VwGH 82/14/0036

VwGH82/14/003614.12.1982

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Karlik, Dr. Simon, Dr. Kirschner und Dr. Schubert als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. König, über die Beschwerde der Firma CN OHG in K, vertreten durch Dr. Otfried Fresacher, Rechtsanwalt in Klagenfurt, Theatergasse 9, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom 30. Dezember 1980, Zl. 30/6- V-1980, betreffend Behebung eines Bescheides im Aufsichtsweg, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §115 Abs2
BAO §115 Abs4
BAO §299
BAO §299 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1982:1982140036.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Dem Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften der Beschwerdeführerin, einer Offenen Handelsgesellschaft, für das Jahr 1975 legte das Finanzamt, letztlich auf Grund des Ergebnisses einer frühere Jahre erfassenden Betriebsprüfung, ein Organschaftsverhältnis zwischen der Beschwerdeführerin als Organträger und einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Anteile im gleichen Beteiligungsverhältnis im Eigentum der beiden Gesellschafter der Beschwerdeführerin stehen, als Organ zugrunde; die Anteile an der Ges.m.b.H. wurden als notwendiges Betriebsvermögen der Beschwerdeführerin behandelt, eine 1975 erfolgte Teilwertabschreibung in Ansehung dieser Anteile steuerlich anerkannt.

Diesen vom Finanzamt mit dem Ergebnis eines Betriebsprüfungsberichtes vom 14. Mai 1979 begründeten und mit 28. März 1980 datierten Bescheid hob die belangte Behörde mit Bescheid vom 30. Dezember 1980 gemäß § 299 BAO wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Sie begründete dies im wesentlichen damit, der Bescheid des Finanzamtes sei mit Mängeln behaftet, die eine Aufhebung wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens (Ermittlung des Ausmaßes der Teilwertabschreibung und gänzliches Fehlen von Untersuchungen, ob eine allfällige Teilwertabschreibung verteilt auf mehrere Jahre vorzunehmen wäre) und wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes rechtfertigten. Letzterer Mangel liege darin, daß die Beteiligung an der Ges.m.b.H. im zivilrechtlichen Eigentum der Gesellschafter der Beschwerdeführerin stehe, die diese auch deshalb im Privatvermögen gehabt hätten. Die Richtigkeit der Erfassung der Beteiligung in der Bilanz der Beschwerdeführerin setze daher deren Charakter als "notwendiges Betriebsvermögen" voraus. Gesicherte Auffassung sei, daß notwendiges Betriebsvermögen nur solche Wirtschaftsgüter darstellen, die in einem gewissen objektiven Zusammenhang mit dem Betrieb stehen und ihn zu fördern bzw. ihm zu dienen bestimmt sowie auch geeignet sind. Auch der Funktion nach müßte die Beteiligung für den Betrieb wesentlich oder gar unentbehrlich sein. Weder im Rahmen der den Zeitraum 1972 bis 1974 noch der den Zeitraum 1975 bis 1977 umfassenden Betriebsprüfung seien nach der Aktenlage derartige Überlegungen angestellt worden. In beiden Fällen sei aus dem angeblichen Organschaftsverhältnis die notwendige Einbeziehung der Gesellschaftsanteile in das Betriebsvermögen bejaht worden. Abgesehen davon, daß eine Organschaft zu Folgerungen dieser Art nicht zwinge, sei die Organschaft hier offenkundig nicht gegeben. Während die "Vorprüfung" (gemeint die Betriebsprüfung über die Jahre 1972 bis 1974) hiezu nach der Aktenlage "ohnehin nur eine Behauptung" aufstelle, setze sich der Prüfer der Jahre 1975 bis 1977 mit den von der Rechtsprechung geprägten Grundsätzen in Widerspruch. Nicht von einer Unterordnung der Ges.m.b.H. unter die Beschwerdeführerin könne die Rede sein, vielmehr weise der vom Prüfer ermittelte Sachverhalt unzweifelhaft darauf hin, daß die Tätigkeit der Beschwerdeführerin (umgekehrt) der Ges.m.b.H. förderlich sei bzw. diene, wenn letztere durch Einkäufe der Beschwerdeführerin befähigt werde, an deren Lieferanten Lederwaren zu liefern. Durch das zivilrechtliche Halten der Beteiligungen im Privatvermögen der Gesellschafter fehle - neben dem erwähnten wirtschaftlichen Zusammenhang - auch die unmittelbare finanzielle Eingliederung. Daß es sich nur um eine mittelbare Beteiligung handle, könne vielleicht vernachlässigt werden, wenn sich eine wirtschaftliche Verbindung besonders hervorheben würde, was jedoch nicht zutreffe. Die Unterstellung einer Organschaft wegen der bloß organisatorischen Eingliederung stehe mit § 1 Abs. 2 Z. 2 GewStG nicht in Einklang. Das Gesetz fordere eindeutig, daß nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse auch die finanzielle und wirtschaftliche Eingliederung vorliege.

 

Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde und die dazu von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die von der Beschwerde behauptete Verletzung der Verfahrensvorschrift des § 115 Abs. 2 BAO liegt nicht vor, weil im Fall einer Aufhebung eines Bescheides im Aufsichtswege durch die Oberbehörde eine Verpflichtung auf Gewährung von Parteiengehör nur besteht, wenn die Oberbehörde entweder einen neuen Sachverhalt annimmt oder neue Beweise aufgenommen hat. Da dies nicht der Fall war, die belangte Behörde vielmehr ausschließlich auf Grund einer der Beschwerdeführerin längst bekannten Aktenlage entschieden hat, ist ihr damit, daß sie vor Erlassung des angefochtenen Bescheides der Partei keine Gelegenheit zur Stellungnahme gab, kein Verstoß gegen Verfahrensvorschriften unterlaufen (Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 1981, Zlen. 16/0747/79, 16/0749/79, sowie Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. September 1982, Zl. 82/13/0127).

Einen weiteren Verfahrensmangel erblickt die Beschwerde darin, daß die belangte Behörde im Spruch ihres Bescheides nur § 299 BAO ohne weitere Präzisierung zitierte. Auch diese Rüge ist nicht zielführend, zumal sie es auszuführen unterläßt, zu welchem anderen Bescheid die belangte Behörde allein deshalb hätte kommen können, wenn sie diesen Mangel vermieden hätte. Eine solche Konsequenz ist aber Voraussetzung für eine vor dem Verwaltungsgerichtshof relevante Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften (§ 42 Abs. 2 lit. c Z. 3 VwGG 1965).

Dem Inhalte nach ist ein auf § 299 BAO gestützter Aufhebungsbescheid einer Aufsichtsbehörde, wie er in diesem Verfahren vorliegt, schon dann nicht rechtswidrig, wenn er sich in einem der herangezogenen Aufhebungsgründe als berechtigt erweist (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Mai 1976, Zl. 851/76, u. a.).

Einer dieser Gründe war im gegebenen Fall die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung vom Finanzamt ein anderslautender Bescheid hätte erlassen werden können (§ 299 Abs. 1 lit. c BAO). Diese Außerachtlassung erblickte die belangte Behörde vor allem darin, daß nicht untersucht wurde, ob für einen allfälligen Käufer der als Betriebsvermögen behandelten Beteiligung an der Ges.m.b.H. ein Kaufpreis von nur S 27,000.000,-- in Betracht käme, und daß nicht geprüft wurde, ob eine allenfalls zu Recht vorzunehmende Teilwertabschreibung auf mehrere Jahre zu verteilen oder nur - wie geschehen - im Jahre 1975 zur Gänze zu berücksichtigen wäre.

Die Beschwerde kann nicht widerlegen, daß dem Finanzamt diese, nach der Aktenlage gegebenen Verfahrensverletzungen unterlaufen sind. Sie verkennt den Inhalt der Bestimmung des § 299 Abs. 1 lit. c BAO, wenn sie darauf hinweist, die zum Anlaß der aufsichtsbehördlichen Aufhebung genommene Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften sei "offensichtlich" nicht ihr, sondern Beamten der Betriebsprüfung unterlaufen, weil eine solche Außerachtlassung grundsätzlich und stets nur der Abgabenbehörde, niemals der Partei, zur Last fallen kann. Daß aber eine bloße Übernahme von Parteienbehauptungen ohne amtswegige Untersuchung und Ermittlung des dafür maßgebenden Sachverhaltes bei Beträgen von der hier gegebenen absoluten und relativen Höhe und angesichts des spezifischen Charakters des Vorganges (hohe Teilwertabschreibung für Anteile an einer Kapitalgesellschaft) eine Verletzung der Verfahrensbestimmung des § 115 Abs. 1 BAO darstellt, kann keine Frage sein. Dies allein aber berechtigte zu der Maßnahme des angefochtenen Bescheides und läßt dessen unter dem Gesichtspunkt der vom Verwaltungsgerichtshof vorzunehmenden Rechtskontrolle allein maßgebenden Spruch als nicht rechtswidrig erscheinen, was zur Abweisung der dagegen erhobenen Beschwerde nach § 42 Abs. 1 VwGG 1965 führen mußte.

Im Hinblick auf das sonstige, zum Inhalt des angefochtenen Bescheides erstattete Vorbringen, das zum Teil schon jetzt im Akteninhalt seine Deckung zu finden scheint, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof veranlaßt, für das auf Grund des Behebungsbescheides fortzusetzende Verfahren auf folgendes hinzuweisen:

Ist es - wie die Beschwerde ausführt und worauf die Aktenlage hindeutet - richtig, daß die Einbeziehung der Anteile an der Ges.m.b.H. in das Betriebsvermögen der Beschwerdeführerin ihre Ursache im Ergebnis der seinerzeit bei der Beschwerdeführerin vorgenommener Betriebsprüfung und der durch diese vorgenommenen Beurteilung der Frage des Organschaftsverhältnisses hatte und trifft es vor allem zu, daß das Ergebnis der Betriebsprüfung die Beschwerdeführerin nicht nur dazu veranlaßt hat, die von ihr selbst vorher als Privatvermögen behandelten Beteiligungen als Betriebsvermögen zu behandeln, sondern auch dazu, unter Anerkennung dieser Auffassung von ihr bereits erhobene Rechtsmittel zurückzuziehen, dann verpflichtet der auch im Abgabenrecht geltende Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Juni 1962, Zl. 300/60, vom 27. April 1962, Zl. 1783/61, vom 31. Mai 1963, Zlen. 1796 und 1797/61, vom 25. Mai 1964, Zl. 1529/63, u. v. a., sowie des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Oktober 1970, Zl. B 83/69, und vom 30. Jänner 1980, Zl. B 29/77) die Abgabenbehörden, auch in den Folge-(somit den Streit-)jahren ihrerseits an dieser Auffassung festzuhalten. Das gilt insbesondere auch für die belangte Behörde in ihrer Eigenschaft als nach § 299 BAO einschreitende Oberbehörde, selbst wenn sie mit ihrer Auffassung zu der in Rede stehenden Frage im Verhältnis zu der entgegenstehenden Auffassung des Finanzamtes im Recht wäre, weil die im Grundsatz von Treu und Glauben gelegenen Grenzen ihrer Befugnisse nicht anders gesehen werden können wie die einer allenfalls einschreitenden Berufungsbehörde, deren durch den genannten Grundsatz bewirkte mögliche Bindung an eine tatsächliche Vorgangsweise des Finanzamtes der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 30. Oktober 1974, Zlen. 328, 329/74, Slg. N. F. Nr. 4749/F, eindeutig bejaht hat.

Zunächst indessen erweist sich der angefochtene Bescheid wegen der dem Finanzamt offenbar unterlaufenen Verletzungen von Verfahrensvorschriften als nicht rechtswidrig, was zur Abweisung der dagegen erhobenen Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 führen mußte.

Der Zuspruch von Aufwandersatz an den Bund beruht auf den §§ 47 ff VwGG 1965.

Wien, am 14. Dezember 1982

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte