VwGH 81/17/0047

VwGH81/17/004728.10.1981

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Pokorny, Dr. Wetzel und Dr. Puck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Ratz, über die Beschwerde des Dr. BD, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 21. Jänner 1981, Zl. MDR‑D 15/80/Str., betreffend Übertretung gemäß § 1 Abs. 3 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 des Wiener Parkometergesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art135 Abs4
B-VG Art139 Abs3 Satz2 litc
B-VG Art8
B-VG Art89 Abs1
ParkometerG Wr 1974 §1 Abs3
ParkometerG Wr 1974 §1 Abs4
StVO 1960 §44 idF 1976/412
StVO 1960 §48 Abs4 idF 1976/412
WStV 1968 §132

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1981:1981170047.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.260,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, am 30. April 1980 um 12.30 Uhr in Wien IV, Mühlgasse 22, sein dem Kennzeichen nach bestimmtes mehrspuriges Kraftfahrzeug in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt und dabei die Parkometerabgabe durch einen ordnungsgemäß entwerteten Parkschein nicht entrichtet zu haben; er habe hiedurch die Parkometerabgabe fahrlässig verkürzt und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 1 Abs. 3 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 des Parkometergesetzes, LGBl. für Wien Nr. 47/1974 in der Fassung LGBl. Nr. 30/1977, begangen; gemäß § 4 Abs. 1 leg. cit. werde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 300,--, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzarreststrafe in der Dauer von 12 Stunden, verhängt.

Der Beschwerdeführer bestreite, daß der Bereich des Tatortes durch die Aufstellung der entsprechenden Straßenverkehrszeichen als Kurzparkzone gesetzmäßig beschildert gewesen sei, und bringe vor, daß die Anbringung von mehreren Verkehrszeichen auf einem Ständer nicht dem § 48 StVO 1960 entspreche und es dem Autofahrer während des Vorbeifahrens nicht möglich sei, diese Verkehrszeichen leicht und rechtzeitig wahrzunehmen.

Bei der Einfahrt in die gegenständliche Kurzparkzone seien die Verbotszeichen nach § 52 Z. 13b und d StVO 1960 mit den Zusatztafeln „Anfang“ und mit der Angabe der Zeitdauer, während der die Verbote gelten, angebracht. Überdies befinde sich am Ständer ein Hinweisschild „Abstellen von mehrspurigen Fahrzeugen nur gegen Entgelt“.

Zusatztafeln, die ein anderes Straßenverkehrszeichen erläutern, einschränken oder erweitern, stünden mit diesem im Sinne des § 48 Abs. 4 StVO 1960 inhaltlich im Zusammenhang. Dies sei hier bei den Anfang und die Zeitdauer der Halte- bzw. Parkbeschränkung festlegenden Zusatztafeln der Fall. Das Schild, das auf die Abgabenpflicht für das Abstellen mehrspuriger Fahrzeuge in der Kurzparkzone hinweise, müsse schon deshalb außer Betracht bleiben, weil diese Tafel kein Straßenverkehrszeichen im Sinne der Straßenverkehrsordnung 1960 sei. Da sohin an der Anbringungsvorrichtung nicht mehr als zwei inhaltlich nicht miteinander in Zusammenhang stehende Straßenverkehrszeichen angebracht seien, entspreche die Kundmachung der Kurzparkzone dem § 48 Abs. 4 StVO 1960. Auch zeige der Umstand, daß der Berufungswerber eine Parkscheibe eingestellt habe, daß er auf Grund der Beschilderung durchaus habe erkennen können, sein Kraftfahrzeug in einer Kurzparkzone abgestellt zu haben.

Der Beschwerdeführer habe somit die für das Abstellen des Pkws in der ordnungsgemäß kundgemachten Kurzparkzone vorgesehene Abgabe entgegen § 1 Abs. 3 des Parkometergesetzes nicht entrichtet und darnach die erforderliche Abgabenentrichtung auch nicht in der vorgesehenen Weise erkennbar gemacht. Dadurch habe er die Abgabe zumindest fahrlässig verkürzt, da er den entstandenen Nachteil bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte vermeiden können. So hätte der Beschwerdeführer auf Grund des Hinweisschildes „Abstellen von mehrspurigen Fahrzeugen nur gegen Entgelt“ erkennen müssen, daß er sein Fahrzeug in einer Kurzparkzone abgestellt habe, in der eine Abgabenpflicht bestanden habe. Überdies sei es nicht überzeugend, daß dem Beschwerdeführer als einem in Tirol tätigen Rechtsanwalt das in Wien schon seit mehr als vier Jahren in Geltung stehende Parkometergesetz, über dessen Einführung in breiter Öffentlichkeit diskutiert worden sei, unbekannt geblieben sei.

1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer das Fehlen eines Ermittlungsverfahrens zur Feststellung der Höhe der angebrachten Tafeln im Sinne des § 48 Abs. 5 StVO 1960.

Als Rechtswidrigkeit des Inhaltes wird geltend gemacht, daß die Anbringung von Verkehrszeichen mit Zusatztafeln in einem Umfang, wie er hier bereits aktenkundig sei, eindeutig der Zielsetzung des § 48 Abs. 1 StVO 1960 widerstreite. Eine Leseprobe der Verkehrszeichen ergebe eine verstandesmäßige Mindestlesezeit von 17 Sekunden. Die Art und Aufstellung der Tafeln im Kreuzungsbereich stelle eine unzumutbare Belastung von Lenkern herannahender Kraftfahrzeuge dar. Eine leichte und rechtzeitige Lesbarkeit sei nicht gegeben. Insbesondere sei die oberste Zusatztafel „Abstellen mehrspuriger Fahrzeuge nur gegen Entgelt“ am schwierigsten lesbar, da das Hauptaugenmerk auf die Verkehrszeichen nach § 52 Z. 13b bzw. d und zusätzlich die gesamte Aufmerksamkeit auf die gestaffelten Parkzeiten gerichtet sein müsse. Dem Gesetz sei ferner nicht zu entnehmen, daß zum Verkehrszeichen nach § 52 Z. 13d StVO 1960 eine Zusatztafel zulässig sei. Die Anbringung der Verkehrszeichen samt Zusatztafeln widerspreche somit dem Gesetz.

Dem Beschwerdeführer müsse darüber hinaus wohl zugebilligt werden, daß es sich bei einem Verstoß gegen das Parkometergesetz um unverschuldete Rechtsunkenntnis handle. Auf die Frage der Zumutbarkeit sei der angefochtene Bescheid nicht näher eingegangen. Es wäre in Betracht zu ziehen gewesen, daß der Beschwerdeführer in Tirol wohnhaft sei und es sich beim Parkometergesetz um eine österreichische Spezialität der Bundeshauptstadt handle sowie daß die Abwicklung des gebührenpflichtigen Parkens auch aus der Zusatztafel nicht deutlich werde.

1.3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Gemäß § 1 Abs. 1 des Parkometergesetzes kann der Gemeinderat für das Abstellen von mehrspurigen Fahrzeugen in Kurzparkzonen die Entrichtung einer Abgabe vorschreiben. Von dieser Ermächtigung hat der Wiener Gemeinderat mit Beschluß vom 28. Februar 1975, Pr.Z. 491, Gebrauch gemacht. Gemäß § 1 Abs. 3 leg. cit. hat jeder Lenker eines mehrspurigen Fahrzeuges, der ein solches Fahrzeug in einem Gebiet abstellt, für das eine Anordnung nach Abs. 1 getroffen wurde, die Parkometerabgabe bei Beginn des Abstellens des Fahrzeuges zu entrichten. Nach § 1 Abs. 4 des Parkometergesetzes hat der Magistrat das Gebiet, für das die Anordnung des Gemeinderates gilt, durch Hinweisschilder mit der Aufschrift „Abstellen von mehrspurigen Fahrzeugen nur gegen Entgelt“ zu kennzeichnen. § 1 Abs. 6 leg. cit. sieht vor, daß die Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 209/1969 sowie die darauf gestützten Verordnungen und Anordnungen durch dieses Gesetz nicht berührt werden. Auf Grund des § 4 Abs. 1 des Parkometergesetzes sind Handlungen und Unterlassungen, durch die die (Parkometer)Abgabe hinterzogen oder fahrlässig verkürzt wird, als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis zu S 3.000,-- zu bestrafen.

2.2. Gemäß § 3 Abs. 1 der Wiener Abgabenordnung ‑ WAO, LGBl. Nr. 21/1962, entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschrift die Abgabenpflicht knüpft. Von einer Handlung oder Unterlassung, durch die die Abgabe fahrlässig verkürzt wird (§ 4 Abs. 1 des Parkometergesetzes), kann - abgesehen vom Merkmal der subjektiven Vorwerfbarkeit des Verhaltens des Täters - jedenfalls nur dann gesprochen werden, wenn die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen, an die das Gesetz die Abgabenpflicht knüpft, erfüllt sind. Eine dieser Tatbestandsvoraussetzungen ist dann erfüllt, wenn das Abstellen des Kraftfahrzeuges in einem Gebiet erfolgt, das gehörig als Kurzparkzone gekennzeichnet ist. In Ausführung des § 1 Abs. 1 des Parkometergesetzes hat nämlich der Wiener Gemeinderat durch den bereits zitierten Beschluß vom 28. Februar 1975, mit dem für das Abstellen von mehrspurigen Fahrzeugen in Kurzparkzonen die Entrichtung einer Abgabe vorgeschrieben wird, die Abgabenpflicht an das Abstellen „in Kurzparkzonen (§ 25 der Straßenverkehrsordnung 1960 in der Fassung des Bundesgesetzes Nr. 209/1969)“ geknüpft.

Im vorliegenden Fall ist daher entscheidungswesentlich, ob der Bereich des Tatortes zur Tatzeit durch die Aufstellung der entsprechenden Straßenverkehrszeichen als Kurzparkzone in gesetzmäßiger Weise gekennzeichnet war.

2.3. Aus dem vom Verwaltungsgerichtshof beigeschafften Verwaltungsakt der Magistratsabteilung 46, V4-52/76, betreffend „4., Aktion Schilderwald“ ist ersichtlich, daß mit Verordnung des Magistrates der Stadt Wien vom 14. Juni 1978 „in Wien 4., in der Mühlgasse vor ONr. 18 - 22 die höchste zul Parkdauer für Fahrzeuge aller Art Mo - Fr (werkt) von 8 - 18 Uhr u. Sa (werkt) von 8 - 12 Uhr auf 1 1/2 Stunden beschränkt“ wird; das Verkehrszeichen wurde dem Aktenvermerk gemäß § 44 Abs. 1 StVO 1960 zufolge am 4. September 1978 aufgestellt, wodurch die Verordnung in Kraft getreten ist. Im Verwaltungsstrafakt zu dieser Beschwerdesache befindet sich ein Bericht der Magistratsabteilung 46 vom 13. August 1980, wonach am Tatort eine gebührenpflichtige Parkbeschränkung gemäß § 25 StVO 1960 mit der bereits zitierten zeitlichen Gültigkeit verordnet worden sei; die Kundmachung der Verkehrsbeschränkung sei am 6. September 1978 um 13.00 Uhr durch Aufstellung der diesbezüglichen Verkehrszeichen erfolgt. Diesem Bericht ist eine Handskizze beigeschlossen, die auf einer Standsäule links das Vorschriftszeichen nach § 52 lit. a Z. 13d („Kurzparkzone“) und darunter eine Zusatztafel „Mo - Fr (w) 8 - 18h, Sa (w) 8 - 12h“ sowie rechts das Vorschriftszeichen nach § 52 lit. a Z. 13b („Halten und Parken verboten“) und darunter eine Zusatztafel „Mo - Do (w) 8 - 10 und 14 - 16 Uhr ausgenommen Ladetätigkeit mit Lastfahrzeugen“ und eine weitere Zusatztafel „Anfang“ sowie schließlich auf der Spitze der Anbringungsvorrichtung eine Tafel mit dem Hinweis „Abstellen mehrspuriger Fahrzeuge nur gegen Entgelt“ darstellt.

2.4. Gemäß § 44 Abs. 1 StVO 1960 sind die im § 43 bezeichneten Verordnungen ...... durch Straßenverkehrszeichen kundzumachen und treten mit der Anbringung dieser Zeichen in Kraft. Der Zeitpunkt der erfolgten Anbringung ist in einem Aktenvermerk (§ 16 AVG 1950) festzuhalten. (Zu den genannten Verordnungen zählen die hier in Rede stehenden Verkehrsbeschränkungen.) Nach § 48 Abs. 4 StVO 1960 in der Fassung der 6. Novelle BGBl. Nr. 412/1976 dürfen auf einer Anbringungsvorrichtung für Straßenverkehrszeichen (wie Standsäulen, Rahmen, Träger u.dgl.) nicht mehr als zwei Straßenverkehrszeichen angebracht werden, sofern es sich nicht um die Kundmachung einer Verordnung nach § 44 Abs. 4, um die Hinweiszeichen „Wegweiser“ oder um Straßenverkehrszeichen handelt, deren Inhalt miteinander in Zusammenhang steht.

Es kann nun keinem Zweifel unterliegen, daß die Kundmachungsnorm des § 48 Abs. 4 StVO 1960 in der Fassung BGBl. Nr. 412/1976 sich nicht darauf beschränkt, nur die Anbringung von mehr als zwei Straßenverkehrszeichen auf einer Anbringungsvorrichtung zu untersagen, sondern daß diese Bestimmung es darüber hinaus ausschließt, andere Hinweisschilder auf einer solchen für Straßenverkehrszeichen bestimmten Anbringungsvorrichtung außerhalb der erschöpfend umschriebenen Kombinationsmöglichkeiten von Straßenverkehrszeichen anzubringen. Wortlaut und Zweck der Norm, die jederzeitige Erkennbarkeit des „Gesollten“ auch im immer dichter werdenden fließenden Verkehr zu gewährleisten, gebieten in gleicher Weise dieses Auslegungergebnis (vgl. zum vorrangigen Gesichtspunkt der Wahrnehmbarkeit der Straßenverkehrszeichen, dem sogar eine allenfalls wünschenswerte auffällige Kennzeichnung der Standsäule selbst untergeordnet wurde, die EB zur RV betreffend die 6. Straßenverkehrsordnungs-Novelle, 23 BlgNR XIII GP , 29; den Zweck des § 48 Abs. 4 StVO, die leichte Lesbarkeit und Erkennbarkeit des Zeichens zu gewährleisten, betont auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 18. Juni 1966, Slg. Nr. 5289). Das bedeutet, daß es der Straßenpolizeibehörde verwehrt ist, mehr Straßenverkehrszeichen als im § 48 Abs. 4 StVO 1960 umschrieben oder andere Hinweisschilder als Straßenverkehrszeichen zusammen mit solchen auf einer Anbringungsvorrichtung für Straßenverkehrszeichen anzubringen. Werden von ihr solche ausgeschlossenen Zeichen angebracht, so belastet dieser Umstand die kundgemachten Verordnungen mit einem Kundmachungsmangel.

2.4.1. Im vorliegenden Fall hegt der Verwaltungsgerichtshof auf dem Boden der bisherigen Rechtsprechung keine Bedenken dahin gehend, daß die zwei Vorschriftszeichen nach § 52 lit. a Z. 13b und d StVO 1960 (Verbots- oder Beschränkungszeichen) samt den mit ihnen in Zusammenhang stehenden Zusatztafeln (im einen Fall mit einer, im anderen mit zwei Zusatztafeln) - isoliert betrachtet, also wenn man zunächst von der Tafel mit dem Hinweis auf die Gebührenpflichtigkeit des Abstellens absieht - nicht in einer mit der Kundmachungsvorschrift des § 48 Abs. 4 StVO 1960 vereinbaren Weise angebracht wären (vgl. zur Frage der Einheit von Verbots- bzw. Beschränkungstafeln und Zusatztafeln das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 18. Juni 1966, Slg. Nr. 5289 = ZVR 1967/141, und die hg. Erkenntnisse vom 28. März 1977, Slg. N. F. Nr. 9283/A = ZfVB 1977/4/1484 und 1514, und vom 11. September 1979, Zl. 1374/79 = ZfVB 1980/3/932).

2.4.2. Der Verwaltungsgerichtshof ist in seiner bisherigen Rechtsprechung weiters davon ausgegangen, daß die - von der Straßenpolizeibehörde intendierte und angeordnete - Anbringung eines weiteren (dritten) Straßenverkehrszeichens, das mit den anderen keinen inhaltlichen Zusammenhang aufweist, die Verordnungen mit einem Kundmachungsmangel belastet, der zufolge Art. 135 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 89 Abs. 1 B‑VG die Unbeachtlichkeit der Verordnung für den Verwaltungsgerichtshof zur Folge hat. Der Verwaltungsgerichtshof verweist diesbezüglich auf das eben zitierte hg. Erkenntnis vom 28. März 1977, Slg. N. F. Nr. 9283/A = JBl. 1977, 660 (mit zustimmender Entscheidungsanmerkung Morschers), wobei sich der Verwaltungsgerichtshof auch unter Bedachtnahme auf das weitere, im genannten Erkenntnis noch nicht berücksichtigte Schrifttum zu dieser Frage - insbesondere Kail, ÖJZ 1977, 309, Ringhofer, Die österreichische Bundesverfassung, Kommentar 278, Pichler, Wer hat die Kundmachung von Verordnungen zu prüfen?, JBl. 1978, 561, derselbe, Vortragsbericht ÖJZ 1979, 71, sowie Haller; Die Prüfung von Gesetzen - im vorliegenden Zusammenhang nicht veranlaßt sieht, von seiner im zitierten Erkenntnis ausgesprochenen Rechtsansicht abzugehen.

2.4.3. Die Besonderheit des Falles liegt nun aber darin, daß nicht ein weiteres Straßenverkehrszeichen, sondern ein anderes Hinweisschild mit Straßenverkehrszeichen auf ein und derselben Standsäule kombiniert wurde. Mit dem Verfassungsgerichtshof ist nämlich davon auszugehen, daß die durch § 1 Abs. 4 des Parkometergesetzes vorgeschriebenen „Hinweisschilder“ mit der Aufschrift „Abstellen von mehrspurigen Fahrzeugen nur gegen Entgelt“ in den §§ 50, 52 und 53 StVO 1960 nicht enthalten sind und daß es sich bei ihnen daher nicht um Straßenverkehrszeichen im Sinne des § 48 StVO 1960 handelt (Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 1977, Slg. Nr. 8075). Aus dieser Einsicht hat der Verfassungsgerichtshof die Schlußfolgerung gezogen, daß die Vorschriften des § 48 StVO 1960 für die Hinweisschilder nach § 1 Abs. 4 des Parkometergesetzes nicht gelten, und hat damit den Vorwurf des damaligen Beschwerdeführers widerlegt, diese Hinweisschilder seien unzulässigerweise höher als 2,20 m über dem Boden angebracht worden. Nicht behandelt wurde hingegen die Auswirkung der Anbringung eines solchen Hinweisschildes auf die Gesetzmäßigkeit der Kundmachung der Straßenverkehrsverordnungen selbst, im besonderen der Kurzparkzonenverordnung.

Der Verwaltungsgerichtshof ist nun in dieser letzteren Frage auf Grund seiner unter Punkt 2.4. dargelegten Auslegung des § 48 Abs. 4 StVO 1960 - dahingehend, daß nicht nur die Anbringung zu vieler Straßenverkehrszeichen, sondern auch jede Kombination von Straßenverkehrszeichen mit Hinweisschildern anderer Art auf einer Anbringungsvorrichtung unzulässig ist - der Auffassung, daß die Anbringung des in der Straßenverkehrsordnung nicht vorgesehenen Hinweisschildes nach § 1 Abs. 4 des Parkometergesetzes auf der Standsäule - wäre dieses von der Straßenverkehrsbehörde angebracht worden - die betreffenden Straßenverkehrsverordnungen mit einem Kundmachungsmangel belasten würde.

Die bisherigen Überlegungen dienten der Bestimmung des vom Gesetz geforderten Maßstabes für die Erkennbarkeit des als Verordnung durch Straßenverkehrszeichen Kundgemachten. Die Folge einer von der Behörde angeordneten und ihr zurechenbaren „Überfrachtung“ einer Standsäule mit Schildern ist - wie gezeigt - die Unbeachtlichkeit der Verordnungen für den einzelnen Verkehrsteilnehmer ebenso wie für den Verwaltungsgerichtshof.

2.5.1. Eine solche der Straßenpolizeibehörde zurechenbare Anbringung der Hinweistafel über die Entgeltlichkeit des Abstellens von Fahrzeugen liegt indessen im Beschwerdefall nicht vor; die Verwaltungsakten bieten dafür keinen Anhaltspunkt. Die auf der Standsäule für Straßenverkehrszeichen erfolgte Anbringung der Hinweistafeln nach § 1 Abs. 4 des Parkometergesetzes durch Organe der abgabenberechtigten Gebietskörperschaft ist nämlich ebensowenig der Straßenpolizeibehörde zuzurechnen wie etwa die Anbringung einer Haltestellentafel durch eine Gebietskörperschaft als Trägerin von Privatrechten oder eines Hinweisschildes auf ein nahegelegenes Gasthaus durch einen privaten Unternehmer an dieser Stelle. Es ist daher zu fragen, welche Rechtswirkungen es für die Geltung einer Norm hat, wenn ein Unbefugter oder auch ein Elementarereignis die Zeichen, durch die die Kundmachung erfolgt, verändert oder vernichtet.

2.5.2. § 44 Abs. 1 StVO 1960 ordnet an, daß die im § 43 leg. cit. bezeichneten Verordnungen durch Straßenverkehrszeichen kundzumachen sind, daß sie mit der Anbringung dieser Zeichen in Kraft treten und daß der Zeitpunkt der erfolgten Anbringung in einem Aktenvermerk festzuhalten ist. Der Verfassungsgerichtshof hat aus diesem Regelungszusammenhang geschlossen, daß das Fehlen des genannten Aktenvermerkes auf die Normqualität und die Gesetzmäßigkeit der Verordnung keinen Einfluß habe, „denn die Kundmachung ist ‑ so auch der Wortlaut des § 44 Abs. 1 StVO 1960 - durch die Anbringung des Straßenverkehrszeichens begrifflich abgeschlossen. Die Verordnung tritt mit der Anbringung des Zeichens in Kraft“ (Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Dezember 1975, Slg. Nr. 7724, unter Berufung auf das Erkenntnis VfSlg. 4641/1964). Der Verwaltungsgerichtshof vermag diese Rechtsauffassung insofern zu teilen, als unter der Wendung „die Kundmachung ist begrifflich durch die Anbringung ... abgeschlossen“ zu verstehen sein sollte, daß zum einen kein weiterer Verwaltungs(teil)-akt, etwa der Aktenvermerk, für das Zustandekommen der Verordnung konstitutiv sein kann und daß zum anderen die Geltung der Norm (als deren spezifische rechtliche Existenz, „In-Krafttreten“) von diesem Zeitpunkt an wegen des damit gegebenen Kundmachungsminimums beginnen soll (was unter anderem bedeuten würde, daß die Geltung der Verordnung durch eine nicht gewollte Veränderung des Kundmachungszeichens nicht berührt würde, das heißt, daß z. B. ein Umfallen der Tafel nicht als contrarius actus zu deuten und das Wiederaufstellen keines neuerlichen behördlichen Willensaktes bedürfte).

2.5.3. Was jedoch die gehörige Kundmachung (nicht bloß das Publizitätsminimum) anlangt - deren Mangel angesichts der gespaltenen Verordnungsprüfungskompetenz die Unverbindlichkeit der Verordnung für die Gerichte und den Verwaltungsgerichtshof im Einzelfall (Art. 89 Abs. 1, Art. 135 Abs. 4 B‑VG) und die Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof mit Wirkung über den Einzelfall hinaus (arg. Art. 139 Abs. 3 zweiter Satz lit. c B‑VG) nach sich ziehen muß -, ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes bei der Kundmachung von Verordnungen, wie sie in der Straßenverkehrsordnung durch Straßenverkehrszeichen vorgesehen ist, dem Gesetz der Sinn zu unterstellen, daß der Gehorsamsanspruch der kundgemachten Normen durch den aufrecht erkennbaren Bestand des Zeichens, das Träger der Kundmachung ist, bedingt ist. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß sich aus § 44 in Verbindung mit § 48 Abs. 4 StVO 1960 ergibt, daß es Sache der Straßenverkehrsbehörde ist, zur Vermeidung von Mängeln der Kundmachung von Verordnungen durch Straßenverkehrszeichen dafür zu sorgen, daß neben Straßenverkehrszeichen keine mit § 48 Abs. 4 StVO 1960 in Widerspruch stehenden Straßenverkehrszeichenkombinationen und keine von dieser Kundmachungsregelung überhaupt ausgeschlossenen, anderen Hinweistafeln angebracht werden. Der Verwaltungsgerichtshof vermag damit die im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 1975, Slg. Nr. 7714, zum Ausdruck gebrachte gegenteilige Rechtsauffassung nicht zu teilen: In dem diesem Erkenntnis zugrundeliegenden Fall war unbestritten, daß bezüglich der dort behandelten Kurzparkzone die Straßenverkehrszeichen im Zeitpunkt der dem damaligen Beschwerdeführer zur Last gelegten Tat nicht entsprechend der Vorschrift des § 48 Abs. 4 StVO 1960 aufgestellt waren; der Verfassungsgerichtshof nahm nun zum einen - mangels entgegenstehender Anhaltspunkte - eine ursprünglich gesetzmäßige Anbringung der Verkehrszeichen an, zum anderen sprach er aus, auch der Umstand, daß zu einem späteren Zeitpunkt ohne Wissen der Straßenpolizeibehörde von Personen, die dort Kabellegungsarbeiten verrichteten, unbefugt Veränderungen an den aufgestellten Verkehrszeichen in bezug auf deren Höhe vorgenommen wurde, ändere daran nichts; der Verfassungsgerichtshof sehe sich nicht veranlaßt, ein Verordnungsprüfungsverfahren von Amts wegen einzuleiten. (Vgl. dazu wohl auch die Entscheidung des OLG Wien vom 17. September 1975, 13 Bs 363/75 = ZVR 1976, Nr. 100, S. 114, wonach durch die ohne Zutun der Behörde erfolgte Beseitigung eines Verkehrszeichens, z. B. durch Unfall oder durch andere Gewalteinwirkung, die hiezu gemäß § 43 StVO 1960 erlassene Verordnung nicht außer Kraft trete. Ob der Fall anders beurteilt werden könnte, wenn die Kundmachungsform lediglich eine technische Änderung erfährt, der Standard der Erkennbarkeit jedoch nicht verschlechtert wird, kann hier dahingestellt bleiben, wobei hiezu jedoch auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 4. März 1978, Slg. Nr. 8261 = ZfVB 1978/4/1706, hingewiesen wird.)

Es sind vielmehr jene Überlegungen auch auf die Kundmachung von Geboten und Verboten durch Straßenverkehrszeichen zu übertragen, die der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung schon für die Kundmachung von Verhaltensanordnungen durch Bodenmarkierungen im Falle von Sperrlinien für maßgebend erachtet hat: In einem solchen Fall nahm der Verwaltungsgerichtshof an, daß sich der Beschwerdeführer nicht an die ihm bekannte, jedoch durch Schneelage nicht mehr sichtbare Fahrbahneinteilung, die ihm das Fahren auf einer zweiten Fahrspur (bei bloß einer Gegenfahrspur) links von der Mitte der Fahrbahn zum Zwecke des Einordnens zum Linksabbiegen gestattet hätte, halten durfte, sondern diese Norm für ihn zur Tatzeit unverbindlich war und daher die allgemeine Regel über die Berücksichtigung der Fahrbahnmitte zu beachten gewesen wäre; daraus folge, daß der damalige Beschwerdeführer angesichts des entgegenkommenden Fahrzeuges sein Fahrzeug nicht über die Fahrbahnmitte hinaus lenken hätte dürfen, auch wenn dies nach den nicht sichtbaren Bodenmarkierungen geboten gewesen wäre (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Oktober 1976, Slg. N. F. Nr. 9163/A = ZfVB 1977/2/523). Im Hinblick auf die Unmöglichkeit, den der Behörde zuzurechnenden contrarius actus von einem aus anderen Gründen erfolgten Unkenntlichwerden des Verkehrszeichens unterscheiden zu können, bewirkt das durch Umstände, die außerhalb der Sphäre des Normunterworfenen liegen, verursachte Unkenntlichwerden eines Straßenverkehrszeichens dessen Unverbindlichkeit; seine Wirksamkeit wird insofern - vorübergehend - zurückgedrängt (vgl. in diesem Sinn auch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 30. Jänner 1973, 8 Ob 11/73 = ZVR 87/74, in der dieser ausgesprochen hat, daß eine zwar ordnungsgemäß erlassene und durch Anbringung des Verkehrszeichens gehörig kundgemachte Anordnung dann unwirksam ist, wenn das Verkehrszeichen umgestürzt so auf dem Boden liegt, daß es für Verkehrsteilnehmer nicht wahrnehmbar ist).

2.6. Auf den vorliegenden Fall übertragen bedeutet dies, daß die Anbringung des Hinweisschildes nach § 1 Abs. 4 des Parkometergesetzes auf der gegenständlichen Standsäule bewirkt hat, daß das Verbots- bzw. Beschränkungszeichen Kurzparkzone - nach dem im § 48 Abs. 4 StVO 1960 positivierten Standard der Erkennbarkeit des durch Straßenverkehrszeichen Angeordneten - objektiv nicht (mehr ausreichend) wahrnehmbar war, und die Kurzparkzonenverordnung vom 14. Juni 1978 daher mit dem Mangel ihrer gehörigen Kundmachung belastete. Dieser Mangel ist vom Verwaltungsgerichtshof im Beschwerdefall wahrzunehmen.

Bei diesem Ergebnis war es entbehrlich, auf die Frage der subjektiven Tatseite - der Beschwerdeführer behauptet das Vorliegen eines Schuldausschließungsgrundes im Sinne des § 5 Abs. 2 VStG 1950 - einzugehen.

Da somit zur Tatzeit am Tatort eine für den Beschwerdeführer rechtswirksam kundgemachte Kurzparkzone nicht bestand, erfolgte die Bestrafung des Beschwerdeführers wegen fahrlässiger Abgabenverkürzung nach § 4 Abs. 1 des Parkometergesetzes zu Unrecht.

Der angefochtene Bescheid war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

2.7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 lit. a und b sowie 59 Abs. 1 VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I Z. 1 sowie Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981. Ein Ersatz der erst nachträglich verzeichneten Stempelgebühren war nicht zuzusprechen.

2.8. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 28. Oktober 1981

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