASVG in Verbindung mit § 59 AVG 1950) zu dringen. Dies gilt auch für die Höhe des Beitragszuschlages (§ 410 Abs. 1 Z. 5 ASVG, in dessen Begriff der „Vorschreibung“ des Beitragszuschlages im Zusammenhang mit § 59 Abs. 1 AVG ebenfalls bereits die ziffernmäßige Bestimmtheit miteingeschlossen ist).
Die belangte Behörde hat ihren Bescheid somit schon aus diesem Grunde mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, die eine Überprüfung des Bescheides auf seine Gesetzmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof hindert.
2.2.2. Was den Beitragszuschlag anlangt, so fehlt dem angefochtenen Bescheid (auch im Zusammenhang mit dem erstinstanzlichen Bescheid) nicht nur eine Begründung für die Gebrauchnahme des in dieser Bestimmung eingeräumten Ermessens, sondern auch eine Auseinandersetzung mit den im § 113 Abs. 1 zweiter Satz ASVG genannten Tatbestandselementen, die bei Festsetzung der Zuschlagshöhe zwingend zu beachten sind (also mit den wirtschaftlichen Verhältnissen des Beitragsschuldners, des Ausmaßes der nachzuzahlenden Beiträge und insbesondere der Art des Meldeverstoßes.
Auch diesbezüglich hat die belangte Behörde die Vorschreibung des Beitragszuschlages mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, bei deren Vermeidung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
2.3. Aus diesen Erwägungen folgt, daß der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 3 VwGG 1965 aufzuheben war.
2.4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 lit. b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.
2.5. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am 27. Oktober 1983
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