VwGH 82/11/0004

VwGH82/11/00046.7.1982

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Mag. Öhler, Dr. Kramer, Dr. Knell und Dr. Dorner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Ratz, über die Beschwerde des RP in S, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in Wien I, Franz-Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Verkehr vom 25. November 1981, Zl. 92.203/1-IV/7/81, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

KFG 1967 §66 Abs1;
KFG 1967 §66 Abs2 litc;
KFG 1967 §66 Abs2;
KFG 1967 §66 Abs3;
KFG 1967 §66;
KFG 1967 §73 Abs1;
KFG 1967 §73 Abs2;
KFG 1967 §73;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1982:1982110004.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Ausspruches über die Entziehungsdauer gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.385,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 9. Juni 1981 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die ihm am 10. Februar 1967 für die Gruppen A, B und F von der Bezirkshauptmannschaft Scheibbs erteilte Lenkerberechtigung "auf Dauer" entzogen. Gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. wurde ausgesprochen, daß dem Beschwerdeführer auf die Dauer von drei Jahren keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden dürfe; weiters wurde verfügt, daß gemäß § 75 Abs. 4 leg. cit. "der über die entzogene Lenkerberechtigung ausgestellte Führerschein" unverzüglich der erkennenden Behörde abzuliefern sei.

Der dagegen rechtzeitig erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 23. September 1981 keine Folge gegeben, "der angefochtene Bescheid im ersten und zweiten Absatz seines Spruches jedoch dahingehend abgeändert", daß dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die bereits genannte Lenkerberechtigung "ganz" entzogen werde, wobei gleichzeitig gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. ausgesprochen wurde, daß dem Beschwerdeführer für die Zeit von fünf Jahren, gerechnet vom Tage der Zustellung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 9. Juni 1981, das ist der 11. Juni 1981, somit bis einschließlich 11. Juni 1986, keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden dürfe. Nach Wiedergabe des wesentlichen Berufungsvorbringens des Beschwerdeführers und Zitierung der Bestimmungen der §§ 73 Abs. 1 und 2, 66 Abs. 1 und 3 erster Halbsatz KFG 1967 führte die Berufungsbehörde in der Begründung ihres Bescheides aus, wie aus dem ihr vorliegenden Verwaltungsakt bzw. dem Gerichtsakt ersichtlich sei, sei von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich gegen den Beschwerdeführer Strafanzeige im wesentlichen deswegen erstattet worden, weil er im Zeitraum vom Sommer des Jahres 1979 bis zum Sommer des Jahres 1980 wiederholt gleichgeschlechtliche Unzucht mit Jugendlichen getrieben und er außerdem im Juli 1979 seiner Gattin im Zuge einer wörtlichen und tätlichen Auseinandersetzung leichte Verletzungen zugefügt habe, sowie deshalb, weil er im Juni 1980 seiner Ehegattin mit dem "Umbringen" gedroht und sie dadurch in Furcht und Unruhe versetzt habe. Weiters sei von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich bei der Bezirkshauptmannschaft Amstetten angeregt worden, die Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers im Hinblick auf die vorgenannten Straftaten zu überprüfen und gegebenenfalls die Lenkerberechtigung zu entziehen. Hiebei sei darauf hingewiesen worden, daß der Beschwerdeführer zur Begehung unzüchtiger Handlungen seinen Pkw benützt habe. Ebenso sei ersichtlich, daß der Beschwerdeführer sein Kraftfahrzeug wiederholt in alkoholisiertem Zustand in Betrieb genommen habe. Zufolge der Strafregisterauskunkft vom 23. Jänner 1981 scheine im Strafregister der Bundespolizeidirektion Wien keine Verurteilung auf. Ebenso schienen im Zentralnachweis für Lenkerberechtigungen der Bundespolizeidirektion Wien über den Beschwerdeführer keine Vormerkungen auf. Mit Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten vom 29. April 1981 sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen nach den §§ 209 und 15 StGB sowie wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB nach § 209 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt worden. Gemäß § 43 Abs. 1 StGB sei ausgesprochen worden, daß die Freiheitsstrafe auf die Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen werde. Mit dem genannten Urteil sei der Beschwerdeführer für schuldig befunden worden, I. in Waidhofen/Ybbs gleichgeschlechtliche Unzucht mit jugendlichen Personen getrieben zu haben, und zwar a) im Dezember 1979 oder Jänner 1980 mit dem 1962 geborenen MM, b) im Sommer 1980 zweimal mit dem 1962 geborenen HS II.

gleichgeschlechtliche Unzucht durch Betasten am Geschlechtsteil zu treiben versucht zu haben, und zwar a) in der Zeit vom Sommer 1979 bis Anfang Oktober 1980 in mindestens 15 Fällen mit dem 1964 geborenen KS und b) im Juli 1980 mit dem 1964 geborenen RO und III. am 7. Juli 1979 in St. Georgen RP durch Versetzen von Faustschlägen gegen den Körper, welche Hämatome und Prellungen zur Folge gehabt hätten, vorsätzlich am Körper verletzt zu haben. Das Urteil sei in Rechtskraft erwachsen.

Zu dem Berufungsvorbringen, soweit es sich auf den Vorwurf beziehe, der Beschwerdeführer hätte in einem längeren Zeitraum wiederholt und stets in gleicher Weise die Verkehrssicherheit durch Trunkenheit gefährdet, sei festzustellen, daß dem Berufungsvorbringen diesbezüglich Berechtigung zukomme. Wenn auch von verschiedenen Jugendlichen ausgesagt worden sei, der Beschwerdeführer habe sein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt, so müsse dennoch festgestellt werden, daß der Beschwerdeführer wegen Verwaltungsübertretungen nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 nicht bestraft worden sei. Es liege somit eine bestimmte erwiesene Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 nicht vor und könne dies nicht als Grund für die Entziehung seiner Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B und F herangezogen werden. Im übrigen sei jedoch festzustellen: Bei der "Verkehrszuverlässigkeit", bei deren Begriffsauslegung ein strenger Maßstab anzulegen sei, gehe es um die Frage, wie sich eine Person voraussichtlich im Straßenverkehr verhalten werde, wobei die Behörde aus dem bisherigen Verhalten des zu Beurteilenden die entsprechenden Schlüsse zu ziehen habe. Da es sich bei der "Verläßlichkeit" um einen charakterlichen Wertbegriff handle, sei daher die charakterliche Veranlagung des Betreffenden einer Prüfung und Beurteilung bzw. einer Wertung zu unterziehen. Es seien somit alle jene Handlungen der zu beurteilenden Person, die nach außen hin in Erscheinung getreten und der Behörde zur Kenntnis gekommen seien, dahingehend zu analysieren und zu werten, ob in näherer oder fernerer Zukunft gleiche oder ähnliche Handlungen mit einiger Wahrscheinlichkeit erwartet bzw. befürchtet werden könnten und ob diese Handlungen eine Gefahr für die allgemeine Verkehrssicherheit darstellten. Es sei sohin zu prüfen gewesen, ob auf Grund erwiesener Tatsachen im Sinne des § 66 Abs. 1 KFG 1967 und bei einer Wertung derselben im Sinne des § 66 Abs. 3 leg. cit. angenommen oder befürchtet werden müsse, daß sich der Beschwerdeführer auf Grund seiner Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen der in Betracht kommenden Gruppe und wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, mit einiger Wahrscheinlichkeit künftig sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen werde. Als Maßstab dafür, welche erwiesenen bestimmten Tatsachen die Annahme im vorstehenden Sinne rechtfertigen würden, seien im Abs. 2 des § 66 KFG 1967 derartige bestimmte Tatsachen demonstrativ aufgezählt. Hieraus ergebe sich, daß der durch Absatz 1 gezogene Rahmen durch Abs. 2 des § 66 KFG 1967 nur unvollständig ("... hat insbesondere zu gelten ...") ausgefüllt werde. Es könnten daher auch andere, nicht im § 66 Abs. 2 angeführte Delikte als Grund für die Entziehung der Lenkerberechtigung herangezogen werden, wenn sie im Einzelfall durch ihre Verwerflichkeit und die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen worden seien, dem im Gesetz beispielsweise angeführten Verbrechen und Vergehen an Unrechtsgehalt etwa gleichkämen. Die Verurteilung wegen des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen nach § 209 und § 15 StGB (welche strafbaren Handlungen im § 66 Abs. 2 lit. b, c und d KFG 1967 nicht genannt seien) solle nach dem Willen des Gesetzgebers nicht ohne weiteres auch den Verlust der Lenkerberechtigung des Verurteilten nach sich ziehen. Vielmehr habe die Behörde eine Wertung der als "bestimmte Tatsache" im Sinne des § 66 Abs. 2 KFG 1967 geltenden, zugrundeliegenden strafbaren Handlung unter Berücksichtigung der im Absatz 3 dieser Gesetzesstelle angeführten Kriterien vorzunehmen und erst auf Grund einer solchen Wertung zu beurteilen, ob und bejahendenfalls für welche Dauer eine Verkehrsunzuverlässigkeit angenommen werden müsse. Die Entziehung der Lenkerberechtigung stelle nämlich keine Strafe, sondern eine Schutzmaßnahme dar, deren Zweck darin liege, jene Personen aus dem Straßenverkehr auszuschließen, deren bisheriges Verhalten den Schluß zulasse, daß sie eine Gefahr für die anderen Verkehrsteilsnehmer bilden. Für das Verwaltungsverfahren zur Entziehung der Lenkerberechtigung sei nicht das Urteil des Strafgerichtes maßgebend, sondern das Ergebnis des gerichtlichen Beweisverfahrens, das die Verwaltungsbehörde aber nicht nach strafrechtlichen Gesichtspunkten, sondern nach solchen der Verkehrssicherheit zu beurteilen habe. An die Beurteilung des Schutzes der Allgemeinheit durch das Strafgericht sei die Verwaltungsbehörde keineswegs gebunden. Wie das Verfahren des Kreisgerichtes St. Pölten ergeben habe, sei der Beschwerdeführer bisexuell veranlagt und habe er im homosexuellen Milieu verkehrt. In Waidhofen/Ybbs habe der Beschwerdeführer wiederholt einschlägig bekannte Gasthäuser aufgesucht und unter anderem auch Jugendliche zur Heimfahrt in seinem Pkw eingeladen. So habe er im Dezember 1979 oder im Jänner 1980 mit dem seinerzeit 17-jährigen MM mehrere Lokale besucht. Bei einem namentlich erwähnten Gasthaus sei der Beschwerdeführer M auf die Toilette gefolgt und habe an diesem einen Mundverkehr vorgenommen, wobei M keinen Widerstand geleistet habe. Im Sommer des Jahres 1980 habe der Beschwerdeführer mit dem damals 17-jährigen HS, dessen Alter ihm bekannt gewesen sei, zwei Gasthäuser besucht, sei diesem auf die Toilette gefolgt und habe an ihm einen Mundverkehr durchgeführt. Im Sommer des Jahres 1979 bis zum Oktober des Jahres 1980 habe der Beschwerdeführer sich dem damals erst ca. 15 Jahre alten KS, dessen Alter ihm seinerzeit bekannt gewesen sei, etwa 15-mal in unsittlicher Weise genähert. Da sich dieser jedoch gewehrt habe, habe der Beschwerdeführer dessen Glied über der Kleidung, um ihn zu gleichgeschlechtlichen Handlungen zu verleiten, betastet. Zu diesen Vorfällen sei es auf Gasthaustoiletten und im Pkw des Beschwerdeführers gekommen. Im Sommer des Jahres 1980 hätten KS und sein Freund RO eine Diskothek in Waidhofen besucht, und es habe sich der Beschwerdeführer zu den beiden gesellt. Auf die Anregung des Beschwerdeführers hin seien die Jugendlichen in seinen Pkw gestiegen, um zu dritt ein anderes Lokal aufzusuchen. Während der Fahrt habe der Beschwerdeführer mehrmals versucht, RO am Geschlechtsteil anzufassen. RO habe jedoch den Beschwerdeführer abwehren können. Auf der Heimfahrt habe der Beschwerdeführer seine Annäherungsversuche ohne Erfolg fortgesetzt.

Auch bei diesen Vorfällen habe er vom Alter der Jugendlichen gewußt. Im Zuge einer Auseinandersetzung mit seiner Gattin habe der Beschwerdeführer am 7. Juli 1979 mit den Fäusten auf seine Frau eingeschlagen, wodurch diese Blutergüsse und Prellungen im Gesicht und an der Hand, und zwar leichte Verletzungen, erlitten habe. "Hiezu" sei festzustellen, daß sich der Beschwerdeführer wiederholt seines Pkw's zur Begehung der Verbrechen nach § 209 und § 15 StGB bedient habe. Als besonders verwerflich werde angesehen, daß sich der Beschwerdeführer bei der Begehung der strafbaren Taten auch seines Pkw's bedient habe und daß er die Taten innerhalb eines längeren Zeitraumes wiederholt gesetzt habe, wobei vor allem zu bedenken gewesen sei, daß er sich im Zeitraum vom Sommer 1979 bis Oktober 1980 dem damals erst ca. 15-jährigen KS etwa 15-mal in unsittlicher Weise genähert habe. Zu dem Vorbringen des Beschwerdeführers, es könne nicht vermutet werden, daß er durch die Begehung neuer Straftaten riskieren würde, den Widerruf der bedingten Freiheitsstrafe herbeizuführen und sodann die vom Gericht bereits verhängte Freiheitsstrafe sowie jene einer neuerlichen Verurteilung verbüßen zu müssen, sei festzustellen, daß die vorgenannten Umstände, insbesondere die Veranlagung des Beschwerdeführers und auch seine Funktion als Gendarmeriebeamter ihn nicht hätten abhalten können, an mehreren Jugendlichen auch unter Verwendung seines Pkw's innerhalb eines langen Zeitraumes oftmals das Verbrechen der teils vollendeten, teils versuchten gleichgeschlechtlichen Unzucht zu begehen. Es müsse aus diesen Umständen der Schluß gezogen werden, daß die Einstellung des Beschwerdeführers, vor allem aber auch seine Veranlagung, auch künftig mit einiger Wahrscheinlichkeit die Begehung gleicher oder ähnlicher strafbarer Taten im Hinblick auf die erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben seien, erwarten lasse. Im Hinblick auf die Verwerflichkeit der vom Beschwerdeführer begangenen Taten erscheine auch unter Bedachtnahme darauf, daß er vor der gegenständlichen gerichtlichen Verurteilung keine gerichtliche Verurteilung aufgewiesen habe, daß er vorher offenbar etwa 15 Jahre lang unbeanstandet und unfallfrei gefahren sei, sowie auch unter Bedachtnahme auf die seit den vorgenannten Taten verstrichene Zeit und das offenbar anstandslose Verhalten des Beschwerdeführers während dieser Zeit eine Entzugsdauer von drei Jahren als zu gering bemessen; dies auch bei Bedachtnahme darauf, daß - entgegen der Ansicht der Behörde erster Instanz - eine erwiesene bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 nicht vorliege. Vielmehr erscheine es der Berufungsbehörde erforderlich, auch nach Ablauf der dreijährigen Probezeit einige Zeit verstreichen zu lassen, um feststellen zu können, ob sich der Beschwerdeführer auch nach Ablauf dieser Bewährungszeit einwandfrei verhalten werde und ob somit auch ohne den Druck einer Probezeit in seiner Gesinnung eine grundlegende positive Wandlung eingetreten sei. Die Berufungsbehörde komme daher zu dem Schluß, daß die Entziehung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers auf die Zeit von 5 Jahren, gerechnet vom Tage der Zustellung des Bescheides der Behörde erster Instanz, somit bis einschließlich 11. Juni 1986, als durchaus angemessen anzusehen sei.

Auch gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig Berufung, welcher mit Bescheid des Bundesministers für Verkehr vom 25. November 1981 keine Folge gegeben wurde. In der Begründung dieses Bescheides heißt es, der genaue Sachverhalt, der dieser Entscheidung zugrundeliege, sei dem angefochtenen Bescheid (der zweiten Instanz) zu entnehmen, dessen zutreffende und durchaus schlüssige Begründung - an sich ohne Notwendigkeit weiterer Hinzufügungen - auch für die gegenständliche Entscheidung maßgebend gewesen sei. Zu den vorliegenden Rechtsmittelausführungen werde lediglich bemerkt, daß die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 berechtigt sei, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Ein Ermessen, wie der Beschwerdeführer vermeine, stehe der Behörde hiebei im Verfahren zur Entziehung der Lenkerberechtigung zufolge der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu. Die belangte Behörde sei jedoch der Ansicht, daß die Vorinstanz die besondere Verwerflichkeit der gegenständlichen Tathandlungen - insbesondere auch im Hinblick auf ihren Zusammenhang mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges - einer durchaus richtigen Wertung unterzogen und von ihrem Abänderungsrecht zuungunsten des Beschwerdeführers zu Recht Gebrauch gemacht habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 ist Besitzern einer Lenkerberechtigung, die unter anderem nicht mehr im Sinne des § 66 verkehrszuverlässig sind, die Lenkerberechtigung entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit ganz oder nur hinsichtlich bestimmter Gruppen zu entziehen oder durch Auflagen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen der Gültigkeit einzuschränken. Nach Absatz 2 dieser Gesetzesstelle ist bei der Entziehung auch auszusprechen, für welche Zeit keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf, wobei diese Zeit auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen ist und bei Personen, die nicht verkehrszuverlässig sind, nicht kürzer als drei Monate sein darf. Als verkehrszuverlässig gilt gemäß § 66 Abs. 1 KFG 1967 eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 2) und ihrer Wertung (Abs. 3) angenommen werden muß, daß sie auf Grund ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen der in Betracht kommenden Gruppe .....

b) sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird. Gemäß § 66 Abs. 2 leg. cit. hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Absatzes 1 insbesondere zu

gelten, wenn jemand ... b) eine strafbare Handlung gemäß den

§§ 201 bis 207 StGB begangen hat, .... Für die Wertung der im Absatz 1 angeführten Tatsachen sind gemäß § 66 Abs. 3 leg. cit. bei strafbaren Handlungen ihre Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

Die belangte Behörde hat sich in dem angefochtenen Bescheid der von ihr als "zutreffend und durchaus schlüssig" bezeichneten Begründung des Bescheides des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 23. September 1981 angeschlossen. Demnach hat sie ihrer Entscheidung ausschließlich die Begehung der strafbaren Handlungen, deretwegen der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten vom 29. April 1981, Zl. 17 Vr 1470/80, Hv 2/81, schuldig erkannt wurde und bei denen es sich um das Verbrechen der teils vollendeten, teils versuchten gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen nach den §§ 209 und 15 StGB und das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB handelt, zugrunde gelegt. Dieser Sachverhalt ist vom Beschwerdeführer unbestritten geblieben, wobei jedoch seine Rüge, der angefochtene Bescheid enthalte "bereits insoweit einen grundsätzlichen Mangel, als nicht klar zum Ausdruck gebracht wird, ob der als erwiesen angenommene Sachverhalt lit. a oder b des § 66 Abs. 1 KFG 1967 zugeordnet wird", nicht berechtigt ist. Der Beschwerdeführer erklärt selbst, die Begründung des zweitinstanzlichen (und damit auch des angefochtener Bescheides lasse "allerdings erkennen, daß sie offensichtlich nur oder zumindest im wesentlichen lit. b leg. cit. als maßgeblich angesehen hat", und die Anwendung dieser Norm (§ 66 Abs. 1 lit. a KFG 1967) "scheide offensichtlich von vornherein aus". Insbesondere mit Rücksicht darauf, daß es im zweitinstanzlichen Bescheid ausdrücklich heißt, es sei sohin zu prüfen gewesen, "ob auf Grund erwiesener Tatsachen im Sinne des § 66 Abs. 1 KFG 1967 und bei einer Wertung derselben im Sinne des § 66 Abs. 3 KFG 1967 angenommen oder befürchtet werden muß, daß Sie sich auf Grund Ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen der in Betracht kommenden Gruppe und wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, mit einiger Wahrscheinlichkeit künftig sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen werden", und es müsse "aus diesen Umständen der Schluß gezogen werden, daß Ihre Einstellung, vor allem aber auch Ihre Veranlagung, auch künftig mit einiger Wahrscheinlichkeit die Begehung gleicher oder ähnlicher strafbarer Taten im Hinblick auf die erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, erwarten läßt", kann im Zusammenhalt mit der übrigen Bescheidbegründung kein Zweifel darüber bestehen, daß auch die belangte Behörde nur die Bestimmung des § 66 Abs. 1 lit. b KFG 1967 und nicht (auch) die Bestimmung des § 66 Abs. 1 lit. a KFG 1967 herangezogen hat; dem Beschwerdeführer wurde nämlich nunmehr (im Gegensatz zur Begründung des erstinstanzlichen Bescheides) kein Lenken eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand, aus dem allenfalls die künftige Gefährdung der Verkehrssicherheit durch Trunkenheit hätte abgeleitet werden können, zum Vorwurf gemacht.

Der Beschwerdeführer führt ins Treffen, daß ein "Sittlichkeitstäter dieser Art" vom Typus her nicht der "Kriminelle" sei, der sich "allgemein von der bürgerlichen Ordnung losgesagt" habe. "Obgleich natürlich auch hier Gelegenheit und Lebensumstände eine relevante Rolle" spielten, stünde im Vordergrund "doch die ad hoc gegebene psychische Struktur". Es sei "demgemäß auch die wesentliche Rolle zu verneinen, die das (selbstgelenkte) Kraftfahrzeug nach § 66 Abs. 1 lit. b KFG dafür haben muß, daß es überhaupt zur Straffälligkeit kommt". "Die wirkliche Rolle, die ein Kraftfahrzeug hier spielt", bestünde "vielmehr höchstens in der Art der Deliktsdurchführung". Die Aufzählung, welche § 66 Abs. 2 KFG 1967 enthalte, weise "ebenfalls deutlich in eine andere Richtung"; abgesehen von der Alkoholisierung würden hier "Gewalt- und Vermögensdelikte" angeführt. Bekanntlich sei "schon in der Grundstruktur der menschlichen Triebe hier eine andere Zuordnung gegeben". In Ansehung dieser vom Gesetz angeführten Fälle kämen zwei Umstände zusammen; es würden sowohl eine "andere schädliche Neigung angesprochen" als auch die angeführten Delikte schwerwiegender sein. Diese Überlegungen führten nach Meinung des Beschwerdeführers zu dem Ergebnis, daß Straftaten der ihm zur Last liegenden Tat "ihrem Typus nach außerhalb der Fälle des § 66 KFG liegen". Es möge sein, daß dies noch keine Bedeutung dahingehend habe, "daß nicht doch in irgendeinem Einzelfall die Anwendung des § 66 KFG bei dieser Deliktsart in Frage kommt"; dies müßte jedoch "als Ausnahme erscheinen", und es müßten daher "dafür ganz besondere spezifische Gründe vorhanden sein", welche im Beschwerdefall nach Erachten des Beschwerdeführers "eindeutig" nicht bestünden.

Hiebei übersieht der Beschwerdeführer, daß gemäß § 66 Abs. 2 lit. b KFG 1967 als bestimmte Tatsache im Sinne des Absatzes 1 auch zu gelten hat, wenn jemand eine strafbare Handlung gemäß den §§ 201 bis 207 StGB begangen hat, und daher auch Sittlichkeitsdelikte an sich - und zwar nicht nur solche, bei denen die Begehungsmittel Gewalt oder (gefährliche) Drohung Tatbestandsmerkmal sind - als strafbare Handlungen in Betracht kommen können, die geeignet sind, die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit zu begründen und die Entziehung der Lenkerberechtigung nach sich zu ziehen. Was nun das Vorliegen von Sittlichkeitsdelikten "dieser Art" (§ 209 StGB) betrifft, so kann wohl nicht zweifelhaft sein, daß sie auf der gleichen Veranlagung (nämlich auf der eines Homosexuellen) beruhen wie strafbare Handlungen im Sinne des § 205 Abs. 2 oder des § 207 StGB mit Personen des gleichen Geschlechts; solche strafbaren Handlungen sind aber gemäß § 66 Abs. 2 lit. b KFG 1967 ausdrücklich als bestimmte Tatsachen anzusehen. Der Umstand, daß in dieser Gesetzesstelle nicht auch strafbare Handlungen nach § 209 StGB angeführt sind, bedeutet lediglich, daß sie der Gesetzgeber in ihrer Tragweite nicht so schwerwiegend erachtet wie unter anderem strafbare Handlungen nach § 205 Abs. 2 oder § 207 StGB. Der Gesetzgeber geht offenbar davon aus, daß Jugendliche (falls sie nicht den Schutzobjekten nach § 205 Abs. 2 StGB zuzuzählen sind) im allgemeinen eher in der Lage sind, "die Bedeutung des Vorgangs einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln", als Personen, denen nach § 205 Abs. 2 oder § 207 StGB der gesetzliche Schutz zuteil werden soll. Daher kann eine strafbare Handlung nach § 209 StGB nicht einer der im § 66 Abs. 2 lit. b KFG 1967 aufgezählten strafbaren Handlungen (darunter nach § 205 Abs. 2 oder § 207 StGB) gleichgestellt werden. Die im § 66 Abs. 2 KFG 1967 enthaltene Aufzählung ist jedoch nur demonstrativ (arg.: "insbesondere"), sodaß auch andere Verhaltensweisen von Kraftfahrzeuglenkern, die geeignet sind, die Verkehrszuverlässigkeit in Zweifel zu ziehen, als "bestimmte Tatsachen" in diesem Sinne gelten, wenn sie im Einzelfall durch ihre Verwerflichkeit diesen beispielsweise bezeichneten strafbaren Handlungen an Unrechtsgehalt etwa gleichkommen (vgl. unter anderem die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. März 1982, Zl. 82/11/0052, und vom 23. Oktober 1981, Zl. 81/02/0083). Das trifft nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes auch dann zu, wenn - wie im Beschwerdefall - vom Täter eine Vielzahl gleichartiger strafbarer Handlungen nach § 209 StGB, mag es auch teilweise und sogar größtenteils nur beim Versuch geblieben sein, gesetzt worden ist. Dabei fällt nicht mehr ins Gewicht, daß der Beschwerdeführer auch wegen des Vergehens nach § 83 Abs. 1 StGB - diese strafbare Handlung stellt für sich allein zufolge § 66 Abs. 2 lit. c KFG 1967 erst bei "wiederholter" Begehung eine "bestimmte Tatsache" dar - verurteilt worden ist.

Nach dem klaren Wortlaut des § 66 KFG 1967 ergibt sich - ganz im Sinne der Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage Nr. 186 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, XI. GP. - eindeutig, daß es bei der Verkehrszuverlässigkeit nur um die Frage geht, wie sich eine Person voraussichtlich im Verkehr verhalten wird.

Die Beantwortung dieser Frage kann zwar nie über eine vermutende Annahme hinausgehen; aus dieser Gesetzesbestimmung geht aber klar hervor, welche Gesichtspunkte bei Prüfung der Verkehrszuverlässigkeit einer Person in Betracht gezogen werden müssen bzw. eine Rolle spielen können. Der nichtverkehrszuverlässige Lenker ist in erster Linie eine Gefahr für die anderen Straßenbenützer. Die Behörde muß somit vor allem trachten, die Gefährdung der übrigen Straßenbenützer auszuschalten (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Februar 1980, Zl. 2952/78, und die darin zitierte weitere Judikatur). Eine solche Gefährdung konnte die belangte Behörde, ohne den Beschwerdeführer in seinen Rechten zu verletzen, aus seinem strafgesetzwidrigen Verhalten unter Berücksichtigung der Kriterien, die gemäß § 66 Abs. 3 KFG 1967 bei der Wertung dieses Verhaltens zu beachten waren, ableiten. Nach § 66 Abs. 1 KFG 1967 kommt es in entscheidendem Maße auf die "Sinnesart" des betreffenden Kraftfahrzeuglenkers, die an Hand seines bisherigen Verhaltens zu untersuchen ist, an.

Die "Sinnesart" des Beschwerdeführers, die in der Begehung strafbarer Handlungen nach den §§ 209 und 15 StGB ihren Niederschlag gefunden hat, hat ihre Ursache in seiner Veranlagung; die "ad hoc gegebene psychische Struktur" kann ihm daher nicht zugute kommen, sondern es muß auch in diesem Falle das Schutzbedürfnis anderer Verkehrsteilnehmer dem Beschwerdeführer gegenüber bejaht werden. Der Beschwerdeführer hat - unbestrittenermaßen - nicht nur seinen Pkw dazu benützt, um bestimmte Gaststätten aufzusuchen und dort in bezug auf die Begehung solcher strafbarer Handlungen Kontakt mit Jugendlichen aufzunehmen, sondern er hat sich darüber hinaus als Besitzer einer Lenkerberechtigung immer wieder seines Pkw's bedient, um diese strafbaren Handlungen ausführen zu können. Es kann daher keine Rede davon sein, daß ihm im Zusammenhang mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges die Begehung dieser strafbaren Handlungen nicht erleichtert worden wäre, wobei gerade auf Grund seiner Veranlagung die Wiederholung derartiger Vorfälle in Hinkunft erwartet werden muß; der Beschwerdeführer mußte selbst zugeben, daß "natürlich auch hier Gelegenheit und Lebensumstände eine relevante Rolle spielen". Mit Recht hat die belangte Behörde anläßlich der Vorlage der Verwaltungsakten darauf verwiesen, die Erfahrung lehre, "daß gerade das Lenken von Kraftfahrzeugen eine Situation schafft, die für die Begehung von Sittlichkeitsdelikten typischerweise ausgenützt werden kann und daher die Wahrscheinlichkeit ihrer Begehung wesentlich erhöht", und daß der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Umstand, daß bei der Beurteilung eines Sittlichkeitstäters dessen "psychische Struktur" im Vordergrund steht, "gerade als Argument für die Annahme dienen mag, daß sich diese Täter einer ihnen sich eröffnenden Gelegenheit besonders schwer entziehen können." An dieser Beurteilung vermögen weder die vorangegangene "langjährige Straffreiheit" des Beschwerdeführers, noch die ihm "drohenden schwersten Nachteile bei einer jetzigen Tatwiederholung", sei es sowohl durch die Verhängung einer neuerlichen Strafe und die Verbüßung der vorerst bedingt nachgesehenen Strafe, als auch dadurch, daß "dann wohl auch der Verlust der Beamtenstellung zu gewärtigen wäre", etwas zu ändern.

Wenn der Beschwerdeführer auf den strafgerichtlichen Ausspruch der bedingten Strafnachsicht gemäß § 43 StGB hinweist und meint, es sei "ausgehend vom Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung unverträglich, daß gleichzeitig eine positive Annahme im Sinne dieser Norm und die negative Annahme nach lit. b des § 66 Abs. 1 KFG" erfolge, zumal beide Normen die Stellung einer den Beschwerdeführer betreffenden Zukunftsprognose zur Voraussetzung haben, die nicht unterschiedlich sein könne, so läßt der Beschwerdeführer außer acht, daß die Entziehung der Lenkerberechtigung nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Strafe, sondern eine Verwaltunqsmaßnahme darstellt, deren Zweck - wie schon gesagt - darin liegt, jene Personen aus dem Straßenverkehr auszuschließen, deren bisheriges Verhalten den Schluß ziehen läßt, daß sie eine Gefahr für die anderen Verkehrsteilnehmer bilden. Bei der ausschließlich von der Verwaltungsbehörde nach den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes vorzunehmenden Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers - eine Weisung des Strafgerichtes, während der Probezeit das Lenken eines Kraftfahrzeuges zu unterlassen, wäre, entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers, im übrigen unzulässig gewesen (vgl. Leukauf-Steininger2, Seite 410 f, zu § 51 StGB) - kann daher nicht relevant sein, daß und aus welchen Erwägungen sich das Gericht veranlaßt gesehen hat, die über den Beschwerdeführer verhängte Freiheitsstrafe durch Bestimmung einer dreijährigen Probezeit lediglich bedingt auszusprechen. Für das Verwaltungsverfahren zur Entziehung der Lenkerberechtigung ist in dieser Hinsicht nicht das Urteil des Strafgerichtes maßgebend, sondern das Ergebnis des gerichtlichen Beweisverfahrens, daß die Verwaltungsbehörde aber nicht nach strafrechtlichen Gesichtspunkten, sondern nach solchen der Verkehrssicherheit zu beurteilen hat. Die Verwaltungsbehörde ist daher an die Beurteilung des Schutzes der Allgemeinheit durch das Strafgericht keineswegs gebunden (vgl. auch dazu das bereits erwähnte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Februar 1980, Zl. 2952/78). Auch auf die Ergebnisse eines Disziplinarverfahrens und damit auf den vom Beschwerdeführer herangezogenen Umstand, daß wegen dieser Straftaten "zwar im Disziplinarverfahren in 1. Instanz eine Entlassung ausgesprochen worden war, daß diese Entscheidung jedoch durch die Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt aufgehoben wurde", kann daher - abgesehen davon, daß nach dem Beschwerdevorbringen "diesbezüglich eine rechtskräftige Entscheidung noch nicht getroffen" wurde - bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit nicht Bedacht genommen werden.

Die belangte Behörde ist somit zu Recht davon ausgegangen, daß die bei Erteilung der Lenkerberechtigung gegebene Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers derzeit nicht mehr besteht, sodaß die Entziehung der Lenkerberechtigung an sich nicht rechtswidrig war. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes hat aber die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid hinsichtlich des Ausspruches über die Dauer der Entziehung mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Der Behörde ist bei der Bemessung der Zeit, innerhalb der eine neue Lenkerberechtigung nicht erteilt werden darf, kein unüberprüfbares Ermessen eingeräumt; sie ist vielmehr verpflichtet, in den betreffenden Bescheid entsprechende Erwägungen darüber aufzunehmen, auf Grund welcher bestimmter Tatsachen sie eine bestimmte Entziehungsdauer erforderlich hält (vgl. zum Beispiel die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Oktober 1981, Zl. 81/02/0065, und vom 21. März 1980, Zl. 1020/78). Richtig ist, daß die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 berechtigt ist, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, sodaß auch der Entziehungszeitraum gegenüber dem erstinstanzlichen Bescheid mangels Geltung des Verbotes der "reformatio in peius" im Verwaltungsverfahren (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juni 1968, Slg. Nr. 7378/A) zuungunsten des Beschwerdeführers erhöht werden durfte. Die von der belangten Behörde auch diesbezüglich übernommene Begründung des Bescheides des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 23. September 1981 erscheint aber nicht ausreichend. Die Entziehung der Lenkerberechtigung für die Dauer von fünf Jahren (gegenüber drei Jahren im erstinstanzlichen Bescheid, obwohl hiebei zusätzlich eine Gefährdung der Verkehrssicherheit durch Trunkenheit angenommen wurde) wurde im wesentlichen damit begründet, daß es erforderlich sei, "auch nach Ablauf der dreijährigen Probezeit einige Zeit verstreichen zu lassen, um feststellen zu können, ob Sie sich auch nach Ablauf dieser Bewährungszeit einwandfrei verhalten werden und ob somit auch ohne den Druck einer Probezeit in Ihrer Gesinnung eine grundlegende positive Wandlung eingetreten ist". Würde man sich dieser Rechtsmeinung anschließen, dann hätte dies zwangsläufig zur Folge, daß in allen solchen Fällen, in denen seitens des Strafgerichtes von der Rechtswohltat der bedingten Strafnachsicht Gebrauch gemacht wird, eine über die gerichtliche Probezeit hinausgehende Entziehungsdauer verfügt werden müßte. Eine solche Ansicht findet aber im Gesetz keine Deckung. Auch wenn der Beschwerdeführer für die Dauer von drei Jahren unter dem "Druck einer Probezeit" steht und gerade dieser Umstand die entscheidende Motivation für sein Wohlverhalten während dieser Zeit sein mag, so kann er doch, ebenso wie jemand, dem keine bedingte Strafnachsicht zuteil geworden ist, solange er sich in Freiheit befindet (vgl. bezüglich der Dauer der Strafhaft unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Februar 1981, Zl. 02/1752/80), hinreichend unter Beweis stellen, ob er seine "Sinnesart" geändert und daher die Verkehrszuverlässigkeit wieder erlangt hat. Auch unter Berücksichtigung des sonst von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes ist eine Entziehungsdauer von fünf Jahren nicht gerechtfertigt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 hinsichtlich des Ausspruches über die Entziehungsdauer aufzuheben, im übrigen aber die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Soweit nichtveröffentlichte Erkenntnisse zitiert wurden, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 und 50 VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.

Wien, am 6. Juli 1982

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