European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGVO:2021:LVwG.302.21.2020.R6
Im Namen der Republik!
Erkenntnis
Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Mag. Birgit König über die Säumnisbeschwerde vom 11.03.2020 von 1.) DI S A, M, und 2.) MMag. Dr. M A, H, beide vertreten durch die Blum, Hagen & Partner Rechtsanwälte GmbH, Feldkirch, betreffend einen Antrag auf Erteilung einer Ferienwohnungsbewilligung nach dem Raumplanungsgesetz,zu Recht erkannt:
Gemäß § 28 Abs 1 und 2 iVm § 8Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG)wird der Säumnisbeschwerdekeine Folge gegeben und der Antrag für die im gemeinsamen Eigentum von DI S A, M, und MMag. Dr. M A, H, stehende Eigentumswohnung W1 im Haus S XX, in EZ XXX, KG L, auf Erteilung einer Ferienwohnungsbewilligung gemäß § 16 Abs 4 lit b Raumplanungsgesetzabgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.
Begründung
1. Zum bisherigen Verfahrensgang:
Mit Eingabe vom 30.04.2019 beantragten die Beschwerdeführer bei der Gemeinde L (Gemeindevertretung) für die in ihrem gemeinsamen Eigentum stehende Eigentumswohnung W1 im Haus S XX, in EZ XXX, KG L, eine Ferienwohnungsbewilligung gemäß § 16 Abs 4 lit b Raumplanungsgesetz (RPG).
Mit Eingabe vom 11.03.2020, eingelangt bei der Behörde am 16.03.2020,brachten die Beschwerdeführer eine Säumnisbeschwerde ein und ergänzten ihren Antrag vom 30.04.2019.
Mit Bescheid der Gemeindevertretung der Gemeinde L vom 09.06.2020 wurde dieser Antrag gemäß § 16 Abs 4 lit b RPG als unbegründet abgewiesen. Dieser Bescheid wurde den Beschwerdeführern am 19.06.2020 durch persönliche Übernahme zugestellt.
Gegen diesen Bescheid haben die Beschwerdeführer rechtzeitig Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht erhoben.
Das Landesverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 16.12.2020, Zl LVwG-302-17/2020-R6, der Beschwerde Folge gegeben und den angefochtenen Bescheid ersatzlos behoben. Begründet wurde dies damit, dass im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 BVG die Behörde gemäß § 16 Abs 1 VwGVG innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten den Bescheid erlassen kann. Wenn der Bescheid in dieser Frist nicht nachgeholt wird, hat die Behörde gemäß § 16 Abs 2 dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen. Im vorliegenden Fall hat die Behörde nicht fristgerecht einen Bescheid erlassen. Nach Ablauf dieser gesetzlich vorgesehenen Frist hat eine unzuständige Behörde entschieden, weshalb der angefochtene Bescheid aufzuheben war.
2. Gemäß § 8 Abs 1 VwGVG kann eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art 130 Abs 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.
Gemäß § 73 Abs 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen, den Bescheid zu erlassen.
Da die Behörde (Gemeindevertretung der Gemeinde L) sohin nicht innerhalb von sechs Monaten ab Einlangen des Antrages vom 30.04.2019 einen Bescheid erlassen hat und auch keinen nachvollziehbaren Grund dafür nennen konnte, war die Erhebung einer Säumnisbeschwerde berechtigt und zulässig. Mit Vorlage der Säumnisbeschwerde an das Verwaltungsgericht erlischt die Zuständigkeit der Behörde. Die Zuständigkeit zur Sachentscheidung geht bei einer berechtigten Säumnisbeschwerde auf das Verwaltungsgericht über (VwGH 10.11.2015, Ro 2015/19/0075). Somit hat nunmehr das Verwaltungsgericht über die Säumnisbeschwerde vom 11.03.2020 zu entscheiden.
3. Mit Eingabe vom 21.12.2020 haben die Beschwerdeführer dem Landesverwaltungsgericht die Säumnisbeschwerde vom 11.03.2020 vorgelegt und darauf hingewiesen, dass die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Säumnisbeschwerde vom 11.03.2020 auf das Landesverwaltungsgericht übergegangen sei. Es wurde beantragt, das Landesverwaltungsgericht möge seine Zuständigkeit aufgreifen und möglichst ohne weiteren Aufschub in der Sache entscheiden.
Mit Schreiben des Bürgermeisters der Gemeinde L vom 29.12.2020 wurde zum Antrag auf Ferienwohnungsbewilligung der Wohnung W1 im Haus „A“, S XX, die Säumnisbeschwerde vom 11.03.2020 vorgelegt und der vollständige Akt im Original übermittelt.
In der Säumnisbeschwerde vom 11.03.2020 haben die Beschwerdeführer im Wesentlichen ausgeführt, dass über den Antrag vom 30.04.2019 bis dato - also nach mehr als sechs Monaten - von der zuständigen Behörde keine Entscheidung getroffen worden sei und mit einer solchen Entscheidung auch in absehbarer Zeit nicht zu rechnen sei. Somit werde gemäß § 8 VwGVG das Rechtsmittel derSäumnisbeschwerde mit dem Begehren eingebracht, den Antrag gemäß § 16 Abs 4 lit b RPG dem Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorzulegen.
Nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage des RPG 2015 und der Literatur sei bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Bewilligung gegeben. Die Entscheidung über den gestellten Antrag liege damit nicht im Ermessen der Gemeinde, sondern hätten die Antragsteller einen Anspruch auf bescheidmäßige und fristgerechte Erledigung. Zur Verdeutlichung des Interesses an der Nutzung der Wohnung als Ferienwohnung im Hinblick auf besondere persönliche, insbesondere familiäre Verhältnisse, werde Folgendes vorgebracht:
Die besondere persönliche Beziehung zu L resultiere für die Beschwerdeführer nicht nur aus der Anschaffung der gegenständlichen Wohnung durch ihren Vater im Dezember 2008 und der anschließenden Nutzung, sondern habe viel ältere Wurzeln. Bereits im Jahr 1971 sei von ihrem Großvater mütterlicherseits, Dr. E W, eine Ferienwohnung im Haus „A“ in L, S YY, erworben worden. Erzählungen der Eltern zufolge habe M A bereits als Säugling die meisten Wochenenden, jedenfalls im Winter, in L verbracht und sei bereits mit drei Jahren das erste Mal auf Skiern gestanden. Auch in den folgenden Jahren während des Besuchs der Volksschule und der Unterstufe des Gymnasiums habe er, besonders im Winter, beinahe jedes Wochenende sowie die Weihnachts- und Energieferien in L verbracht. Auch in den Sommerferien seien sie durchschnittlich drei bis vier Wochen in L gewesen. Es sei also nicht übertrieben zu behaupten, dass M A einen Großteil seiner Kindheit und frühen Jugend in L verbracht habe.
Für S A sei die Situation recht ähnlich. Neben den regelmäßigen Aufenthalten im Winter habe er als Kind vor allem viel Zeit mit seinen Cousins (J W, M W und F P) und deren Eltern im Sommer in L verbracht. Fischen am S oder in der L, Mountainbiken und Grillen am L seien unvergessliche Kindheitserinnerungen.
Nach dem Tod der Großeltern sei die Wohnung im Zuge der Erbfolge im Jahr 1984 dann an seinen Onkel Dr. R W sowie an seinen Onkel und Firmpaten DI E W übertragen worden. Zwar hätten sie insbesondere zu demFirmpaten stets ein sehr gutes Verhältnis gehabt, doch sei es naturgemäß für die Familie nicht mehr möglich gewesen, beinahe jedes Wochenende mit der Familie zu verbringen, da auch die Onkel zur damaligen Zeit schon eine eigene Familie gehabt hätten, die ebenfalls sehr viel Zeit in der Wohnung verbracht hätten und dies im Übrigen noch immer tun würden. Insbesondere während der Weihnachts- und Energieferien sei es den Beschwerdeführern in vielen Jahren aber möglich gewesen, die Wohnung weiterhin zu nutzen; fallweise seien von ihren Eltern auch andere Ferienwohnungen angemietet worden.
In all den Jahren seien die Eltern auf der Suche nach einer eigenen Ferienwohnung in L gewesen. Im Jahr 2002 hätten sie schließlich im Haus „V“, S ZZ, von Frau E R eine Ferienwohnung ganzjährig mieten können. Es sei vereinbart worden, dass die Eltern diese Ferienwohnung später kaufen könnten, wobei als Zeitpunkt für den Erwerb der Pensionsantritt von Frau R vereinbart worden sei. Leider sei diese Zusage von Frau R im April 2008 widerrufen worden. In den Jahren 2002 bis 2008 sei diese Wohnung von den Eltern der Beschwerdeführer und ihnen intensiv genutzt worden. Auch der Onkel der Beschwerdeführer, DI B P aus O bei S, habe die Nachbarwohnung im Haus„V“ im gleichen Zeitraum mieten können und sei diese Wohnung von ihm und seiner Familie (Ehefrau und zwei Söhne und eine Tochter) ebenfalls intensiv genutzt worden. Die Kontakte zu Onkel und Tante sowie zu den Cousins hätten aus räumlichen Gründen nahezu ausschließlich in L stattgefunden.
Im Dezember 2008 habe dann der Vater der Beschwerdeführer die Wohnung Top 1 im Haus A von Frau C P erworben. Zum Bescheid vom 17.03.2008, mit dem Frau P die Nutzung dieser Wohnung als Ferienwohnung befristet für die Dauer von fünf Jahren bewilligt worden sei, sei noch Folgendes anzumerken:Gemäß § 16 Abs 4 zweiter Satz RPGidF vor der RPG-Novelle 2015 habe die Bewilligung zur Nutzung einer Wohnung als Ferienwohnung erforderlichenfalls unter Bedingungen und Auflagen erteilt werden können. Die Erteilung einer befristeten Bewilligung sei damit nach dem Wortlaut jedenfalls nicht zulässig gewesen. Erst mit der Novelle des RPG 2015 sei in § 16 Abs 5 RPG explizit vorgesehen worden, dass die Bewilligung erforderlichenfalls auch befristet erteilt werden könne, wobei laut den Erläuternden Bemerkungen zu § 16 Abs 5 RPG eine Befristung nur ausnahmsweise in Betracht komme (allenfalls eine Bewilligung gemäß § 16 Abs 4 lit d im Zusammenhang mit Bewirtschaftungs- bzw Erhaltungsverpflichtungen). Die Befristung der Bewilligung auf fünf Jahre im Bescheid vom 17.03.2008 sei somit nach der damals gültigen Rechtslage jedenfalls rechtswidrig gewesen und wäre dies nach der aktuellen Rechtslage wohl auch. Die Gemeinde L sei sich offensichtlich selbst darüber nicht im Klaren gewesen, da auch nach Ablauf der Befristung noch Zweitwohnsitzabgaben für die Jahre 2013 und 2014 festgesetzt und für 2015 und 2016 Zweitwohnsitzabgabeerklärungen eingefordert worden seien.
Jedenfalls sei die Wohnung im Haus A in den Jahren 2008 bis April 2019 von den Beschwerdeführern und deren Familien sowohl im Winter als auch im Sommer sehr intensiv genutzt worden.
Neben dem Umstand, dass die Beschwerdeführer schon seit frühester Kindheit sehr viel Zeit und beinahe sämtliche Winter und einen Großteil der Sommerferien in L verbracht hätten und schon aus diesem Grund ein besonderes Interesse an der Nutzung der Wohnung als Ferienwohnung hätten, komme noch dazu, dass drei ihrer Onkel eine Ferienwohnung in L besitzen würden und dort sehr viel Zeit verbringen würden. Der Onkel bzw die Tante, DI B und A P, hätten im Jahr 2009 eine Ferienwohnung im Haus S, S WW, erwerben können. Der Onkel und Firmpate DI E W sowie der Onkel DI R W bzw mittlerweile dessen Sohn J W seien jeweils Hälfteeigentümer der Wohnung im Haus A. Sämtliche Kontakte mit ihnen und ihrer Familie (insgesamt vier Cousins und zwei Cousinen) hätten aus räumlichen Gründen durchwegs in L stattgefunden. Die Wohnung im Haus A sei zu einem nicht mehr wegzudenkenden Fixpunkt des familiären Zusammenlebens geworden, dessen Wegfall nach den vielen Jahren nicht zu verkraften wäre. Auch aus diesem Grund hätten sie ein besonderes Interesse an der Nutzung der Wohnung als Ferienwohnung.
Auch für die nächste Generation sei L bereits eine Heimat geworden. Die älterenKinder von S A, Eund L, hätten beide am Flift Skifahren gelernt und würden mit L weit mehr als nur Urlaub verbinden. Sie würden aktuell in M wohnen und hätten fast alle Ferien, Feiertage und Familienfeste sowohl im Winter als auch im Sommer in L verbracht. Nachdem sich ein großer Teil des Familienlebens wie erwähnt in L abspiele, bedeute ein Aufenthalt in L für sie nach Hause kommen zu den Großeltern und Geschwistern, zu Onkel, Tanten, Cousins und zu den Großcousins der Kinder. Besonders für die Kinder der Beschwerdeführer sei es unverständlich, warum sie aktuell nicht mehr nach Hause dürften, um daran teilzuhaben.
Die Voraussetzungen zur Bewilligung der Wohnung als Ferienwohnung gemäß § 16 Abs 4 lit b RPG seien daher jedenfalls erfüllt. Zusammengefasst seien dies folgende Kriterien:
Die Antragsteller seien beide Söhne des vormaligen Eigentümers Dr. WA, der ihnen die Wohnung schenkungsweise übertragen habe. Es sei den Beschwerdeführern nicht möglich, aus beruflichen und familiären Gründen die Wohnung in Lganzjährig zu bewohnen. Dies liege nachvollziehbar in den beruflichen, aber auch familiären Umständen. Würden sie die Wohnung in L bewohnen, so könnten sie ihren beruflichen und familiären Pflichten nicht mehr nachkommen. Die betroffene Wohnung diene nicht anderen Personen zur Deckung eines ganzjährig gegebenen Wohnbedarfs. Die Wohnung stehe leer. Sie werde von niemandem mehr bewohnt. Der Vater habe die Wohnung aus gesundheitlichen Gründen aufgeben müssen. Besondere persönliche Verhältnisse seien insbesondere die intensive emotionale Bindung an L, da beide in L aufgewachsen seien. Auch die familiäre Verbindung zu L sei gegeben, da sie ihre Verwandten ausschließlich in L treffen würden, dort das gemeinsame Familienleben in Form von Familienfesten und Familientreffen führen würden und auch nur dort diese familiären Verhältnisse pflegen und leben könnten. Ausschließlich über die Nutzung dieser Wohnung bzwden Aufenthalt in L könnten sie diese familiären Verbindungen leben und pflegen. Neben familiären Verpflichtungen hätten sich aber auch Freundschaften und somit gesellschaftliche Vernetzungen und Verbindungen ergeben. Sie würden sich aus diesem Grunde nicht als Fremde sehen, die ein banales oder gar wirtschaftliches Interesse am Erwerb einer Ferienwohnung in L hätten, sondern würden tatsächlich besondere, insbesondere familiäre Gründe bestehen, die das vom Gesetz geforderte Interesse begründen würden.
Da aus Sicht der Beschwerdeführer alle vier vom Gesetz verlangten Kriterien erfüllt seien, sei es gerechtfertigt und begründet, ihnen zumindest die persönliche Möglichkeit einzuräumen, die Wohnung weiterhin wie bisher zu nutzen. Selbstverständlich würden sie sich derzeit an den Wunsch der Gemeinde halten, die Wohnung bis zur Entscheidung nicht zu nutzen. Dies bedeute für sie selbstverständlich einen hohen finanziellen und laufenden Aufwand, da sie statt der Nutzung der Wohnung Kosten für Hotelaufenthalte aufbringen müssten.
Abschließend sei erwähnt, dass dem Vater der Beschwerdeführer und Rechtsvorgänger im Zusammenhang mit dem Kauf der Wohnung im Jahr 2008 in Aussicht gestellt worden sei, dass diese Bewilligung nach Ablauf der befristeten Bewilligung zur Ferienwohnungsnutzung jederzeit wieder verlängert werde. Die Wohnung habe ja schon die Voraussetzungen zur Nutzung als Ferienwohnung, weshalb auch künftig die Bewilligung wieder erteilt werde. Diese Zusage sei auch vor dem Hintergrund erfolgt, dass fünf der insgesamt sieben Wohnungen in diesem Haus eine Ferienwohnungswidmung hätten. Es spreche also nichts gegen eine Verlängerung und eine Nutzung als Ferienwohnung. Im Vertrauen auf diese Angaben sei der Vater der Beschwerdeführer davon ausgegangen, die Wohnung kaufen zu können. Leider hätten sie sich auf die damaligen Informationen verlassen.
Es werde nochmals folgender Umstand herausgestrichen: Fünf von sieben Wohnungen in diesem Haus hätten eine Ferienwohnungswidmung. Auch die gegenständliche Wohnung habe eine solche (wenn auch befristete) Bewilligung als Ferienwohnung gehabt. Was spräche ernsthaft dagegen, ihnen als Kinder von Dr. W A zumindest die persönliche Möglichkeit einzuräumen, die Wohnung weiterhin zu nutzen. Der Vater sei nun 81 Jahre alt. Er könne aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Wohnung wohnen und diese auch kaum mehr besuchen. Sie hätten beinahe die ganze Freizeit in L verbracht und seien dort zum Teil aufgewachsen. M A würden 50 Lebensjahre mit Lverbinden, S A 40. Sie hätten sowohl Freunde als auch Verwandte in L.
Bei der Entscheidung werde auch ersucht zu berücksichtigen, dass das Gesetz vorsehe, dass die Wohnung nach dem Tod des Vaters ohne weitere Voraussetzung wieder benutzt werden dürfe (§ 16 Abs 4 lit a RPG). Dies bedeute, dass sie nun zuwarten müssten, bis der Vater sterbe.
Nach der Absicht des § 16 Abs 4 lit b RPG sollten sie die Wohnung eben schon zu Lebzeiten des Vaters nutzen dürfen, wenn sie eben begründen und nachweisen könnten, dass in ihrem Fall tatsächlich berücksichtigungswürdige Umstände vorliegen würden und sie keine Umgehungsabsichten hätten. Sie seien überzeugt, dass sie keine klassischen Fremden seien, die sich aus unerwünschten Motiven eine Wohnung zu Ferienzwecken endlich verschaffen wollten, sondern aufgrund der lebenslangen Verwurzelung und des vorangegangenen Hauptwohnsitzes des Vaters geradezu jene Betroffene darstellen würden, denen das Gesetz weiterhin die Nutzung der Wohnung gestatten wolle.
Zum Nachweis, dass im Hinblick auf die besonderen persönlichen, insbesondere familiären Verhältnisse, ein Interesse an der Nutzung der Wohnung als Ferienwohnung bestehe, werde die Anhörung folgender Personen als Zeugen beantragt: DI Dr. R W, DIBP, DI E W, F B, G G, Dr. WA.
4. Folgender Sachverhalt steht fest:
4.1. Mit Eingabe vom 30.04.2019 beantragten die Beschwerdeführer bei der Gemeinde L für die in ihrem gemeinsamen Eigentum stehende Eigentumswohnung W1 im Haus S XX in EZ XXX, KG L, eine Ferienwohnungsbewilligung gemäß § 16 Abs 4 lit b RPG.
Die gegenständliche Wohnung befindet sich auf einer als Baufläche-Wohngebiet gewidmeten Fläche. Die Wohnung liegt im Haus „A“. In diesem Haus befinden sich sieben Wohnungen, fünf dieser Wohnungen sind als Ferienwohnungen bewilligt.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde L vom 17.03.2008 ergangen an die damalige Eigentümerin dieser Wohnung, C P-B, wurde gemäß § 16 Abs 4 RPG in der damals geltenden Fassung die Nutzung der im Haus „A“ in L XX eingerichteten und mit Top 1 bezeichneten Wohnung als Ferienwohnung befristet auf die Dauer von 5 Jahren und somit bis Ende der Wintersaison 2013 bewilligt. Die Bewilligung erfolgte aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen, die in der persönlichen Natur der Antragstellerin lagen (ohne nähere Begründung).
Der Vater der Beschwerdeführer, Dr. W Aerwarb die gegenständliche Wohnung im November 2008 in der Annahme, die Bewilligung für die Nutzung dieser Wohnung als Ferienwohnung werde nach Ablauf von 5 Jahren neuerlich erteilt werden. Dies war nicht der Fall, ein Antrag um Verlängerung der bestehenden Nutzung als Ferienwohnung wurde rechtskräftig abgewiesen.
In der Folge verlegte Dr. W A seinen Hauptwohnsitz von Hin diese Wohnung in Lim Zeitraum vom 22.07.2013 bis zum 06.05.2019. Aus gesundheitlichen Gründen verlegte er danach seinen Hauptwohnsitz wieder zurück nach H.
Im Dezember 2015 schenkte er die gegenständliche Wohnung an die Beschwerdeführer (vorweggenommene Erbfolge) gegen Einräumung des Fruchtgenussrechtes.
4.2. Der Beschwerdeführer DI S A ist in M wohnhaft, der Beschwerdeführer MMag. Dr. M A ist in H wohnhaft. Beide hatten nie einen Wohnsitz in der Gemeinde L. DI S A führt eine Steuerberatungskanzlei mit mehreren Mitgliedern in V, MMag. Dr. M A führt eine Steuerberatungskanzlei mit mehreren Mitarbeitern in H.
Die gegenständliche Wohnung wurde insbesondere von den Eltern der Beschwerdeführer intensiv genutzt, aber auch die Beschwerdeführer nutzten diese Wohnung intensiv. Insbesondere im Winter und in den Semesterferien wurde diese Wohnung von den Beschwerdeführern genutzt, aber auch im Sommer verbrachten die Beschwerdeführer Zeiten in dieser Wohnung. Zahlreiche Familienfeste, Geburtstagsfeiern und sonstige feierliche Anlässe wurden von den Familien der Antragsteller in L in dieser Wohnung begangen.
4.3. Mehrere Verwandte der Beschwerdeführer haben bzw hatten seit vielen Jahren Ferienwohnungen in L, weshalb die Beschwerdeführer seit frühester Jugend regelmäßig ihre Ferien in L verbrachten. Im Zuge dieser Ferienaufenthalte entstanden auch soziale und gesellschaftliche Kontakte zu Personen, die in L ihren Wohnsitz haben. Weiters wurden durch diese Ferienaufenthalte die Kontakte zur Verwandtschaft gepflegt, insbesondere mit jenen Personen, die im Winter ebenfalls ihre Ferien in L verbrachten.
Im Jahr 1971 erwarb der Großvater mütterlicherseits, Dr. E W, eine Ferienwohnung im Haus „A“ in L. Dort verbrachten die Beschwerdeführer einen Großteil ihrer Ferien als Kinder und Jugendliche, meist im Winter, aber auch im Sommer. Im Jahr 1985 wurde diese Wohnung nach dem Tod der Großeltern an den Onkel Dr. RW und an den Onkel DI E W übertragen.
In L fanden regelmäßig gemeinsame Familienfeste wie Geburtstagsfeiern und sonstige feierliche Anlässe statt, die Beschwerdeführer verbrachten einen Großteil ihrer Kindheit und Jugend in L im Haus ihrer Verwandten, die ebenfalls eine Ferienwohnung in L hatten.
In den Jahren 2002 bis 2008 hatten die Eltern der Beschwerdeführer im Haus „V“, eine Ferienwohnung ganzjährig gemietet und wurde diese Wohnung von den Eltern der Beschwerdeführer und ihnen intensiv genutzt. Auch der Onkel der Beschwerdeführer, DI B P aus O bei S, hatte die Nachbarwohnung im Haus„V“ im gleichen Zeitraum mieten können und wurde diese Wohnung von ihm und seiner Familie (Ehefrau und zwei Söhne und eine Tochter) ebenfalls intensiv genutzt und fand der Kontakt zu dieser Familie aus räumlichen Gründen nahezu ausschließlich in L statt.
Keiner der Beschwerdeführer hatte jemalseinen Hauptwohnsitz in L gemeldet, auch keiner der Verwandten der Beschwerdeführer hatte jemals einen Hauptwohnsitz in L, abgesehen vom Vater der Beschwerdeführer, Dr. W A.
5. Dieser Sachverhalt wird aufgrund der vorliegenden Akten als erwiesen angenommen. Der Sachverhalt ergibt sich insbesondere aus dem behördlichen Akt der Gemeinde Lsowie aus dem Akt des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg, Zahl LVwG-302-17/2020-R6. Der Sachverhalt wird im Wesentlichen nicht bestritten.
Von der beantragten Anhörung der Zeugen konnte Abstand genommen werden, da die Ausführungen der Beschwerdeführer betreffend ihre Ferienaufenthalte in L bei ihren Verwandten und das Knüpfen sozialer Kontakte in L ab frühester Kindheit als glaubwürdig angesehen und diesem Verfahren zugrunde gelegt werden.
6.1. Gemäß § 16 Abs 4 lit b Raumplanungsgesetz, LGBl Nr 43/1999 idF LGBl Nr 78/2015, kann die Gemeindevertretung die Nutzung von Wohnungen oder Wohnräumen, die nach den raumplanungsrechtlichen Vorschriften für Wohnzwecke genutzt werden dürfen, als Ferienwohnung mit Bescheid bewilligen auf Antrag des Eigentümers der betreffenden Wohnung oder des betreffenden Wohnraums, wenn er zum Kreis der gesetzlichen Erben des vormaligen Eigentümers gehört und ihm aufgrund geänderter Umstände, insbesondere aufgrund beruflicher oder familiärer Veränderungen, eine Verwendung zur Deckung eines ganzjährig gegebenen Wohnbedarfs nicht möglich oder zumutbar ist, die Wohnung oder der Wohnraum anderen Personen nicht der Deckung eines ganzjährig gegebenen Wohnbedarfs dient und der Antragsteller im Hinblick auf besondere persönliche, insbesondere familiäre Verhältnisse, ein Interesse an der Nutzung der Wohnung oder des Wohnraums als Ferienwohnung hat.
In den Erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zu LGBlNr 22/2015 wird zu § 16 Abs 4 lit b RPG Folgendes ausgeführt: „Wenn die betroffene Person (zB Sohn oder Tochter) den Dauerwohnsitz aus beruflichen oder familiären Grundgründen woanders hin verlegt, soll ihr die Nutzung als Ferienwohnung ermöglicht werden, sofern und solange (noch) besondere persönliche Gründe vorliegen. Solche besonderen Gründe können insbesondere in der Aufrechterhaltung von Kontakten zu Familienangehörigen (zB Eltern) bestehen, die im Nahbereich der betreffenden Wohnung leben.“
6.2. Die mit § 16 RPG verfolgte Regelung dient dem Allgemeininteresse der Erhaltung einer dauerhaft ansässigen Bevölkerung, weshalb Beschränkungen für Ferienwohnungen grundsätzlich zulässig sind. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind gesetzlich vorgesehene Ausnahmebestimmungen grundsätzlich restriktiv auszulegen (vgl zB VwGH 21.02.2014, 2012/06/0209, zum Vorarlberger Baugesetz).
Zunächst ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführer zum Kreis der gesetzlichen Erben des vormaligen Eigentümers – nämlich ihres Vaters – gehören. Auch haben die Beschwerdeführer glaubwürdig dargetan, dass es ihnen insbesondere aus beruflichen und persönlichen bzw familiären Gründen nicht möglich ist, diese Wohnung zur Deckung eines ganzjährig gegebenen Wohnbedarfs zu verwenden, da die Beschwerdeführer jeweils eine Steuerberatungskanzlei in H bzw in V führen.
Es ist daher zu prüfen, ob geänderte Umstände, insbesondere berufliche oder familiäre Veränderungen, vorliegen und ob die Antragsteller im Hinblick auf besondere persönliche, insbesondere familiäre Verhältnisse, ein Interesse an der Nutzung der Wohnung oder des Wohnraums als Ferienwohnunghaben.
Wie bereits dargetan, erwarb der Vater der Beschwerdeführer, Dr. W A, die gegenständliche Wohnung im Jahr 2008. Mit bereits erwähntem Bescheid vom 17.03.2008 war im Zeitpunkt des Eigentümerwechsels die Nutzung dieser Wohnung als Ferienwohnung befristet auf die Dauer von 5 Jahren erteilt worden, wobei diese Bewilligung aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt wurde, die in der persönlichen Natur der Antragstellerin C P-B lagen.
Dem nachfolgenden Eigentümer dieser Wohnung, Dr. W A, wurde zu keinem Zeitpunkt eine Bewilligung zur Nutzung dieser Wohnung als Ferienwohnung erteilt. Es war ihm daher die Nutzung dieser Wohnung lediglich als Hauptwohnsitz möglich, weshalb er seinen Hauptwohnsitz auch tatsächlich nach L verlegte. Für das Verwaltungsgericht bestehen keine Zweifel daran, dass Dr. WA im Zeitraum zwischen 2013 und 2019 in dieser Wohnung in L seinen Hauptwohnsitz hatte und in diesem Zeitraum auch die Beschwerdeführer oft in L in dieser Wohnung weilten.
Das durchgeführte Ermittlungsverfahren hat weiters ergeben, dass die Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt einen Hauptwohnsitz oder einen Ferienwohnsitz in L hatten. Das Verwaltungsgericht folgt den glaubwürdigen Angaben der Beschwerdeführer, wonach diese seit ihrer frühesten Kindheit und Jugend ihre Winter- und teilweise auch Sommerferien regelmäßig in L bei ihren Verwandten verbrachten bzw in gemieteten Ferienwohnungen. Auch wird von den glaubwürdigen Angaben der Beschwerdeführer ausgegangen, dass durch deren regelmäßigen Aufenthalte in L diverse soziale und gesellschaftliche Kontakte geknüpft wurden und eine enge emotionale Bindung an den Ort Lals Feriendomizil besteht.
Es liegen aber keine Hinweise dafür vor, dass die Beschwerdeführer aufgrund besonderer persönlicher, insbesondere familiärer Verhältnisse ein Interesse an der Nutzung der Wohnung als Ferienwohnung haben. So wird diese Wohnung laut den eigenen Angaben der Beschwerdeführer von ihnen ausschließlich zu Ferienzwecken genutzt, und zwar zu Zeitpunkten, an denen auch zahlreiche Verwandteder Beschwerdeführer ihre Ferien in L verbringen, wie zB in den Semesterferien. Diesbezüglich ist die Nutzung dieser Wohnung durch die Beschwerdeführer vergleichbar mit Dauergästen, die viele Jahre über regelmäßig am selben Ort Urlaub machen und sich dort zur selben Zeit mit denselben Personen/Familienangehörigen treffen. Die Beschwerdeführer konnten nicht nachweisen, dass sie aufgrund besonderer persönlicher Verhältnisse ein Interesse an der Nutzung dieser Wohnung als Ferienwohnung haben, zB indem sie auch außerhalb der „klassischen Ferienzeiten“ diese Wohnung als Ferienwohnung nutzen, um beispielsweise familiäre Kontakte zu pflegen oder anderweitigen Verpflichtungen, zB als Mitglieder von Vereinen oder sonstigen Organisationen in L, nachzukommen.
Die ausschließliche Nutzung dieser Wohnung zu Ferienzwecken zu Zeitpunkten, an denen regelmäßig auch andere Familienangehörige ihre Ferien in L verbringen und somit zu diesen Zeitpunkten regelmäßig große Familienfeste und sonstige Feierlichkeiten gemeinsam stattfinden, kann nicht als Nachweis für besondere persönliche, insbesondere familiäre Verhältnisse für ein Interesse an der Nutzung der Wohnung als Ferienwohnung angesehen werden. Dies insbesondere auch aus dem Grund, da - laut den Angaben der Beschwerdeführer - keine der von den Beschwerdeführern genannten verwandten Personen sich auch außerhalb dieser klassischen Ferienzeiten in L aufhält.
Bei diesem Sachverhalt ist nicht zu berücksichtigen, dass im Haus A fünf von sieben Wohnungen über eine Bewilligung zur Nutzung als Ferienwohnung verfügen, da Bewilligungen nach § 16 Abs 4 lit a und b RPG keine dingliche Wirkung haben und solche raumplanerischen Aspekte außer Acht zu bleiben haben. Die Erteilung von Bewilligungen gemäß § 16 Abs 4 lit a und b RPG stellt vorwiegend auf Eigenschaften ab, die in der Person des Bewilligungsinhabers liegen und im Falle eines Eigentümerwechsels die Berechtigungen nach § 16 Abs 4 lit a und b zur Nutzung der betreffenden Wohnung als Ferienwohnung erlöschen (vgl 35. Beilage im Jahre 2014 zu den Sitzungsberichten des XXX. Vorarlberg Landtages, Regierungsvorlage Beilage 35/2014).
Es war daher der Beschwerde keine Folge zu geben und die beantragte Ferienwohnungsbewilligung gemäß § 16 Abs 4 lit b RPG zu versagen.
7. Die Revision ist zulässig, da im vorliegenden Fall eine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Insbesondere fehlt es an einer Rechtsprechung des VwGH zur Auslegung der Bestimmung des § 16 Abs 4 lit b RPG bezüglich der Frage, was unter besonderen persönlichen und familiären Verhältnissen zu verstehen ist.
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